Rosenkrieg
Ja, da gibt es Missverständnisse, auch bei ranghohen Youkai. Und das endet leicht in einem Duell.
22. Rosenkrieg
Shiro stand am Fenster in ihrem Zimmer, drückte ihre Stirn gegen das Geflecht, ohne wirklich etwas draußen zu erkennen. In ihr herrschte eine seltsame Mischung aus Wut und Verzweiflung. Seit zehn Tagen waren sie nun wieder hier im Schloss, alles schien seinen gewohnten Gang zu gehen, wenn man davon absah, dass Yuri und Myu geheiratet hatten, übermorgen zu Yuris Schloss reisen wollten.
Aber seit zehn Tagen hatte Sesshoumaru sie kein einziges Mal in sein Arbeitszimmer befohlen, um etwas mit ihr zu besprechen, seit zehn Nächten war er kein einziges Mal zu ihr gekommen. Obwohl er bei öffentlichen Veranstaltungen sie als Fürstin teilnehmen ließ, sogar einige Worte mit ihr wechselte, behandelte er sie sonst wie Luft.
Warum nur? Was hatte sie falsch gemacht? Sie fand keine Antwort. Auch auf der Reise war er lieber mit Yuri gegangen, hatte sie Myu hüten lassen. Mit ihr gesprochen hatte er schon da nicht mehr viel, wie ihr erst jetzt auffiel. Sicher, sie hatte mit ihm gegen Dai Oya kämpfen dürfen, da geglaubt, er vertraue ihr wieder, aber die vergangenen Tage hatten nur zu deutlich gezeigt, dass dem wohl nicht so war. Sie hatte sich doch solche Mühe gegeben, seine Wünsche bedingungslos zu erfüllen. Wodurch nur hatte sie versagt? Was hatte sie nicht beachtet, welchen Befehl falsch ausgeführt? Warum nur verachtete er sie wieder?
Plötzlich kroch eine ungute Vorstellung in ihr empor. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht. Wäre es möglich...? Sie richtete sich auf. Nahm ihr Gefährte etwa an, Dai Oya habe sie entehrt? Wollte er darum nicht mehr ihr Bett teilen? Aber warum tötete er sie dann nicht? Warum schickte er sie nicht zu ihrem Bruder zurück? Weil er keinen Beweis hatte? Oder aber.....ein noch grässlicherer Gedanke stieg in ihr auf. Hatte er etwa Mitleid mit ihr? Wollte er sie nicht bestrafen für etwas, für das sie nichts konnte? Oder können würde, da ja nichts geschehen war. Wollte er ihr ihren Rang als Fürstin nach außen hin lassen, auch, wenn er sie nie wieder anrühren würde?
Nachsicht, Mitleid, Schonung?
Sie presste die Lippen zusammen. Dann ergäbe sein Verhalten einen Sinn. Sie würde die Fürstin bleiben - aber ihr Gefährte würde sich eine andere Hundeyoukai suchen, in deren Schoss er seinen Erben zeugen konnte, mit der er sich besprechen würde.
Sie fuhr herum: "Rin?"
Das Menschenmädchen kam sofort herein. Da Tamiko noch im Süden war, war sie im Augenblick die einzige persönliche Dienerin der Fürstin: "Shiro-sama?"
"Hole mir haori und hakama. Und meine Rüstung. Ich möchte trainieren." Sie brauchte etwas, um sich abzureagieren. Damals, als Sesshoumaru sich geweigert hatte, sie zu heiraten, da sie die Tochter eines Verräters gewesen sei, hatte sie in tagelangen, verbissenen Trainingseinheiten ihren Zorn einigermaßen unter Kontrolle gebracht. Und die Vorstellung, dass er Mitleid mit ihr hatte...Sie ballte unwillkürlich die Hände.
