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Mýa

von

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to see

Als es an der Tür klopfte, rollte sich Mýa Witherit auf den Rücken und blickte zu der dunklen Holzdecke. Es war morgens und wie gewohnt holte Mýas beste Freundin sie ab, um gemeinsam mit ihr zur Schule zu gehen. Es klopfte wieder - nur dieses Mal etwas lauter.

"Ich komme ja schon! Einen Moment!" rief das schwarzhaarige Mädchen Richtung Tür und schwang sich aus ihrem warmen, weichen Bett, das mit blauer Wolkenbettwäsche bezogen war. Mýa fand diesen Bezug ziemlich kindisch, aber sie hatte nur diesen und einen grauen, der sich momentan leider in der Wäsche befand.

Schnell zog sie ihr weißes T-Shirt aus und dafür ein schwarzes, abgetragenes Sweatshirt an. Nun ging sie an die Tür.

"Morgen. Schön dich auch mal wieder zu sehen", wurde sie von einem Mädchen mit dunkelblonden, kinnlangen Haaren begrüßt.

"Hey, Cassy! Komm rein", entgegnete Mýa und machte sich schon wieder auf den Weg in ihre Wohnung, die aus einem geräumigen Schlafzimmer, einer kleinen Kochnische und einem Bad bestand. Sie setzte sich auf ihr Bett und wühlte in einem Berg Wäsche nach einer geeigneten Hose, bis sie schließlich eine braune fand.

"Ich versteh nicht, wie du diesen Typen nur mögen kannst." Cassedy hatte sich inzwischen vor den mannshohen Spiegel gestellt und betrachtete das Foto eines Jungen, das im Rahmen des Spiegels steckte. "Zugegeben, er sieht ganz niedlich aus, aber er ist manchmal schon merkwürdig."

Mýa schlüpfte in ihre weite Hose, schloss den Knopf- und Reißverschluss und verhinderte mit Hilfe eines breiten Gürtels, dass die ganze Sache nach unten rutschte. "Ich finde ihn nett. Schließlich zieht er mich nicht auf oder so was in der Art."

"Um das zu können, müsste er dich ja auch erst mal bemerken." Cassedy zupfte das Bild aus dem Rahmen und drehte es in ihrer Hand. "Das fängt schon mit seinem Namen an. Wie kann man sein Kind nur Jude nennen? Das ist doch Kinderquälerei." Sie ließ sich auf den einzigen Stuhl in der Wohnung fallen, der hinter einem alten Holztisch stand.

"Ich finde den Namen okay. Er passt zu ihm." Mýa gesellte sich zu ihrer Freundin, nahm ihr gekonnt das Foto aus der Hand und befestigte es wieder an seinem ursprünglichen Platz. "Mach ihn nicht so nieder. Außerdem müssen wir jetzt los." Sie griff nach ihrer Tasche und zog Cassedy nach draußen vor die Tür.

"Was findest du nur an diesem Kerl? Am Ende willst du mit dem noch zum Abschlussball." Cassedy lehnte sich gegen den Holzrahmen der Tür und wartete, bis Mýa abgeschlossen hatte. Sie wollte sich nicht so leicht geschlagen geben.

Diese stöhnte, lehnte ihren Kopf kurz gegen die Tür und warf ihrer Freundin, nachdem sie ein stilles Stoßgebet von sich gegeben hatte, einen mürrischen Blick zu. "Ich kann dir den Grund dafür nicht erklären."

"Du kannst ihn nicht erklären, weil es keinen Grund gibt", entgegnete Cassedy schnippisch. "Alle Mädchen der Schule sind in ihn verknallt. Abgesehen von einer Person, die so klug ist nicht auf sein blödes Lächeln hereinzufallen. Diese Person heißt Cassedy Breccie." Dabei deutete sie mit beiden Daumen auf sich. "Übrigens nur weil alle Leute ihn so überaus cool finden, heißt das noch lange nicht, dass du ihn auch toll finden musst."

Mýa gab es auf und machte sich auf den Weg zum Treppenhaus.

Ihre Wohnungen befanden sich in einem alten Blockhaus, das vor dem Zerfall stand. Hier und da hatten die Wasserrohre, die nicht in, sondern außerhalb der Wände durch die Zimmer verliefen, ein Leck. In der untersten Etage sorgten stählerne Tragesäulen dafür, dass die Decke nicht unter dem Gewicht der anderen Stockwerke zusammenbrach. Innen sowie außen bröckelte der Putz ab und die Kakerlaken und Ratten fühlten sich im nassen und dreckigen Keller pudelwohl. Diese Bewohner waren wohl die Glücklichsten. Im Gegensatz zu ihren menschlichen Kollegen zogen sie nicht aus diesem Gebäude aus - ganz im Gegenteil.

