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Leben im Waisenhaus

von

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Prolog

Ein kleiner blonder Junge kniet neben dem leblosen Körper seines Vaters, er weint nicht, er schaut nur ein wenig erstaunt und kann nicht fassen, dass er es wirklich getan hat. Er hat sich erstochen, mit einem Küchenmesser, das Messer steckt noch immer in seiner Brust. Ein leises Schluchzen ist zu hören, der Junge erhebt sich, geht aus der Küche hinaus in den Flur.
 

Ein kleines Mädchen mit braunem Haar sitzt zusammengekauert in einer Ecke unter der Treppe. „Weine nicht Serenity, ich beschütze Dich, ich bin bei Dir, hörst Du?“ Der Junge nimmt das Mädchen in seine Arme und wiegt es sanft hin und her. Er erhebt sich und bringt das Mädchen ins gemeinsame Kinderzimmer. „Leg Dich hin, Schwester, ich muss die Polizei anrufen, doch dieses mal wird es das letzte Mal sein, dass sie kommen müssen.“
 

Ein leises Seufzen verlässt die Kehle des Jungen und es ist kein Laut der Trauer, sondern der Erleichterung, endlich war ihr verhasster Vater tot, hatte sich selbst gerichtet, doch was würde nun werden? >Ob unsere Mutter uns aufnimmt?<, dachte der Junge. Doch er wusste, dass er so schnell keine Antwort bekommen würde, denn er wusste nicht wo sie sich befand.
 

