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Vierter Teil: Wir leben!

Fortsetzung von "Dkmnudhdm", "GiKuS" und "DLdW"
von

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Hohes Treffen und tiefe Enttäuschung

Joey wurde den Gedanken nicht los. Auf dem gesamten Weg grinste er in sich hinein, lachte und schüttelte den Kopf. Duke und ein Mädchen?

Und noch dazu am selben Tag, als er gemeinsam mit Kaiba abgehauen war.

Der Blonde lachte schon wieder, als er dem verwirrten Taxifahrer einen Schein reichte und die Tür öffnete. Bequem setzte er den Fuß auf den bekannten Schotter, schob sich ins Freie und blickte sich kurz um. Vor ihm ragte das große Tor in die Höhe, auch die Villa auf der leichten Anhöhe konnte er bereits sehen. Langsam schob er die Tür zu, raffte das Paket höher und schlenderte los. Das Auto hinter ihm setzte sich sogleich in Bewegung und als Joey das Tor erreichte, öffnete sich auch dieses. Nur flüchtig winkte er in eine der Kameras, bevor er sich durch den Spalt schob und so das Gelände der Kaibas betrat.

Sobald er wenige Schritte getan hatte, vernahm er laute Geräusche und blickte auf. Mit einem großen Satz hatte Kurai die Treppe hinter sich gelassen, bellte laut und sprintete auf ihn zu. Joeys Miene erhellte sich. Er verlangsamte seinen Gang, klemmte sich das Paket unter den Arm und sah den Hund schnell nähergekommen. Binnen der vergangenen Monate war dieser erstaunlich gewachsen und so blieb Joey bald stehen. In einer bösen Vorahnung hob er die Hände und streckte sie dem aufgebrachten Tier entgegen.

"Okay." Er grinste, trat sogar etwas zurück. "Du kannst langsamer rennen."

Doch der Hund tat nichts dergleichen. Pfeilschnell flitzte er den Schotterweg hinab, hatte ihn fast erreicht.

"Kurahaai!" Joey lachte nervös, wich weiterhin zurück. "Momomoment mal! Ich..."

Weiter kam er nicht.

Übermütig sprang ihn Kurai an und so wie er es befürchtet hatte, verlor er das Gleichgewicht. Er ruderte verzweifelt mit den Armen, wurde jedoch von der Wucht mitgerissen und landete im Kies.

"Au!" Er hob die Hände, versuchte den Hund zurückzuhalten, doch nicht einmal das gelang ihm. Gekonnt schob sich Kurai zwischen seinen Armen hindurch und begann sein Gesicht abzulecken. Joey lachte, presste die Lippen aufeinander und schloss die Augen, als er die rauhe Zunge auf seinen Wangen spürte. Glucksend drehte er das Gesicht zur Seite, bekam Kurais Halsband zu fassen und zog ihn etwas von sich. Kurai stemmte sich gegen ihn und dennoch schaffte es Joey, sich aufzurichten.

"Heeey." Der Blonde lächelte, streichelte seinen Kopf und kraulte ihn hinter den Ohren, worauf er sich gegen ihn schmiegte und leise japste. "Ich war doch nur drei Tage weg."

Lachend umarmte er seinen Hund, klopfte ihm sachte gegen den Rumpf und spürte die Zunge kurz darauf an seinem Hals. Kurai war außer sich vor Freude und Joey musste zugeben, dass es ihm genauso ging.

"Hat Mokuba dich wieder nicht in Frieden gelass...?"

"Joey!!", ertönte das plötzlich ein lautes Schreien. Kurai zuckte zusammen und bevor sich der Angesprochene orientieren konnte, warf sich der Junge auf ihn, fiel ihm um den Hals und riss ihn hinab.
 

Nachdem sich die anfängliche Aufregung gelegt hatte, schlenderten die drei zur Villa.

"Ich hab gehört, ihr wollt doch zu dem Treffen?", rief Mokuba, der wie verrückt um Joey herumsprang und mit Kurai spielte, der sich nicht besser benahm. Joey wendete das Paket in den Händen und stieg die Stufen hinauf, hinter denen wieder der Pinguin stand und die Tür offen hielt.

"Ja, er sieht es als dringlich an." Joey nickte dem Mann grüßend zu und betrat das Foyer. "Und ich", fügte er etwas mürrisch hinzu, "ich bin seine Absicherung."

Mokuba folgte ihn flink und Kurai schlitterte an ihnen vorbei, erreichte die Treppen zuerst und rannte hinauf.

"Als wir letztes Mal dort waren, war ich die Absicherung", lachte der kleine Junge und Joey hielt inne. Skeptisch sah er ihn an.

"Dann hat er es also ernst gemeint", hauchte er ehrfürchtig.

"Was denn?" Mokuba drehte sich zu ihm um und hüpfte auf der Stelle.

"Ach." Kopfschüttelnd stieg Joey weiter. "Er meinte, ohne Absicherung geht er gar nicht."

"Tut er auch nicht", bestätigte Mokuba gutgelaunt. "Er ist richtig ausgefuchst, wenn es darum geht. Er braucht immer jemanden, der ihn aus dieser Gesellschaft wegholt, wenn er es nicht mehr aushält."

"Ist sie so denn schlimm?" Fragte Joey, als sie die erste Etage erreichten und in den linken Gang einbogen. Mokuba drehte sich wieder zu ihm um, starrte ihn an und weitete gespenstisch die Augen.

"Oh ja." Während Joey schluckte, lachte der Junge und rannte weiter. "Ach, was rede ich denn, du wirst es ja sehen! Und wir haben wieder sturmfrei! Hast du gehört, Kurai?!" Er quiekte und schob sich in Kaibas Privatraum, in dem auch Kurai vor ihnen verschwunden war.

"Oh man." Joey ließ den Kopf hängen, erreichte die Tür ebenfalls und trat in das Zimmer. Langsam richtete er sich auf, "Womit habe ich das nur ver..." und verstummte. Er blieb stehen, ließ das Paket sinken und öffnete sprachlos den Mund.

In einem edlen Smoking aus Jacquard stand Kaiba vor dem Spiegel. Die schwarze Hose fiel gerade und glatt, die Schuhe waren auf Hochglanz poliert.

Aber dieser Smoking...

Joey blinzelte, schloss den Mund und presste die Lippen aufeinander.

Er saß perfekt, war hinzukommend leicht tailliert geschnitten und brachte Kaibas schlanke Figur vortrefflich zum Ausdruck. Das leichte Hohlkreuz, der flache Bauch, vor dem die Knöpfe sauber in den Löchern lagen. Das schneeweiße Hemd und die perfekt gebundene Fliege. So hatte Joey ihn noch nie zuvor gesehen. Noch immer konnte sich der Blonde nicht bewegen.

Ernst betrachtete sich Kaiba im Spiegel, zog kurz am rechten Ärmel und rollte mit den Schultern. Er drehte sich auch zur Seite, fuhr sich durch das Haar und begann sich wieder mit den Knöpfen zu beschäftigen.

Joey zwang sich mit allen Kräften dazu, endlich das Starren abzustellen. Er wandte den Blick ab, sah auf den Boden und erwischte sich kurz darauf dennoch dabei, wie er wieder zu Kaiba lugte.

Er wirkte so unglaublich stolz!

Noch stolzer und mächtiger, als ohnehin schon. Dieser Anblick jagte fast eine Gänsehaut über Joeys Arme. Langsam biss er sich auf die Unterlippe.

Gottverdammt! Dieser Smoking stand ihm!

Er passte zu seiner Haarfarbe, schmeichelte seiner Linie, verstärkte sein imposantes Auftreten und ließ Joey förmlich das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Als Kaiba seinen Hals betastete und erneut an der Fliege rückte, rang sich der Blonde endlich zu einem leisen Räuspern durch. Gemächlich fuhr er sich über den Mund, lugte flüchtig zu Mokuba und trottete zu Kaiba. Der Junge hatte sich auf die Sofalehne gesetzt und bewegte die Füße in der Luft, nach denen Kurai verspielt schnappte. Der Hund versuchte vergeblich die Socken zu erwischen und als Joey Kaiba erreichte, reichte es ihm. Brummend warf er sich gegen Mokuba und dieser kullerte über das Sofa.

In leisen Schritten zog Joey hinter Kaiba vorbei, blieb nahe an seiner Schulter stehen und drehte das Gesicht zur Seite. Verstohlen spähte er in den Spiegel, sah direkt in die blauen Augen. Kaiba betastete den Kragen des Smokings, verzog einschätzend das Gesicht und wurde dann im Spiegel auf den Blonden aufmerksam, der direkt hinter ihm stand, ihn hinterhältig anstarrte. Ruhig, nahezu unbeteiligt, starrte er zurück, sah die weißen Zähne, als sich Joeys Lippen zu einem perfiden Grinsen verzogen.

"Wären wir alleine", flüsterte Joey und verengte die Augen, "könntest du den gleich wieder ausziehen."

Die schmalen Augenbrauen des Brünetten hoben sich und Joey schüttelte langsam den Kopf und schlenderte weiter.

"Heiß", hörte Kaiba ihn noch hauchen. Stirnrunzelnd wandte er sich wieder zum Spiegel, rückte an der Fliege und konnte ein unscheinbares Schmunzeln dennoch nicht verhindern.

"Kurai!" Mokuba kugelte sich in der Zwischenzeit auf dem Boden und der Hund zog an seiner Socke. Auch ließ sich Joey auf einem kleinen Hocker nieder und wandte sich dem Paket zu. Das erweckte Kaibas Aufmerksamkeit.

"Hatte Duke einen Smoking?", erkundigte er sich und ließ endlich von dem Spiegel ab. Joey grinste breit, während er die dünne Folie zärtlich aufriss.

"Der hat nicht nur einen Smoking", raunte er, als Kaiba auf ihn zukam. "Er hat sogar 'ne Freundin."

"Mm." Bei Kaiba schien diese Tatsache nicht besonders viel Neugierde wachzurufen. Vor Joey blieb er stehen, ließ die Hände in den Hosentaschen verschwinden und verfolgte, wie der Blonde die Folie bearbeitete.

"Ich war vielleicht überrascht." Joey hielt das Gesicht zum Paket gesenkt, während er fummelte. "Ein wirklich hübsches Mädel, das glaubst du nicht. Ich habe ein bisschen mit ihr getratschst und..." Joey blickte auf und verstummte. Kaiba sah ihn erwartungsvoll an und der Blonde weitete die Augen, starrte auf den Smoking und schluckte schwer. Verwundert legte Kaiba den Kopf schief und wenige Sekunden später wurde er wirsch weggefuchtelt.

"Komm mir nicht zu nahe." Joeys Miene verzog sich leidend. "Sonst schmeisse ich das Paket weg und Mokuba erlebt den Schreck seines Lebens."

Kaiba zeigte sich unbeeindruckt. Während Joey die Augen mit der Hand abschirmte und verbissen weiterrupfte, linste er zu seinem Bruder. Auf allen Vieren krabbelte dieser durch den Raum und wurde immer wieder von Kurai über den Haufen gerannt. Aber entscheiden, ob er lachen oder heulen sollte, konnte er sich nicht.

"Ich glaube, den erlebt er gerade sowieso."
 