Mýa wohnte ganz oben. Sie hatte nicht vor fortzuziehen, obwohl das Gebäude wahrscheinlich bald abgerissen werden würde. Nicht nur, weil sie kein Geld dazu hatte, sondern auch, weil Mýa in der Wohnung wohnte, in der auch ihre Eltern gelebt hatten.

Cassedy hingegen wohnte gemeinsam mit ihrem älteren Bruder und ihrem Vater eine Etage unter Mýa, im dritten Stock.

Eigentlich wurde das Gebäude immer mehr zur Heimat von Jugendlichen, die ohne ihre Eltern lebten. Entweder sie waren gestorben oder wohnten zu weit von der Schule und schickten ihre Kinder hierher, denn dieses Haus lag nur etwa fünfhundert Meter von der Schule entfernt.

Mýa und Cassedy hatten bereits die Straße, in der sie wohnten, verlassen, als ein rothaariger Junge mit Sommersprossen zwischen ihnen auftauchte, jeder einen Arm um die Schulter legte und sie fest drückte.

"Sean!" keuchte Cassedy. Sean war der Letzte aus dem Freundschafts-Trio und am gestrigen Abend von einer Reise nach Europa zurückgekehrt, die er während der Sommerferien unternommen hatte. Nun begann für die Freunde das letzte Schuljahr, das bedeutete: Abschlussprüfungen und Abschlussball.

"Meine Mädchen! Gott, hab ich euch vermisst!" schauspielerte er mit tragischer Stimme und dramatischer Gestik, um sich letzten Endes eine Träne abzuringen.

Mýa befreite sich aus der Umarmung und tätschelte ihren Freund am Kopf. "Ja jetzt hast du uns ja wieder. Wie war's drüben auf der anderen Seite des Ozeans?" wechselte sie geschwind das Thema.

"Es war einfach traumhaft!" schwärmte Sean und tänzelte vor den beiden Mädchen auf und ab. Mýa und Cassedy sahen sich kurz an und gingen, ohne dass er es bemerkte, an dem immer noch tanzenden Jungen vorbei Richtung Schule.

Als er endlich mit seinen Schwärmereien aufgehört, um sich gesehen und sie wieder erblickt hatte, rannte er den beiden hinterher, stürzte sich von hinten auf sie und redete etwas davon, wie einsam er doch ohne die zwei gewesen sei.
 

"Weißt du wie sehr ich Geschichte hasse?"

Inzwischen hatte es zur ersten Pause geläutet und aus allen Klassenzimmern kamen Schüler. Mýa verstaute ihr Portemonnaie, aus dem sie sich zuvor etwas Geld für ihr Essen genommen hatte, in ihrem schwarzen Rucksack und diesen wiederum in ihrem Spind.

Sean stand neben ihr und blickte abwechselnd aus dem Fenster und wieder auf das Lösungsblatt seines Tests, den er in der zweiten Stunde geschrieben hatte.

"Nachdem du es schon mehr als zehn Mal gesagt hast, hat es sich in meinen Schädel eingebrannt." Mýa grinste und warf einen kurzen Blick auf ihren Freund. Auf seiner Stirn kräuselte sich eine Zornesfalte. Mýa liebte diese Falte, sie wusste nicht wieso, aber sie fand einfach, dass sie zu ihm passte. Nicht, dass sie Sean nicht mochte wenn er gut gelaunt war. Sie mochte ihren Freund immer, aber am meisten, wenn er begeistert einen Witz erzählte, der genau genommen gar nicht witzig war, oder wenn er, wie im Moment, zornig oder besorgt war.

"Komm schon, es war doch nur ein Test. Heut ist der erste Schultag. Du solltest es nicht so ernst nehmen", tröstete das Mädchen, schloss ihren Schrank und klopfte ihm beruhigend auf die Schulter.

"Wenn du meinst", gab sich Sean geschlagen und zog mit ihr durch den Gang.

Plötzlich wurde Mýa von hinten angestoßen, konnte ihr Gleichgewicht nicht mehr halten, kippte nach vorn und knallte auf den kalten Marmorboden. Sie hörte ihre Geldmünzen auf dem harten Untergrund scheppern. Sean war sofort bei ihr und half ihr wieder auf die Beine.