Sesshoumaru saß in seinem Arbeitszimmer, als er das Youki seiner Gefährtin spürte. Trainierte sie zu so ungewohnter Stunde? Er erhob sich, trat an das Fenster, von wo aus er den Übungsplatz sehen konnte. Tatsächlich. Ein wenig überrascht erkannte er, wie sie eine sehr lange, anstrengende Reihe von Übungen begann. Und das in der größten Mittagshitze. Dann aber konnte er ihr Gesicht sehen und bemerkte, dass sie so versuchte, ihrer Gefühle Herr zu werden.
Dann würde das Training ihr sicher gut tun. Er wusste nicht, was ihr bei den Piraten und Dai Oya genau alles widerfahren war, aber er konnte sich vorstellen, dass es sie an den Rand ihrer Selbstbeherrschung gebracht hatte. Darum hatte er auf der Jagd nach dem Magier schon versucht, sie möglichst zu schonen, auch, wenn er im Schlusskampf ihre Technik gebraucht hatte. Und seit sie hier waren, hatte er sie in Ruhe gelassen, hatte warten wollen, ehe sie wieder vollkommen wiederhergestellt war, bevor er sie mit Verwaltungsdingen belastete, ihr gar durch seine Annäherungen lästig fiel. Wenn sie die Erinnerungen an ihre Gefangenschaft jetzt durch hartes Training abbauen könnte, wäre es nur gut für sie.
Vielleicht sollte er ihr zusehen. Er drehte sich um und verließ ohne ein Wort sein Arbeitszimmer. Seine Schreiber sahen ihm schweigend hinterher. Auch sie konnten das Youki der Fürstin spüren und vermuteten, wohin er wollte.
Sesshoumaru stand neben dem Trainingsplatz. Ihre Bewegungen waren elegant, zeugten von langem, hartem Training. Aber sowohl die viel zu hoch eingesetzte Energie, als auch der Nachdruck in den Schlägen und Abwehrtechniken bewiesen eine tief in ihr tobende Wut. Ob sie sich vorstellte, wie sie Dai Oya tötete? Shiro hatte ihn entdeckt, brach die Bewegung ab. Aber der Youkaifürst hatte ihren Blick gesehen und eines begriffen. Ihre Wut richtete sich nicht gegen den Magier. Sondern gegen ihn.
War sie zornig, weil er hatte fliehen können und sie nicht? Weil er und Yuri so spät gekommen waren? Aber sie musste doch wissen, dass es nicht anders gegangen wäre. Zugleich beschloss er aber, ihr zu helfen. Wenn sie auf ihn wütend war, sollte sie ihre Wut abreagieren können. Vielleicht wäre sie danach ausgeglichen. Er legte daher die Hand an sein Schwert: "Möchtest du gegen mich trainieren, Shiro?"
Sie atmete tief durch. Was sollte das denn jetzt? Aber vielleicht war das eine Möglichkeit, diese unerträgliche Situation zu beenden. So meinte sie: "Ja."
Für einen langen Moment standen sie sich gegenüber, ehe Shiro ihre Klinge mit Youki auflud. Sie sah für sich nur noch eine Möglichkeit, außer sich selbst umzubringen. Obwohl, dachte sie, eigentlich ist das genau das Gleiche. Sie schleuderte mit einer harten Armbewegung ihr Youki gegen den Hundefürsten, der fast gelassen parierte. Die Energie flog beiseite. Er war nicht überrascht, dass sie nicht zunächst Stahl auf Stahl kämpfen wollte. Sie musste sich in einer nervenangespannten Situation befinden, aus der ihr nur ein harter Kampf heraushelfen würde. So setzte auch er sein Youki frei. Wie zu erwarten, vermochte sie es zu reflektieren, so dass er seinem eignen Angriff ausweichen musste.
Die eingesetzten Energien waren stark genug, um Inuyasha und Yuri aus dem Haus zu locken, auch einige andere Youkai kamen heran. Ein solcher Trainingskampf war gewiss sehr interessant. Sie beobachteten denn auch gespannt Sesshoumarus Youkiangriffe, Shiros Reflexionen, die sie mit ihrem eigenem Youki noch erhöhte.