Es dauerte nicht lange, da hatte Joey endlich über die heimtückische Folie gesiegt und mit etwas Hilfe kam er auch in den Smoking. Und, das Glück schien ihnen hold zu sein, er passte wie angegossen. Und wie Kaiba nach einem professionellen Überprüfen feststellte, musste auch er eine Stange Geld gekostet haben.

"Und Duke hat ihn dir ohne weiteres geborgt?", erkundigte er sich, während er drei schwarze Bänder aus seinem Schrank zog und sie kurz in der Hand wendete. Joey besah sich im Spiegel, zupfte hier, zupfte da und musste zugeben, dass es sich hier um etwas völliges Ungewohntes handelte.

Er, der ungehobelte Rebell, der rüde Kerl... in so einem feinen Zwirn?

"Klar hat er das", antwortete er und runzelte die Stirn, als er an dem Kragen des weißen Hemdes zog. "Da gab´s kein Gerede. Wollte vermutlich alleine sein."

"Die dürfte gehen." Kaiba trat vor ihn. "Nimm die Hände weg."

Joey blähte die Wangen auf und ließ die Arme sinken. Seine Augen richteten sich sofort auf Kaiba und verfolgten aufmerksam, wie dieser das Band ein letztes Mal wendete und dann über seinen Kopf hob. Der Blonde rümpfte die Nase.

"Warum gibt´s immer so ein Tumult wegen diesen Dingern?", fragte er, als Kaiba das schwarze Band unter seinen Kragen schob. "Das ist doch nur ein schwarzer Fetzen."

"Mm-mm." Kaiba nickte zustimmend und zog das Band vorne zusammen. "Ein schwarzer Fetzen, der mich 15 000 Yen gekostet hat."

"Bitte was?!" Joey schnitt eine Grimasse. "Das kann doch nicht dein Er..."

Er verstummte, als Kaiba ihm den 'Fetzen' um den Hals zurrte.

"Hör auf zu zappeln...!", fauchte er.

"Ja!", rief Mokuba lachend vom Sofa rüber. "Ihm fällt es nämlich schon schwer genug, sich die eigene Fliege zu binden! Und wenn er es bei anderen tun muss, dann endet das in der blanken..."

"Mokuba...?" Langsam drehte Kaiba das Gesicht zu dem Jungen und dieser riss erschrocken die Augen auf.

"Katastrophe", fiebste er schnell, bevor er vom Sofa rutschte und lachend davonrannte, dicht gefolgt von Kurai. Ächzend ließ Kaiba den Kopf hängen, schüttelte ihn und richtete sich auf. Joey starrte ihn verwundert an und das so auffällig, dass er es überhaupt nicht übersehen konnte.

"Was ist", brummte er verdrießlich und zupfte an dem Band.

"Du kannst keine Fliegen binden?"

Mit größter Hingabe verdrehte Kaiba die Augen und stöhnte. Von draußen drang ein lautes Kreischen an ihre Ohren, gefolgt von einem Bellen.

"Enttäuschung, Enttäuschung", raunte Kaiba leicht genervt und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. "Wer ist schon perfekt."

Somit begann er zu binden und Joey starrte ihn immer noch an. Nachdenklich musterte er Kaibas konzentrierte Miene, saugte an den Zähnen und knabberte auf der Unterlippe.

"Hey." Er lächelte aufmunternd und Kaiba werkelte weiter. "Ich vertue mich total oft beim Schuhezubinden, bekomme nicht einmal eine einfache Krawatte hin und..."

"Fertig." Kaiba trat zurück.

"Was?" Joey schnitt eine Grimasse, hob verwirrt die Hände und betastete die perfekt gebundene Fliege. "Häh...?"

"Wenn ich damit Schwierigkeiten habe, heißt es nicht, dass ich es nicht hinbekomme", murmelte Kaiba lässig und betrachtete sich sein Werk. "Ich brauche nur eine Sekunde länger."

Joeys Mund öffnete und schloss sich lautlos. Hektisch suchte er nach Worten und beugte sich ungläubig nach vorn.

"Ich offenbare dir hier meine privatesten Geheimnisse, schütte dir mein Herz aus... und du..."

"Nicht gleich säuerlich werden." Kaiba zog an ihm vorbei und klopfte ihm auf die Schulter. "Es war trotzdem recht interessant."

Joey rappelte sich auf und wandte sich wieder dem Spiegel zu. Gerade war er wieder schön beim Zupfen, da wurde er auf Kaiba aufmerksam. Irritiert hob er die Augenbrauen, starrte in den Spiegel und drehte sich nach wenigen Sekunden um.

"Was bitte tust du da?", verlangte er zu wissen.

"Wie lange brauchst du denn für eine Anprobe?" Kaiba knöpfte den Smoking auf und schlüpfte hinaus.

"Gehen wir nicht gleich los?" Joey sah sich um und Kaiba verzog die Miene.

"Nein, uns bleiben noch drei Stunden."

"Und warum haben wir uns dann so beeilt?", fragte Joey. "Am Flughafen, auf dem Weg nach Domino, als ich zu Duke gegangen bin. Da haben wir nur gehetzt. Und jetzt bleibt uns doch noch so viel Zeit?"

Kaiba ließ sich auf einem Hocker nieder und schlüpfte aus den Schuhen.

"Ich habe alles eingeplant", sagte er nur, als er die Schnürsenkel aufzog. Doch Joey verstand es immer noch nicht. Mit schiefgelegtem Kopf stand er dort und verfolgte, wie er auch aus der Hose schlüpfte und die Fliege aufband.

"Und was hast du für diese Stunden eingeplant?" Lässig ließ Joey die Hände in den Hosentaschen verschwinden. "Vobereitungen? Vorkehrungen? Arbeit?"

Kaiba hielt in der Bewegung inne, verblieb kurz so und blickte dann langsam zu Joey auf. Gemächlich zog er sich das schwarze Band aus dem Kragen und musterte den Blonden mit ausdrucksloser Miene. Joey hob die Augenbrauen und Kaiba schwieg, was in dieser Situation irgendwie beängstigend wirkte.

"Was hast du denn eingeplant?" Zögerlich legte Joey den Kopf schief und Kaiba richtete sich langsam auf. Seine Hände fanden zu den Knöpfen und begannen diese aus den Löchern zu drehen. Währenddessen kam er auf die Beine und sah ihn wieder auf die gleiche Art und Weise an.

"Zeit für Mokuba."

Joey öffnete den Mund, wollte sofort antworten. Doch letztendlich war es nur ein ungewisses Murmeln, das über seine Lippen kam. Noch immer sah Kaiba ihn an und die Reaktion schien ihn nicht zu überraschen. Er selbt blieb völlig ruhig, schlüpfte aus dem Hemd und legte es säuberlich über die Stuhllehne.

"Er hat uns drei Tage nicht gesehen."

Noch immer wusste Joey nicht, was er darauf antworten sollte.

Zeit für Mokuba?

Dieser Gedanke war ihm überhaupt nicht gekommen...

Er war über sich selbst entsetzt, entfloh Kaibas Blick und bearbeitete die Unterlippe nervös mit den Zähnen. Der Brünette lächelte flüchtig, stieg in die kurze Hose und zog sie hinauf. Nur flüchtig knöpfte er sie zu, bevor er sich umdrehte und zur Tür schlenderte. Joey sah ihm zögernd nach.

Gemächlich erreichte Kaiba die Tür, zog sie auf und drehte sich zu ihm um. Der Blonde erkannte das Lächeln, aber das tröstete ihn nicht gerade.

"Jetzt mach nicht so ein Gesicht." Kaiba trat in den Flur hinaus. "Zieh dich um und komm nach. Ich frage ihn erst einmal, wozu er Lust hat."

Somit verschwand er im Gang und Joey atmete tief ein. Er blieb dort stehen, starrte lange auf die Tür und hob nach einem langsamen Kopfschütteln die Hand. Unter einem leisen Ächzen rieb er sich das Gesicht und schloss die Augen.

"Scheiße."
 

"Komm Seto!" Aufgeregt fasste Mokuba seinen Bruder an der Hand und zerrte an dieser. In Badehosen standen sie am Rand des riesigen Pools. "Ich zähle bis drei und dann springen wir!"

Kaiba verzog die Miene, rümpfte die Nase und beobachtete Kurai, der in aller Seelenruhe an ihnen vorbeipaddelte.

"Warum benutzen wir nicht einfach die Treppe?", erkundigte er sich unzufrieden und wies mit einem knappen Nicken zur Seite, wo sich Joey am Geländer abstützte und mit dem Fuß über das Wasser patschte.

"Weil das nicht so viel Spaß macht!", lachte Mokuba und trat gefährlich nahe an die Kante des Beckens heran. "Eins..."

"Mokuba, ich..."

"Zwei!"

"Warte doch mal."

"Drei!" Somit sprang Mokuba einfach los und mit einer flinken Handbewegung befreite sich Kaiba aus seinem Griff. Der kleine Junge bemerkte es nicht einmal, so schnell ging es. Er fiepste laut und kurz darauf prasselte ein wahrer Wasserschauer gegen Kaiba. Mit langem Gesicht blieb er stehen, wischte sich flüchtig das Wasser aus der Stirn und schüttelte verzweifelt den Kopf. Mokuba tauchte in der Zwischenzeit durch das halbe Becken.

"Joseph!", rief Kaiba den Blonden, der sich auf eine Stufe gehockt hatte und mit dem Zeigefinger im Wasser rührte, außerdem etwas niedergeschlagen wirkte. Er blickte auf und Kaiba hob verzweifelt die Hände. "Ich kann so etwas nicht!"

"Was ist so schwer daran, einfach reinzuspringen?", antwortete Joey stirnrunzelnd und nach einem kurzen Grübeln kam Kaiba zu ihm. Kurz und nachlässig wischte er sich das Wasser vom Bauch, fuhr sich auch durch den Schopf und hockte sich neben ihn.

In der Zwischenzeit tauchte Mokuba auf. Lachend hielt er nach Kurai Ausschau und begann ihn mit Wasser vollzuspritzen, als er angepaddelt kam. Auf Joey und Kaiba schien er im Eifer des Gefechtes nicht zu achten.

Kaiba bearbeitete die Zähne nachdenklich mit der Zunge, legte die Ellbogen über die Knie und ließ die Hände baumeln. Joey holte tief Luft, blähte die Wangen auf und starrte auf seinen Finger, der im Wasser irgendwie komisch aussah. Er rümpfte auch die Nase und nach wenigen Sekunden traf ihn Kaibas Blick.

"Sag bloß, du machst dir jetzt Vorwürfe."

Joey brummte, hob die Hand aus dem Wasser und ließ es von seinen Fingern tropfen.

"Hast du nicht manchmal auch den Eindruck, wir unternehmen zuviel ohne ihn?"

"Ach." Kaiba zuckte mit den Schultern. "Mokuba ist nicht der Typ Mensch, der sich über so etwas Gedanken macht. Er hat sich längst daran gewöhnt, dass ich viel arbeite. Außerdem kann er sich selbst beschäftigen und es ist ja nicht so, dass wir nichts mit ihm unternehmen."

"Aber jetzt waren wir zusammen im Urlaub", antwortete Joey. "Ich meine, wir haben uns eine ruhige Zeit redlich verdient aber er weiß ja überhaupt nicht, was wirklich geschehen ist... im letzten Jahr. Vielleicht hat er das falsch aufgefasst?"

Kaiba stützte das Kinn in die Handfläche.