Langsam wählte er die Nummer der Polizei, er hatte sie schon oft gewählt, wenn sein Vater mal wieder betrunken war und um sich schlug. Doch nun wählte er die Nummer zum allerletzten Mal.
 

~~~~~
 

Zwei kleine Jungen sitzen verängstigt auf der Rückbank eines Autos, sie hatten geschlafen, als das Unglück geschah. Ein anderes Auto kam ihnen entgegen, hatte anscheinend die Kontrolle verloren. Die Reifen quietschten, doch es war schon zu spät, ein lauter Krach und der harte Aufprall ließ die beiden Jungen aufwachen.
 

Leblos und blutüberströmt hing ein Mann im Fahrersitz vor ihnen. „Vater? Vater? Was ist mit Dir? VATER!!“ Der ältere braunhaarige Junge rüttelte kräftig an dem leblosen Körper, doch es half nichts. Verzweifelt schüttelte er seinen Vater durch, der kleinere schwarzhaarige Junge neben ihm versuchte panisch die Hintertür des Wagens zu öffnen, doch es war eine Kindersicherung eingebaut, die Tür ließ sich nicht öffnen.
 

Er fing an zu schreien und riss damit den älteren Jungen aus seiner Verzweiflung. „Mokuba, bitte beruhig Dich, es wird alles gut, das verspreche ich Dir, bitte beruhige Dich wieder, kleiner Bruder.“ Er nahm ihn in seine Arme und sprach immer beruhigend auf ihn ein. Das Geräusch einer Sirene erklang, ein Polizeiauto kam von vorne angefahren und hielt neben dem verunglückten Auto an.

Ankunft im Waisenhaus!

Joey und Serenity gingen Hand in Hand den Weg zum Waisenhaus entlang, sie fühlten weder Trauer noch Schmerz, denn alles war besser, als das, was sie bei ihrem Vater erdulden mussten. Es macht ihnen nichts aus, dass sie nun so was wie Waisenkinder waren, obwohl sie eigentlich noch eine Mutter hatten. Die Behörden hatten zwei Tage lang versucht Joeys und Serenitys Mutter im Ausland zu finden, doch ohne Erfolg, also hatte man beschlossen, dass beide ins Waisenhaus kommen, bis die Mutter gefunden wurde.
 

Joey hatte nichts dagegen, er mochte seine Mutter nicht besonders, immerhin hat sie die Familie einfach im Stich gelassen. Serenity kannte sie kaum, sie war erst 3 Jahre alt, als ihre Mutter einfach verschwand und sie zurückließ. Also war es Beiden Recht, dass sie nun hier wohnen würden. Hier war es sauber, es roch nicht nach Alkohol, es gab hier keine Schläge, niemand schrie sie an, sie waren einfach alle nett.
 

Eine ältere Dame ging vor ihnen und erklärte mit ruhiger Stimme die Regeln des Waisenhauses. Joey hörte sehr genau zu, während Serenity sich schnell langweilte. Sie erreichten die große Eingangstür und die ältere Dame, die sich als Frau Shima vorgestellt hatte, führte Joey und Serenity in ein kleines Zimmer, dass mit zwei Doppelstockbetten, zwei Kleiderschränken, zwei Nachtschränkchen, einem Holztisch und 4 Stühlen ausgestattet war.
 

„Hier werdet ihr ab heute wohnen, eure wichtigsten Sachen sind bereits hier, die restlichen Dinge werden morgen im Laufe des Tages hier eintreffen. Außerdem werdet ihr nachher zwei Zimmergenossen bekommen, zwei kleine Jungen, einer ist genauso alt wie Du Joey, sein Bruder ist zwei Jahre jünger als Deine Schwester. Sie hatten ein schweres Schicksal zu tragen, sie waren bei einem Autounfall dabei, bei dem ihr Vater starb, wirklich traurig. Seid bitte ganz doll nett zu den Beiden, versprochen?“
 

Frau Shima hatte sich bei den letzten Worten zu Joey hinunter gebeugt und dieser nickte lächelnd. „Ich werde mich um die beiden kümmern Frau Shima, so wie ich mich immer um meine Schwester gekümmert habe.“ Frau Shima erhob sich wieder und ein kleines Lächeln huschte über ihr leicht faltiges Gesicht. „Du bist schon ein eigenartiger Junge, Joey, obwohl Du soviel Leid durch Deinen Vater ertragen musstest, hast Du Dir trotzdem Dein reines Herz bewahrt. Ich weiß aus Deinen Unterlagen, dass Du Deine Schwester immer versteckt hast, wenn Dein Vater betrunken war und dass er dann seine Wut immer an Dir ausgelassen hat. Das war sicher eine schwere Zeit für Dich!“
 

Joey schüttelte nur leicht den Kopf. „Ist schon okay, ich würde immer wieder so handeln, ich werde meine Schwester immer beschützen, selbst wenn ich dadurch Schmerzen ertragen muss.“ Er drehte sich zu seiner Schwester um, die sich hinter ihm gestellt hatte und sich an seinem Arm festhielt, sie lächelte und er erwiderte das Lächeln.
 

„Das ist auch der Grund dafür, warum ich die beiden Jungs bei Euch unterbringen möchte, vielleicht könnt ihr dafür sorgen, dass die Trauer über den Verlust des Vaters nicht so sehr auf ihnen lastet.“, meinte Frau Shima. Joey drehte sich wieder zu der älteren Dame mit den schon grauen Haaren um und nickte. „Wir kümmern uns um die Beiden, versprochen!“ Frau Shima nickte und verließ mit einem „Ruht Euch nun ein wenig aus“ das Zimmer.
 

Seto und Mokuba standen vor den Toren des Waisenhauses. Mokuba hatte den Kopf gesenkt und wirkte schwach und verletzlich, während Seto mit kaltem Blick auf das Gebäude starrte. Die Beerdigung des Vaters war gestern gewesen, die Stadt hatte die Kosten übernommen. Bei der Testamentseröffnung wurde klargestellt, dass fast das ganze Vermögen an einen Verwalter gehen sollte, solange, bis Seto volljährig war.
 

Die beiden Brüder bekamen zwar alles, was man so zum Leben benötigte, aber mehr auch nicht. Das fanden Beide aber nicht weiter schlimm, schlimm war nur die Tatsache, dass sie deshalb niemand von den entfernten Verwandten aufnehmen wollte. Wer will auch schon ein paar kleine Gören aufnehmen, die man kaum kannte, wenn man dafür nicht mal entschädigt wurde.
 

Seto hatte nun seine erste Lektion gelernt, man bekommt nichts geschenkt, Geld regiert die Welt. Mokuba verstand die Reaktion der Verwandtschaft nicht und er wollte nicht ins Waisenhaus, er hatte Angst davor. Seto bemerkte die Unsicherheit seines Bruders und beugte sich zu ihm hinab. „Es wird alles gut, kleiner Bruder. Ich beschütze Dich, Du bist ja nicht alleine.“
 

Ein kleines Lächeln huschte über Mokubas Gesicht und er wischte sich eine Träne von der Wange. „Du hast Recht großer Bruder.“ Seto nahm ihn an der Hand und ging mit ihm auf die Eingangstür zu, dort wurde er schon von Frau Shima erwartet. Sie erklärte den beiden Jungs kurz die Regeln und führte sie dann in das Zimmer, in dem sich bereits Joey und Serenity befanden. „Ihr werdet das Zimmer mit diesen beiden Geschwistern teilen, ich hoffe, dass ihr Euch gut verstehen werdet.“, sagte Frau Shima und deutete auf Joey und Serenity, die gerade am Tisch saßen und malten. Seto bedachte die beiden nur mit einem abweisenden Blick, während Mokubas Augen zu leuchten anfingen. „Ich werde nachher noch nach Euch sehen, vertragt Euch gut, ihr Vier!“, meinte Frau Shima und verließ das Zimmer.
 

Joey erhob sich von seinem Stuhl und ging auf Seto zu. „Ich bin Joey und das da drüben ist meine Schwester Serenity und wer bist Du?“ „Ich bin Seto und das ist mein Bruder Mokuba.“ meinte Seto knapp und ignorierte die Hand, die Joey ihm hinhielt. Mokuba jedoch ergriff die Hand und schüttelte sie kräftig. „Schön Dich kennen zu lernen, Joey.“, meinte er und lächelte ihn an. Joey lächelte zurück und erwiderte: „Freut mich ebenfalls Mokuba, setz Dich doch zu uns, wir haben ganz viele bunte Stifte und Zeichenblätter.“ „Au ja.“, rief Mokuba erfreut und setzte sich auf einem Stuhl neben Serenity.
 

Serenity lächelte Mokuba an und reichte ihm ein Blatt und eine Packung Buntstifte. „Dankeschön.“, meinte Mokuba mit einem breiten Lächeln. Seto stand noch immer neben der Tür und musterte Joey von oben bis unten, der schaute Mokuba und Serenity beim Malen zu und spürte den Blick in seinem Rücken.
 

Joey drehte sich zu Seto um und bemerkte, wie dieser kurz zusammenzuckte, er ging zu ihm und legte den Kopf ein wenig schief. „Was ist mit Dir, Seto? Du siehst müde aus. Willst Du Dich nicht ausruhen?“ „Wo ist denn mein Bett?“, fragte Seto zurück. „Das kannst Du Dir aussuchen, wir sind auch heute erst hier angekommen und haben uns noch für kein Bett entschieden.“, meinte Joey lächelnd.
 

Seto lächelte ein wenig zurück und nickte dann. „Ich würde gerne oben schlafen.“ „Ich will auch oben schlafen!“, meldete sich Mokuba und Joey drehte sich lachend um. „Geht klar, Kleiner, dann schlafen Serenity und ich halt unten.“ „Dann müssen wir nur noch auslosen, wer auf welchem Doppelstockbett schläft.“, meinte Serenity. „Und wie wollen wir das machen?“, fragte Mokuba mit einer Unschuldsmiene.
 

Joey überlegte kurz und meinte dann: „Ich hab da eine Idee.“ und holte einen Würfel aus seiner Tasche. „Die Beiden mit der höchsten Zahl dürfen das Doppelstockbett aussuchen, die beiden mit der niedrigsten Zahl schlafen dann auf dem anderen Bett.“ Zuerst würfelten Mokuba und Seto gegeneinander, Seto warf eine 6 und Mokuba nur eine 2, Seto nahm dann das Doppelstockbett an der linken Wand und warf seine kleine Tasche auf das obere Bett und stieg hinterher, um sich hinzulegen.
 

Jetzt würfelten Joey und Serenity gegeneinander, Serenity würfelte eine 5 und Joey eine 4, Serenity wählte dann das Bett an der rechten Wand und lächelte Joey mit großen Augen an. „Wieso verlier ich immer gegen Dich, Schwesterherz?“ Serenity schüttelte den Kopf. „Weiß ich nicht, großer Bruder, vielleicht lässt Du mich ja absichtlich gewinnen?!“ Joey fing an zu lachen und kratzte sich am Hinterkopf. „Ist das so offensichtlich?“ Serenity und Mokuba fingen ebenfalls an zu Lachen, Seto drehte sich auf seinem Bett auf die Seite und beobachtete Joey ziemlich interessiert und irgendwie störte es ihn, dass Joey mit dem Rücken zu ihm saß, er hätte nämlich jetzt gerne in dieses lachende Gesicht gesehen.

Schlimme Alpträume!

„Serenity ist nicht da, Vater, Du kannst sie nicht schlagen, schlag lieber mich, wenn Du das so dringend brauchst!“ Joey bekam einen Schlag ins Gesicht. „Sag mir, wo sie ist?“ „Nein, ich werde Dir nicht sagen wo sie ist!“ Ein Schlag in den Magen. „Dann wirst Du halt dran glauben müssen, missratener Sohn, räudiger Bastard!!“ Joey bekam eine Faust ins Gesicht und hörte wie seine Schwester schrie: „Lass ihn in Ruhe, Vater!“ „Serenity geh wieder in den Schrank, hörst Du, Du sollst Dich verstecken!!“, schrie Joey. „Nein, großer Bruder, ich lass Dich nicht allein!“ Serenity fing an zu weinen und wurde plötzlich an den Haaren gezogen. „Wo hast Du gesteckt, dumme Göre.“ „Fass sie nicht an Vater, oder Du wirst es bereuen!“, schrie Joey und erntete nur ein gehässiges Lachen. „Ha, was willst Du schon tun, Bastard?“ Joey bekam einen Tritt und taumelte nach hinten, aber er rappelte sich wieder auf und biss in das Bein, das eben nach ihm getreten hatte. „Au, verdammter Bengel, was fällt Dir ein mich zu beißen, das wirst Du mir büßen!!“ Serenity flog durch die Tür ins Kinderzimmer und die Tür wurde abgeschlossen. „Lass ihn in Ruhe, tu ihm nicht weh Vater!,“ schrie sie und hämmerte gegen die Tür. „Halt die Klappe, Göre, sonst bist Du auch dran!!“ Joey wurde gepackt und gegen die Wand geworfen. „Hast Du noch einen letzten Wunsch, Köter?“ „Ja, Du sollst verrecken Vater, stirb und lass uns in Ruhe!!“, schrie Joey voller Hass und Verzweiflung. „Ha, das hättest Du wohl gerne, verdammter Bengel, Dir werde ich schon noch Benehmen beibringen!“ Wieder ein Tritt und noch einer und noch einer, Joey rührte sich nicht mehr, Schritte erklangen, eine Tür wurde geöffnet und wieder geschlossen, dann war alles ruhig. „Joey, ist alles in Ordnung? Joey? JOEY!!“, schrie Serenity. Joey erhob sich mühsam. „Ja, Schwesterherz, es ist nicht so schlimm, Vater ist weg, warte, ich mach die Tür auf.“ Langsam schleppte er sich auf die Tür zu und drehte den Schlüssel um, seine Schwester stürmte sofort raus und fing bei Joeys Anblick an zu weinen. „Hör auf zu weinen, kleine Schwester, es ist nicht so schlimm.“
 

„Joey? Wach auf. Joey!“ Joey öffnete die Augen und starrte erstaunt in zwei blaue Augen, die ziemlich besorgt aussahen. „Was ist los? Ist was passiert?“, fragte er, doch Seto schüttelte nur leicht den Kopf. „Nein, aber Du hattest wohl einen schlimmen Alptraum, Du hast ständig geschrieen und Dich hin und her gewälzt.“ Joey drehte sich zur Wand. „Es ist nichts, es war nur ein Traum, nichts weiter.“ Seto drehte Joey wieder zu sich um. „Das glaub ich Dir nicht, Frau Shima hat uns erzählt, was mit Deinem Vater los war, Du brauchst mir also nichts vor zu machen, Joey.“ Setos Stimme klang sehr besorgt.

Joey lächelte leicht und meinte: „Mach Dir um mich mal keine Sorgen, Seto, es ist alles vorbei, mir geht‘s gut, ehrlich.“ Seto legte den Kopf leicht schief. „Soll ich heute Nacht bei Dir schlafen? Vielleicht verschwinden die Alpträume ja.“ Joey überlegte kurz und lächelte dann. „Klar, warum nicht.“ und rutschte ein wenig zur Seite.

Seto kroch unter Joeys Decke und zog Joey in seine Arme. „Gute Nacht, Seto und Danke.“ „Kein Problem, Joey, schlaf gut, ich pass auf Dich auf.“, meinte Seto und streichelte sanft durch Joeys blonde Haare. Keiner von beiden bemerkte, dass zwei Augenpaare das Ganze beobachteten und ein wenig in der Dunkelheit funkelten, bevor sie sich mit einem amüsierten Glitzern wieder schlossen.
 

Am nächsten Morgen erwachte Joey in Setos Armen und war zuerst ein wenig erschrocken, erinnerte sich aber wieder an den Alptraum und wie Seto ihn dann trösten wollte. Seto erwachte in diesem Moment ebenfalls und schaute fasziniert in die braunen Augen, die ihn erstaunt anfunkelten. „Na, hat‘s geholfen?“, fragte er mit einem Lächeln. Joey nickte dankbar. „Hm, hat geholfen, der Alptraum ist nicht mehr wiedergekommen.“ „Lass uns aufstehen, bevor die anderen wach werden.“, meinte Seto und erhob sich aus dem Bett, Serenity und Mokuba schienen noch zu schlafen.

Joey erhob sich ebenfalls und streckte sich erstmal, er ging zum Fenster und öffnete es. Seto ging zu dem Kleiderschrank, den er sich mit Joey geteilt hatte und holte für sich und Joey Waschzeug und neue Kleidung raus. „Kommst Du mit in den Waschraum, Joey?“ Joey, der noch immer am Fenster stand, drehte sich um und nickte. „Bin schon unterwegs, Seto.“ und verließ hinter ihm das Zimmer.
 

Die beiden Jungs hatten gerade das Zimmer verlassen, als sich ein schwarzer Kopf vom oberen Bett hinunter beugte. „Hab ich es Dir nicht gesagt, Serenity, mein Bruder kann Deinen Bruder doch leiden, auch wenn er es nicht zugeben würde.“ „Ja, Du hattest Recht, Moki!“, meinte Serenity lachend.

Mokuba sprang von seinem Bett nach unten und setzte sich auf einen Stuhl. „Und dabei sind wir erst seit zwei Wochen hier, normaler Weise braucht Seto immer sehr lange, bis er sich mit jemanden anfreundet.“ Serenity erhob sich von ihrem Bett und setzte sich auf die Bettkante. „Na, mein Bruder ist halt was Besonderes, er hat mich immer vor meinem Vater beschützt und dafür mächtig viel Schläge einstecken müssen.“ Sie senkte traurig den Blick und lächelte dann wieder. „Aber das ist ja jetzt vorbei, Vater wird uns nie wieder etwas antun können. Und Freunde haben wir jetzt auch.“ Mokuba lächelte sie an und nickte eifrig. „Und darüber bin ich auch ganz doll froh, Serenity.“ „Ich auch, Moki.“, meinte Serenity und lächelte breit.
 

Seto und Joey waren unterdessen im Waschraum für Jungen angekommen, es war außer ihnen niemand dort, es war auch noch ziemlich früh am Morgen. „Hast Du diese Alpträume öfter?“, fragte Seto ein wenig besorgt. „Manchmal, nicht zu oft.“ Joey zog sich seinen Pyjama aus und stieg in die Gemeinschaftsdusche, Seto folgte ihm kurz darauf. „Stammen die ganzen Narben an Deinem Körper von Deinem Vater?“

Joey lief etwas rot an, als er merkte, dass Seto ihn beobachtete. „Ja, er hat mich ziemlich oft verprügelt, aber zum Glück konnte ich Serenity vor ihm beschützen, jedenfalls meistens.“ Seine Stimme klang traurig, nicht so fröhlich wie sonst.

Seto ging etwas näher an Joey heran und zog ihn dann einfach in seine Arme, dass sie beide gerade nackt waren, ignorierte er einfach. Joey wollte sich zuerst aus der Umarmung befreien, unterließ es dann aber und legte seinen Kopf auf Setos Schulter.

Als die Türklinke runtergedrückt wurde, sprangen beide auseinander und taten so, als wäre nichts gewesen, glücklicherweise war es nur Mokuba, der sich ebenfalls duschen wollte. Serenity war währenddessen im Waschraum für Mädchen.

„Ähm, stör ich gerade?“, fragte Mokuba. „Nein, Moki, komm rein, ist noch genug Platz hier!“, meinte Joey lachend und Seto wunderte sich wieder, wie Joey es schaffte, trotz dem Leid, das er erfahren hatte, so fröhlich und unbeschwert lachen zu können.