Aber je länger das dauerte, umso deutlicher war eines zu spüren:
"Sag mal, Yuri", wandte sich Inuyasha an ihn: "Was ist denn da los? Ist Shiro übergeschnappt?"
"Spürst du es auch?" Der Youkaiprinz klang angespannt.
"Ich merke, dass sie dauernd ihre eingesetzte Energie steigert. Das macht man doch nicht bei einem Trainingskampf."
"Sie zeigt schon fast ihr gesamtes Youki offen. Aber Sesshoumaru sagt nichts. Er erhöht seines allerdings auch." Yuri warf einen Blick hinüber: "Eines ist natürlich auch klar. Sie muss verrückt geworden sein. Niemand darf es ungestraft wagen, den eigenen Fürsten so hart zu attackieren, noch dazu den eigenen Gefährten. Wenn sie so weitermacht und er sie tötet, hat er alles Recht dazu."
Inuyasha nickte leicht. Plötzlich fiel ihm ein, dass er einst einem Duell zwischen den beiden zugesehen hatte. Und Shiro hatte damals schon bewiesen, dass sie bereit war, zu sterben, wenn sie nicht siegen konnte. Aber das hier war doch ein Training, oder? Er begriff blitzartig: "Genau das will sie erreichen", sagte er.
"Wie bitte?"
"Shiro will, dass er sie tötet. Warum auch immer. Ich habe keine Ahnung, was da zwischen den beiden vorgefallen ist. Aber du kennst ja ihren Stolz. Und dickköpfig sind sie beide."
Yuri schüttelte leicht den Kopf. Er konnte sich das nicht so ganz vorstellen, wusste er doch, wie sehr sein Cousin seine Gefährtin mochte. Und umgekehrt.
Sesshoumaru betrachtete seine Gegnerin. Sie wagte es tatsächlich, ihn voll und hart zu attackieren, mit allem, was sie hatte. Verbotenerweise in einem Übungskampf. Und das, obwohl sie damit rechnen musste, dass er zurückschlagen würde, ebenfalls Ernst machen würde. Oder glaubte sie etwa, sie könnte seine komplette Macht auch noch reflektieren? Gegen ihn gewinnen? Da würde sie sich täuschen. Ihr Schwert trug auch seinen Fangzahn in sich, was es zum einen stärker machte. Aber zum anderen war er so der einzige, der es überwinden konnte. Warum auch immer, diese Sache mit Dai Oya musste sie völlig aus der Bahn geworfen haben.
"Schluss jetzt", sagte er kalt. Mit zwei leichten Drehungen seines Handgelenkes lud er Tokejin mit allem Youki auf, das er besaß.
Die entsetzten Zuschauer gingen vorsorglich in Deckung.
Shiro blieb stehen, ihr Schwert verteidigungsbereit. Aber sie vermutete, dass sie diese Attacke nicht zurückschicken konnte. Sie hatte gegen Dai Oya schon genug Probleme gehabt - und er ihn mit einem einzigen Angriff getötet. Allerdings wusste sie, dass sie das provoziert hatte. Und besser sterben, als verachtet weiterleben zu müssen. Sie erkannte die gewaltige Energie, die auf sie zulief, versuchte instinktiv, doch noch einen Abwehrkreis zu schlagen, aber es war schon zu spät. Sie wurde von der Wucht des Aufpralles zurückgeschleudert, schrie unwillkürlich etwas auf, ehe sie kaum bei Bewusstsein liegen blieb. Dennoch begriff sie irgendwo im tiefsten Innern, dass sie gerade geschont worden war. Im allerletzten Moment musste er einen guten Teil seines Youki zurückgehalten haben. Im nächsten Augenblick spürte sie ein Gewicht auf sich, Schwertabfangdornen, ein Schwert an der Kehle.