"Und als dieser ganze Scheiß passiert ist", fuhr Joey fort, "da hatten wir nicht die geringste Zeit für ihn. Wir lagen im Krankenhaus, waren auf der Flucht, saßen vor Gericht, haben uns den Kopf zermartert und hatten mit eigenen Problemen zu kämpfen."

"Mm." Kaiba begann seinen kleinen Bruder zu beobachten und Joey lehnte sich etwas zurück.

"Und wir haben ihm meistens verheimlicht, mit was wir uns herumschlugen. Er weiß nicht, was wir durchgemacht haben und kann aus diesem Grund ja gar nicht verstehen, weshalb wir uns manchmal zurückziehen." Joey biss sich auf die Unterlippe, seine Augen richteten sich ebenfalls auf den Jungen, der heiter planschte und mit Kurai spielte. "Ich meine, er freut sich, wenn er uns sieht, ist eigentlich immer heiter und lustig. Aber vielleicht geht in ihm ja etwas ganz anderes vor und..."

"Seto!" Mokuba ruderte mit den Armen. "Joey! Jetzt kommt doch mal!"

Der Blonde war verstummt und Kaiba atmete tief durch. Die beiden zögerten kurz, gingen ihren Gedanken nach und kamen dann auf die Beine.

"Na komm." Kaiba schenkte dem Blonden ein knappes Lächeln. "Lass uns noch etwas Spaß haben. Bis wir für die Prüfungen arbeiten müssen, können wir ja noch genug mit ihm unternehmen."

Joey nickte, rollte mit den Schultern und stieg ins Wasser.
 

Letzten Endes wurden diese drei Stunden doch noch zu einem vollen Erfolg. Sie ließen Joey die Sorgen vergessen. Er lachte viel, plantschte mit Mokuba und musste sich nebenbei gegen Kurai wehren, der ihn sogar im Wasser anfiel.

Kaiba hielt sich etwas zurück, schwamm ein paar Runden und saß in der letzten Stunde am Poolrand.

Träge bewegte er die Beine im Wasser, blähte die Wangen auf und verfolgte, wie sich alle anderen amüsierten. Er strengte sich an und dennoch war ihm deutlich anzusehen, je näher das Treffen rückte, desto weniger wollte er hingehen.

Nach knapp zweieinhalb Stunden verließen sie dann den Raum, um sich umzukleiden und anderweitig vorzubereiten.
 

Bequem streckte sich Joey auf der bequemen Bank der Limousine, zupfte am Ärmel des Smokings und klemmte sich eine Zigarette zwischen die Lippen. Irgendwie hatte er die jetzt verdammt nötig. Er war nicht sonderlich aufgeregt, fühlte sich nur etwas mulmig.

Auf diesem Treffen würde er den reichsten Menschen begegnen, die auf diesem Planeten ihrer Wege gingen. Er würde sich direkt unter ihnen befinden. Er wusste nicht, wie er sich verhalten musste und...

Er rümpfte die Nase und entzündete die Tabak. Er würde sich jetzt ganz sicher nicht verrückt machen, würde alles auf sich zukommen lassen und weitersehen, wenn es soweit war. In diesen Sekunden stand nur eines für ihn fest: Er wollte Spaß!

Und leckeres Essen und herrliche Getränke. Und das auch noch kostenlos!

Ein verstohlenes Grinsen zog an seinen Lippen, als er einen leichten Zug nahm und Kaiba fuhr das Fenster der Tür etwas hinunter, ließ den frischen Nachtwind hinein. Er behielt Fassung, er behielt Haltung. Er ließ nicht ansehen, was er dachte. Gemächlich rückte er an seiner Fliege und zündete sich die zweite Zigarette an.

"Zwei Stunden", sagte er und Joey hob die Augenbrauen. "Sobald zwei Stunden vergangen sind, hast du das Recht, mich unter einem glaubwürdigen Vorwand zu retten."

"Oder ich zücke meine Pistolen, schieße uns den Weg frei und entreissen dich der blutrünstigen Meute", erwiderte Joey lässig. "Und Plan B." An der Hand zählte er die Fakten auf. "Wir sprengen ein Loch in die Wand, werfen eine Blendgranate zur Ablenkung und klauen den erstbesten Wagen."

Kaiba murmelte etwas Verworrenes und rieb sich das Kinn.

"Wie ich schon sagte, bezweifle ich, dass wir diesen Abend gemeinsam verbringen können." Er lugte zu Joey, der nur gelassen nickte. "Höchstwahrscheinlich werde ich in den Hinterräumen verschwinden, dorthin, wo sich der enge Kreis trifft."

"Schon klar. Ich schaue mich einfach ein bisschen um, esse, trinke, belästige und mache anderen Unfug. Mit zwei Stündchen werde ich problemlos fertig."
 

Die Fahrt dauerte insgesamt beinahe eine halbe Stunde. Dann hörte Joey, wie Kies unter den Rädern der Limousine knirschte. Also drückte er die Zigarette aus, lehnte sich zur Seite und warf einen Blick aus dem Fenster. Sie fuhren über einen schmalen Weg, zu dessen Seiten spendeten helle Laternen, die in kurzen Abständen zueinander standen, angenehmes Licht. Hinter den Laternen konnte Joey kurzen, streng geschnittenen und sauber abgegrenzten Rasen sehen. Scheinbar war hier kein Steinchen fehl am Platz. Der Blonde runzelte die Stirn, folgte dem hellerleuchteten Weg mit den Augen und konnte weiter oben ein imposantes Gebäude erspähen. Der Größe nach, glich es einem Opernhaus, welches in dem Licht starker Scheinwerfer beinahe blendend grell erstrahlte, kilometerweit zu sehen war. Hinzukommend schienen Ornamente aus Plattgold aus den Außenfassaden angebracht zu sein. Durch hohe rechteckige Fenster drang festliches Licht in die Dunkelheit der Nacht. In dieser Gegend schien alles zu stimmen. Die gekünstelt erscheinende Natur und die verzogene Strammheit, die allein dieses Haus darstellte. All das wirkte so unglaublich unnatürlich und gestellt, protzig und verklemmt. Joey meinte sogar, eine dicke grünliche Rauchschwarde über dem Haus schweben zu sehen - der Gestank des Geldes, welches hier eine besonders große Rolle zu spielen schien. Er blähte die Wangen auf und lehnte sich zurück, während Kaiba der Umgebung keine Beachtung schenkte.

Gemächlich kamen sie dem prahlerischen Haus näher. Auf dem Parkplatz, der wohl die Sterilität eines Krankenhauses besaß, standen bereits einige Limousinen. Um genauer zu sein, es waren wohl fünfzig an der Zahl. Auch Kaibas Limousine rollte glänzend und geschmeidig über den Schotterplatz und parkte auf dem für sie reservierten Platz.

Als Joey ausstieg, atmete er tief durch, zog an den Ärmeln und rollte mit den Schultern. Als würde er sich für einen Boxkampf fit machen, streckte er auch beide Arme von sich und rieb sich das Gesicht. Kaiba ließ sich bei dem Aussteigen mehr Zeit. Einen knappen Blick in alle Richtungen werfend, schob er sich ins Freie, zog die Nase hoch und schloss die Tür hinter sich. Von dem Parkplatz aus, führten Stufen aus Marmor zu einer riesigen Terrasse hinauf, auf der sich sogleich der Haupteingang befand, den man nach einem langen Marsch erreichen konnte.

Die aus Glas bestehenden Türen waren mit seidenen Vorhängen behangen, zu beiden Seiten standen zwei Gestalten. In schwarzen Uniformen wirkten sie wie zwei Schachfiguren, außerdem bewegten sie sich genauso viel wie die. Sie standen stramm, als wären sie vor Angst gelähmt und der Anblick, den sie boten, war das erste, was Joey an diesem Abend belustigte. Als ob er nicht glauben könnte, dass er wirklich hier war, schüttelte er den Kopf und ging um die Limousine herum.

"Weißt du, nach was ich mich jetzt sehne?", hörte Joey ein leises Flüstern, als er neben Kaiba die Treppen zu der großen Terrasse hinaufstieg. "Ich will mich in eine kleine, verrauchte Kneipe setzen. Ich würde sogar ein Bier mit dir trinken."

"Hey." Joey lugte grinsend zu ihm. "Das können wir nachholen."

Bald erreichten sie die Tür und Joey hob die Augenbrauen, als die beiden Figürchen nur einen verkrampften Knicks machten und sich die Tür von ganz allein öffnete. Nun, vielmehr waren daran zwei weitere Schachfiguren schuld, die innen standen und sie gesehen haben musste. Als sich die Tür öffnete, blieb Kaiba stehen. Man sah ihm deutlich an, wie er kurz die eigene Haltung verfestigte und gekonnt eine professionelle und strenge Mimik aufsetzte. Ganz anders Joey.

Dieser ließ es sich nicht nehmen, sich zu einer der Figuren zu neigen, die bei ihnen draußen standen. Prüfend bewegte er die Hand vor den Augen des älteren Mannes. Als sich dieser nicht regte, schnippte er mit dem Finger und gab sich erst zufrieden, als er blinzelte. Da grinste er belustigt und trat neben Kaiba.

Und vor ihm tat sich ein Raum auf, dessen Ende er kaum erkennen konnte, so riesig war er. Die Wände waren mit Bildern behangen, die genauso groß wie die Wände selbst waren, ihre Rahmen waren kunstvoll vergoldet, an den Decken hingen kristallene Kronleuchter, auf denen Kerzen brannten. Der Boden, soweit man ihn unter den vielen Menschen erkennen konnte, bestand aus dem teuersten Marmor, in der Mitte des Raumes plätscherte sogar ein Springbrunnen!

Die Fassung bewahrend, trat Joey neben Kaiba ein und die Tür wurde sofort hinter ihnen geschlossen. Soweit das Auge reichte, tummelten sich Menschen. Frauen in teuren Abendkleidern und Männer, die mit ihren Smokings wie eine Schar Pinguine aussahen. Von überall her drangen Geräusche an seine Ohren. Schritte, das Klirren edler Champagner- und Weingläser, Lachen, Geschnatter. Da Kaiba erneut stehen blieb, hatte er Zeit, um sich genauer umzuschauen. Dabei fiel sein Blick sofort auf die riesigen Festtafeln, auf denen Speisen aufgebahrt lagen, die so mit Zierrat und Kitsch geschmückt waren, dass sie wie billige Kunstwerke aussahen, nicht wie etwas, das man essen konnte. Joey nahm sich vor, genau das herauszufinden. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis man auf sie aufmerksam wurde.

Ein unglaublich dicker Mann, der kaum in seinen Smoking passte und sich Goldringe um die Finger gezwengt hatte, kam erhobenen Hauptes auf sie zu.

"Aah." Ein breites Grinsen verlieh seinen Lippen Ausdruck, als er das Champagnerglas in die andere Hand wechselte und Kaiba die Rechte reichte. Joeys Miene verzog sich, als er den Mann musterte. "Es ehrt mich, Sie hier begrüßen zu dürfen, werter Herr Kaiba."

Kaiba ergriff die Hand und machte einen Knicks, so wie die Schachfiguren, die draußen standen und sich den Festschmaus entgehen lassen mussten.

"Wenn Sie gestatten", ein frostiges Grinsen zeichnete sich auf Kaibas Lippen ab, "die Ehre ist ganz auf meiner Seite."