Er schüttelte den Kopf und wusch sich nachdenklich die Haare, er würde den Jungen sicher nie verstehen.

Geschwistergespräche!

Zwei Monate war es her, dass ihr Vater sich das Leben nahm und nun war es Mitte Juni und es war ziemlich warm draußen. Serenity und Joey hatten sich hinter dem Waisenhaus am Wellblechschuppen auf eine Bank gesetzt. „Joey?“, fragte Serenity. „Was ist, kleine Schwester?“, fragte dieser zurück. „Kannst Du mir etwas über unsere Mutter erzählen?“ „Was möchtest Du denn wissen, Schwesterherz?“, fragte Joey. „War sie eine gute Mutter, bevor sie sich von Vater trennte?“

Joey seufzte ein wenig und nickte dann. „Ja, das war sie, aber Vater hat alles kaputt gemacht, er hat seinen Job verloren und angefangen zu trinken, hat unsere Mutter ständig verprügelt, wenn er betrunken war, irgendwann hat sie es nicht mehr ausgehalten und ist mit gepackten Koffern aus der Wohnung gestürmt.“

„Aber warum hat sie uns dann nicht mitgenommen?“, fragte Serenity traurig. „Das weiß ich nicht, kleine Schwester, aber ich glaube, Vater wollte uns nicht gehen lassen und deshalb musste sie ohne uns gehen.“, meinte Joey und senkte traurig den Blick.

„Vermisst Du sie?“, fragte Serenity. „Manchmal schon, als sie wegging, war ich noch zu klein und ich war wütend auf sie, weil sie uns einfach im Stich gelassen hat. Jetzt vermisse ich sie ein wenig. … Aber solange Du bei mir bist, ist alles in Ordnung.“, erwiderte Joey und schaute seine Schwester mit leuchtenden Augen an.

Serenity lächelte und nickte dann. „Solange wir zusammenhalten, kann uns gar nichts passieren.“ Joey nickte und nahm Serenity an die Hand. „Wir sollten langsam wieder rein gehen, es gibt sicher gleich Mittagessen.“ „Du hast Recht großer Bruder, spielen wir nachher was mit Seto und Mokuba?“, fragte Serenity, während sie neben ihrem Bruder um das Waisenhaus herumging. „Klar, Schwesterherz, können wir machen, die Zwei freuen sich bestimmt darüber.“, meinte Joey mit einem Lächeln auf dem Gesicht. „Wir müssen ja noch ein Geschenk für Moki basteln, der hat doch am 7. Juli Geburtstag.“, sagte Serenity und Joey nickte. „Ich werd nachher Seto fragen, ob er uns helfen möchte.“
 

Seto und Mokuba saßen unterdessen schon auf ihrem Fensterplatz im Speisesaal und eine Erzieherin fragte die beiden Jungs nach ihren Essenswunsch. „Also wir haben heute zur Auswahl: Stampfkartoffeln mit Rührei, Kartoffeln mit Spinat und Rührei und Nudeln mit Tomatensoße.“ Mokuba hob die Hand und rief lachend: „Ich will die Nudeln und mein Bruder bestimmt auch!“

Seto schaute seinen Bruder erst ein wenig verwundert an, nickte dann aber. „Ich nehm auch Nudeln, so wie Moki gesagt hat.“ Die Erzieherin schrieb sich das auf einen Zettel und sagte dann: „Okay, ich bring Euch das Essen gleich vorbei, sagt bitte Joey und Serenity Bescheid, dass sie zur Essensausgabe kommen sollen, sie sind nämlich etwas spät dran.“

Seto nickte und die Erzieherin ging zum nächsten Vierertisch. „Du, großer Bruder?“, fragte Mokuba. „Ja, Moki, was gibt‘s?“, fragte Seto zurück. „Weißt Du, dass ich bald Geburtstag habe?“ „Sicher weiß ich das, Moki, denkst Du ich würde den Geburtstag meines kleinen Bruders vergessen?“, meinte Seto und lächelte seinen Bruder an. Mokuba lächelte zurück. „Nein, natürlich nicht, ich wollte Dich nur noch mal daran erinnern.“

Er seufzte ein wenig und schaute traurig aus dem Fenster. „Auch wenn es nicht mehr dasselbe ist, ohne Vater.“ Seto ergriff die Hand seines Bruders, die auf dem Tisch lag und drückte sie leicht. „Ich weiß, Moki, aber ich bin sicher, dass alles wieder gut wird, solange wir nur zusammenbleiben.“ Mokuba schaute seinen Bruder leicht lächelnd an und meinte: „Bestimmt, großer Bruder, wir werden sicher bald bei einer netten Familie aufgenommen.“ Seto nickte, wurde dann aber etwas traurig. „Ich hoffe, dass Joey und Serenity auch mal etwas Glück haben und in eine nette Familie kommen, ich mach mir Sorgen um die Beiden.“

Mokuba strich über die Hand seines Bruders und murmelte: „Du magst ihn, hab ich Recht?“ Seto schaute ihn erstaunt an. „Wen meinst Du?“ „Na wen wohl, Joey natürlich!“, erwiderte Mokuba. Seto wurde etwas rot und fing an zu stottern: „Wi-wie kommst D-du darauf?“ Mokuba fing leise an zukichern. „Ach, nur so! … Ah, dahinten sind sie ja. … Joey! Serenity! Hier sind wir!“, rief er zu Joey und Serenity, die gerade in den Speisesaal kamen und ignorierte einfach Setos bösen Blick.
 

Nach dem Essen nahmen Joey und Serenity Seto beiseite, um ihn nach einem Geschenk für Mokuba zu fragen. „Was mag Dein Bruder besonders, Seto?“, fragte Joey. Seto überlegte nicht lange. „Er mag Spiele, Puzzle und er malt gerne.“ „Ich mal auch gerne.“, meinte Joey lachend. „Ich hab eine Idee.“, rief auf einmal Serenity. „Wir haben etwas Geld gespart in unserer Spardose, die hat unser Vater nicht gefunden, wir könnten also zwei Anhänger kaufen, wo ihr dann jeweils ein Bild von Euch rein machen könnt.“ „Das ist eine sehr gute Idee, Schwesterherz, das machen wir.“, rief Joey und grinste übers ganze Gesicht. „Frau Shima hat doch gerade ein Foto von Euch gemacht, das wird sie bestimmt zur Verfügung stellen, wenn Du sie lieb drum bittest.“ „Aber Joey, das kann ich doch nicht annehmen, Du weißt, dass ich kein Geld habe, was ich dazulegen kann, auch wenn ich eigentlich stinkreich bin.“, sagte Seto traurig und senkte den Blick.

Joey hob Setos Kinn hoch und schaute in die traurigen blauen Augen. „Ach Seto, mach Dir doch darüber keine Gedanken, ohne Euch wäre es hier doch total langweilig geworden und Du kannst es vielleicht irgendwann wieder gut machen, obwohl das überhaupt nicht nötig ist, immerhin sind wir Freunde!“

Eine Träne kullerte über Setos Wange und Joey wischte sie weg. „Schon gut, Seto, musst nicht weinen, Dein Bruder hat bald Geburtstag, da musst Du fröhlich sein.“ Seto schniefte kurz, nickte aber. „Danke, Joey, Du bist echt lieb.“ Joey fing an zu lachen. „Du machst mich ganz verlegen.“, meinte er und klopfte Seto freundschaftlich auf die Schulter.

Serenity grinste ein wenig und freute sich, dass ihr Bruder endlich richtig fröhlich sein konnte, ohne sich verstellen zu müssen. Seto und Mokuba waren schon so was wie ihre Geschwister geworden und das machte Serenity wirklich glücklich, trotzdem hatte sie Angst davor, was passiert, wenn die beiden irgendwann adoptiert werden, wie würde Joey das verkraften? Ein trauriges Lächeln huschte über ihr Gesicht, zum Glück bemerkte es niemand.

Geburtstagsfeier!

Endlich war es soweit, der Geburtstag von Mokuba sollte heute gefeiert werden, Frau Shima und die anderen Erzieherinnen waren gerade mit den Kindern dabei, den Speisesaal zu schmücken, während Joey, Serenity und Seto mit Mokuba auf dem Spielplatz spielten, immerhin sollte die Feier eine Überraschung sein.

Serenity und Joey saßen auf der Schaukel, während Mokuba und Seto auf der Bank saßen und zuschauten. Seto drehte sich zu seinem Bruder um und holte ein kleines Päckchen aus seiner Hosentasche. „Mokuba, wir haben ein kleines Geschenk für Dich.“ Mokuba lächelte glücklich. „Wirklich?“ Seto nickte. „Joey und Serenity hatten die Idee dafür und ich hoffe, dass Dir unser Geschenk gefällt.“

Mokuba ergriff das kleine Päckchen und meinte vergnügt: „Das Geschenk wird mir ganz bestimmt gefallen, immerhin kommt es von Dir und meinen Freunden!“ Er riss das Papier ab und dann sah er die kleine braune Schachtel, er öffnete sie und fand darin zwei Anhänger mit Lederband.

Etwas erstaunt schaute Mokuba zu seinem Bruder, dieser lächelte nur. „Mach schon auf, Moki!“ Joey und Serenity waren inzwischen von ihrer Schaukel aufgestanden und hatten sich hinter die Bank gestellt. „Nun mach auf, wird Dir bestimmt gefallen.“, sagte Joey und klopfte Mokuba aufmunternd auf die Schulter.

Mokuba öffnete nun den einen Anhänger und sah dort ein Bild von Seto drin, kleine Freudetränen kullerten über seine Wangen und er fiel seinem Bruder um den Hals, der schupste ihn sanft aber bestimmt ein wenig zurück. „Da ist noch ein Anhänger, Moki, öffne den doch erstmal.“ Mokuba nickte und öffnete auch den anderen Anhänger, dort war ein Bild von ihm drin. „Jetzt können wir immer beieinander sein, auch wenn wir mal getrennt sind.“, meinte Seto lächelnd und Mokuba fiel ihm wieder um den Hals. „Danke, großer Bruder, Du bist echt der beste Bruder auf der Welt!“ „Hey, ich will auch ne Umarmung!“, meinte Joey gespielt empört und Mokuba musste lachen. „Sicher doch, großer Joey.“, erwiderte Mokuba und umarmte erst Joey und dann auch noch Serenity.

Joey ergriff nun den Anhänger mit Mokubas Foto und legte das Lederband um Setos Hals, dabei musste er sich ein wenig vorbeugen, damit er das Band in Setos Nacken zusammenbinden konnte.

Ein leichter Schauer durchfuhr Seto, als Joey mit seinem Gesicht so nahe an seinem Hals war, er konnte den warmen Atem von Joey auf seiner Haut spüren und sekundenlang spielte er mit dem Gedanken Joey an sich zu drücken, doch schon hatte Joey sich wieder aufgerichtet und griff nun den anderen Anhänger mit Setos Foto, um ihn dann Mokuba um den Hals zu legen. „So werdet ihr nie getrennt sein, selbst wenn der andere mal nicht in der Nähe ist.“, meinte Joey lächelnd und Mokuba strahlte übers ganze Gesicht.

Wenige Minuten später erschien Frau Shima, um sie zur Feier abzuholen.
 

Als Mokuba, Seto, Joey und Serenity den Speisesaal betraten, wurden sie mit einer Fontäne aus bunten Luftschlangen begrüßt, so war es bei fast jeder Geburtstagsfeier. Es gab nämlich einen heimlichen Gönner, der dem Waisenhaus jedes Jahr eine Menge Geld spendete.

Dieser blieb aber lieber unbekannt, allerdings war das Gerücht im Umlauf, dass es sich bei diesem Spender um einen gewissen Gozaburo Kaiba handeln sollte, das war natürlich nur ein Gerücht und die Kinder bekamen davon wenig mit.

Mokuba war einfach nur glücklich, dass er ein so schönes Fest feiern konnte, obwohl sie doch eigentlich kein Geld dafür hatten, immerhin hatte ihr Vater veranlasst, dass sie nur soviel Geld bekamen, wie es von Nöten war, um warme Kleidung und Essen zu haben, Geburtstagsfeiern zählten nicht dazu. Der gesamte Besitz des Vaters sollte ja erst dann auf die beiden Brüder übergehen, wenn einer von beiden volljährig war und bis dahin würde noch viel Zeit vergehen, doch darüber machte sich nun keiner Gedanken, viel wichtiger war heute der Geburtstag von Mokuba.

In der Mitte des Speisesaales stand eine lange Tafel in U-Form, Frau Shima und die anderen hatten sämtliche Tische zusammengestellt und mit Tischdecken versehen, außerdem waren Kerzen und Blumen überall verteilt, Geschirr und Besteck war ebenfalls dabei und in der Mitte des U‘s stand ein Tisch mit einer großen Torte drauf, die hatte die Köchin extra gebacken.

Joey schob Mokuba zum Tisch, damit er das erste Stück Torte anschnitt, Frau Shima reichte ihm seinen Teller und ein Messer, Mokuba schnitt sich ein Stück Torte ab und ging dann zu seinem Platz. Seto, Joey und Serenity folgten ihm wenig später, erst dann waren die anderen Kinder dran.
 

Die Feier war im vollen Gange, es gab Musik, Kinderspiele, sogar ein Clown war da, auch wenn der nur von der Köchin gespielt wurde, es war trotzdem lustig. Für die Kinder gab es sogar Kinderbowle mit Himbeergeschmack und Negerküsse, es war eine schöne Feier, auch wenn Mokuba etwas traurig war, denn immerhin war dies sein erster Geburtstag ohne seinen Vater.

Als die Feier zu Ende ging und der Speisesaal aufgeräumt wurde, ging Mokuba nach draußen, es war schon spät am Nachmittag und es sah nach Regen aus. Er setzte sich auf eine Bank auf dem Spielplatz und schaute sich seinen Anhänger mit dem Foto von Seto an. Ein paar Tränen kullerten über seine Wangen und er wischte sie schnell weg, wie gerne hätte er jetzt ein Foto von seinem Vater, doch alles was ihm geblieben war, waren ein paar Erinnerungen.

Das Haus des Vaters wurde an ein paar entfernte Verwandte vererbt und die hatten alles weggeworfen, nur ein paar persönliche Sachen waren Mokuba und Seto geblieben. Mokuba schniefte leise, als er daran dachte, wie abfällig sich die Verwandten über seinen Vater geäußerten hatten.

Leise Schritte ließen ihn aus seinen Gedanken aufschrecken, Joey hatte sich Sorgen gemacht und war ihm nach draußen gefolgt. „Geht‘s Dir gut, Moki?“ Mokuba versuchte ein Lächeln. „Ja, Joey, ich war nur etwas traurig wegen meinem Vater.“ Joey nickte verstehend. „Kann ich mir vorstellen. Ist sicher nicht leicht für Dich, der erste Geburtstag ohne ihn.“ Mokuba schluchzte leise und Joey legte seinen Arm um seine Schulter. „Komm schon, Moki, nicht weinen, ich bin ja da.“

Seto stand unterdessen am Eingang und beobachtete, wie liebevoll sich Joey um seinen Bruder kümmerte und ein kleines Lächeln huschte über sein Gesicht, er war ihm sehr dankbar dafür und irgendwann würde er sich dafür revanchieren, das nahm er sich fest vor.

Gute und schlechte Nachricht!

Es war Anfang September, als Frau Shima mit einer Nachricht zu Joey und Serenity kam. Seto, Mokuba, Joey und Serenity befanden sich gerade im großen Spielzimmer und spielten Mau-Mau, als Frau Shima mit einem Brief hereinkam. „Joey, Serenity, ich habe eine gute Nachricht für Euch!“ Joey und Serenity schauten sie verblüfft an. „Eine gute Nachricht? Was für eine?“

Frau Shima lächelte. „Die Behörden haben endlich Eure Mutter gefunden, sie ist verheiratet und hat einen kleinen Sohn, sie wohnt mit ihrer Familie in den USA, genauer gesagt in Florida, in einem großen Einfamilienhaus, in einer ziemlich feinen Gegend. Sie wird demnächst hierher kommen und Euch abholen.“

Joey riss erschrocken die Augen auf und dann legte sich ein breites Grinsen auf sein Gesicht, plötzlich fing er an zu lachen. „Das ist ein Scherz. Das kann nur ein Scherz sein. So viel Glück können wir gar nicht haben!“ Doch Frau Shima zeigte ihm nur den Brief. „Du kannst es selbst lesen, steht alles hier drin und da ist auch ein Brief von Eurer Mutter dabei.“

Joeys Lachen erstarb und er schaute verwirrt auf den Brief, dann nahm er ihn und begann langsam den Brief vorzulesen. Als er fertig war, musste er sich erstmal setzten und Seto legte seinen Arm um Joeys Schulter. „Das ist doch wunderbar, Joey, dann kannst Du mit Deiner Schwester endlich ein normales Leben führen, das habt ihr Euch doch so sehr gewünscht.“

Serenity hatte nun auch ihre Überraschung überwunden und nahm Joeys Hand. „Genau, Seto hat Recht, jetzt können wir endlich normal leben und wir sind jetzt endlich wieder mit unserer Mutter zusammen!“ Doch Joey schüttelte nur etwas ungläubig den Kopf. „Das kann nicht gut gehen, sie hat doch schon einen Sohn, warum sollte sie jetzt noch einen Sohn haben wollen?“ „Aber Joey, Du bist doch auch ihr leiblicher Sohn, warum sollte sie Dich nicht wollen?“, fragte Seto erstaunt. Darauf wusste Joey keine Antwort und dennoch war ihm die Sache nicht ganz geheuer, er hatte so ein eigenartiges Gefühl, so als ob etwas Schlimmes passieren würde, etwas das sein Leben total durcheinander bringen würde und Joey hatte sich immer auf sein Gefühl verlassen können.
 

Am nächsten Tag ging Joey mit Serenity, Mokuba und Seto zum Strand, Frau Shima hatte ihnen eine Aufsichtsperson zur Verfügung gestellt, die sich etwas abseits von den Vieren auf eine Bank auf der Strandpromenade gesetzt hatte. Joey nahm seine Schwester an die Hand und ging hinunter zum Wasser, Seto und Mokuba blieben in der Nähe der Promenade. „Was hast Du, großer Bruder?“, fragte Serenity, Joey seufzte leise. „Bauen wir eine kleine Sandburg zusammen?“ Serenity nickte lächelnd. „Gerne!“

Es verging eine halbe Stunde in denen keiner von beiden ein Wort sprach, sie bauten ihre Sandburg und vergaßen alles um sich herum, dann ergriff Joey das Wort. „Schwesterherz, versprich mir, dass Du, egal was passiert, immer ein braves Mädchen bleibst.“ Serenity schaute ihren Bruder erstaunt an. „Wie meinst Du das? Was soll schon passieren?“ „Versprich es mir einfach, Okay?!“, sagte Joey, Serenity nickte. „Natürlich tu ich das, ich werde immer ein braves Mädchen sein!“ „Und wenn ich mal nicht da sein sollte, dann darfst Du mich trotzdem nicht vergessen!“, meinte Joey. „Warum solltest Du mal nicht da sein?“, fragte Serenity erschrocken.