"Du Idiot, kannst du nicht aufpassen wo du hinrennst?!" rief er einem braunhaarigen Jungen nach, der sich daraufhin umdrehte und auf Sean zustürmte.

"Wen nennst du hier Idiot?! Pass lieber auf was du sagst! Ich bin heut nämlich nicht sehr gut gelaunt!" brüllte er zurück. Es war Jude, der beliebteste Junge der Schule, mit dem markelosesten Körper und Gesicht und natürlich mit den schlechtesten Noten des Jahrgangs. Er funkelte Mýas Freund mit seinen schwarzen Augen an. Mýas Meinung nach hatte er wieder einmal Stress mit seinem Vater gehabt.

Sean schob Mýa hinter sich, funkelte eben so böse zurück und nahm sie somit vor 'Mr Perfect' in Schutz, der gerade einen letzten Schritt auf sie zumachte und mit der Faust ausholte. Plötzlich stand ein Junge mit hellbraunen, kreuz und quer stehenden Haaren neben Jude und hielt diesen am Handgelenk fest.

"Komm schon... Es lohnt sich nicht, für diesen Typen Ärger zu kassieren", meinte der Fremde mit fester Stimme.

Jude murmelte irgendetwas und löste wütend sein Handgelenk aus dem Griff des anderen.

"Komm mir die nächste Zeit lieber nicht unter die Augen... Das wäre für deine Gesundheit besser", drohte er Sean mit undefinierbarem Blick, drehte sich um und lief Richtung Cafeteria.

Mýa ging in die Hocke und sammelte ihr Geld zusammen. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis. Sie hatte in ihrem Schwarm immer einen liebenswürdigen, freundlichen Jungen gesehen. Zumindest war er zu anderen Mädchen nett. Aber er hat ja Sean angebrüllt und nicht mich, dachte sie irritiert.

"Kann ich dir helfen?" Der fremde Junge hatte sich neben sie gehockt und begonnen, die Münzen einzusammeln. Das registrierte Mýa aber kaum. Sie nickte nur. Die Leute um sie herum setzten ihren Weg fort. Irgendwo hinter sich, glaubte sie Seans und Cassedys aufgebrachte Stimmen zu hören.

Hatte sie sich nur etwas vorgemacht? Hatten ihre Freunde Recht mit dem, was sie über Jude sagten? Komisch, das ausgerechnet jetzt ihre Meinung über diesen Typen auf die Probe gestellt wurde.

"Hey?" versuchte eine ferne Stimme sie wach zurütteln. Ihr Kopf wurde sanft am Kinn angefasst und zur Seite gedreht. Vor ihr erschien das besorgte Gesicht eines Jungen - das des fremden Jungen. Mýa fielen erst jetzt die kleinen Lachfältchen und seine weichen grünen Augen, die sie besorgt musterten, auf, dann seine gerade Nase und der schön geschwungene Mund.

Mýa blinzelte, was musste dieser Junge über sie denken, wenn sie ihn die ganze Zeit anstarrte. Hastig zog sie ihren Kopf zurück und rieb sich mir der Hand die Stirn.

"Du hast blaue Augen? Von weitem sehen sie viel dunkler aus", meinte der Junge und betrachtete ihr Gesicht. Nach einem Moment ließ er von ihr ab, stand auf und half ihr ebenfalls auf die Beine.

"Es geht schon. Danke", erklärte sie, als er fragte ob es ihr gut ginge. Langsam strich sie eine Strähne aus ihrem Gesicht und zählte ihr Geld nach. Sie musste irgendwas machen, bis sie wieder vollkommen klar denken konnte und die Wärme besiegt hatte, die ihr langsam in den Kopf stieg.

"Ich heiße Charon...", setzte der Junge an, um sich vorzustellen. Als er merkte, dass Mýa ihn nicht beachtete legte er den Kopf in den Nacken und wartete, bis das Mädchen auf einmal aufstöhnte und sich suchend umsah.

"... ach, ist auch egal...", meinte sie nach ein paar Sekunden leise.

"Fehlt was?" fragte Charon.

Mýa blickte ihm kurz in die Augen und bejahte schließlich. Der Junge wollte ihr daraufhin das fehlende Geld ersetzten.

"Es ist nicht so schlimm... Die paar Münzen. Außerdem bist du ja nicht Schuld daran, dass mein Geld irgendwo durch die Gegend kullert", lächelte das Mädchen letzten Endes darüber.