Der Mann schüttelte seine Hand lange, lachte und grinste, ohne dabei Joey die geringste Aufmerksamkeit zu schenken.

"Wie ich höre, flouriert Ihre Firma?"

"Aber natürlich", erwiderte Kaiba, als gäbe es auf diese Frage keine andere Antwort. "Doch auch Sie scheinen Erfolge zu feiern."

Endlich ließ der Mann Kaibas Hand los und lugte zu Joey. Wortlos und etwas nachlässig und desinteressiert, nickte er diesem zu. Und bevor Joey reagieren konnte, wandte er sich wieder an Kaiba. Der Blonde war sowieso damit beschäftigt, sich umzuschauen, wurde erst aufmerksam, als der Mann die Hand auf Kaibas Schulter legte und diesen mit sich führte.

"Kommen Sie zu uns, genießen Sie meinen Champagner. Wir unterhalten uns etwas über´s Geschäft."

"Gerne." Kaiba ließ sich führen, drehte sich jedoch kurz zu Joey um, der mit dem Fuß gerade über den Marmorboden kratzte. Flüchtig trafen sich ihre Blicke und mit einer geduldigen Toleranz hob der Blonde verabschiedend die Hand.

"Herr Kaiba." Der Mann ließ nicht von ihm ab. "Haben Sie meine Limousine gesehen? Ich sage Ihnen, ein ganz edles Stück."

Ein letztes Mal drehte sich Kaiba zu Joey um, dann wurde er zu einer großen Gruppe von dickbäuchigen Männern gedrängt, die auf prunvollen Sofas Platz genommen hatten, Kaviar aßen und die teuersten Getränke zu sich nahmen.

"Herr Kaiba, welch eine Ehre."
 

Schnell war Kaiba aus Joeys Blickfeld verschwunden und so wandte sich der Blonde ab. Lässig sah er sich um und entschloss kurzerhand, sich an dem Essen zu vergreifen. Er war als privater Bodyquard hier und hatte sich deshalb einen tollen Schmaus verdient. In schlendernden Schritten schob er sich durch die Menge, schnappte sich ein Glas Champagner von einem Tablett, welches an ihm vorbeiwanderte und trank sogleich einen großen Schluck. Die andere Hand wanderte entspannt in die Hosentasche und nachdem er beinahe an dem aufdringlichen Parfüm einer ganz hohen Dame erstickt war, erreichte er die Festtafel. Gemütlich schlenderte er an ihr entlang, besah sich die Speisen prüfend und kam zu dem Entschluss, dass es hier vieles gab, das sein Interesse weckte. Er setzte das Glas erneut an den Mund, leerte den Champagner, den er sich nur mit sieben Monaten voller Arbeit hätte leisten können, mit zwei großen Zügen und stellte das leere Glas prompt auf eine große Platte mit den merkwürdigsten Fischgerichten. Und nachdem er zwei Schritte getan hatte, tauchte sofort ein Buttler auf, der den Skandal entsetzt bemerkte und das Glas entfernte, als wäre es ein Schandfleck auf den weißen Flügeln des Reichtums. Aus den Augenwinkeln verfolgte Joey den Auftritt und mit einem durchtriebenen Grinsen schnippte er eine Olive in den Fruchtkocktail und ließ eine andere im Mund verschwinden. Als er dann nach einer Gabel griff und etwas unentschlossen in einem aufwendig verzierten Salat stocherte, begann eine Frau, die direkt hinter ihm stand, laut zu seufzen.

"Meine süße Chanell", seufzte sie, "ach herrje, Jonathan, glaubem Sie es? Gestern wollte sie ihren Kaviar nicht essen, nicht einmal die Leberpastete schmeckte ihr."

"Nein, so etwas!", kam es entsetzt von einem Mann.

Joey griff nach einem kleinen Törtchen.

"Ich verstehe es einfach nicht", meinte die Frau verschnupft. "Sonst hat sie es immer geliebt. Was soll ich meinem süßen Hündchen denn sonst geben?"

Kauend schlürfte Joey an der Frau vorbei.

"Hundefutter", murmelte er lässig und machte sich auf den Weg zur nächsten Tafel. Unterwegs klaute er sich noch ein Glas Champagner. In dieser Sekunde begann ein kleines Orchester ein klassisches Stück zu spielen. Neben Joey seufzte eine Frau, einzelne Paare lösten sich aus der Menge und begannen zu tanzen. Joey beobachtete sie verstohlen, während er sich ein Stück Käse nach dem anderen von einem großen Tablett klaute. So wie die tanzten, sah es nicht aus, als hätten sie dabei Spaß. Sie bewegten sich krampfhaft und etwas starr. Darüber konnte Joey nur den Kopf schütteln. Irgendwie amüsierte ihn das alles. Ja, das war richtig komisch. Leise lachend kaute er auf dem Käse, wischte sich über den Mund und wanderte weiter.

Bald fand er eine Stelle, an der er sich sehr wohlfühlte. Dort schlug er sein Lager auf, ließ das leere Glas in einer riesigen Schale Soße versinken und besah sich die zierlichen Partyhäppchen mit geschultem Auge.

>Lachscreme, kenne ich nicht, riecht komisch, sieht eklig aus...<

Er griff nach dem Nächstbesten und kostete es vorsichtig.

Es schmeckte.

"Mm..." Schwelgend schüttelte er den Kopf und griff nach dem nächsten Häppchen.

"Ich besitze einen Jet!", ertönte plötzlich eine Stimme neben ihm. Joey hob die Augenbrauen, drehte sich zur Seite... und sah nichts. Erst als er den Blick senkte, erspähte er einen kleinen dicken Bengel, der ihn mit trotzigem Gesicht anstarrte. Und mit dunkelblauen Augen, die wie Preiselbeeren aussahen, die in einem runden Kuchen steckten. Gemächlich kauend musterte er den Zwunsch, der die Wangen aufblähte und so wie ein kleiner Möchtegernteufel aussah. Joey kauerte weiter... und kaute und kaute...

"Ich besitze sogar eine Yacht!", motzte der Kleine weiter.

"Ach." Joey winkte ab. "Das ist doch gar nichts. Ich besitze einen Alikamanator."

"Was ist das denn!"

"Etwas, von dem du nur träumen kannst." Somit wandte sich Joey wieder den Platten zu.

"Pah!" Der Bengel verschränkte die Arme vor dem dicken Bauch. "Ich reise morgen nach Ägypten!"

"Und ich nach Kalababsa", erwiderte Joey lässig.

"Häh?!"

"Warst du da etwa noch nie?" Überrascht sah Joey ihn an. Der Wicht verfing sich kurz in Heddern, bevor er sich wieder aufplusterte.

"Klar, schon dreitausendmal!"

"Wow." In die Häppchen vertieft, weitete Joey die Augen.

"Ich habe sogar zwei Konten!" Der Knirps konnte es nicht lassen. "Und die sind beide voll!"

"Das ist aber ziemlich unklug." Joey warf ihm einen skeptischen Blick zu. "Ich bewahre meine Milliarden in einem Koppalikator auf."

"Was ist das denn! Ein Tresor?!"

"Oh." Unter einem schmerzhaften Stöhnen verzog Joey das Gesicht. "Du musst noch viel über diese Welt lernen, mein Kleiner."

"Ich bin sehr klug!" Die Göre plusterte sich auf, bis sie wie ein Pfannkuchen aussah.

"Aber du weißt nicht, was ein Alikamanator ist."

"Pah, du bist blöd! Ich hole meinen Papa und dann..."

"Bevor du das geschafft hast, habe ich dich längst mit der Gabel hier gespickt und dich zum Platzen gebracht." Joey hob das Besteck zur kurzen Demonstration. "Ist besser, wenn du flugs davonrollst, kleiner Kloß."

Ein leiser drohender Ton schien zu genügen, damit sich der Pfannkuchen aus dem Staub machte. Hämisch sah Joey ihm nach.

>Feind Nr.1<

Er begann leise zu pfeifen, ließ beide Hände in den Hosentaschen verschwinden und trödelte weiter.

>Und da hat Seto gesagt, das macht keinen Spaß hier.<

Er schlenderte etwas durch die Menschenmenge und hielt die Luft an, wenn er sich Frauen näherte. An einer Minibar holte er sich bald einen halbwegs leckeren Drink und ließ sich dann auf einem kleinen Sitzpolster nieder. Nun fühlte er sich etwas abgeschirmter. Die gemütlichen Polster befanden sich in einer Ecke, etwas versteckt hinter einer hohen Pflanze. Gemütlich nippte er an dem Glas und suchte Kaiba. Und nach einer halben Stunde hatte er Erfolg und erspähte das Zielobjekt. Umringt von einer riesigen Menge aus dicken Typen, wurde er von einer Ecke zur anderen gedrängt, schüttelte ungefähr hundertmal irgendjemandem die Hand und ließ sich scheinbar bereitwillig auf einen Smalltalkt mit jedem ein. Scheinbar, denn Joey sah ihm die aufgezwungenen Gesten deutlich an. Das aufgesetzte Grinsen, das stramme Benehmen.

Es dauerte nicht lange, da wurde Kaiba wieder von der Menge verschluckt und er wandte sich seinem Drink zu. Da verging ihm gleich die Lust, mit irgendjemandem zu sprechen. Ob er sich nun über kleine Kröten lustig machen wollte oder nicht. Und die, die in seinem Alter waren, denen klebte die Unterlippe an der Nasenspitze und sie liefen herum, als seien sie die Majestät höchstpersönlich. Nein, mit solchen Typen wollte er sich nicht herumschlagen.

Er übte sich in Geduld, blieb sitzen und schlürfte ganz unerzogen den Drink.

Nachdem er eine halbe Stunde herumgesessen hatte, seufzte er, griff nach einer Traube und ließ sie garstig im Drink versinken, die in einer nicht allzuweit entfernten Schale aufgehäuft waren. Doch bald schmeckte ihm selbst der nicht mehr. Es gefiel ihm, hier sein Unwesen zu treiben. Warum also herumsitzen und Trauben missbrauchen? Viel lieber machte er sich über diese verzogene Gesellschaft lustig.

Nachdem er den Drink in den Blumenbehälter gekippt und das Glas in die Erde gestopft hatte, kam er auf die Beine. Aber erst beschloß er, etwas wirklich Alkoholisches zu trinken. Ja, das würde er machen, damit er zu noch grausameren Taten imstande war. Kurz strich er sich den Smoking glatt und machte sich auf den Weg zu der außergewöhnlichsten Bar, die es auf der ganzen Welt gab. Sie war sehr groß, prunkvoll und schimmerte einem so sehr entgegen, dass es beinahe schon in den Augen schmerzte. Er besah sich dieses erstaunliche Bauwerk kurz, bevor er sich auf einem der hohen Hocker niederließ. Und wenige Sekunden später hatte er ein wirklich alkoholisches Getränk vor sich stehen. Lässig umfasste er das Glas, hob es an und betrachtete sich die vielen Flaschen, die fein säuberlich in dem Regal in Reih und Glied standen, was denn sonst. Und bald hatte er vergessen, wie dieses Getränk eigentlich hieß. Also blieb er ratlos davor sitzen und grübelte nach. Nach wenigen Minuten rang er sich dazu durch, den Namen einfach weiterhin zu vergessen, hob es an und trank gleich mehrere Schlucke. Und es schmeckte gut. So gut, dass er gleich noch mal einen Schluck nehmen musste, und dann noch einen und noch einen. Doch bevor er das ganze Glas leer trinken konnte, erfasste ihn eine leichte Brise. Er ließ das Glas sinken und drehte den Kopf zur Seite. Neben ihm auf dem Hocker hatte sich ein junger Mann niedergelassen. In einem säuberlichen Smoking und schwarzen zurückgegeelten Haaren, schnippte er eitel nach dem Keeper.