Joey schaute sie mit einem ernsten Blick an, so dass Serenity ein wenig Angst bekam und heftig nickte. „Ich verspreche Dir, dass ich Dich nie vergessen werde, Du bist doch mein Bruder, wie könnte ich Dich denn jemals vergessen?“ Joey lächelte ein wenig und Serenity streckte ihre Hand aus. Joey streckte seine ebenfalls aus und sie verharkten ihre kleinen Finger ineinander. „Lasst uns etwas schwören!“, sagte Serenity. „Wir werden uns niemals vergessen, ganz egal was passiert, wir gehören zusammen!“ Joey nickte. „Für immer und immer!“

Seto und Mokuba hatten das Gespräch von weitem mit angehört und Mokuba wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht, er wollte nicht, dass Joey und Serenity gingen und doch war er froh, dass beide nun endlich mal Glück im Leben haben würden.
 

3 Wochen später stand dann Frau Kawai, ehemals Frau Wheeler, im Büro von Frau Shima und wollte ihre Kinder sehen. „Joey und Serenity werden sich ganz bestimmt über ihren Besuch freuen, Frau Kawai, sie waren schon die ganze Zeit total aufgeregt. Ich bin mir sicher, dass sie es sehr gut bei Ihnen haben werden.“ Frau Kawai nickte nur leicht. „Wir werden sehen!“

Frau Shima führte Frau Kawai nun in das Zimmer von Joey und Serenity, Seto und Mokuba befanden sich ebenfalls dort. „Joey, Serenity, das ist Eure Mutter, Frau Kawai, ehemals Wheeler!“ Joey streckte die Hand zur Begrüßung aus, doch seine Mutter ignorierte das einfach und sagte nur kalt: „Serenity, Du wirst mich in zwei Tagen in die USA begleiten, verabschiede Dich von Deinen Freunden und von Deinem Bruder, denn er wird hier bleiben!“ Damit verließ sie ohne ein weiteres Wort das Zimmer und hinterließ nichts als Kälte im Herz ihres verstoßenen Sohnes.

Joey hatte noch immer die Hand ausgestreckt und starrte mit leeren Augen auf die geschlossene Zimmertür. „Joey! Joey hörst Du mich?“ Frau Shima versuchte verzweifelt ihn aus dieser Starre zu wecken, aber selbst das Rütteln an seiner Schulter hatte keinen Erfolg.

Seto und Mokuba saßen am Tisch und waren unfähig etwas zu sagen oder zu tun und Serenity hatte sich auf den Boden gekniet und weinte herzzerreißend.

Mit dieser Nachricht hatte keiner von ihnen gerechnet, außer Joey vielleicht. Jetzt wusste Serenity auch, was Joey gemeint hatte, als er so ernst war am Strand. >Er hat es geahnt, er hat es geahnt!<, dachte sie verzweifelt und ihre Tränen tropften unaufhaltsam auf den Fußboden.

Joey stand noch immer wie erstarrt im Zimmer, bis Seto sich seiner annahm und ihn sanft an den Schultern packte und zum Bett schob. „Ich kümmere mich um ihn, Frau Shima, sprechen Sie noch mal mit seiner Mutter, vielleicht können Sie dafür sorgen, dass Joey doch in die Familie aufgenommen wird.“ Frau Shima nickte und verließ gefolgt von Serenity und Mokuba das Zimmer. Seto legte sich unterdessen neben Joey ins Bett und zog ihn sanft in seine Arme.

Trennung auf Zeit!

Während Seto sich um den völlig verstörten Joey kümmerte, ging Frau Shima mit Serenity und Mokuba ins Büro, wo sie auf Frau Kawai traf. „Frau Kawai, ich verstehe Ihre Beweggründe nicht, warum wollen Sie Ihren leiblichen Sohn hier ganz allein im Waisenhaus lassen?“, fragte Frau Shima und setzte sich hinter ihren Schreibtisch auf ihren Sessel.

Frau Kawai reagierte zunächst nicht und schaute nur apathisch aus dem Fenster. „Ich hab keine Wahl, das müssen Sie verstehen. Mein Mann will keinen zweiten Sohn. Außerdem habe ich Angst, dass aus Joey genauso ein Versager und Säufer wird, wie mein Ex-Mann einer war.“, meinte sie dann mit kalter Stimme.

Frau Shima schüttelte ungläubig den Kopf. „Wie können Sie einfach so bestimmen, wie die Zukunft von Ihrem Sohn aussehen wird? Wie können Sie behaupten, dass er genauso wird, wie Ihr Ex-Mann? Wie können Sie wissen, was aus Joey wird? Wie können Sie ihn einfach so abschreiben, ohne dass Sie ihn richtig kennen?“ „Ich sagte Ihnen bereits, dass es nicht allein meine Entscheidung ist. Ich kann Joey nicht mit mir nehmen und offen gesagt, will ich das auch nicht. Es ist mir gleichgültig, was aus ihm wird! Er hat die Gene meines Ex-Mannes, er ist genau wie er, nichts wird sich daran ändern. Niemals werde ich es zulassen, dass ich durch ihn an meinen Ex-Mann erinnert werde. Niemals!“, erwiderte Frau Kawai kalt und wollte das Büro verlassen.

Serenity und Mokuba standen jedoch im Weg und Serenity fragte mit Tränen in den Augen: „Warum bist Du so kalt, Mum? Warum hast Du uns bei Dad gelassen, obwohl Du wusstest, was für ein Mensch er war? Warum bist Du gekommen, wenn Du nicht den Wunsch hast, Joey mitzunehmen? Warum willst Du ihm wehtun? Er ist nicht wie Dad, er war es nie und wird es auch nie sein! Er ist der Einzige, der mich je vor Dad beschützt hat! Du warst nie für mich da, warum sollte ich also wollen, dass Du mich mitnimmst, während Joey hier bleibt?“ „Weil Du meine Tochter bist und ich das Sorgerecht für Dich besitze, Du bist minderjährig und hast gar keine andere Wahl! Ich bin nicht verpflichtet Deinen Bruder mitzunehmen, weil ich das Sorgerecht an das Waisenhaus übertragen habe! Du wirst mich begleiten und er bleibt hier! Das ist mein letztes Wort!“, sagte Frau Kawai und beugte sich ein wenig zu Serenity runter. „Versteh doch, Serenity, ich will doch nur das Beste für Dich, aber ich kann mich einfach nicht um Joey kümmern, ich kann es nicht!“

Serenity wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und schaute betrübt zu Boden. Sie erinnerte sich an die Worte von Joey >‚Schwesterherz, versprich mir, dass Du, egal was passiert, immer ein braves Mädchen bleibst’ ‚Und wenn ich mal nicht da sein sollte, dann darfst Du mich trotzdem nicht vergessen!’< und sie seufzte traurig. „Darf ich mich noch von Joey verabschieden?“, fragte sie leise und Frau Kawai nickte. „Sicher darfst Du das, doch erwarte nicht von mir, dass ich mich ebenfalls verabschiede. Ich werde Dich morgen früh abholen, sorge bitte dafür, dass Deine Sachen gepackt sind!“

Frau Kawai verließ daraufhin das Büro und ließ eine sichtlich verstörte Serenity, einen traurigen Mokuba und eine mehr als wütende Frau Shima zurück.
 

Seto versuchte unterdessen den völlig aufgelösten Joey zu trösten und ihn aus seinen apathischen Zustand zu wecken. „Joey, bitte, komm wieder zu Dir!“, flüsterte Seto besorgt. „Wach bitte auf, Joey, Du bist nicht allein! Ich bin doch bei Dir, hörst Du mich?“ Er streichelte sanft ein paar Haarsträhnen aus Joeys Gesicht, doch Joey rührte sich nicht. Er lag auf dem Rücken und starrte aus leeren Augen nach oben, nicht einmal ein Zucken seiner Augenlider war zu sehen.

Seto machte sich sehr große Sorgen um Joey und war total verzweifelt. Kurze Zeit später traten Mokuba, Serenity und Frau Shima ins Zimmer. „Wie geht es Joey?“, erkundigte sich Frau Shima. Seto erhob sich vom Bett und meinte besorgt: „Nicht sehr gut, er reagiert nicht auf mich, er liegt einfach nur da und bewegt sich nicht. Haben Sie etwas bei seiner Mutter erreichen können?“

Frau Shima schüttelte traurig den Kopf. „Leider nicht, sie lässt sich nicht erweichen. Morgen früh holt sie Serenity ab und lässt Joey hier zurück.“ Seto drehte sich um und ging zum Fenster, er war wütend und traurig, aber er konnte nichts für Joey tun. Serenity ging zu ihm und fragte: „Wirst Du auf meinen Bruder aufpassen, wenn ich nicht da bin?“

Seto schaute sie überrascht an. „Sicher werde ich das, wie könnte ich anders handeln? Er ist doch mein Freund!“ Serenity lächelte und nickte. „Danke, Seto. Würdest Du bitte nun das Zimmer verlassen und mich mit Joey allein lassen?“

Seto wollte erst protestieren, nickte dann aber und ging mit Mokuba hinaus. Frau Shima nahm Serenity bei der Hand. „Es tut mir leid, Kleines, es tut mir wirklich leid! Ich werde mich um Deinen Bruder kümmern, das verspreche ich Dir!“

Serenity bedankte sich mit einem Lächeln und Frau Shima verließ ebenfalls das Zimmer.
 

Nachdem Frau Shima gegangen war, setzte sich Serenity auf Joeys Bett und küsste ihm auf die Wange. „Joey, Du musst aufwachen, hörst Du mich? Ich bins, Deine kleine Schwester! Komm schon, wach auf, red mit mir!“ Zunächst passierte gar nichts, aber als Serenity anfing lauter auf Joey einzureden, zuckte dieser kurz mit den Augenlidern. „Joey, nun reiß Dich gefälligst zusammen! Hast Du nicht immer behauptet, dass Du der Stärkere von uns Beiden bist? Wolltest Du mich nicht immer beschützen, egal was Du dafür ertragen musstest? Stimmt das alles etwa nicht? Großer Bruder, wach endlich auf!!“, schrie Serenity und fing an zu weinen.

Plötzlich rührte Joey sich und wischte mit der Hand Serenitys Tränen weg. „Weine nicht, kleine Schwester, ich will nicht, dass Du weinst. Es tut mir leid, dass ich Dir Kummer gemacht habe, es tut mir leid!“ Serenity schniefte leise und warf sich ihrem Bruder in die Arme. „Ach Joey, was soll ich denn machen, ich kann Dich doch nicht einfach hier lassen!“

Joey drückte sie sanft von sich weg und schaute sie ernst an. „Du musst, kleine Schwester, Du musst diese Chance nutzen, bevor sie verstreicht. Wir sehn uns bestimmt irgendwann wieder, versprochen! Vertrau mir einfach, Schwesterherz.“ Er nahm sie in die Arme und streichelte ihr sanft über den Rücken. „Es ist keine Trennung für immer, Serenity, Du wirst schon sehen. Es ist nur eine Trennung auf Zeit!“

Serenity nickte leicht an Joeys Schulter und weinte hemmungslos.

Schwerer Abschied!

Serenity lag in dieser Nacht bei Joey im Bett und versuchte ihm ein wenig Trost zu geben, Joey schlief ziemlich unruhig und Seto lag die ganze Nacht wach, während Mokuba und Serenity tief schliefen.

Seto machte sich ziemlich große Sorgen um Joey, er wusste genau, was dieser für seine Schwester empfand und er konnte sich wirklich gut vorstellen, was Joey nun durchmachte. Wenn ihm jemand seinen Bruder Mokuba wegnehmen würde, wäre er sicher auch am Boden zerstört, er schwor sich immer gut auf Mokuba und Joey aufzupassen.

Er lauschte den unruhigen Atemzügen von Joey und seufzte traurig, die Welt ging wirklich ungerecht mit diesem Jungen um, er tat ihm wirklich leid.

Irgendwann tief in der Nacht schlief Seto endlich ein.
 

Am nächsten Morgen wurden sie schon ziemlich früh geweckt. Frau Shima stand in Begleitung von Frau Kawai im Zimmer und weckte die Kinder aus ihren Träumen. Serenity standen schon wieder die Tränen in den Augen und Joey wischte sie einfach fort. „Schon gut, Schwesterherz, nicht weinen.“

Seto und Mokuba standen ein wenig abseits am Tisch und wussten nicht was sie sagen sollten. „Hast Du Deine Sachen gepackt, Serenity?“, fragte Frau Kawai kühl, Serenity nickte traurig und zeigte auf ihre Tasche. Frau Kawai nahm sie und verließ mit einem „Ich warte im Wagen, sei in einer halben Stunde draußen“ das Zimmer.

Frau Shima schüttelte ein wenig wütend den Kopf und murmelte etwas, was sich stark nach „Was für eine merkwürdige Frau“ anhörte und Serenity fiel ihrem Bruder weinend um den Hals. „Ach Joey, ich will hier nicht weg, ich will Dich nicht alleine lassen, zwing mich bitte nicht dazu!“, doch Joey drückte sie sanft von sich. „Schwesterherz, ich kann nichts dagegen tun, auch wenn ich wollte, ich kann nicht. Es tut mir wirklich leid, aber Du musst nicht um mich weinen, bitte wein nicht!“

Serenity schluchzte ein wenig und Seto reichte ihr ein Taschentuch. „Danke, Seto, Du bist echt lieb!“ Seto nickte leicht und zog sich wieder an den Tisch zurück, Mokuba hatte Tränen in den Augen und ging mit hängendem Kopf auf Serenity zu, um sie dann etwas stürmisch zu umarmen. „Nicht traurig sein, kleiner Moki, ich geh ja nicht für immer.“, sagte Serenity und wischte sich die letzten Tränen aus dem Gesicht. „Ich werd Dich schrecklich vermissen.“, schniefte Mokuba und wischte sich mit dem Ärmel seines Schlafanzuges über die Augen. „Ich weiß, Moki, ich Dich auch.“, erwiderte Serenity und schnappte sich ihre Anziehsachen und ihre Waschtasche, um sich im Waschraum für Mädchen umzuziehen.
 

Ein paar Minuten später trat sie hinaus auf den Hof und verabschiedete sich noch mal von Seto, Mokuba, Frau Shima und ihrem Bruder, die alle draußen vor der Tür standen, die Anderen schliefen noch, denn es war noch reichlich früh.

Als Serenity ins Auto zu ihrer Mutter stieg, hatte sie wieder Tränen in den Augen und auch Joey konnte seine Tränen nicht mehr länger zurückhalten. Und als Frau Kawai ohne Abschiedsworte mit dem Auto losfuhr, lief Joey hinterher und winkte seiner Schwester noch zum Abschied, während Serenity aus dem Fenster schaute und weinte.

Als das Auto um die Ecke bog, blieb Joey stehen und lehnte sich erschöpft an die Mauer, die den Hof des Waisenhauses begrenzte. Seto und Mokuba standen am Tor, während Frau Shima mit langsamen Schritten zu Joey ging. „Komm bitte rein, Joey, Du musst etwas Essen, es gibt gleich Frühstück.“, sagte sie sanft, als sie sich zu Joey runterbeugte.

Joey nickte leicht. „Ich komme gleich, Frau Shima, ich möchte jetzt aber eine Weile alleine sein.“ „Das verstehe ich sehr gut, Joey, aber Du solltest trotzdem nicht hier auf dem Boden sitzen, komm mit ins Haus, Du kannst Dich im Zimmer ein wenig ausruhen.“, sagte Frau Shima und zog Joey hoch.

Er folgte ihr aufs Zimmer, reagierte aber nicht auf Setos und Mokubas tröstende Worte, als er alleine im Zimmer war, warf er sich auf sein Bett und weinte sich in den Schlaf. Er hatte keine Ahnung wann er seine Schwester wieder sehen würde und das machte ihn unsagbar traurig.
 

Seto und Mokuba saßen derweil im Speisesaal und stocherten lustlos in ihrem Rührei rum, sie hatten keinen Hunger und machten sich Sorgen um Joey. „Ich hab Angst, Seto, Joey sieht so traurig aus, er wird das nicht überstehen.“, sagte Mokuba traurig und schaute aus dem Fenster. Seto seufzte. „Ich weiß, Moki, ich weiß, ich mach mir auch Sorgen um ihn, ich konnte fast die ganze Nacht nicht schlafen.“

Seto schob seinen Teller beiseite und stützte seinen Kopf in seine Hände. Er dachte darüber nach, was passieren würde, wenn jemand ihn und seinen Bruder adoptieren würde und sie Joey hier allein zurücklassen mussten. Er musste versuchen, Joey ebenfalls mitzunehmen, auch wenn er nicht mit ihm verwandt war, doch wer wollte schon drei Jungs auf einmal adoptieren?

Traurig schüttelte Seto den Kopf, er müsste sich wahrscheinlich für einen entscheiden, er konnte unmöglich bei seinem Bruder und bei Joey bleiben. Auch wenn ihm die Entscheidung schwer fiel, würde er wohl bei seinem Bruder bleiben, sollte jemand ihn adoptieren, alleine lassen würde er Mokuba auf keinen Fall, auch wenn das bedeuten sollte, das Joey alleine hier im Waisenhaus bleibe müsste. Zumindest würde er versuchen eine mögliche Adoption so weit wie möglich hinauszuzögern, doch verhindern konnte er das unmöglich, das wusste Seto genau und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Trotzdem würde er versuchen Joey ein wenig über den Verlust seiner Schwester hinwegzutrösten, solange er die Möglichkeit dazu hatte, auch wenn es sicher schwer sein würde.
 

Nach dem Frühstück gingen Mokuba und Seto hinters Haus um nachzudenken wie sie Joey am besten aufheitern konnten. „Hast Du vielleicht irgendeine Idee?“, fragte Mokuba, doch Seto schüttelte traurig den Kopf. „Mir fällt absolut nichts ein.“ „Vielleicht sollten wir ihm etwas schenken, etwas was ihn vielleicht ein wenig von seinem Schmerz ablenkt.“, sagte Mokuba. „Aber Du weißt doch, dass wir kein Geld haben!“, erwiderte Seto und Mokuba nickte. „Ja, ich weiß, aber wir könnten doch auch etwas basteln, wie wäre es mit einem Anhänger, oder so etwas Ähnliches?“ Seto überlegte einen Moment. „Hm, die Idee ist gar nicht so schlecht, vielleicht könnten wir unsere Namen eingravieren, oder was meinst Du?“ „Das ist super, Seto, so machen wir das, ich hab letztens im Schuppen ein paar alte Aluplatten gefunden, die könnten wir zurechtschneiden und da etwas reinzuschnitzen dürfte kein Problem sein.“

Mokuba hüpfte aufgeregt durch die Gegend, aber Seto hielt ihn zurück. „Wir sollten zuvor mit Frau Shima darüber reden, sie hilft uns bestimmt dabei.“ „Du hast Recht, großer Bruder, lass uns sofort zu ihr gehen!“, erwiderte Mokuba und lief auch sofort los um mit Frau Shima zu reden.
 