Keuchend starrte sie zu ihrem Gefährten auf: "Töte mich", brachte sie hervor: "Wenn du schon glaubst, dass Dai Oya mich entehrt hat! Ich will dein Mitleid nicht!"
Sesshoumaru stutzte unmerklich. Was redete sie da? Wie kam sie denn auf diesen Gedanken? Aber dann begriff er, dass sie seine Rücksichtnahme der letzten Tage für Verachtung gehalten hatte. Und sie musste geglaubt haben, er verstoße sie nur aus Erbarmen nicht. Meine arme Shiro, dachte er. Aber er sagte laut: "Gerade du solltest wissen, dass ich kein Mitleid kenne." Er erhob sich, schob sein Schwert weg: "Geh in deine Räume. Ich werde mir überlegen, wie ich dein Verhalten bewerte."
Sie stand mühsam auf, bemerkte jetzt erst die Zuschauer, die sie alle fassungslos anstarrten. Sie wusste, sie hatte mehr als einen Fehler begangen. Sie hatte als rangniedriger Hundeyoukai den Inu no Taishou angegriffen, als Untertan den Fürsten, zumal ihren Gefährten. Er hatte gleich drei Mal das Recht, sie zu töten, oder anders zu bestrafen. Und so, wie er das gesagt hatte, würde sie am Leben bleiben müssen.
Yuri stand neben ihr: "Was war denn in dich gefahren?" fragte er.
Sie schüttelte müde den Kopf: "Lass mich."
"Er wird dich bestrafen, das hast du gehört?"
"Ja." Sie wandte sich ab und ging. Sie konnte noch wahrnehmen, wie die Diener sich überlegten, was wohl auf sie warten würde.
In ihrem Zimmer gab sie Rin ihre Rüstung: "Bringe mir einen weißen Kimono", befahl sie: "Nur einen."
"Nur einen?"
Sie sollte sie ausbilden: "Ja, nur einen. Ich habe einen schweren Fehler begangen und Sesshoumaru-sama wird mich richten. Da ziemt sich nicht der Kimono einer Fürstin. Denn er wird mich gewiss strafen."
"Oh, das glaube ich nicht. Er mag Euch zu sehr." Die Kleine ging.
Ach, was verstehst du von Stolz und Ehrgefühl, Menschenkind, dachte Shiro unwillkürlich, als sie ihre Kleidung abstreifte. Ich habe völlig falsch reagiert, mich nicht unter Kontrolle behalten. Und allein das verdient schon...Ja, was? Sie bezweifelte nicht, dass er die für sie schlimmstmögliche Strafe suchen würde. Und er kannte sie viel zu gut, als dass er ihren schwachen Punkt nicht wüsste. Ihren Stolz.
Würde er sie zurück zu Akamaru schicken? Sie wäre dort eine lästige Verwandte, hatte er doch nun eine eigene Gefährtin und Miyaki würde sicher auf ihrem Vorrang bestehen. Überdies wüsste ihr Bruder gewiss bis dahin, wie unmöglich sie sich betragen hatte. Nein, bevor sie zurück in den Süden ginge, würde sie sich umbringen. Aber das wüsste auch Sesshoumaru. Und da er sie nicht getötet hatte, sie leben sollte, würde er sie hier behalten wollen, ihr auch nicht erlauben, rituellen Selbstmord zu begehen.
Sie nahm den weißen Kimono, den ihr Rin reichte, band sich auch einen weißen Gürtel um. Ob er sie schlagen lassen würde? Es selbst tun würde? Oder aber.....sie erinnerte sich plötzlich an ihre Gedanken zuvor. Wenn er sich nun eine andere Gefährtin suchen würde? Sie selbst herabstufen zu einer Konkubine? Das wäre der übelste aller möglichen Fälle, das Demütigendste, das sie sich vorstellen konnte, ihrer Nachfolgerin zu Diensten sein zu müssen. Und alles nur, weil sie ihre Selbstbeherrschung verloren hatte, zu stolz gewesen war, die Mutmaßung ihres Gefährten über sich hinzunehmen.