"Den besten Wein", befahl er mit einer etwas gedrungenen Stimme.

Oje, Joey verdrehte die Augen und wandte sich wieder dem Glas zu. Neben ihm saß Herr Arrogant. Es klackte leise neben ihm, als der Goldring des jungen Mannes das Glas berührte. Joey glaubte sogar, ein Parfüm wahrzunehmen.

Parfüm...

Er wusste nicht mehr, was er denken sollte.
 

"Glauben Sie es?" Ein dicker Mann fischte die exotische Frucht aus seinem Drink. Kaiba war von zwanzig seiner Sorte umgeben, als er auf einem der Sofas saß und einen Rotwein im Glas schwenkte. "Ich wollte meiner Frau einen 5-karätigen Diamanten schenken. Auf einem Ring, verstehen Sie? Und wissen Sie, was sie sagte?"

Kaiba schüttelte den Kopf und nahm einen Schluck.

"Nach zwei Tagen meinte sie, ihr täte der Finger weh, weil der Ring so schwer ist!"

Daraufhin brach ein lautes Gebrüll in der Runde aus, Kaiba schürzte die Lippen, starrte weiterhin auf den edlen Wein.

"Also habe ich ihr einfach einen Goldring geschenkt", protzte der Mann weiter. "Frauen können so kompliziert sein."

Kaiba atmete tief durch. Diese Atmosphäre war erdrückend. Wieder folgte das Lachen und ein anderer Mann richtete sich aus den Polstern auf.

"Ich habe vielleicht eine Unerhörtheit erlebt!", rief er theatralisch und sofort verstummte die Menge. "Mein Chauffeur hat eine Schramme in meine Limousine gefahren!"

"Hast du ihn wenigstens verklagt?", kam es aus einer Ecke.

Kaiba verzog die Miene und drehte sich in die Richtung.

"Natürlich! Wisst ihr, wieviel die gekostet hat?!" Der Mann klatschte in die Hände. "Ich muss jetzt mit den beiden anderen fahren!"

Wieder schallte das Gebrüll in Kaibas Ohren.

"Sie besitzen doch auch einen Maybach, Herr Kaiba?", wurde er da plötzlich angesprochen.

"Ja." ... und nickte.

"Und haben Sie immernoch diese herrliche, weiße Limousine?", fragte ein Anderer ohne jegliche Zurückhaltung.

"Nein", antwortete Kaiba lässig. "Ich benötige nur eine."

"Aber zwei sind besser, als eine."

"Hahahaha!"
 

"Hey", wurde Joey plötzlich unhöflich von der Seite angesprochen. Die Augenbrauen hebend ließ er das Glas sinken und drehte das Gesicht zu dem reichen Pinkel, der ihn arrogant musterte. Etwas gelangweilt erwiderte er den verzogenen Blick. "Ich habe dich hier noch nie gesehen." Der junge Mann zog die Nase hoch und fuhr sich mit einer schrecklich eitlen Bewegung über das Haar. "Zu wem gehörst du?"

Joey atmete tief ein, blähte die Wangen auf und nippte an dem Glas.

"Zu Donald Duck", murmelte er.

Der junge Mann verzog verächtlich das Gesicht, räusperte sich verstohlen und drehte sich auf dem Hocker, so, dass er ihm direkt zugewandt war.

"Weißt du überhaupt", schnupfte er, "mit wem du hier sprichst?"

"Und weißt du, mit wem DU sprichst?", erwiderte Joey. "Mit einem, den das so wenig interessiert, wie den Rest der Leute hier. Weißt du was?" Er gestikulierte knapp mit der Hand. "Da drüben habe ich einen Hummer entdeckt. Tänzel mal zu dem und erzähl dem deine Geschichten. Den interessiert die zwar auch nicht, aber der kann wenigstens nicht flüchten."

"Was fällt dir ein!" Empört verdunkelte sich die Miene des jungen Mannes.

"Hey." Als würde er diese Antwort nicht verstehen, sah Joey ihn an. "Nicht gleich so bösartig. Ich bin ein freier Mensch und kann nicht dazu gezwungen werden, mich Einflüssen auszuliefern, die meinen psychischen und physischen Zustand beeinträchtigen könnten."

"Ach, und ich bin einer dieser Einflüsse, ja?"

"Das hast du gesagt." Joey zuckte locker mit den Schultern und der junge Mann machte den Anschein, als wurde er mit der dreisten Schlagfertigkeit des Blonden nicht fertig. Er brummte etwas Leises und wandte sich der Bar zu. Joey ließ es sich in der Zwischenzeit schmecken. Genüsslich nippte er an dem Glas, bewegte das Getränk im Mund und besah sich wieder die Flaschen. Dem Nebenmann schenkte er keine Beachtung mehr, was nicht bedeuten sollte, dass er nicht damit rechnete, erneut angequatscht zu werden. Gemütlich ließ er die Beine baumeln, fuhr sich durch den Schopf und schürzte die Lippen. Und als er sich gerade wieder etwas wohler fühlte, drehte sich der Nebenmann entschlossen und schwungvoll zu ihm um. Joey verdrehte die Augen.

"Du hast mir mit Hochachtung zu begegnen!", fauchte er, als hätte sich etwas in ihm angestaut. "Mein Name lautet Jason Bankroft, der Sohn des Gastgebers und wenn du nicht..."

"Hoi hoi hoi." Joey hob die Hand, unterbrach den reichen Pinkel und sah ihn mit entsetzter Miene an. "Mein Gott, weißt du was?"

"Was!"

"Für einen kurzen Moment dachte ich, du wärst irgendwie hörgeschädigt. Das ist eine schlimme Sache und ich wollte Mitleid haben." Eine tiefgründige Nachdenklichkeit vortäuschend, musterte Joey die Ohren seines Gegenüber. "Aber ich sehe kein Hörgerät, was ja bedeuten muss, dass alles in Ordnung ist."

"Willst du mich vergackeiern?!" Der junge Mann geriet wirklich in Rage, das gepuderte Gesicht zuckte grimmig.

"Nicht doch." Sarkastisch weitete Joey die Augen. "Ich verstehe nur nicht, weshalb du mich wieder ansprichst, obwohl du mich genau verstanden hast."

"Hör zu!" Mit einer drohenden Bewegung, beugte sich der Schwarzhaarige etwas nach vorn und hob den Zeigefinger. "Ich weiß genau, mit wem du hier bist!"

Das Gesicht des Blonden erhellte sich.

"Na super, dann hättest du dir ja eine völlig überflüssige Frage ersparen können."

"Du bist mit Seto Kaiba gekommen!"

Joey nickte.

"Und du bist genauso ein Drecksack, wie er!"

Sobald er das nette Wort gehört hatte, hielt Joey in jeglichen Bewegungen inne. Ausdruckslos starrte er in den Spiegel hinter dem Thresen, hielt das Glas sicher in der Hand und schürzte nach kurzer Zeit die Lippen, während sich sein Nebenmann auf weitere vernichtende Todesworte vorbereitete.

"Ich weiß nicht, weshalb mein Vater dieses Schwein überhaupt eingeladen hat! Der hält sich wohl für etwas Besonderes!"

Joey räusperte sich leise und nahm einen ruhigen Schluck, ohne sich jegliche Wut ansehen zu lassen. Er wurde einer knappen Musterung unterzogen und dann ging es weiter.

"Er hat vielleicht eine Firma, na und? Der versteht doch gar nichts von Geschäften, ist zu nichts nutze! Und trotzdem schleimt er sich hier ein!"

Langsam drehte Joey das Gesicht zu ihm.

"Und du bist sicher irgend ein mieser kleiner Schmarotzer, der genauso wenig auf die Reihe kriegt! Gleich und gleich gesellt sich gern, heißt es nicht so? Toll, jetzt haben wir schon zwei Arschlöcher im Haus!"

Joey hob die Augenbrauen, starrte weiterhin in den Spiegel.

"Klopfst hier große Sprüche! Was ist? Arbeitest du für Kaiba? Hilfst du ihm dabei, sein kleines lächerliches Nest auf den Beinen zu halten? Na, viel Spaß!" Der Schwarzhaarige grinste hämisch und Joey antwortete mit einem Nicken, das irgendwie entschlossen wirkte.

"Okay." Er nickte lange, erwiderte das Grinsen lässig und schob sich langsam von dem Hocker. "Bis nachher."

Somit drehte er sich um, zupfte an seinem Smoking und schlenderte davon.

"Tse!", ertönte es hinter ihm. "Jetzt kriegst du Angst, was?"

Joey schenkte dem Typen keine weitere Beachtung, gönnte sich noch einen Schluck und schob sich durch die Menge.

In direktem Kurs steuerte er auf die Platten zu, drängelte sich naserümpfend durch die Menge und schnitt eine Grimasse, als er scharfes Aftershave roch.

>Man, man, man<, dachte er sich kopfschüttelnd, als er sein Ziel erreichte und sich einen Teller klaute. Entspannt begann er zu spazieren, sich hier und dort etwas zu klauen. Hinter ihm kicherte eine Frau, in weiter Entfernung schrieen Kinder. Er ließ sich davon nicht stören, rammte die Gabel in irgend ein Fleisch und...

"Bist du das erste Mal hier?"

Er hielt in den Bewegungen inne, starrte auf das Fleisch und lugte flüchtig zur Seite. Neben ihm stand aus heiterem Himmel ein junger Mann, etwa in seinem Alter. Durch einem flüchtigen Blick bekam er heraus, dass es sich mal wieder um die Art Mensch handelte, gegen die er eine Allergie hatte. Er musterte ihn kurz, runzelte die Stirn und wandte sich wortlos dem Fleisch zu, um es auf seinen Teller zu laden. Der junge Mann lächelte und fuhr sich durch den lockigen, gepflegten Schopf.

"Ich komme jedes Haar... äh... Jahr hierher", redete er weiter und Joey ließ eine Olive im Mund verschwinden. "Diese Treffen sind ein vorzüglicher Ausgleich zum ach so dristen Alltag."

Joey wurde auf ein merkwürdiges Gebilde aufmerksam, das er sogleich neugierig mit der Gabel durchstocherte.

"All die Pflichten und Reisen um die Welt", seufzte der Mann. "Es ist lockig... äh... verlockend, findest du nicht? All diese Menschen und..."

"Was ist das?", unterbrach Joey ihn verwundert und stocherte weiter.

"Äh, Leberpastete."

Der Blonde zog eine Grimasse und schlenderte weiter, der junge Mann folgte ihm.

"Ich bin gerne hier, führe nette Gespräche. Redest du gerne über die Börse oder über..."

"Kann man das essen?" Joey wies mit der Gabel auf einen großen Berg.

"Selbstverständlich, es sind Shrimps."

Also lud sich Joey auch so etwas auf den Teller und suchte nach dem nächsten.

"Reist du gerne?", fragte der junge Mann weiter. "Warst du schon einmal auf den Schampoo... äh... Schantarinseln?"