Nach einem kurzen Gespräch mit Frau Shima stand fest, dass der Hausmeister Herr Kasaki eine der Aluplatten so zurechtschneiden würde, wie es erforderlich war. Außerdem würde er auch die Kanten abrunden, die Namen von Mokuba und Seto eingravieren und das Wort Freundschaft in Kanji. Und dann würde er ein Loch in das fertige Amulett bohren, damit man später ein Lederband hindurch ziehen konnte. Am Abend sollte das Amulett fertig sein, damit Seto und Mokuba es an Joey verschenken konnten.

Mach, dass der Alptraum verschwindet!

Während Mokuba und Seto noch die letzten Details mit Herrn Kasaki besprachen, schlief Joey ziemlich unruhig in seinem Bett. Er hatte wieder einen Alptraum von seinem Vater, doch diesmal war es der Tag, an dem seine Mutter die Familie verließ.
 

“Du bist ein Taugenichts, ein Säufer, Du bist es nicht wert mein Ehemann zu sein, wie konntest Du es wagen, mich schon wieder zu schlagen? Hast Du keinen Anstand?“ Mrs. Wheeler stand vor ihrem Mann und Mr. Wheeler ging einen Schritt zurück. „Es tut mir leid!“ „Es tut Dir leid? Ist das alles, was Du dazu zu sagen hast? Das reicht mir nicht! Ich werde Dich verlassen und die Scheidung einreichen!“ Mrs. Wheeler drehte sich um und ging Richtung Schlafzimmer, ihr Mann hinterher. „Das kannst Du nicht tun! Das erlaube ich nicht!“ Mrs. Wheeler drehte sich in der Schafzimmertür um. „Du hast mir gar nichts mehr zu sagen, das war das letzte Mal, dass Du mich verletzt hast! Ich lasse mich von Dir nicht mehr fertig machen, ich gehe!“ Sie ging ins Schlafzimmer, Mr. Wheeler blieb wütend in der Tür stehen. „Du wirst aber ohne die Kinder gehen, sie bleiben hier, Du wirst sie nicht bekommen, dafür sorge ich!“ Mrs. Wheeler schrie: „Das werden wir ja noch sehen, einem Säufer wie Dir wird das Jugendamt die Kinder nicht überlassen!“ Mr. Wheeler schrie zurück: „Du wirst die Kinder trotzdem nicht bekommen, das wirst Du schon sehen, verlass Dich drauf!“ Mrs. Wheeler kam mit gepackten Koffern aus dem Schlafzimmer und drängte sich an ihrem Mann vorbei. Mr. Wheeler donnerte seine Faust an den Türrahmen und schrie: „Damit ist die Sache nicht erledigt, ich werde dafür sorgen, dass du die Kinder nie wieder siehst, nicht solange ich lebe!“ Mrs. Wheeler öffnete die Wohnungstür und schrie: „Dann sterb am Besten sofort, damit ich die Kinder gleich mitnehmen kann!“ Ihr Mann schrie zurück: „Hättest Du wohl gerne!“ Mrs. Wheeler knallte mit einem lauten „Ja“ die Wohnungstür hinter sich zu. Mr. Wheeler drehte sich wütend um und sah Joey im Flur stehen. „Hast Du etwa alles mit angesehen?“ Joey nickte mit Tränen in den Augen. Sein Vater drehte sich um, ging Richtung Küche und rief seinem Sohn zu: „Geh in Dein Zimmer, ich will Dich jetzt nicht sehen!“ Joey ging in das Zimmer, dass er sich mit seiner Schwester teilte. Serenity kam auf ihn zu und fragte. „Joe, wo ist Mama?“ Joey nahm sie in den Arm. „Ich weiß nicht!“ „War Papa wieder böse mit ihr?“ Joey nickte. „Kommt sie wieder, um uns abzuholen?“ Joey streichelte sanft über die Haare seiner Schwester. „Ich hoffe es!“
 

Zitternd wachte Joey auf. „Das muss aufhören, das muss endlich aufhören!“, flüsterte er leise und bedeckte sein Gesicht mit seinen Händen. Tränen bahnten sich ihren Weg über seine Wangen und Joey rollte sich schluchzend in seinem Bett zusammen. Er hörte nicht, wie Seto das Zimmer betrat und sich einen Stuhl ans Bett zog.

Seto setzte sich neben Joeys Bett und zog ihn einfach zu sich, Joey wehrte sich nicht und vergrub sein Gesicht in Setos Schoß. „Mach, dass meine Alpträume verschwinden, Seto!“, flüstere er unter Tränen. „Mach, dass sie aufhören!“

Seto streichelte sanft über Joeys Kopf und hauchte einen Kuss auf dessen blonde Haare. „Ich werde es versuchen, Joey, ich werde es versuchen.“, flüsterte er und schob Joey wieder ins Bett, um sich dann neben ihn zu legen und ihn wieder in seine Arme zu ziehen. „Ich werde Dich nicht alleine lassen, hörst Du, ich werde bei Dir bleiben solange ich kann, das verspreche ich Dir.“, flüsterte Seto und drückte Joey noch dichter an sich. Joey nickte dankbar und schlief nach wenigen Minuten in Setos Armen ein.
 

Kurz vor 12 Uhr erschien Frau Shima im Zimmer der Jungs, als sie Seto und Joey im Bett liegen sah, seufzte sie traurig. Es tat ihr weh, dass Joey so sehr leiden musste, aber sie war dankbar, dass Seto bei ihm war und ihm etwas Trost gab. Da Seto ebenfalls schlief, verließ Frau Shima das Zimmer wieder und ging zurück in den Speisesaal, wo Mokuba ganz alleine am Vierertisch saß.

„Moki, Dein Bruder und Joey werden heute nicht zum Essen kommen, aber keine Sorge, ich werde für die Beiden etwas bereitstellen, damit sie gleich essen können, wenn sie aufwachen. Störe sie erstmal nicht, Joey braucht etwas Ruhe und Seto passt auf ihn auf, Du kannst solange mit den Anderen im Spielzimmer spielen oder fernsehen.“, sagte sie und Mokuba nickte. „Meinen Sie, dass es Joey bald wieder besser geht?“, fragte er und Frau Shima nickte. „Ja, Moki, ich glaube ganz fest daran. Joey ist stark, er wird es überstehen, ganz bestimmt!“ Mokuba lächelte dankbar und begann damit, seine Nudelsuppe zu verschlingen.
 

Um 12:45 Uhr erwachten Seto und Joey fast gleichzeitig. Verschlafen rieb Joey sich die rot geweinten Augen und kuschelte sich etwas dichter an Seto, der ihm sanft über den Rücken strich. „Danke, Seto.“, nuschelte Joey leise und Seto murmelte ein leises „Schon Okay“ bevor er Joey einen Kuss auf die Stirn gab und sich erhob. „Komm, wir sollten aufstehen, es ist schon nach Mittag, mal schaun, ob wir noch was zum Essen bekommen.“, sagte er und zog Joey vom Bett, dieser nickte zustimmend und folgte Seto in den Speisesaal.

Als die Köchin Frau Sajato die beiden Jungs sah, verschwand sie sofort in die Küche und wärmte das bereitgestellte Essen auf, während sich Joey und Seto auf ihre Plätze begaben. „Willst Du mir sagen, wovon Du geträumt hast?“, fragte Seto und Joey schaute etwas traurig aus dem Fenster.

„Ich hab davon geträumt, wie meine Mutter uns verlassen hat. Es gab einen furchtbaren Streit zwischen meinen Eltern und mein Vater hat meine Mutter wieder im Alkoholrausch geschlagen, obwohl er ihr versprochen hatte, dass er damit aufhören wollte. Sie hat ihn angeschrieen und beschimpft, hat dann meinem Vater mit der Scheidung gedroht und ist mit gepackten Koffern verschwunden. Ich hab sie dann nur noch einmal gesehen, als sie drei Tage später ihre restlichen Sachen geholt hat, sie hat sich nicht einmal von uns verabschiedet. Zwei Monate später verlor mein Vater auf Grund seiner Alkoholsucht seinen Job und hat angefangen uns zu schlagen, wenn er wieder mal betrunken war. Wenn er getrunken hatte, hab ich meine Schwester vor ihm versteckt und hab dann meist die Schläge kassiert, das ging bis zu seinem Selbstmord so.“

Seto hörte sich die Geschichte schweigend an, stand auf und setzte sich neben Joey an den Tisch, um ihn dann wieder in die Arme zu nehmen. Joey weinte sich dann zum zweiten Mal an diesem Tag an Setos Schulter aus, erst als die Köchin mit dem Essen kam, lösten sich die Beiden von einander und verzerrten schweigend ihre Mahlzeit.

Freundschaftsgeschenk!

Am Abend trafen sich Seto und Joey mit Mokuba auf dem Spielplatz vor dem Waisenhaus. Mokuba hatte sich vorher das fertige Amulett vom Hausmeister geben lassen und holte dieses aus der Hosentasche. „Joey, wir haben ein kleines Geschenk für Dich, das soll Dich immer an uns erinnern!“ Er reichte das Amulett an Joey weiter, dieser nahm es ein wenig überrascht an und las die eingravierten Schriftzeichen. „Das…ist…ich weiß gar nicht, was ich sagen soll! Danke! Das ist so schön! Danke Seto, danke Mokuba!“

Joey wischte sich ein paar Tränen aus dem Gesicht und umarmte erst Mokuba und dann Seto. „Warte, ich leg Dir das Amulett um.“, sagte Seto und nahm Joey das Lederhalsband mit dem Amulett aus der Hand, um es dann um dessen Hals zu legen. Joey zuckte kurz zusammen, als er Setos warme Hände an seinem Nacken spürte, ließ sich aber nichts anmerken. Es gefiel Joey, wenn Seto ihm so nah war, auch wenn er nicht genau wusste wieso, aber es war durchaus ein angenehmes Gefühl.

Nachdem Seto Joey das Amulett um den Hals gelegt hatte, bekam er von diesem eine liebevolle Umarmung und einen kleinen Kuss auf den Mund. Während Seto Joey erschrocken ansah und dazu noch rot anlief, musste Mokuba sich zusammenreißen, um nicht laut loszulachen. Joey jedoch blickte nur verständnislos in Setos Richtung. „Hast Du etwa noch nie einen Kuss bekommen?“, fragte er und Seto schüttelte energisch den Kopf. „Schon gar nicht von einem Jungen!“

Seto war sichtlich empört, aber auch ziemlich durcheinander, denn wirklich unangenehm war ihm der Kuss nicht, es hatte ihm sogar ziemlich gefallen, denn Joeys Lippen kamen ihm ziemlich weich und warm vor. Joey kratze sich verlegen am Hinterkopf und nuschelte ein leises: „Sorry. Ich wollte Dir nicht den ersten Kuss stehlen, aber ich war einfach so sehr gerührt, da konnte ich mich einfach nicht beherrschen.“

Unruhig trat er von einem Bein auf das andere und wollte am liebsten im Erdboden versinken, so peinlich war ihm das Ganze und Mokubas leises Gekicher half auch nicht wirklich, um diese peinliche Situation zu verbessern. Seto zuckte dann einfach mit den Schultern. „Ach was soll‘s, so schlimm war‘s ja nicht. Lass uns lieber wieder rein gehen, es ist bald Schlafenszeit.“, damit nahm er einfach Joeys Hand in seine linke und Mokubas Hand in seine rechte Hand und zog Beide in Richtung Haupteingang.
 

Ein paar Minuten später gingen die drei Jungs, nach einem kurzen Aufenthalt im Waschraum, in ihr Zimmer und Joey wurde wieder bewusst, dass seine Schwester nicht mehr da war, was ihm ein verzweifeltes Seufzen entlockte. „Soll ich heute Nacht bei Dir schlafen, Joey?“, fragte Seto besorgt und Joey nickte müde. Er fühlte sich nicht dazu in der Lage, heute alleine im Bett zu schlafen, die Angst vor seinen Alpträumen war einfach zu groß und so war er sichtlich erleichtert, dass Seto bei ihm schlafen wollte.

Mokuba war ebenfalls besorgt und er machte den Vorschlag, ob er nicht unten in Serenitys Bett schlafen könnte, damit er im Notfall gleich zu Frau Shima laufen könnte, falls es nötig sein sollte. Joey hatte nichts dagegen, dass Mokuba im Bett seiner Schwester schlief, denn sie hätte sicher auch nichts dagegen gehabt, also legte sich Mokuba in das untere Bett, während Seto zu Joey ins Bett krabbelte und ihn in seine Arme schloss.

In Setos Armen war es für Joey leicht, sofort und ohne Alpträume einzuschlafen. Seto lächelte zufrieden und Mokuba seufzte ein wenig, bevor er die kleine Nachtischlampe ausschaltete und ebenfalls einschlief. Nur Seto blieb noch eine Weile wach und hörte noch, wie Frau Shima das Zimmer betrat, die mit einer kleinen Taschenlampe zu Joeys Bett leuchtete und mit einem Seufzen das Zimmer wieder verließ.
 

Frau Shima setzte ihren Rundgang durch die Zimmer fort, war mit ihren Gedanken allerdings die ganze Zeit bei ihrem besonderen Schützling Joey. Sie wusste nicht, was passieren würde, wenn Seto und Mokuba irgendwann auch nicht mehr da waren, um ihn zu trösten. Wie würde Joey das verkraften? Dazu kam noch die Tatsache, dass sie selbst auch nicht mehr lange in diesem Waisenhaus bleiben würde, denn ihr wurde nahe gelegt, in den vorzeitigen Ruhestand zu gehen, da sie seit einiger Zeit vermehrt körperliche Beschwerden hatte, die man einfach nicht mehr ignorieren konnte.

Der Direktor hatte erst vor drei Tagen von ihr verlangt, eine Entscheidung zu treffen, doch bisher hatte sie sich noch nicht dazu durchringen können und es fiel ihr wirklich schwer, denn sie wollte Joey jetzt auf keinen Fall mit seinem Schmerz alleine lassen. Eigentlich hatte sie gehofft, dass sie es schaffen würde, für Joey eine nette Familie zu finden, aber so wie es im Moment aussah, standen seine Chancen relativ schlecht, denn er war nicht außerordentlich begabt, oder talentiert, er war halt nur ein ganz gewöhnlicher Junge, mit einem großen Herz.

Für Seto und Mokuba gab es da schon ein paar Interessenten, allerdings wollten diese immer nur einen von den Brüdern und das kam für Frau Shima nicht in Frage, also hatte sie jedes Mal darauf hingewiesen, dass es die Brüder nur im Doppelpack gab, was die meisten Interessenten sofort abgeschreckt hatte. Frau Shima war sich allerdings sicher, dass sie nicht immer so viel Glück haben würde, der Direktor hatte sie schon einmal ermahnt, dass sie sich in diese Angelegenheiten nicht einmischen sollte, denn schließlich war das hier ein Waisenhaus mit Möglichkeit zur Adoption und kein Hotel für heimatlose Kinder.

Die Wortwahl des Direktors hatte Frau Shima ziemlich entsetzt und sie nahm sich vor, nicht eher in den Ruhestand zu treten, bis ihre drei Schützlinge Seto, Mokuba und Joey sicher in einer netten Familie untergebracht waren, denn diese Drei waren ihr in der letzten Zeit besonders ans Herz gewachsen.

Wenn sie die Möglichkeit dazu hätte, würde sie die Jungs selbst adoptieren, allerdings stand ihr dabei ihr hohes Alter im Weg und verheiratet war sie auch nicht mehr, ihre Tochter lebte in Europa und würde erst in einem Jahr wiederkommen. Diese hatte zwar keine Kinder und würde wahrscheinlich sogar zustimmen ihre Schützlinge aufzunehmen, aber sie würde eben erst in einem Jahr nach Domino zurückkehren und solange würde Frau Shima eine Fremdadoption nicht aufhalten können.

Traurig und ziemlich erschöpft beendete sie ihre Runde und wechselte sich mit der Nachtschicht ab, um dann nach Hause zu fahren.

Der großzügige Spender!

Zwei Monate nach Serenitys Abreise saßen Joey, Seto und Mokuba mit dem Rest der Kinder und ein paar Erziehern im großen Fernsehzimmer und verfolgten ein interessantes Schachturnier, das ein paar Fördergelder für das Waisenhaus einbringen sollte. Seto verfolgte jeden strategischen Zug und machte öfters eine kleine Bemerkung oder erklärte die einzelnen Züge der Gegner.

Joey und Mokuba waren sehr überrascht, dass Seto dieses Schachspiel so gut beherrschte, der Rest interessierte sich nicht dafür, als dann aber der Veranstalter Gozaburo Kaiba auf dem Bildschirm erschien, war es auf einmal still im Zimmer, denn Herr Kaiba teilte gerade mit, dass er darüber nachgedacht hatte, ein Kind aus dem Waisenhaus zu adoptieren. Die einzige Bedienung wäre, dass dieses Kind intelligent und äußerst talentiert sein müsste.

Sofort richteten sich die Blicke der Kinder auf Seto, während die meisten ihn mit bösen, eifersüchtigen Blicken musterten, waren Joey und Mokuba einfach nur begeistert. „Seto, das ist die Gelegenheit! Du bist doch so klug, da wird dieser Herr Kaiba gar nicht anders können und Dich mitnehmen!“, meinte Joey voller Hochfreude, aber Seto schüttelte den Kopf. „Ich kann Dich doch nicht hier lassen, Joey, das geht nicht, ich hab Serenity versprochen, dass ich auf Dich aufpasse.“ Joey drückte Seto den Zeigefinger auf den Mund. „Denk doch mal daran, dass Du hier raus kannst. Du kannst Mokuba bestimmt mitnehmen und dann seid ihr endlich aus diesem Waisenhaus raus und habt ein richtiges Zuhause!“ Seto seufzte leise. „Überleg doch mal, Joey, wenn ich weg bin und Mokuba mitnehme, dann bist Du ganz alleine.“ Joey schüttelte lächelnd den Kopf. „Du musst Dir keine Sorgen um mich machen, Seto, ich komm schon klar, ich find sicher auch bald eine nette Familie, verlass Dich drauf!“
 

Mokuba sah den Beiden traurig bei ihrer Unterhaltung zu und eine kleine Träne bahnte sich unbemerkt ihren Weg über seine Wange, ihm war gar nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie Joey hier zurücklassen sollten, er wollte zwar aus diesem Waisenhaus raus, aber er wollte Joey unbedingt mitnehmen. „Und wenn wir Herrn Kaiba davon überzeugen, dass er uns Alle mitnimmt?“, fragte er dann plötzlich mit einem traurigen Unterton in der Stimme, doch Joey schüttelte nachdrücklich den Kopf. „Das wird er sicher nicht tun, er hat doch nur von einem Kind geredet und es wird für Seto schon schwer genug sein, ihn davon zu überzeugen, dass Du mitkommen darfst, da kann er nicht auch noch verlangen, dass ich mit adoptiert werde, zumal ich gar nicht so klug bin, wie ihr Beide.“

Mokuba senkte traurig den Kopf. „Dann bleib ich lieber hier, ich geh nicht ohne Dich!“ Er verschränkte trotzig die Arme vor der Brust und schmollte, so dass Joey leicht lächeln musste. „Komm schon, Moki, so schlimm wird das schon nicht, mach Dir um mich bitte keine Gedanken, mir geht‘s wirklich gut!“