"Nicht direkt... Aber ich bin sozusagen der Babysitter für meinen Cousin und hab in dem Moment nicht aufgepasst. Sorry", entschuldigte sich Charon bei ihr.

"Das ist nicht der Weltuntergang", behauptete Mýa. Sie wollte unbedingt den traurigen Blick aus seinen Augen vertreiben, aber warum nur? Schließlich kannte sie ihn doch gar nicht.

Endlich gongte es und das Mädchen wandte sich geschwind ab, um in den Schülermassen untertauchen zu können. Charon hinderte sie erfolgreich daran, indem er sie am Arm festhielt.

"Kann ich wenigstens wissen wie du heißt?" Charon legte seinen Kopf schief und sah sie fragend an.

"Mýa", erwiderte sie rasch, wand sich aus seiner Hand und rannte zu Cassedy, die auf sie wartete.
 

Cassedy stieß ihre Freundin, nachdem der Kunstlehrer ihnen ihre Aufgabe erklärt hatte, mit dem Ellenbogen an. "Wie fandest du den Typen? Ich finde ihn total niedlich... Ich meine, er ist charmant, hilfsbereit und sieht dazu noch süß aus", schwärmte sie.

"Der Typ heißt Charon, wenn's dich interessiert", entgegnete Mýa knapp und kritzelte mit einem Bleistift Umrisse eines Gesichts auf ihr Blatt, die sie aber sofort wieder energisch wegradierte. Auf Cassedys schmunzelnden Blick meinte sie: "Ja, er sieht gut aus. Na und? Er ist nichts für mich, weil er mir zu sehr auf die Pelle rückt."

"Unser Charon mag dich eben", folgerte Cassedy aus ihren Beobachtungen. "Sean hat mir erzählt, dass er verhindert hat, dass Jude ihm eine reinhaut. Warum hat unser Obermacho auf ihn gehört?"

"Er ist sein Cousin." Wie verrückt zog Mýa ihren Radiergummi über das Papier, auf dem bereits kein einziger Bleistiftstich mehr zu sehen war. "Und außerdem ist er nicht unser Charon", fügte sie hinzu.

"Oh entschuldige. Er ist natürlich dein Charon... Wie ich sehe hast du doch ein wenig Interesse...", schmunzelte Cassedy und wendete sich grinsend wieder ihrer Zeichnung zu.

Mýa wollte etwas erwidern, kam aber nicht dazu, denn der Lehrer tauchte neben ihr auf und betrachtete ihr Blatt.

"Miss Witherit, geht es Ihnen nicht gut?" fragte er besorgt. Eigentlich war Mýa eine durchaus talentierte Zeichnerin. Doch nun klappte es bei ihr nicht so recht.

"Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen", beruhigte sie ihren Lehrer und spickte kurz auf Cassedys Blatt. Auf diesem war ein Kopf mit zwei Augen zu sehen. Cassedy begann nun mit der Nase.

"Warum haben Sie dann noch nicht begonnen? Normalerweise fällt Ihnen ein Portrait doch leicht zu zeichnen. Gehen Sie lieber erst einmal an die frische Luft. Sie können sich den Rest der Stunde frei nehmen." Der etwas ältere Herr mit dem weißen Vollbart ließ sich nicht beirren.

Mýa widersprach ihm nicht. Sie kannte ihn und wusste, dass man ihm nicht widersprechen sollte, es würde sowieso nichts nützen. Außerdem fand sie es auch gut, somit konnte sie mal in Ruhe nachdenken. Sie packte ihre Zeichenutensilien zusammen, stand leise auf und verließ, unter den fragenden Blicken der andern, das Klassenzimmer.

Das Mädchen ging schleichend den Gang entlang und durch eine schmale Tür nach draußen in den großen Schulhof, der sich in der Mitte der Schulanlage befand. Er wurde an drei Seiten durch das Schulgebäude eingegrenzt. An der Vierten befand sich ein kleiner See, in dem die Neulinge immer zur Begrüßung "getauft" wurden. Der Hof selbst bestand aus einer großen Wiese und mehreren Bäumen - er war sozusagen ein Park.

Mýa stellte ihren Rucksack auf eine Bank, die rings um einen Baum verlief, setzte sich daneben und lehnte ihren Kopf nach hinten an die Rinde der alten Weide. Sie schloss die Augen, genoss das Gefühl der schwülen Luft, die den Regen ankündigte und döste ein paar Minuten. Plötzlich hörte sie, wie jemand aus der Schule kam und sich auch auf die Bank setzte.