Joey stopfte sich ein Stück Käse in den Mund und kaute genüsslich. Der Berg auf seinem Teller wuchs und wuchs und der junge Mann fuchtelte mit den Händen, lachte und dackelte weiterhin hinter ihm her.

"Sie befinden sich in Russland, nun ja, eigentlich eher im Ochotskischen Meer. Aber es ist ein herrlicher Ort. Und warm ist es dort, das glaubt man gar nicht."

Joey schmatzte genügsam, kehrte der Platte kurz den Rücken und klaute sich einen Champagner von einem vorbeiflüchtenden Tablett. Damit blieb er erst einmal stehen und trank. Der junge Mann lachte schon wieder und Joey lugte flüchtig zu ihm, während er das teure Getränk im Mund wendete.

"Ich mag Russland prinzipiell. Obwohl, ach, dort gibt es so schlimme Dinge. Dort ist die Armut weit verbreitet. Aber ich habe gespendet, damit..."

"Weißt dein Vater, dass du schwul bist?"

"Was...?" Die Augen des jungen Mannes weiteten sich entsetzt und Joey ließ das Glas sinken.

"Weiß er´s?", erkundigte er sich lässig und plötzlich wirkte das Plappermaul ziemlich wortkarg. Er starrte ihn entrüstet an, suchte nach Worten und fuchtelte verwirrt mit den Händen. Joey wartete geduldig und trank noch einen Schluck. Anschließend stellte er das Glas auf der Platte ab und der junge Mann räusperte sich nervös.

"Wie... wie kommst du denn darauf?"

"Er weiß es also nicht." Joey schmeckte den Champagner im Mund und sah sich wieder um.

"Natürlich nicht!", brach es erschrocken aus dem jungen Mann heraus. Joey kümmerte sich nicht darum, aber er selbst schien arg über die Worte zu erschrecken. Er lachte wieder so nervös und sah sich gehetzt um. "Oh, da hat gerade jemand nach mir gerufen!"

Joey hob die Hand.

Ohne die Verabschiedung zu erwidern, drehte sich der junge Mann um und verschwand eilig.

>Oje.< Joey schubste eine Olive über den Teller und suchte sich ein ruhiges Plätzchen, an dem er ungestört essen konnte. >Da war aber jemand unbeholfen.< Er runzelte die Stirn.
 

So verging eine weitere Stunde.

Während Kaiba Gespräche über sich ergehen lassen musste, die sich nur um Geld und Protzerei drehten, hatte es sich Joey auf einem Sofa gemütlich gemacht. Auf dem Schoß hielt er seinen Teller und neben ihm auf dem Polster stand noch eine große Platte, die er sich von einem Tische geklaut hatte. Mit entspannter Miene flätzte er dort, klaute sich hin und wieder etwas Leckeres von seinen Mitbringseln und warf immer wieder Blicke auf die Uhr. Es schien, als würde er die Zeit absitzen, als hätte er keine Lust mehr, sich zu amüsieren.

Bald kam er faul auf die Beine. Er hatte keine Lust dazu, musste es aber tun, weil sein Glas leer war und er Durst hatte. Und das war ein Problem.

Schlendernd schob er sich durch die Menge und hielt nach einem Getränkestand Ausschau. Außer an der Bar musste es doch noch irgendetwas geben, oder?

Er blähte die Wangen auf, als er sich an einem dicken Mann vorbeidrängelte und eine etwas freie Fläche erreichte. Tief atmete er ein, ging noch einen Schritt... und stieß arg mit jemandem zusammen.

Aus dem Gleichgewicht gebracht, stolperte er zur Seite und stand schnell wieder sicher. Seine Hände ballten sich zu Fäusten, langsam atmete er ein.

>Jetzt reicht´s!!<

Wütend fuhr er herum und machte sich bereit, jemanden heftig anzuschreien. Diese Typen machten ihn allesamt verrückt! Liefen herum und nahmen auf niemanden Rücksicht!

"Aaah...!" Erschrocken ächzte ein junger Mann auf und hob hektisch die Hände. Joey hielt inne. "Das tut mir jetzt aber leid, ich habe dich gar nicht gesehen."

Der Blonde ließ die Hände sinken und legte den Kopf schief. Vor ihm stand ein junger Mann, der Bakura gespenstisch ähnlich sah. Die zierliche Statur, die Gesichtszüge, all das erkannte Joey wieder. Nur die Augen... die waren nicht braun, sondern blaugrau. Das helle, lange Haar des jungen Mannes war zu einem schnellen Zopf geflochten, aus dem überall Strähnen hingen. Auch keuchen tat er, als wäre er gerade hektisch herumgerannt. Was ja irgendwie auch stimmte...

Langsam rieb sich Joey die Schulter, noch immer musterte er seinen Gegenüber.

"Na sowas." Dieser kratzte sich am Kopf, brachte sein Haar noch mehr durcheinander. "Da bin ich ja wieder mal doof herumgerannt. Bist du schwer verletzt?" Er erwiderte die Musterung flüchtig, seine Augen blieben an Joeys Gesicht hängen.

"Nein, nein, alles okay." Joey verzog leicht die Miene. "Und selbst?"

"Noch alles dran." Demonstrierend hob der junge Mann die Hände und Joey öffnete unentschlossen den Mund.

>Ich glaube, das ist der erste, den ich nicht von der Klippe schubsen würde.<

"Ist wieder mal richtig voll." Der junge Mann betastete seinen Smoking, zerrte an ihm und zerknitterte ihn so nur noch mehr. "Na sowas!" Plötzlich trat er an Joey heran, griff ihn an der Schulter drehte ihn um. "Schau dir das mal an!" Er zeigte in die Menge und Joey erspähte dort wirklich ein Individuum, das dort gar nicht reinpasste. Etwas überrumpelt von der lockeren Art des jungen Mannes, starrte er auf eine unglaublich dicke Frau. Dass sie dick war, war ja nicht schlimm. Aber sie zwengte sich in ein knallgelbes, enges Seidenkleid, das wie die große Ausgabe einer Barbiemode wirkte. Joey verzog die Miene und auch der junge Mann, der sich immer noch in seine Schulter klammerte, schnitt eine Grimasse.

"Ich dachte, es gäbe nur hübsche Prinzessinnen", raunte er nahe an Joeys Ohr und schüttelte leicht den Kopf. Der Blonde lugte zu ihm. "Die sieht doch aus wie ein Walross, das dramatischer Weise in einem Fischernetz hängen geblieben ist."

"Kein schöner Anblick." Joey räusperte sich. "Muss ich schon sagen."

"Hey." Bevor er sich versah, schob sich der junge Mann an ihm vorbei und stand vor ihm. Und mit einer unglaublichen Begeisterung begann er zu erzählen. "Das ist noch gar nichts im Vergleich zu dem Treffen vor zwei Jahren." Er weitete die Augen. "Wusstest du, dass es Gerippe gibt, die noch leben?"

"Nö."

"So ist es aber!" Der junge Mann hob den Zeigefinger. "Da gab es so eine Brotspinne, eine Frau, verstehst du? Die war magersüchtig aber das kommt hier oft vor."

"Aha?"

"Ja ja." Er nickte selbstsicher. "Die hatte jedenfalls ein hautenges Kleid an und als sie in den Saal kam, haben sich zwei Männer übergeben!" Er brach in lautes Lachen aus, krallte sich in Joeys Schulter und beugte sich nach vorn. Der Blonde wusste allmählich nicht mehr, wie er sich verhalten sollte. Dieser junge Mann war zwar der erste sympathische Mensch, den er heute traf, aber es war dennoch etwas... nun ja...

"Das klingt so, als bist du oft hier." Er tätschelte die Schulter des jungen Mannes und dieser richtete sich auf und sah ihn mit großen Augen an, als würde ihn diese Frage verwundern.

"Und du zum ersten Mal, hm?"

"So sieht´s aus", antwortete Joey selbst etwas irritiert und der junge Mann blähte die Wangen auf.

"Ich bin dabei, seit es diese Treffen gibt", verriet er und sah sich etwas säuerlich um. "Ich versuche mich jedesmal zu drücken und treibe mich draußen herum. Aber es endet wie immer." Er seufzte.

"Wie endet es denn?", erkundigte sich Joey.

"Na, dass ich doch noch angerannt komme und Hektik verbreite!", rief der junge Mann und fuchtelte mit den Händen, Joey beugte sich stirnrunzelnd zurück.

"Was du nicht sagst."

"Hey!" Der junge Mann weitete die Augen und reichte ihm die Hand. "Bin außerdem Charlie Bankroft."

Joey wollte zugreifen, hielt dann jedoch inne. Charlie wartete.

"Was ist?"

"Kann es sein", Joey kratzte sich an der Wange, "dass du auch ein Sohn des Gastgebers bist?"

"Das ist doch egal, oder?" Bevor sich Joey versah, griff Charlie nach seiner Hand und schüttelte sie heftig. "Und du? Wie heißt du?"

"Joey Wheeler."

"Oho? Und mit wem bist du hier?"

Zögernd ließ Joey die Hand sinken. Der andere Sohn des Gastgebers, den er an der Bar getroffen hatte, hatte nicht sehr wohlgesonnen darauf reagiert.

"Mit Kaiba", verriet er dennoch und Charlie grinste.

"Hey, das ist cool." Plötzlich weitete er die Augen. "Weißt du was? Ich habe dich schon einmal gesehen. Zuerst war ich mir unsicher aber jetzt steht es fest. Ist schon ein Jahr her, da habe ich dich gesehen. Kann mich aber trotzdem daran erinnern."

"Ach ja?" An Joey wurde etwas gerüttelt.

"Klar, du bist der Sänger dieser Band! Vor knapp einem Jahr bist du auf einem Schulfest aufgetreten. Habe ich Recht?"

Um ehrlich zu sein, war Joey über diese Worten mehr als überrascht. Es war ein Jahr her und dieser junge Mann konnte sich trotzdem noch daran erinnern...? Er wusste wirklich nicht, was er davon halten sollte, nickte jedoch. Und sobald er das getan hatte, lachte Charlie laut auf.

"Das war super!", versicherte er strahlend. "Das war der absolute Wahnsinn!"

"D-Danke." Joey verzog die Augenbrauen. "Aber ich..."

"Hey!" Plötzlich begann Charlie in den Taschen seiner Hose zu wühlen, hektisch wie immer. Er suchte und tastete... und zog plötzlich einen Stift hervor, den er dem überrumpelten Blonden in die Hand drückte. "Gib mir ein Autogramm, okay?!"

Joeys Unterkiefer sackte hinab. Mit großen Augen stand er da und gaffte, während Charlie sich hastig umsah und flink den linken Ärmel des Smokings hochstrüffelte. Und mit einer lässigen Selbstverständlichkeit präsentierte er ihm den freien Arm.

"Da drauf!", lachte er. "Schreib: 'Für Charlie', ja?"

"Moment." Ein unsicheres Grinsen zog an Joeys Mundwinkel, als er langsam den Kopf schüttelte. "Jetzt machst du dich aber lächerlich."

Charlie erschrak.

"Warum?"

"Das war ein einziger Auftritt", erinnerte Joey skeptisch. "Und er ist ein Jahr her."