Sie bemerkte, dass Rin sie betrachtete: "Was ist?"
"Ihr denkt zuviel, Shiro-sama. Vertraut ihm doch. Er ist gut."
Zu dir schon, dachte die Hundeyoukai. Aber sie sagte: "Lass mich nun allein, Rin."
"Ja." Sie verschwand sofort. Sie hätte gern noch die Fürstin getröstet, aber Tamiko hatte ihr schon beigebracht, dass sich das nicht schickte. Ob sie zu Sesshoumaru-sama gehen sollte, ihn fragen sollte...? Aber das war vermutlich auch wieder falsch. Das Leben in so einem Schloss konnte ganz schön kompliziert sein.
"Rin."
Sie fuhr herum, strahlte: "Sesshoumaru-sama!"
"Warst du bei Shiro?"
"Ja." Sie zögerte ein wenig, ehe sie sagte: "Sie meinte, sie habe einen Fehler gemacht und Ihr werdet sie bestrafen." Sie sah hinauf: "Werdet Ihr?"
"Ja."
"Sie hat große Angst."
Sesshoumaru betrachtete das kleine Menschenkind, wieder einmal erstaunt: "Hat sie dir das gesagt?"
"Nein, natürlich nicht. Shiro-sama sagt nie, was sie denkt. Aber sie hat sich umgezogen..."
Dem Hundefürsten war nicht ganz klar, was das mit Angst zu tun haben sollte: " Du brauchst heute nicht mehr zu ihr gehen."
Rin guckte in die kalten, bernsteinfarbenen Augen. Und was sie dort sah, ließ sie nur antworten: "Ja, Sesshoumaru-sama." Sie kannte ihn doch so gut.
Er wandte sich ab, ging weiter. Der Räume der Fürstin waren durch einen Seitengang zu erreichen, der mit verschiedenen Schiebetüren je nach Bedarf abgetrennt werden konnte. Er blickte zu den beiden Dienerinnen, die vor der letzten knieten, um von den Zofen weitergeschickt werden zu können, falls Shiro Durst hätte oder andere Wünsche: "Geht. Und schließt alle Türen hinter euch."
"Ja, Sesshoumaru-sama." Sie hatten schon von dem Auftritt auf dem Übungsplatz gehört und nahmen nicht an, dass der Fürst gute Laune hätte. So sprangen sie förmlich seitwärts, schoben hinter ihm die erste Gangtür zu.
Er vernahm, dass sie es auch mit den weiteren taten. Niemand würde hören können, was sich im Zimmer der Fürstin abspielte. So schob er die letzte Tür beiseite.
Shiro neigte sich nur höflich vor. Sie durfte nicht reden, ehe er sie nicht ansprach, wollte doch auch wieder Selbstbeherrschung zeigen. Sie hörte, wie die Tür geschlossen wurde, dass er näher kam.
"Übertreibst du nicht ein wenig, Shiro?" Das klang spöttisch.
Sie begriff nicht, antwortete aber nur: "Ich verstehe nicht..." ohne sich zu bewegen.
"Ganz in weiß. Nimmst du an, dass ich dir befehlen würde, Sepukku zu begehen?"
"Ich würde gehorchen."
"Ich weiß. Aber ein ritueller Selbstmord erscheint mir unpassend." Das hatte sie befürchtet. "Steh auf. Ich habe keine Lust, deinen Rücken anzusehen."
Sie gehorchte. So direkt vor ihm wurde ihr wieder bewusst, wie groß er war. Die Schwertdornen seiner Rüstung waren fast auf Höhe ihres Gesichtes. Sie fühlte, wie er die Hand unter ihr Kinn legte, sie so zwang, ihn anzusehen. "Närrin", sagte er: "Wieso sollte ich annehmen, Dai Oya hätte dich entehrt?"