Seto überlegte eine Weile und fragte dann: „Und wenn wir einfach Frau Shima um Rat fragen, vielleicht kann sie uns ja irgendwie helfen?“ Joey zuckte mit den Schultern. „Vielleicht? Fragen können wir ja mal.“
 

„Verstehe. Ihr wollt lieber zusammenbleiben, das kann ich gut nachvollziehen, aber helfen kann ich Euch leider nicht. Herr Kaiba ist Leiter einer großen Firma, die sich auf militärische Ausrüstung spezialisiert hat und er wird ganz sicher nicht mit sich reden lassen, zumal es schon ein großes Wunder ist, dass er sich überhaupt für ein Kind aus dem Waisenhaus interessiert. Er ist nicht unbedingt das, was man als Familienmensch bezeichnet, aber er hat großen Einfluss und wenn er etwas will, bekommt er es auch.“, sagte Frau Shima und Seto schüttelte ungläubig den Kopf. „Heißt das, auch wenn ich mich weigern sollte, wird er mich adoptieren können? Hat er so großen Einfluss, dass er mich auch gegen meinen Willen mitnehmen kann?“

Frau Shima nickte seufzend. „Leider ja, wenn er sich die Akten vom Direktor ansieht, wird ihm sicher Deine unglaubliche Intelligenz auffallen und dann wird er ganz sicher einen Antrag auf Adoption stellen. Wir müssen uns aber etwas überlegen, damit er auch Deinen Bruder mitnimmt, denn zwingen können wir Herrn Kaiba nicht, dazu ist sein Einfluss zu groß.“ „Das werde ich in die Hand nehmen, ich hab da eine Idee, die auf jeden Fall funktioniert. Ich werde ihn einfach zu einer Runde Schach herausfordern und wenn ich gewinne, nimmt er Mokuba mit und ich werde auf jeden Fall gewinnen!“, meinte Seto selbstbewusst und Joey nickte heftig. „Ja, das ist eine super Idee!“

Mokuba war allerdings nicht so begeistert. „Meinst Du, dass er auf die Herausforderung eingeht?“ Seto nickte. „Klar wird er das, weil ich ihn vor laufender Kamera herausfordern werde, denn er wird sicher mit einer Menge Reportern hier eintreffen. Er kann gar nicht ablehnen, wenn er seinem Ruf nicht schaden will.“

Frau Shima seufzte leise und Joey lehnte sich ein wenig traurig im Stuhl zurück. >Ich werde Euch vermissen!<, dachte er und zwang sich zu einem fröhlichen Lächeln, er wollte auf keinen Fall, dass Seto seinen Plan aufgab, nur weil er sich Sorgen um ihn machte. „Wann will Herr Kaiba eigentlich her kommen?“, fragte Joey nach einer kurzen Pause. „Nächste Woche Freitag, also in 5 Tagen.“, erwiderte Frau Shima und Joey nickte lächelnd, obwohl ihm das Herz wehtat. >So früh schon, das halt ich nicht aus. Ich schaff das nicht! Ich schaff das nicht!< „Ähm, ich geh mal in den Waschraum. Seto, Mokuba, wir treffen uns dann gleich draußen auf dem Spielplatz!“, sagte er und verließ fast fluchtartig das Büro von Frau Shima.
 

>Ich darf mir nichts anmerken lassen, ich darf nicht weinen. Sie dürfen sich keine Sorgen um mich machen, sonst werden sie nicht gehen, sie werden ihre Freiheit für mich opfern und das kann ich nicht zulassen! Sie sollen glücklich werden, ich muss sie gehen lassen. Aber es ist so schwer, so schwer!<

Joey ging mit schnellen Schritten in den Waschraum und schloss sich in eine Toilettenkabine ein, um seinen Tränen frei Lauf zu lassen. Er wollte nicht vor Seto und Mokuba weinen, aber aufhalten konnte er die Tränen dennoch nicht. >Serenity, ich hoffe, es geht Dir gut. Ich vermisse Dich so sehr! Wenn Mutter mir doch schreiben würde! Warum tut sie mir das an? Was habe ich getan, dass sie mich so sehr hasst? Ich verstehe es einfach nicht, ich verstehe es nicht!<

Eine ganze Weile saß Joey in der Kabine und weinte, bis jemand in den Waschraum kam, um sich die Hände zu waschen. Joey erhob sich, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und verließ die Kabine, um sich kurz darauf das Gesicht zu waschen. Der Junge, der den Waschraum betreten hatte, beachtete Joey nicht weiter und verließ den Waschraum wieder, während sich Joey sein Gesicht im Spiegel betrachtete. >Ich muss stark sein, ich darf niemals aufgeben! Niemals! Ich werde niemals aufgeben!< Er trocknete sich sein Gesicht ab und verließ den Waschraum, um Seto und Mokuba nahe zu sein, solange er noch die Möglichkeit dazu hatte.

Die Herausforderung!

Am Freitagnachmittag war es endlich soweit, Gozaburo Kaiba wurde sehnsüchtig im Waisenhaus erwartet. Die ganze Zeit hatten die Erzieher und die Kinder das Waisenhaus aufgeräumt, geputzt und geschmückt, damit wirklich Alles perfekt war für die Ankunft des Leiters der Kaiba Corporation.

Joey ließ sich den ganzen Tag über nicht blicken und versteckte sich die ganze Zeit hinter dem Schuppen zwischen ein paar dichten Büschen. Den Platz hatte er mal durch Zufall gefunden, als ihm ein Ball ins Gebüsch gerollt war, außer ihm kannte niemand dieses kleine Versteck, also konnten Mokuba und Seto ihn dort auch nicht finden, obwohl sie manchmal ziemlich dicht daran vorbeigingen.

Sie machten sich Sorgen um Joey. „Wo kann er denn nur stecken?“, fragte Mokuba und Seto zuckte traurig mit den Schultern. „Ich weiß nicht, wir haben schon überall nach ihm gesucht, ich wüsste nicht, wo wir ihn noch suchen sollen.“ „Vielleicht wäre es besser, wenn wir Frau Shima benachrichtigen, vielleicht ist Joey weggelaufen, oder ihm ist etwas passiert.“, meinte Mokuba, Seto schüttelte den Kopf. „Joey würde bestimmt nicht so einfach weglaufen, das kann ich mir nicht vorstellen und ich glaub auch nicht, dass ihm etwas passiert ist. Ich bin sicher, dass er sich nur versteckt hat, weil er traurig ist und er das nicht zeigen will.“ „Das wäre möglich, großer Bruder! Aber sollten wir ihn dann nicht trösten?“, fragte Mokuba und Seto schüttelte wieder den Kopf. „Wenn Joey das nicht will, können wir ihn nicht dazu zwingen. Wir müssen warten, bis er von alleine zu uns kommt und uns um Hilfe bittet.“

Mokuba seufzte leise. „Joey ist manchmal ziemlich schwierig.“ Seto nickte zustimmend. „Aber er ist auch ziemlich einsam.“ Mokuba seufzte wieder. „Du hast Recht, Bruder.“ Joey hörte das Gespräch von seinem Versteck aus und ihm kamen wieder die Tränen, er schluchzte leise und vergrub sein Gesicht in seine Hände. Er wollte stark sein, aber er war doch noch ein Kind, ein einfaches Kind, ein Kind, das erst lernen musste, wie man stark wird.
 

Gegen 17:00 Uhr wurde es unruhig auf dem Hof des Waisenhauses, eine Wagenkolonne hielt vor dem Tor an, dabei war ein Funkwagen mit Antenne für die Liveübertragung zur Fernsehstation, eine große schwarze Limousine der Kaiba Corporation, ein Polizeiauto und zwei Polizeimotorräder.

Zuerst sprang das Fernsehteam aus ihrem Wagen und positionierte sich vor der Limousine, aus der dann Gozaburo Kaiba persönlich ausstieg, in Begleitung zwei seiner persönlichen Assistenten. Die Leiterin Frau Shima, die Köchin Frau Sajato, der Direktor Herr Yoshi und der Hausmeister Herr Kasaki begrüßten Herrn Kaiba und seine zwei Begleiter freundlich und führten sie dann ins Waisenhaus, während das Fernsehteam alles filmte und Live zum Fernsehsender übertrug.

„Ich freue mich wirklich sehr, dass Sie uns besuchen Herr Kaiba!“, schleimte der Direktor und der Firmenleiter runzelte leicht die Stirn, Schleimer waren ihm zuwider, er konnte sie nicht ausstehen. „Ich möchte gern diesen Wunderjungen sehen, falls Sie nichts dagegen haben.“, meinte er ziemlich unfreundlich und der Direktor nickte heftig. „Aber selbstverständlich, Mr. Kaiba! Folgen Sie mir bitte!“

Er führte die Männer in das Spielzimmer der Waisenkinder, in dem es ungewöhnlich still war. Seto und Mokuba saßen ganz hinten an einem Tisch und alle Blicke der Kinder richteten sich von Herrn Kaiba sofort auf Seto, der mit ernstem Gesichtsausdruck zur Tür starrte und den Leiter der Kaiba Corporation böse anfunkelte.
 

Joey war noch immer nicht aufgetaucht, er wusste zwar, dass Gozaburo Kaiba eingetroffen war, aber er wagte sich nicht aus seinem Versteck, erst als er sicher war, dass Herr Kaiba im Gebäude war, schlich er sich heimlich unter ein geöffnetes Fenster des Spielzimmers und lauschte angespannt.

Der Tisch von Seto und Mokuba stand nicht weit entfernt von dem offenen Fenster, also konnte er das Gespräch zwischen Seto und dem Firmenleiter mitverfolgen und bei jedem Wort verkrampfte sich sein Herz schmerzlich zusammen. „Du bist also Seto?“, fragte der Firmenleiter. „Jawohl, Herr Kaiba, das bin ich und das ist mein Bruder Mokuba und wenn Sie mich adoptieren wollen, müssen Sie ihn mitnehmen!“, antwortete Seto, Gozaburo lachte trocken. „Und warum sollte ich das tun?“, fragte er und Seto erwiderte: „Weil ich Sie vor laufender Kamera zu einem Schachspiel herausfordere und wenn ich gewinne, werden Sie uns Beide mitnehmen!“ „Und was ist, wenn Du verlierst?“, fragte der Leiter der Kaiba Corporation lachend. „Ich werde nicht verlieren!“, antwortete Seto zornig und Herr Kaibas Lachen erstarb augenblicklich. „Warum sollte ich auf die Herausforderung eingehen?“, fragte er. „Ganz einfach, weil Sie sicherlich nicht zugeben wollen, dass Sie vor einem kleinen Jungen Angst haben, dass Sie Angst davor haben, dass ein kleiner Junge gegen Sie gewinnen kann.“, sagte Seto selbstbewusst.

Gozaburo knurrte böse. „Dir werde ich schon noch Manieren beibringen, Rotzbengel, aber gut, spielen wir eine Runde Schach und wenn ich gewinne, wird Dein Bruder hier bleiben und Du wirst Deine gerechte Strafe für Deine freche Herausforderung bekommen!“, sagte er. „Abgemacht, Herr Kaiba!“, antwortete Seto.

Joey ließ sich an der Wand des Hauses hinab gleiten und stützte seinen Kopf auf seine Knie, ein paar Tränen rollten über seine Wange und er wischte sie mit einer schnellen Handbewegung weg. Jetzt war nicht die Zeit für Tränen, er musste Seto die Daumen drücken, damit dieser das Schachspiel gegen Gozaburo Kaiba gewann, damit er seinen kleinen Bruder Mokuba mitnehmen konnte. Weinen konnte er hinterher immer noch.

>Seto muss es schaffen, er darf einfach nicht verlieren, er darf nicht verlieren! Ich will nicht, dass die Beiden getrennt werden, ich will nicht, dass sie dasselbe, wie ich erleiden müssen. Es ist schon traurig genug, dass ich meine Schwester verloren habe, ich will nicht, dass so etwas mit Seto und Mokuba passiert, sie gehören einfach zusammen!<, dachte Joey und flehte den Himmel an, dass er Seto zum Sieg verhelfen möge, auch wenn das bedeutete, dass er ganz alleine im Waisenhaus zurückbleiben müsste. Lieber das, als miterleben, wie wieder eine Familie auseinander gerissen wird.

Joey wollte so etwas nie wieder sehen, nie wieder! „Bitte lieber Gott, bitte lass Seto dieses Schachspiel gewinnen, ich werde Dich nie wieder um etwas bitten, wenn Du ihm die Möglichkeit gibst, seinen kleinen Bruder mitzunehmen! Ich werde Dich nie wieder um Hilfe bitten, aber mach, dass Seto gegen Gozaburo Kaiba gewinnt! Bitte lieber Gott, tu es für Seto, wenn Du es nicht für mich tun willst, oder tu es für Mokuba, aber tu es, lieber Gott!“, flüsterte Joey so leise, dass nur er es hören konnte und faltete seine Hände zu einem Gebet, so wie er es schon oft getan hatte, wenn sein Vater mal wieder betrunken im Wohnzimmer herumtobte und nach ihm rief.

Noch nie hatte Gott seine Gebete erhört, nie hatte er ihm geholfen, wenn sein Vater ihn schlug und er Gott um Hilfe bat, doch dieses eine Mal wollte Joey daran glauben, dass es so etwas wie einen Gott dort oben im Himmel gab, damit er Seto zum Sieg verhalf. Er glaubte ganz fest daran, denn es war das Einzige, was er noch für Seto und Mokuba tun konnte.

Eindeutiger Sieg!

Während Joey draußen vor dem offenen Fenster saß und betete, stand Mokuba neben Seto am Tisch und betete ebenfalls stumm. >Bitte lieber Gott, wenn Du mich sehen kannst, dann hilf meinem Bruder, er muss gegen diesen Mann gewinnen, damit wir nicht getrennt werden. Hilf ihm lieber Gott!<

Seto selbst bekam davon nicht viel mit, er starrte nur konzentriert auf das kleine Holzschachbrett, dass von Gozaburo Kaiba persönlich aufgestellt wurde. Setos blaue Augen funkelten gefährlich, was von Frau Shima mit Besorgnis registriert wurde. >Er sieht so anderes aus, so kalt, gar nicht mehr, wie ein Kind!<, dachte sie und seufzte leise. >Wenn ich könnte, würde ich die Adoption verhindern, ich weiß nicht, was die beiden Jungs erwartet, wenn Seto das Schachspiel gewinnt. An die Möglichkeit, dass er auch verlieren könnte, will ich gar nicht erst denken. Ich kann nur hoffen, dass es kein Fehler ist, was wir hier tun! Ich hab leider keine andere Wahl, als das Beste für die beiden Brüder zu hoffen. Joey wird es allerdings sehr schwer haben, wenn Seto und Mokuba nicht mehr da sind.< Sie seufzte leise und stellte sich neben Mokuba, um ihm die Nervosität ein wenig zu nehmen.
 

Nachdem Herr Kaiba alle Figuren auf das Schachbrett gestellt hatte, drehte er es so, dass die weißen Figuren vor ihm standen. „Ich beginne!“, meinte er arrogant, Seto nickte nur stumm und zeigte keinerlei Gefühlsregungen, was alle Anwesenden ein wenig verwirrte, denn so ernst und beherrscht kannte man Seto nicht.

Gozaburo Kaiba eröffnete das Spiel mit einem Zug eines seiner Bauern, Seto spielte denselben Zug, was von Kaiba mit einem Augenbrauenzucken und einem leise gemurmelten Fluch quittiert wurde. Das Spiel ging weiter und mit jedem Zug wurde klar, dass Seto sich sämtliche Spielzüge von Gozaburo Kaiba gemerkt hatte und nicht so einfach zu besiegen war, wie der Firmenleiter erwartet hatte.

Die Presseleute begannen leise untereinander zu diskutieren und auch die Kinder und Erzieher des Waisenhauses unterhielten sich untereinander. Gozaburo wurde mit jedem Zug unruhiger, während Seto noch immer konzentriert auf das Schachbrett starrte, ohne Nervosität zu zeigen. Bis er dann den entscheidenden Zug machte, er zog seine Dame in die Nähe des weißen Königs. „Schach!“, meinte er beinahe tonlos und Herr Kaiba zuckte leicht erschrocken zusammen.

Er hatte nur noch einen Zug, das wusste er sofort, der nächste Zug von Seto würde ihn schachmatt setzen. Resigniert und in seiner Würde verletzt, legte er seinen König flach auf das Schachbrett. „Du hast gewonnen, Kleiner. Gratuliere! Ich werde mein Versprechen einlösen und Deinen Bruder ebenfalls adoptieren.“, knurrte der Leiter der Kaiba Corporation und erhob sich, Mokuba quiekte überrascht und glücklich auf und sprang seinem Bruder um den Hals. „Du hast es geschafft großer Bruder, Du hast es geschafft!“

Mokuba freute sich ungemein, während Seto nicht grade glücklich aussah. >Ja, ich hab es geschafft, aber was wird nun aus Joey?<, dachte er leicht verbittert und versuchte ein kleines Lächeln, um seinem Bruder nicht zu zeigen, dass er überhaupt nicht glücklich war über seinen Sieg. >Ich werde erst wieder lachen, wenn ich Joey wieder sehe!<, dachte er und seufzte leise.
 

Joey saß unterdessen zusammengesunken vor dem Fenster und vergrub sein Gesicht in seine Hände. Er weinte nicht, er dachte an gar nichts, er saß einfach nur stumm da und rührte sich nicht. Erst als durch das offene Fenster das Lachen und Toben der Kinder zu hören war, erwachte Joey wieder zum Leben. Er kroch vom Fenster weg und erhob sich schwankend vom Boden. >Das war‘s also. Ich bin ganz allein. Aber es ist gut so, es ist in Ordnung! Ich komm klar, ich muss stark sein. Für Seto, für Mokuba und für Serenity. Ich darf nicht weinen, nie wieder weinen!<, dachte er und wischte sich eine einzelne Träne aus den Augenwinkeln. >Ich werde erst wieder weinen, wenn ich Seto wieder sehe!<

Er ging zum Spielplatz und wartete darauf, dass Herr Kaiba und die anderen das Waisenhaus verließen. Als erstes verließen die Kameramänner das Gebäude, gefolgt von dem Firmenleiter und seinen Begleitern.

Danach kamen der Direktor und Frau Shima. „Ich werde die beiden Jungs morgen früh mit meiner Limousine abholen lassen, die Formalitäten klären Sie bitte mit meinem Büro, ich erwarte, dass alles reibungslos verläuft!“, meinte Gozaburo zum Direktor, der eifrig nickte. „Selbstverständlich, Herr Kaiba, es wird keinerlei Schwierigkeiten geben!“

Joey atmete tief durch und schloss kurz seine Augen, während er sich auf einer Bank niederließ. >Mir bleibt also noch eine Nacht, um mich von Seto und Mokuba zu verabschieden, nur noch eine Nacht!< Ein wehmütiges Lächeln huschte kurz über Joeys Gesicht, er öffnete seine Augen wieder und beobachtete, wie Herr Kaiba mit seinen Männern das Gelände verließ und in seine Limousine stieg.