"Das ändert doch nichts daran, dass er spitzenklasse war." Charlie stubste ihn verschmitzt mit dem Ellbogen an. "Und außerdem, wenn du wieder singst und eines Tages berühmt wirst, dann habe ich das allererste Autogramm und kann mächtig damit angeben."

"Ich und berühmt?" Joey zog eine Grimasse. Das klang nun wirklich dämlich. "Ich habe zwar vor, eine richtige Band zu gründen, aber..."

Charlies Gesicht erstrahlte.

"Wenn du das tust, dann wirst du berühmt!", versicherte er und drückte den Stift in Joeys Hand zurück, als dieser ihn zurückgeben wollte. "Jetzt gib mir ein Autogramm! Bitte, uns bleibt nicht viel Zeit!"

"Aber..."

"Da drauf!" Charlie zeigte auf den Arm. "Ich werde auch..."

"Herr Bankroft."

Hast du´s nicht gesehen! Plötzlich stand ein Buttler neben ihnen. In einem säuberlichen Smoking stand er dort und machte einen kurzen Knicks. Joey starrte ihn an und Charlie verdrehte die Augen.

"Ihr Vater verlangt danach, Sie zu sehen."

"Das meinte ich", seufzte Charlie und setzte einen unglaublichen Hundeblick auf. "Joey... jetzt oder nie."

"O-okay...?"

"Super!" Sofort erstrahlte das Gesicht des jungen Mannes und stirnrunzelnd griff Joey nach seinem Arm. Mit großen Augen verfolgte Charlie, wie er seine Signatur setzte und anschließend den Stift sinken ließ.

"So."

"Wow!" Charlie besah sich das Kunstwerk kurz und zog den Ärmel hinab.

"Herr Bankroft", meldete sich der Buttler ungeduldig zu Wort und Joey gab den Stift an diesen zurück.

"Danke!" Charlie grinste breit und bevor sich Joey versah, wurde er kurz umarmt. "Wir sehen uns vielleicht wieder, ne?"

"Okay...?"

Der junge Mann lachte, sah sich stolz um und ließ den Stift in der Hosentasche verschwinden. Er drehte sich noch zu Joey um, grinste und winkte. Und dann verschwand er mit dem Diener im Gemenge.

Etwas zerzaust blieb der Blonde stehen, starrte auf die Stelle, an der er verschwunden war und runzelte die Stirn.

"So ein verrückter Vogel", flüsterte er leise bei sich, als die Lähmung nachließ. Träge wandte er sich ab. "Ein Autogramm... tse."
 

Kurze Zeit später hockte er wieder an seinem Platz. Mit einem Glas Champagner fläzte er auf dem bequemen Polster und ließ es sich richtig gut gehen, bis die zwei Stunden beinahe erreicht waren. Erneut überprüfte er die Zeit und nachdem er sich noch ein Käsehäppchen in den Mund gesteckt hatte, erhob er sich.

Er begann sich aufmerksam umzuschauen, richtete kurz die Fliege und räusperte sich, bevor er irgend etwas zu erspähen schien. Und in sicheren, zielstrebigen Schritten, setzte er sich in Bewegung.

"Platz da." Dreist drängte er sich durch die Menge. "Lasst die Hoheit durch."

Empört sahen ihm die verzogenen Frauen nach.

"So eine Unerhörtheit!", ertönte es andauernd hinter ihm. Ohne dem Beachtung zu schenken, steuerte er auf eine Treppe zu, die in die erste Etage führte. Er erreichte sie schnell und begann sie flink hinaufzusteigen. Dort oben befanden sich sicher die Toiletten. Gemächlich fuhr er sich mit der Hand über den Mund, nahm zwei Stufen mit einem Schritt und bog um eine Ecke, bevor er einen langen Flur betrat. In diesem blieb er kurz stehen, sah sich um und bog nach rechts. In schnellen Schritten ging er weiter, folgte einem jungen Mann, der in einer gehobenen Gangart daherstolzierte. Er holte schnell auf, warf einen prüfenden Blick zurück und griff nach den Ärmeln seines Smoking, um diese höherzustrüffeln.

"Hey, warte mal kurz", rief er währenddessen.

Sofort blieb der Angesprochene stehen. Es war kein anderer, als der sympathische Schwarzhaarige, den Joey vor kurzem an der Bar kennen gelernt hatte. Sobald er sich umdrehte und den Blonden erkannte, verdunkelte sich seine Miene giftig.

"Ach, sie mal einer an", lachte er gehässig, als Joey ihn fast erreicht hatte. "So was wie du hat hier nichts zu suchen. Mach, dass du..."

Er verstummte, als sich zwei kräftige Hände in seinen Kragen schlugen. Ja, er schien zu keinem Wort mehr fähig zu sein, als Joey ihn mit entspannter Miene herumzog und an eine Wand drängte. Er wirkte überaus entsetzt, so, als habe er etwas dergleichen noch nie zuvor erlebt. Als er mit dem Rücken gegen die teure Tapete stieß, ächzte er laut auf.

"Was fällt dir ein!" Mit einer jämmerlichen Schwäche versuchte er, die Hände aus seinem Kragen zu lösen. "Du hast mich sofort loszulassen! Ich befehle es di..."

"Jetzt hör mal zu", unterbrach Joey ihn geduldig, ohne den festen Griff zu lockern. "Ich weiß, dass dir so etwas schwer fällt, aber du könntest es einfach versuchen. Und der erste Schritt zu diesem Erfolgt wäre, einfach mal den Mund zu halten."

Geweitet waren die Augen des Reichen auf Joey gerichtet und von einer Sekunde auf die Andere wirkte der selbstsichere Typ völlig verunsichert, ja, nahezu verstört. Sicher waren die braunen Pupillen auf ihn gerichtet, mit entspannter Haltung stand der Blonde dort.

"Hilfe!" Zappelig sah sich der Schwarzhaarige um und bevor er noch lauter schreien konnte, verfestigte Joey den Griff an seinem Hals, packte ihn fester, ohne darauf zu achten, dass er ihm wehtun könnte. Langsam neigte er sich dann zu ihm und verengte die Augen.

"Warum wundert es mich nicht, dass du dich plötzlich wie ein jämmerliches Weichei benimmst?", wisperte er leise und der Schwarzhaarige schluckte.

"Was willst du von mir?!"

"Ach." Ein süßes Grinsen umspielte Joeys Lippen, als er die Lider senkte. "Ich wollte dir nur etwas erzählen. Und da du mich auch mit einigen Dingen belappt hast, wirst du mir jetzt zuhören. Es geht um eine Sache, die du gar nicht wissen kannst. Und dieses Unwissen nehme ich dir auch nicht übel, doch... da gibt es eine Kleinigkeit, die wir besprechen müssen."

"Ich hab dir nichts getan!" Verzweifelt versuchte sich der Schwarzhaarige zu wehren, doch mit einer Kraft, die Joey nicht zuzutrauen war, wurde er weiterhin gegen die Wand gepresst.

"Hey." Er grinste immernoch. "Wenn du mir nichts getan hättest, würde ich jetzt sicher nicht dafür sorgen, dass du dir beinahe in deine teuren Hosen machst. So einer bin ich nicht."

"Das wird Folgen haben!" Der Schwarzhaarige schien neuen Mut zu schöpfen. Erneut zerrte er an Joeys Händen. "Niemand hat so mit mir zu reden..."

"Und niemand hat so über Kaiba zu sprechen!" Gekonnt zurrte er dem jungen Mann den eigenen Kragen um die Gurgel. "Ich bin niemand, der sich in Dinge einmischt, die ihn nichts angehen, aber bei dieser Sache ist das etwas Anderes! Tatsache ist, wenn du Kaiba beleidigst, beleidigst du auch mich, denn immerhin verbringe ich jede freie Minute mit ihm und dazu werde ich schon Grund haben!" Joeys Stimme senkte sich drohend und endlich wurde er nicht mehr unterbrochen. "Ich bin auch nicht Supermann oder so ein anderer verrückter Typ, der für Gerechtigkeit kämpft, aber das kann ich dir nicht durchgehen lassen."

"Hey." Ein nervöses Grinsen zerrte an den Lippen des jungen Mannes, während er nach Luft rang. "Ich habe das nicht so gem..."

"Fängst du jetzt schon an zu jammern?", zischte Joey boshaft. "Verdammt, du solltest mir dankbar sein! Wenn Kaiba das gehört hätte, dann würdest du nicht nur mit einer Strafpredigt davonkommen!"

"Ich... ich hab´s verstanden, okay...?" Hektisch fuchtelte der Schwarzhaarige mit den Händen, doch Joey schüttelte den Kopf.

"Du machst es dir zu einfach, mein Lieber", schnurrte er verspielt. "Strafpredigt heißt bei jedem etwas anderes."

"Aber..."

"Scht! Was habe ich gesagt?" Arglistig schielte Joey zu ihm. "Ich will dir nur doch nur weismachen, dass Menschen nicht über jemanden zu lästern haben, den sie nicht kennen." Gemächlich löste er eine Hand von dem weißen Kragen und streckte sie zur Seite. "Das ist eine wirklich unschöne Art und Weise, die so ein Adonis wie du eigentlich meiden müsste." Die Hand erreichte eine Rose, die in einer kunstvollen Vase stand. Sicher umfasste Joey sie und zog sie ins Freie, um sie neben der Vase abzulegen. "Ich weiß nicht, was in deinem parfümierten Köpfchen vor sich geht und es interessiert mich auch nicht." Daraufhin griff er nach der Vase. "Freut mich, dich kennengelernt zu haben." Ohne zu zögern, hob er die Vase über den Kopf des jungen Mannes, drehte sie dort um und zwang diesen zu einer kalten Dusche. Und noch während das Opfer empört aufschrie und sich das Wasser aus dem Gesicht wischte, hatte Joey die Vase wohlbehalten auf den Tisch zurückgestellt, den reichen Pinkel am Kragen zur Seite gezerrt und nach der naheliegensten Tür gegriffen. Gemächlich öffnete er sie, zog den jungen Mann mit sich und stieß ihn grob in eine Besenkammer. Um sicher zu gehen, stellte er ihm noch ein Bein und während der junge Mann nach vorne flog, verzweifelt versuchte, sich abzustützen und dennoch hart aufschlug, schloss sich die Tür hinter ihm. Mit aller Seelenruhe drehte Joey den Schlüssel im Schloss, zog ihn pfeifend hinaus und warf prüfende Blicke nach allen Seiten. Anschließend kehrte er schlendernd zu der Vase zurück, ließ den Schlüssel in ihr verschwinden und setzte auch die Rose an den alten Platz zurück. Ein Liedchen trällernd, schob er die Vase an die richtige Stelle, ließ die Hände in den Hosentaschen verschwinden und trödelte davon.

Kurz bevor er die Treppe erreichte, hörte er, wie die Tür unter heftigen Schlägen erbebte und eine kächzende Stimme laute Beschimpfungen schrie.

"Uijuijui." Joey lachte leise, griff nach dem Geländer und machte, dass er in den Festsaal zurückkam.

>Jetzt beginnt die Rettungsaktion!<
 

"Ich werde nachher eine Rede halten", verkündete ein dicker Mann, der sich genüsslich auf dem Sofa streckte.

"Eine außerordentlich tolle Idee." Ein Anderer klatschte in die Hände. "Auch ich werde einen Tost aussprechen."

"Auf was?", erkundigte sich ein Magerer, der den Anschein erweckte, bei dem geringsten Lufthauch umzuknicken.