"Ich weiß, da gibt es diesen Bann, den Youkaifürsten auf ihre Braut legen", gestand sie: "Aber Dai Oya war ein sehr mächtiger Magier..."
"Du hast von dem Bann gehört." Das klang sachlich. Sie konnte seiner Miene nichts ablesen. "Ist dir also nie etwas aufgefallen, Shiro?"
Was meinte er nur? "Nein."
"Ich habe keinen solchen Bann auf dich gelegt."
"Aber...warum?" Jetzt war sie mehr als verwirrt.
"Wie du dich vielleicht erinnerst, gab es da Narakus Flüche und ich wollte keine Reaktionen damit auslösen."
"Ja, aber..." Irgendwie verstand sie gerade gar nichts mehr.
"Du bist viel zu stolz dafür, mich zu hintergehen. Und falls Dai Oya - wohlgemerkt, dieses Nebelwesen - tatsächlich dich entehrt hätte, hättest du mir das als erstes erzählt."
Er hatte Recht. Shiro begriff nicht, wie sie so dumm hatte sein können. Natürlich. Der Magier war nur ein Zaubergeschöpf gewesen, ohne eigenen Körper. Und sie gestand Sesshoumaru zu, dass er sie wirklich kannte. Ja, sie hätte ihn sofort um ihren Tod gebeten, hätte Dai Oya...Aber das brachte sie nur zu der Erkenntnis, wie verrückt, ja, verblödet sie da auf dem Übungsplatz auf ihn gewirkt haben musste. Sie schloss die Augen, wagte aber nicht, ihr Gesicht aus seinem Griff zu befreien. "Du bist gekommen, um mich zu strafen", flüsterte sie: "Bitte, sag, was du beschlossen hast."
Er betrachtete sie. Er konnte wittern, dass Rin Recht gehabt hatte, sie hatte Angst. Nicht um ihr Leben, vermutlich nicht einmal vor Schmerzen...aber davor, dass er ihren Stolz verletzen, vernichten würde. "Nun, der Angriff auf einen Fürsten mit vollem Youki in einem Trainingskampf ist Hochverrat. Aber das weißt du, hast es immer gewusst. Und du wolltest da ja auch, dass ich zurückschlage, dich töte, nicht wahr? Närrin, die du bist. Konntest du dir nicht vorstellen, dass ich dir Zeit geben wollte, dich von den Strapazen zu erholen?"
Shiro riss förmlich die Augen auf. War das wahr? Aber dann begriff sie. Natürlich, er hatte ja nicht wissen können, dass Uzume sie da zum Weinen gebracht hatte, ihre angeschlagene Psyche geheilt hatte. Und sie hatte so dumm reagiert. "Nein", sagte sie: "Ich fühlte mich ja schon seit dem Besuch in der anderen Welt sehr gut."
Er gab sie frei: "Ich verstehe. Dessen ungeachtet hast du mich heute in eine unangenehme Situation gebracht."
Sie sah zu Boden: "Ich bin mir dieser Tatsache bewusst. Willst du....willst du eine andere Gefährtin?"
Er war ein wenig überrascht. Das war ihre größte Furcht? "Nein. Aber ich will Genugtuung."
Sie nickte, wagte dann aber, zu ihm aufzublicken: "Räche dich."
"Das werde ich. Und du wirst um Gnade bitten, meine Fürstin."
Shiro spürte überrascht, wie er den Arm um sie legte, ihren Mund suchte.
Er sollte Recht behalten.
Yuri ging unruhig auf und ab. Inuyasha seufzte: "Setz dich endlich! Shiro wird das schon überleben." Er hatte seinen Cousin vorher auch schon mit sanfter Gewalt in sein Zimmer geschleift.
"Ich hoffe, aber..."
"Setz dich. Und das ist ein Befehl!"
Der Prinz gehorchte: "Warum bist du nur so gelassen? Er ist seit Stunden bei ihr."