>Ich hasse diesen Mann!<, dachte er verbittert und schüttelte schief grinsend den Kopf. >Ich bin ein Trottel! Was kann ich denn schon tun, um diesen Mann aufzuhalten? Ich bin doch nur ein dummer Junge! Dreckiger Köter hat mein Vater mich genannt, Versager hat meine Mutter zu mir gesagt und beide haben Recht damit! Ich kann nicht mal verhindern, dass mir meine geliebte Schwester oder meine liebsten Freunde genommen werden! Ich kann überhaupt nichts dagegen tun, ich bin ein Nichtsnutz, zu nichts zu gebrauchen. Und jetzt bleibt mir nur eine lausige Nacht, bevor mein Leben den Bach runtergeht!<

Joey vergrub sein Gesicht erneut in seine Hände und bemerkte nicht, wie ihm ein Arm um die Schulter gelegt wurde. „Weine nicht, Joey.“, flüsterte Frau Shima, die sich neben Joey auf die Bank gesetzt hatte. Joey nahm seine Hände wieder runter und meinte vergnügt: „Warum sollte ich weinen, Frau Shima? Ich freu mich für Seto und Mokuba! Sie können endlich in einer Familie aufwachsen, da muss ich doch nicht weinen!“

Frau Shima blinzelte irritiert. >Das gibt es doch wohl nicht! Erst wird Seto so ernst und beinahe gefühllos und nun versucht Joey mir weiszumachen, dass er überhaupt nicht traurig ist. Was ist nur aus den beiden lieben, herzensguten Jungs geworden?<

Während Frau Shima völlig verwirrt auf das lächelnde Gesicht von Joey starrte, stand Seto in der Tür des Waisenhauses und zuckte nicht einmal mit der Wimper. >Nur noch eine Nacht, Joey, nur noch eine Nacht! Dann muss ich fort und ich weiß nicht, wann wir uns wieder sehen. Uns bleibt nur diese eine Nacht!<

Die letzte Nacht!

Joey rannte lachend durch das Waisenhaus und kümmerte sich nicht um die irritierten Blicke von Frau Shima. „Ich hab gewusst, dass Du es schaffst, Seto!“, rief er aufgeregt und sprang Seto um den Hals, der die Umarmung nur sehr zögerlich erwiderte. „Ja, ich hab‘s geschafft.“, meinte er beinahe tonlos. Joey kümmerte sich auch nicht um das beinahe versteinerte Gesicht Setos und zog ihn einfach in den Speisesaal. „Komm, lass uns mit Mokuba und den Anderen zusammen feiern. Ihr werdet adoptiert und das auch noch von einem äußerst mächtigen Mann! Das muss einfach gefeiert werden!“, rief Joey lachend.

Während Joey vergnügt all die Dinge aufzählte, die Seto und Mokuba vielleicht bekommen würden, hing Seto seinen Gedanken nach. >Es tut mir leid, Joey, dass ich Dich hier zurücklassen muss und es tut mir leid, Dich so zu sehen. Du versuchst hinter Deiner lachenden und fröhlichen Fassade, Deine Traurigkeit zu verbergen. Wie lange wirst Du das durchhalten, Joey? Wird es für immer so sein? Du mit Deiner Fassade eines fröhlichen Jungen, der innerlich längst zerbrochen ist und ich mit der Fassade eines eiskalten Geschäftsmannes, der bald vergisst, was es heißt, ein Kind zu sein? Was soll nur aus uns werden, Joey?<
 

Die Abschiedsfeier für Seto und Mokuba dauerte fast den ganzen restlichen Tag, allerdings bemerkte niemand, dass Joey sich ins Zimmer verkrochen hatte und sich unter dem Doppelstockbett versteckte. Joey weinte nicht, er summte nur ein fröhliches Lied und malte an einem Bild, das er erst ein paar Tage zuvor begonnen hatte.

Frau Shima betrat das Zimmer, bemerkte Joey aber unter dem Bett nicht und verschwand wieder, während Joey erleichtert aufatmete. >Hier findet mich keiner, hier kann ich mein Bild zu Ende malen, ohne entdeckt zu werden. Seto und Mokuba werden sicherlich erst ganz spät ins Zimmer kommen, bis dahin bin ich sicherlich fertig.<, dachte er und schaltete die kleine Taschenlampe wieder ein, die er beim Geräusch der sich öffnenden Tür gelöscht hatte.

Er griff erneut nach seinen Buntstiften und malte weiter. >Ich hoffe, dass es ihnen gefällt. Ich hoffe es wirklich. Ich hab leider nichts, was ich ihnen sonst schenken könnte, mir ist nichts mehr geblieben, gar nichts.< Er schniefte leise und wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln. „Ich werde nicht mehr weinen, nicht mehr weinen. Nie mehr!“, flüsterte er leise und zwang sich zu einem fast unscheinbaren Lächeln. >Ich muss fröhlich sein, immerhin bleiben Seto und Mokuba zusammen, das ist es doch, was ich gewollt habe. Es gibt keinen Grund für mich, warum ich weinen sollte. Serenity lebt jetzt bei unserer Mutter und hat einen neuen Bruder, einen kleinen Bruder, um den sie sich kümmern kann, es gibt also keinen Grund, warum ich traurig sein sollte. Ich finde sicher auch bald eine liebe Familie, die mich aufnimmt, also muss ich nicht weinen. Es wird alles gut werden, das weiß ich einfach.<, dachte Joey, während er leise summte und sein Bild malte.
 

Am späten Abend betraten Seto und Mokuba das Zimmer und sahen sich besorgt um, da sie Joey nicht entdecken konnten. „Ich hatte eigentlich gehofft, dass Joey hier wäre, aber hier ist er auch nicht. Wo kann er denn nur sein, Seto?“, fragte Mokuba besorgt. Seto schüttelte nur den Kopf. „Ich weiß es nicht, Mokuba. Wir haben doch schon überall gesucht.“

Plötzlich erklang ein leises Geräusch, das wie leises Schnarchen klang. „Hörst Du das auch, Mokuba?“ Mokuba lauschte angespannt und nickte leicht. „Hört sich an, als würde jemand schnarchen.“ „Das hört sich nicht nur so an, hier schnarcht wirklich jemand und ich glaub, ich weiß auch, wo der Schnarcher ist.“, meinte Seto und ging leise und vorsichtig zu Joeys Bett, um sich dann hinunter zu beugen, damit er unter das Bett schauen konnte. „Unter dem Bett? Aber was macht er denn unter dem Bett?“, fragte Mokuba. „Sei bitte leise, er schläft.“, meinte Seto und lächelte ganz leicht, als er den schlafenden Joey betrachtete. >Er ist wirklich ein Engel, wenn er schläft, wie ein kleiner, blonder Engel, dem man die Flügel genommen hat.<

„Seto?“, fragte Mokuba besorgt, als Seto keine Anstalten machte, sich irgendwie vom Fleck zu bewegen. „Hm?“, fragte Seto ein wenig verträumt. „Wäre es nicht besser, wenn wir Joey da raus holen und in sein Bett legen?“, fragte Mokuba, Seto blinzelte verwirrt und stand dann beinahe ruckartig auf. „Du hast Recht! Wenn er weiterhin da unten bleibt, bekommt er noch eine Erkältung!“

Er zog die Bettdecke auf Joeys Bett beiseite und winkte Mokuba zu sich. „Komm, Du musst seine Beine rausziehen, während ich den Oberkörper ziehe, alleine schaff ich das hier nicht.“, meinte er. Mokuba nickte und beugte sich zu Joey hinunter, um ihn dann vorsichtig an den Füßen unter dem Bett hervorzuziehen, während sich Seto um Joeys Oberkörper kümmerte.

Zusammen legten sie Joey vorsichtig auf das Bett, erst dann bemerkte Seto ein paar Buntstifte in Joeys rechter Hand und eine kleine Taschenlampe in seiner linken Hand. „Buntstifte und ne Taschenlampe? Was hat er damit unter dem Bett gemacht?“, fragte Seto verwirrt.

Mokuba kratze sich leicht am Kopf und schaute wieder unter das Bett, wo er das Bild entdeckte, das Joey gemalt hatte. Er zog es hervor und zeigte es Seto. „Ich denke, dass er das unter dem Bett gemacht hat, er hat ein Bild für uns gemalt.“ Seto schaute sich das Bild an und schluckte schwer.
 

Es war eine Abbildung von ihm und Mokuba in einer liebevollen Umarmung, darunter stand in etwas krakeliger Schrift „für immer zusammen“. Und ganz unten in einer Ecke hatte Joey einen kleinen, blonden Kopf mit Hundeohren und eine kleine Hundepfote gezeichnet, daneben die Worte „damit ihr mich nicht vergesst“.

„Da steht noch was auf der Rückseite!“, meinte Mokuba, Seto hörte ihn kaum und starrte die ganze Zeit nur auf den blonden Kopf, der wohl Joey darstellen sollte. >Hündchen.<, dachte er und lächelte leicht, während er mit dem Zeigefinger die Hundeohren nachzeichnete. „Seto, hörst Du denn nicht? Da steht noch was auf der anderen Seite, was steht da denn?“, fragte Mokuba erneut, Seto blinzelte leicht, drehte das Bild um und las vor: „Für Seto und Mokuba, damit wir immer Freunde bleiben, euer Hündchen Joey“.

Seto wischte sich eine Träne aus den Augenwinkeln und schüttelte leicht den Kopf. >Als wenn wir Dich jemals vergessen könnten! Für immer Freunde.< Er gab Mokuba das Bild. „Pack es bitte in das Geheimfach Deiner kleinen Tasche, damit es niemand findet, ich will nicht, dass unser neuer Stiefvater das Bild entdeckt.“

Mokuba nickte eifrig. „Geht klar, großer Bruder! Ich werd auf das Bild aufpassen, versprochen! Und was hast Du jetzt vor?“, fragte er, Seto schaute etwas verträumt zu Joey, der friedlich in seinem Bett schlief. „Ich werd Joey etwas Gesellschaft leisten, damit er Morgenfrüh nicht alleine aufwachen muss und sich nachts nicht so einsam fühlt, immerhin ist es heute die letzte Nacht. Morgen ist er ganz alleine.“ Mokuba nickte nur traurig und schniefte leise, als er das Bild in seiner Tasche verstaute und sich selbst schlafen legte, während Seto zu Joey ins Bett krabbelte, um ihn eng zu umarmen.

>Träum schön, Joey, nur noch diese eine Nacht. Diese eine Nacht sind wir zusammen.< Einem plötzlichen Impuls folgend, küsste Seto Joey ganz sanft auf die weichen Lippen, was dem ein kleines Lächeln aufs Gesicht zauberte, ohne dass er davon erwachte. >Nur noch eine Nacht.<, dachte Seto wehmütig, bevor er mit Joey in den Armen einschlief.

Wir sehen uns wieder, irgendwann!

Als Joey am nächsten Tag erwachte, wunderte er sich, warum ihm so warm war, wo er doch sicher war, unter dem Bett eingeschlafen zu sein. Er hörte einen Herzschlag an seinem Ohr, der nicht sein eigener war und er spürte einen Luftzug in seinem Haar, der nicht von einem offenen Fenster stammte. Etwas oder jemand bewegte sich neben ihm und er spürte wie sich ein Arm noch etwas enger um seinen Oberkörper schloss und wie ein Bein über seine Beine gelegt wurde.

„Seto.“, murmelte er leise und öffnete die Augen. Eine Hand strich ihm sanft die verwuschelten Haare aus dem Gesicht. „Guten Morgen, Joey.“, erwiderte Seto ebenso leise. Joey schaute nach oben in Setos Gesicht und zwang sich zu einem freudigen Lächeln, auch wenn ihm bewusst war, dass Seto bald gehen musste. „Freust Du Dich schon auf Dein neues Leben mit Deinem neuen Vater?“, fragte Joey lächelnd, Seto zog fast beleidigt seine Augenbrauen zusammen. „Gozaburo Kaiba ist nicht mein Vater und wird es auch nie sein. Ich hatte einen Vater, einen sehr guten Vater, ich brauche keinen neuen. Ich würde viel lieber bei Dir bleiben!“

Joey schüttelte den Kopf. „Du weißt, dass das nicht geht, außerdem kannst Du bei Herrn Kaiba eine gute Ausbildung genießen, Du bist sehr klug, Seto, sonst hätte er sich nicht für Dich interessiert! Du solltest stolz drauf sein, dass er Dich und Mokuba adoptiert hat!“

Seto knirschte leise mit den Zähnen. „Halt den Mund!“

„Aber Seto! Hör doch mal! Herr Kaiba ist reich, weißt Du? Es ist nicht schön, wenn man arm ist, ich weiß das, aber bei Herr Kaiba wird es euch sicher gut gehen…“

„Sei still!“

„…und ihr werden ganz bestimmt nicht hungern müssen und ihr habt immer gute Kleidung und ne gute Ausbildung und wahrscheinlich auch nen schönes Haus und Spielsachen und neue Schulsachen, nicht sowas Gebrauchtes, was ich immer hatte und ihr habt immer gut zu Essen, aber ich glaub, das hab ich schon gesagt, ist auch egal,…“

„Joey! Sei endlich ruhig!“

„…es wird euch gut gehen bei Herrn Kaiba und es macht nichts, dass er Waffen und sowas verkauft, sowas ist auch wichtig, damit man unser Land verteidigen kann und so und wenn Du mal groß bist, wirst Du vielleicht seine Firma übernehmen und dann kannst Du was anderes daraus machen, vielleicht ne Spielzeugfirma oder so und dann kannst Du Spielsachen verkaufen und vielleicht auch an Waisenhäuser verschenken, damit Kinder wie wir auch schönes Spielzeug haben und dann sind die Kinder sicher total glücklich…“

„Joey…“

„…und Du wirst berühmt und das alles und jeder wird Deinen Namen kennen, Seto Kaiba werden sie sagen und Dich verehren und die Mädchen werden Dir nachlaufen und Dich heiraten wollen und Du wirst voll berühmt, aber das sagte ich schon…“

„Ich will sowas nicht hören!“

„…und Du bist dann auch reich, so wie Herr Kaiba jetzt und dann kannst Du Dir viele Autos kaufen und nen schönes eigenes Haus und Mokuba geht es auch gut und Du kannst ihm ein Haustier kaufen, vielleicht einen Hund oder so oder nen Meerschwein oder ne Katze, Du kannst auch nen Goldfischteich anlegen, sowas will er bestimmt gerne haben,…“

„Still jetzt!“

„…das wollte ich immer haben, aber wir hatten nie das Geld für Haustiere, ich hatte mal nen kleinen Streuner nachhause gebracht, aber mein Vater hat den in meinem Zimmer gefunden und wieder rausgeworfen, den hatte meine Schwester Joey genannt, weil der genauso verpeilt und strubbelig aussah, wie ich, hat sie gesagt, keine Ahnung, was aus ihm geworden ist, er war nicht grade gesund, als ich ihn fand und es war kalt draußen, war ja auch Winter, vielleicht lebt er ja noch irgendwo, vielleicht ist er aber auch schon tot,…“

„Joey, bitte…“

„…aber ist ja auch egal jetzt, Du kannst auch Haustiere haben und vielleicht findest Du ja auch so einen Streuner und kannst ihm das Leben retten, anders als ich damals, Herr Kaiba ist bestimmt tierlieber als mein Vater, der ja jetzt nicht mehr mein Vater ist, weil er tot ist, ich vermiss ihn gar nicht, weißt Du, ich weiß nicht, ob ich ihn hasse, ich glaub das kann ich nicht, er ist immer noch mein Vater, so irgendwie jedenfalls und ich hab ihn wirklich lieb gehabt, also am Anfang, als meine Mutter noch da war, danach wusste ich nicht mehr, ob es richtig ist, meinen Vater zu lieben, weil er so böse zu uns war und meine Schwester immer hauen wollte und mich auch immer gehauen hat und weil er immer so rumgeschrien hat und getrunken hat und Möbel kaputt gemacht hat,…“

„Joey, hör auf, bitte…“

„…Herr Kaiba ist bestimmt nicht so wie mein Vater, der schlägt sicher keine Kinder, auch wenn er ein bisschen gruselig aussieht und ein bisschen grummelig ist und so, er ist bestimmt nen guter Vater oder Ersatzvater oder was auch immer…“

„Joey, verdammt, jetzt hör endlich auf!“, schrie Seto wütend und das Geräusch einer Ohrfeige schallte durch das Zimmer, das ganz plötzlich totenstill wurde.
 

Joey hatte sich während seiner langen Rede aufgesetzt und lehnte nun im Schneidersitz an der Wand, die Augen weit aufgerissen und die linke Hand an seiner linken Wange, während Seto mit zusammengekniffen Lippen und zu Schlitzen verengten Augen auf seinen Knien vor ihm saß, mit der rechten Hand noch in der Luft, als wäre sie in dieser Position erstarrt.

„Joey…“, keuchte Mokuba erschrocken, der durch den Lärm aufgewacht war und nun neben Joeys Bett stand, während er geschockt zwischen seinem Bruder und seinem besten Freund hin und her schaute.

Tränen sammelten sich in Joeys Augen, aber er wischte sie schnell weg und grinste über das ganze Gesicht. „Also, wenn ich zu viel rede, hättest Du mir das ruhig auch anders sagen können, weißt Du?“ Mokubas Augen weiteten sich, als er Joey völlig konfus anstarrte, während sich Setos Augen noch weiter verengten und er seine Lippen so hart zusammenpresste, dass sie fast blass erschienen.

Joeys Gesicht war zu einer lächelnden Fassade mutiert, aber was er nicht verbergen konnte, war der traurige Blick aus seinen braunen Augen, der sich in das Herz der zukünftigen Kaibabrüder fraß.

Während Mokuba traurig war, dass er von Gozaburo Kaiba adoptiert wurde, empfand Seto nichts als Hass für den Mann, in dessen Hände er sein und Mokubas Leben gelegt hatte, während er seinen besten Freund alleine zurücklassen musste. Ohne Vorwarnung riss er Joey an sich und umarmte ihn so fest er konnte.

„Ich vergess Dich nicht! Wir sehen uns wieder, Joey! Das schwöre ich Dir! Wir sehen uns wieder, irgendwann!“ Joey erwiderte nichts, um Setos Wunschtraum nicht zerplatzen zu lassen. Nur ein Gedanke schoss ihm durch den Kopf. >Vergiss mich nicht, Seto Kaiba.<
 

Zwei Stunden später saßen Seto und Mokuba adoptierte Kaiba in Gozaburo Kaibas Limousine, während Joey am Haupttor stand und mit einem fröhlichem Gesicht hinterher winkte, bis die Limousine um die nächste Ecke verschwand. Joey wusste nicht, ob er die beiden Brüder jemals wiedersehen würde, aber sein beinahe versteinertes Lächeln verschwand auch den Rest des Tages nicht und nur in der ersten einsamen Nacht in seinem Zimmer weinte er eine einsame Träne während er schlief und sich an die glückliche Zeit mit Serenity, Mokuba und Seto im Waisenhaus erinnerte.
 