"Auf das globale Geschäftswesen und unsere ehrenwerten Partner."

"Vorzüglich!"

"Herr Kaiba, wollen Sie nicht auch einige Worte loswerden?"

Kaiba starrte auf eine teure Vase und zuckte mit den Schultern.

"Ich habe nichts zu sagen."

Erschrocken richteten sich die Männer auf.

"Aber Herr Kaiba!", keuchte der Dicke. "Ihre Firma steht an Japans Spitze! Sie sind ein bewundernswerter Geschäftsmann und haben sicher etwas zu erzählen."

"Mm." Kaiba kratzte sich an der Nase, augenscheinlich gab es nichts, das ihn nicht langweilte.

"Die Gäste würden sich sicher freuen, wenn Sie eine Rede halten. Immerhin waren Sie schon so lange nicht mehr hier und..."

"Herr Kaiba!", ertönte plötzlich eine aufgeregte Stimme.

Sofort verstummte die große Runde und ein keuchender junger Mann blieb bei ihnen stehen. Kaiba hob die Augenbrauen und ließ das Glas sinken.

"Ich entschuldige mich untertänigst für die Störung, meine Herren." Joey verbeugte sich entschuldigend und wandte sich sogleich an den Brünetten. "Herr Kaiba, Ihr Sekretär rief mich soeben an. Es gibt Probleme in der Firma! Es ist unabdinglich, dass Sie sofort zurückkehren!"

Ein leises Brummen ging durch die Reihe und der Dicke rieb sich den Bauch.

"Sie haben sicher einen fähigen Sekretär", murmelte er und Kaiba lugte zu ihm. "Ich bezweifle nicht, dass er mit der Problematik allein fertig wird."

"Aber die Probleme sind fatal!" Empört riss Joey die Arme in die Luft. "Es steht sehr viel auf dem Spiel! Herr Kaiba, wenn Sie jetzt nicht kommen, dann...", er rang nach Luft und giftige Blicke richteten sich auf ihn, "... dann ist die ganze Welt in Gefahr!"

"Ich bitte Sie! Das ist ja wohl lächer..."

"Meine Herren." Kaiba kam auf die Beine und strich sich den Smoking glatt. "Ich trage die Verantwortung über einen wichtigen Konzern und Entscheidungen, die diesen anbelangen, überlassen Sie getrost mir. Hinzukommend bezweifle ich, dass Sie sich der Tragweite dieses Problems bewusst sind."

Ein leises Murmeln folgte und Joey blickte sich siegessicher um.

"Sie alle führen Firmen und wissen, wie schwierig es sein kann, die Ordnung zu bewahren." Kaiba hob das Champagnerglas und nickte in die Runde. "Wie Sie hören, werde ich an einem anderen Ort mehr gebraucht. Ich empfehle mich."

Somit stellte er das Glas ab und der Dicke, der ihn entführt hatte, stand auf und nickte scheinbar einsichtig.

"Überaus bedauerlich", meinte er, während er Kaiba die Hand reichte. "Aber diese Gemeinschaft trifft sich morgen zum Golf und..."

Joey zuckte erschrocken zusammen.

"Ähm...", meldete er sich sofort zu Wort und trat zu Kaiba, "... verzeihen Sie, Herr Kaiba."

Dem Brünetten schien er genau recht zu kommen. Entspannt wandte er sich an ihn, während der Fette die Stirn runzelte.

"Morgen steht die wichtige Besprechung mit Herrn Pikotto an." Joey biss sich auf die Unterlippe, wühlte in seiner Fantasie. "Ähm... es ging um diese Sache...", er gestikulierte mit der Hand, "... na, na."

"Ich verstehe schon." Kaiba grinste knapp und schüttelte dem Mann die Hand. "Interne Angelegenheiten."

"Ach so." Der Mann weitete beeindruckt die Augen. "Nun gut, das verstehe ich natürlich. Aber dann erweisen Sie uns wenigstens die Ehre, dem nächsten Treffen wieder beizuwohnen. Sie sind ein gerngesehener Gast."

"Natürlich werde ich das", versprach Kaiba.

>Oder auch nicht.<
 

Ruhig und entspannt waren die blaugrauen Augen nach vorn gerichtet. Gemütlich saß Charlie Bankroft, der Sohn des Gastgebers, in einem bequemen Sessel. In seiner Hand hielt er ein Glas Champagner, abwesend bewegte er einen Zahnstocher im Mund. Umso aufmerksamer verfolgte er aus sicherer Entfernung, wie Kaiba Hände schüttelte und sich verabschiedete. Er musterte den brünetten Geschäftsmann genau, besah sich auch Joey und allmählich zeichnete sich ein verschmitztes Grinsen auf seinen Lippen ab.

Als sich Joey und Kaiba endlich abwanden und gingen, richtete er sich etwas auf, nippte an dem Glas und schielte zur Seite. Sein Grinsen vertiefte sich.

"Na, sieh mal einer an", flüsterte er leise und kam auf die Beine.
 

~*to be continued*~



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2010-04-20T10:49:09+00:00 20.04.2010 12:49
XDDDDDDDDDDDDDDDD LOL
Zu geil, das zu lesen, wie Joey da aufräumt und sich austobt. Da gehört Joey echt nich thin aber Kaiba irgendwie schon. Ach ich liebe den kleinen Charlie schon jetzt!!
Von:  Yukarri
2005-10-26T11:34:20+00:00 26.10.2005 13:34
Ja ich weiß bin spät mit dem Kommi, bin aber voll im Stress.
Aber jetzt hab ich ein kleines bissel Zeit.

Das war so was von geil. Ich fands wirklich amüsant.
Das Treffen war echt eine tolle Idee von dir gewesen. Jetzt konnten wir endlich mal hinter die Kulissen von Kaibas Geschäftswelt blicken. Vor allem als Joey diesen Jason Bankroft? (weiß nimmer wie der geschrieben wird) in die Kammer gesperrt hat war einfaach zu geil.
Ach du meine güte ich liebe den selbstbewussten und neuen Joey einfach^^.
Herrliche Szenne.
Und dann die beiden noch im Smoking *mjam*. Also ich hätte genauso wie Joey gesagt das Kaiba ihn gleich hätte auslassen können *muhaha*.
Und Charlie? Na da bin ich mal gespannt wies weiter geht.
Irgendwie komisch der Typ.

Jedenfalls ist dir das wirklich gut gelungen, ein Kapitel so wie ich es von dir liebe.
Die nächsten Kommis schreibe ich dir in meinen Ferien (d.h. nächste Woche)
bye
Von:  Silent-Tears
2005-10-19T15:08:58+00:00 19.10.2005 17:08
WAAAAAAAAAAHHH das geht nicht, warum musst du gerade an dieser Stelle aufhören ??
Oh je, dieser "Bakura" Verschnitt macht doch wohl keine Probleme oder??
Wolle mer ma nicht hoffen...

Aber Joey ist echt zu geil, was der alles für Blödsinn macht *gröhl* Kein Wunder auf so einer Schicki-Micki Party... Der andere Sohn des Gastgebers hatte es auch richtig verdient von Joey *muhahaha* So ein dummer Schnösel, gehören alle weggesperrt ;)

Na ja, Joey hat Kaiba ja dann fein aus diesem Kreis rausgeholt, war ja unerträglich *gg*
Freu mich schon wie blöd wenns weitergeht ;)

LG
Navarababy
Von: abgemeldet
2005-10-16T16:44:50+00:00 16.10.2005 18:44
Boah!!!
Du kannst doch net so spannend aufhören!!
Aba ehrlich mal, das war ein Kapitel, das unserem lieben Joey ziemlich würdig ist!! Was dem alles einfällt^^Einfach Spitze^^
Dieser weißhaarige Charlie-Typ interessiert mich totaaaal, bin gespannt was da noch zwischen denen passieren wird...*freu*ich hoff mal er wird nich bös, er ist mir soo sympa^^
Die Scene am Anfang mit dem süßen Hund, der Joey einfach über den Haufen rennt, war auch totaal klasse und niedlich *grins*
Aba das Joey als Absicherung sooo großen Erfolg haben würdeó_ò(sein plan b war ja wohl spitze^^)

Das mit den nächsten Teilen is schon koay...Ich mein natürlich wärs schön wenn du weiterschreiben würdest, aba du hast recht, was soll denn da noch geschehen??Außerdem ist die Story bisjetzt schon sooo supa, das ich mir auch schon gut vorstellen kann, dass das Ende auch richtig gut wird!!^o^
Weiter so
baba motoko
Von: abgemeldet
2005-10-16T15:13:53+00:00 16.10.2005 17:13
Man! Ò.ó
Das ging jetzt so fix, da wurde ich doch glatt überholt!
-____-
Hey, ich fand das Kappi super! Das Treffen war ulkig, auch, wie Joey diese hohe Gesellschaft verarscht hat. Und die Ratte! Das war am besten. Und hier... na, wie hieß er.
Jason Bankroft! Der hat sein fett auch schön wegbekommen! Und der Hund, der kein Kaviar essen wollte! *sich wegschmeiß* XDDD
Great!
Und dieser Charlie Bankroft? Im ersten Moment hatte ich den total gern. So´n richtiger verrückter kleiner Stengel, munter und offen. Wirklich sympatisch!
Aber dann am Ende dachte ich... auweia! Was hat das denn jetzt zu bedeuten? Ô_o
Wir werden es ja sehen, hm? Aber du. *antipp*
Bitte nicht der heimliche Sohn von Katagori, ja? ^^
Jedenfalls finde ich es klasse, dass du immer wieder eigene Charas einbaust, die Joey und Co dann kennen lernen. Das erfrischt ungemein und bringt der Story ne scharfe Brise Mystik! Echt klasse, weiter so!
*umarm*
Ich bin ja so stolz auf dich!
*Lob an Pinnwand zweck*
*gg*

Bis zum nächsten Kappi!
Dat Näschen
Von:  Dark-Unicorn
2005-10-16T14:53:10+00:00 16.10.2005 16:53
Das war absolut geil. *g*
Erstmal die Szene mit Kaibas Smoking, der Joey so aus der Fassung gebracht hat.. Und dann die Feier. Das war so absolut witzig. Wie er den kleinen Knirps mit irgendwelchen ausgedachten Wörtern verscheucht hat. *lach* Oder überhaupt wie er sich benommen hat. ^^ Ich kann mir das so gut vorstellen und das passt prima zu ihm. Echt zum Abfeiern.
Jetzt bin ich allerdings sehr gespannt, was es mit diesem Charlie Bankroft auf sich hat. An dem scheint ja nun irgendwas faul zu sein..

Ach ja, und natürlich kann ich verstehen, dass du nach diesem 4. Teil nicht weiter schreiben willst. Ich freue mich jedenfalls, dass du bis hier hin durchgehalten hast und werde jedes noch folgende Kapitel voll genießen.
Wenn dann doch das Ende gekommen ist, hoffe ich jedenfalls, dass du dann noch einige andere nette FFs schreibst. ^^
Und ich warte immer noch gespannt auf den zweiten Teil von 'Nichts als Reichtum'. Deswegen werde ich es auch nicht bereuen, dass du diese FF hier irgendwann beeendest, obwohl es natürlich Schade ist..

War jedenfalls wieder ein tolles Kapitel.
Weiter so!

Dany


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