"Na? Ärger gekriegt?" meinte eine Jungenstimme. Mýa vernahm, dass eine andere Person auf sie zukam.

"Könnte man so sagen...", meinte die Person von der Bank.

Mýa kam diese sanfte, tiefe Stimme bekannt vor. Sie tat so, als würde sie schlafen, ließ ihren Kopf zur Seite kippen und blinzelte heimlich, um zu erfahren wer da saß. Es war Charon. Er blickte kurz zu ihr, wohl um sicher sein zu können, dass sie auch wirklich schlief. Neben ihn ließ sich Jude fallen und lenkte ihn somit von Mýa ab.

"Und? Was wollte deine Alte von dir?" wollte Jude wissen. Er öffnete seinen Rucksack und zog zwei Getränkedosen hervor, davon reichte er eine seinem Cousin.

"Das Übliche... Sie hat gefragt, wann ich nach Hause komme... Wie's mit der Schule aussieht... und so weiter." Charon zog langsam an der Lasche der Dose, sodass die entweichende Luft einen langen zischenden Laut von sich gab.

"Sie brauchen also wieder jemanden, der ihnen das Haus sauber macht", grinste Jude und nahm einen Schluck von seinem Getränk.

Charon öffnete den Verschluss nun ganz und tat es dem anderen Jungen gleich. "Warum verstehen meine Eltern nicht, dass ich als Achtzehnjähriger mehr Freiraum will?"

Jude prustete los: "Du hörst dich schon an wie so'n Psychoheini!"

"Und du kennst dich sicherlich mit solchen Typen aus", konterte Charon giftig.

Sein Cousin überging diese Bemerkung, nahm wieder einen großen Schluck und sah ihn anschließend fragend an. "Willst du immer noch hier wohnen? Mein Vater schmeißt dich sicherlich raus, wenn der Monat vorbei ist. Du kennst ihn ja."

"Ich hab schon ne Wohnung in Aussicht", erklärte Charon und blickte wieder zu Mýa, die sich vornahm, ihre Augen von nun an lieber geschlossen zu halten.

Die Jungen schwiegen. Ein Wind kam auf und blies Mýa eine schwarze Haarsträhne ins Gesicht. Sie spürte wie eine Hand sie wieder zurück hinter ihr Ohr strich. Eine Gänsehaut überkam Mýa und sie merkte, wie ihr die Röte langsam ins Gesicht stieg.

"Magst du sie?" hörte sie die belustigte Stimme von Jude fragen.

"Es geht. Sie ist niedlich", gab Charon zur Antwort.

Jude seufzte: "Was ist an der niedlich? Es gibt Mädchen, die sehen besser aus. Wie kannst du nur auf so was stehen."

"Sie ist hübscher als du glaubst", entgegnete Charon.

Es begann zu regnen. Die Jungen leerten schnell ihre Dosen und standen auf, um zurück in die Schule zu gehen. Charon kam noch einmal zurück.

"Mýa?" fragt er.

Diese tat so, als würde sie jetzt erst aufwachen. Sie blickte verschlafen in seine Augen.

"Es regnet. Du solltest lieber rein gehen. Außerdem beginnt gleich die fünfte Stunde."

"Die Fünfte?!" Mýa war wieder hellwach und sah geschockt auf ihre Armbanduhr. Sie hatte die Vierte verpasst, war sie etwa doch kurz eingenickt, als sie sich hingesetzt hatte?

"Na dann hab ich jetzt wohl aus", stellte sie lachend fest und machte Anstalten zu gehen.

Der Regen nahm zu. Charon zog seine Jacke aus und hing sie ihr um die Schultern. "Damit du mir nicht erfrierst. Bring sie morgen einfach wieder mit." Daraufhin rannte er zu der Tür, die in die Schule führte.

Mýa blickte ihm stumm nach und regte sich anschließend auf dem Heimweg darüber auf, dass sie sich nicht bei ihm bedankt hatte. Der Regen hatte nämlich noch mehr zugenommen. Das Mädchen kuschelte sich in die warme Jacke, sog den hervorstechenden Minz-Eukalyptusgeruch von Charon ein und plante für den Abend ein heißes Bad zu nehmen, um wieder auf angenehme Körpertemperatur zu kommen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: abgemeldet
2007-01-14T21:13:06+00:00 14.01.2007 22:13
die geschichte gefällt mir total gut und habs auch gleich zu meinen favos genohmen, als ich die geschichte gelesen hab. ich wollte eigentlich nur fragen, ob die geschichte noch weitergeht oder dies ein offenes ende ist?


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