~~~~~
 

Ende

Fortsetzung folgt...



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Kommentare zu dieser Fanfic (25)
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Von:  Onlyknow3
2015-01-28T23:57:26+00:00 29.01.2015 00:57
Super Geschichte, habe sie komplett gelesen und das ist auch eine Variante wie das erste zusammen treffen der drei hätte statt finden können. Mach weiter so ich freue mich auf die Fortsetzung.

LG
Onlyknow3
Von:  Niua-chan
2015-01-28T14:04:15+00:00 28.01.2015 15:04
Die Fanfic ist echt klasse, ich habe richtig mit Joey und den anderen mitgefühlt. Sie tun mir alle so leid.
Wirklich super geschrieben.
Von:  Onlyknow3
2015-01-17T17:45:58+00:00 17.01.2015 18:45
Was Seto wohl gerade dachte von Joey? Ist es wirklich nur das Lachen von Joey das ihn so anzieht? Bin gespannt was weiter passiert. Ffreue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3
Von:  Lunata79
2014-07-21T08:43:14+00:00 21.07.2014 10:43
Boah, total traurig.
Werden sie sich wiedersehen und genauso gegenüber stehen können, als wie sie einst Freunde waren?
Bin gespannt und werde sehen, ob ich die Fortsetzung finden kann.

Lg
Lunata79
Von:  Muto_Yuugi
2014-06-09T23:07:10+00:00 10.06.2014 01:07
bitte bitte bitte achreib weiter.. es war so süß.. ich möchte so viel wissen.. ich bin so verdammt hibelig.. bitte bitte schreib weiter*tränenbin den augen hab* es darf noch nicht zuende sein vvv
Von:  cira87
2009-01-29T22:25:22+00:00 29.01.2009 23:25
cool cool cool cool cool cool cool cool-ich will sogerne wissen wie die fortsetung ist-wen du eine schreibst ♥
Von:  Charmi-maus
2008-10-29T14:51:39+00:00 29.10.2008 15:51
AHHHH ist die Traurig m ende.. Q_Q
ich fang gleich an zu heulen.. bitte bitte schreib weiter.. ich will wissen ob sie sich wieder treffen.. oder hats du schon ne fortsetzung?
wenn ja?
sag sie mir bitte

Von:  Mikeito
2008-10-25T21:43:02+00:00 25.10.2008 23:43
Hi
hab gerade deine ff gelesen und...*tränen in den augen hab*

Das war so traurig...T_T

Bitte schreib ganz schnell an der Fortsetzungs-FF weiter!

lg Yumari_Nii

P.S.: Kannst du mir ne ENS schreiben,wenn's weitergeht?
Von: abgemeldet
2008-06-13T18:08:45+00:00 13.06.2008 20:08
Hey
ICh hab diese FF vor einem Jahr gelesen,w ar zu der Ziet aber nicht bei Mexx angemeldet und konnte kein Kommi dazu abgeben! Aber das werde ich jetzt nachholen!^^
Ich fand die story einfahc klasse, zwar traurig aber genau so was mag ich XDD
Und ich fands süß dass du über Joey und seto geschrieben hast als sie noch Kinder waren! Ich warte sehnsüchtig auf die Fortsetzung! Wann kommt sie?!
Von: abgemeldet
2007-06-23T06:30:36+00:00 23.06.2007 08:30

Haach, jetzt gibt’s eeendlich wieder was von dir und dann auch noch so was Trauriges. Du hast immer noch einen angenehmen Schreibstil, dem man gut folgen kann… manche Beschreibungen treffen einen echt ins Herz… T.T
Bitte schreib ganz schnell weiter, ja? Ich hoffe so sehr, dass Joey auch wieder glücklciher wird und ich bin so gespannt, wie die Fortsetzung aussieht. Schreibst du mir ein Kommi, wenn’s weiter geht? Ö.ö
*wink* Pan



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