"Was bedeutet, dass er sie nicht töten will. Das macht er immer sauber und schnell." Inuyasha betrachtete seinen Cousin. "Und er würde mit Sicherheit dich umbringen, wenn du da in Shiros Zimmer platzt. Im Übrigen muss ich dich daran erinnern, dass dich Shiro nichts anzugehen hat. Außerdem hast du Myu."
"Ja, ich weiß. Ich bin auch sehr froh drum. Und du hast mir vermutlich den Hals gerettet. Ich war zuvor schon versucht, hinterher zu gehen, zu versuchen, Shiro zu schützen."
"Schon klar, aber ich mach mir da mal keine Sorgen." Der Hanyou trank einen Schluck Tee: "Rin ist doch Shiros Zofe und obwohl sie Sesshoumaru verehrt, mag sie auch Shiro. Glaubst du im Ernst, sie würde Lieder singend durch den Garten gehen und Blumen pflücken, wenn da was Tragisches am Laufen wäre?"
"Da ist etwas Wahres dran." Yuri entspannte sich: "Du willst auch übermorgen abreisen, Inuyasha-sama?"
"Ja. Kagome in ihrer Zeit besuchen und später ein paar alte Freunde. Endlich bin ich ja hier den Job wieder los. Auch, wenn der Herr Prinz natürlich noch bei dem Fest erscheinen muss," ergänzte er spöttisch.
"Ja, morgen ist das Abschiedsfest." Der Hundeprinz lehnte sich gegen die Wand: "Und ich werde Myu dann in mein Schloss einführen." Ob sie den Garten vielleicht anders mochte? Katzen mochten doch bestimmte Pflanzen gern? Er begann zu planen.
Sesshoumaru betrachtete Shiro, die in seinem Arm lag. "Aishiteru", hatte sie zuvor geflüstert, ohne es mitzubekommen. Ich liebe dich. Er wusste, das war auch der Grund, warum sie solche Furcht vor seiner Geringschätzung hatte. Seine Zurückweisung über Jahrhunderte musste sie tief verletzt haben. Und die Narben würde wohl nie verheilen. Er würde das künftig beachten müssen. Sie bemerkte seinen Blick, sah zu ihm. "Ich habe dich nie um deiner selbst willen verachtet", sagte er leise. "Vergiss das nie wieder, Shiro-ko."
Bei der offiziellen Verabschiedung fiel allen auf, wie seltsam entspannt das Fürstenpaar miteinander umging. Nie zuvor hatte man gesehen, dass sie sich in der Öffentlichkeit auch nur berührt hatten. Und jetzt kam es immer wieder zu beiläufigen Körperkontakten, kurzen Gesten.
Yuri, der den Arm um Myu hatte, sah zu Inuyasha, lächelte. Der Hanyou gab das Grinsen zurück. Die beiden Eisklötze schienen endlich einmal bereit gewesen zu sein, miteinander zu reden, aufeinander zuzugehen. Klassisch, dass sie das erst nach einem Duell tun würden. Ehestreit bei denen war immer gleich eine recht heiße Sache. Aber Inuyasha musste nur an sich und Kagome denken, Vielleicht lag das in der Familie. Wobei natürlich ein Streit zwischen Yuri und Myu auch nicht ohne wäre: starkes Youki und starke Menschenmagie...
Was für eine komplett durchgeknallte Familie, dachte Inuyasha glücklich und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Auf die nächste Generation konnte er schon mal gespannt sein.
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Nicht nur er. So weit, wie ich in der vierten Staffel schon bin, hat da jemand schon Nachwuchs bekommen, aber mehr wird nicht verraten.
Zunächst mal läuft Brothers in arms noch fertig.
Und nächste Woche kann, wer mag, sich auf den neuen Krimi freuen: Tod eines Rechnungsprüfers.
Ich werde jedem zu dem Krimi bzw. der vierten Staffel ENS schicken, der so nett ist, mir das kundzutun...
bye
hotep