Die Weberei
Freut mich, dass euch die Geschichte gefällt und ihr mitratet.
Jetzt kommt ein wichtiges Kapitel.
Viel Spass beim Lesen!
5. Die Weberei
Als er neben Fürst Takaeda über den Schlosshof ging, wandte Sesshoumaru leicht den Kopf, versuchte, alle Gerüche und Geräusche zu ordnen. Er wollte hier endlich weg und dazu war es leider notwendig, zuerst einen Mörder zu überführen. So zu überführen, dass dieser menschliche Fürst es glaubte und den dann auch bestrafte. Das erschwerte seine Aufgabe deutlich. Warum nur hatte sein Vater diese Bedingungen gestellt? Sollte es eine Prüfung für ihn sein?
"Nun, Lord Sesshoumaru: dies hier ist das Lagerhaus für die Fäden der Spinnendämonen." Der Schlossherr deutete auf ein Haus, vor dessen Tür zwei Samurai Wache hielten.
Der Dämonenprinz blickte hin. Tatsächlich Wachen. Wie war es Sakura eigentlich gelungen, den Faden für ihn zu besorgen? Gab es da eine Möglichkeit, ungesehen hineinzukommen? Er müsste sie fragen.
"Und hier ist die fertige Seide...Natürlich noch nicht sehr viel, wir haben Euch ja erst vor vier Monaten beliefert."
Mit giftiger Seide, dachte Sesshoumaru, aber er betrachtete nur genau das Lagerhaus. Auch dort waren Wachen, auch da schien es unmöglich hineinzukommen. Aber es gab sicher einen Weg, der Giftmischer hatte es bewiesen. Hier waren es jedoch eindeutig mehr Samurai, als bei dem Lagerhaus mit den Fäden. Ein Mensch müsste schon sehr geschickt sein, um dort hineinzukommen.
Der Fürst bemerkte den intensiven Blick: "Wünscht Ihr Euch die Seide anzusehen?"
"Ja."
Die Wachen blieben regungslos stehen, als der Hausherr und sein Gast näher kamen. Nur einer öffnete die Tür. Sesshoumaru sah einige Ballen der Seide liegen, ungefärbt. Tatsächlich wurden die Stoffe immer erst bei den Adressaten gefärbt und bestickt, je nach Geschmack des Kunden. Er blickte seitwärts, nickte leicht.
Der Fürst beschloss, das als einen gewissen Dank zu sehen und führte seinen Besucher weiter. Fast am Ende des Schlosskomplexes lag die eigentliche Weberei. Auch hier befanden sich zwei Wachen.
Als der Fürst eintrat, verneigten sich höflich die Aufseherinnen. Es war ein riesiger Raum. An gewiss drei Meter breiten Webstühlen saßen immer drei Mädchen im Alter zwischen neun und zwölf Jahren und schoben abwechselnd die für Menschenaugen kaum sichtbaren Fäden der Spinnendämonen hindurch. Viele dieser Fäden wurden für einen Zentimeter der kostbaren Seide verbraucht. Sesshoumaru blickte sich um. Unmöglich war es, dass eines der Kinder etwas vergiftete. Da waren Aufseher, die Tatsache, dass sie zu dritt an einem Stoff arbeiteten. Auch die Aufseherinnen konnten kaum etwas tun. Es waren über zehn und sich vorzustellen, dass diese alle unter einer Decke steckten....
Etwas berührte seinen Ärmel. So sah er hinunter. Ein Mädchen blickte zu ihm auf: "Ihr...Ihr seid ein Dämon?"
"Verzeiht, Lord Sesshoumaru", sagte der Fürst eilig, der keine Lust hatte, eine seiner kostbaren Weberinnen zu verlieren.
Das Mädchen zuckte zusammen. Wenn der ehrenwerte Fürst jemanden so höflich ansprach, war das sicher ein noch höherer Herr. Da war ihre Frage bestimmt unstatthaft. Aber sie hatte doch noch nie so jemanden gesehen, einen Dämon, obwohl sie Fäden von Dämonen zur Kleidung von Dämonen machten. Die Kleidung, die der Herr trug, war gewiss auch aus dieser Seide.
Der Dämonenprinz betrachtete die kleine Weberin: "Ja", sagte er dann einfach und ging weiter.
Fürst Takaeda holte erleichtert Luft, dachte dann aber daran, wie gelassen Lord Sesshoumaru gestern den Mordanschlag hingenommen hatte. Auch diese Sakura schien heil. Trotz der wilden Gerüchte war bislang keiner seiner Diener zu Schaden gekommen. Das einzige Wesen, das der Dämonenprinz getötet hatte, war einer der Diener seines eigenen Vaters gewesen. Und dieser hatte sich deutlich im Ton vergriffen. An den Gereden war also wohl nichts dran. Erleichtert ging er seinem Gast hinterher.
Sesshoumaru blickte sich um. Er hatte einen Arbeitsplatz erreicht, an dem zwei Frauen die gewebten Seiden überprüften, wohl auf Fehler untersuchten. Dann wickelten sie sie auf und trugen sie zu einer Holzplattform. Dort lagen nun vier Ballen, den fünften hoben sie gerade an, um ihn ebenfalls hinüberzuschleppen. Sie zuckten zusammen, als sie plötzlich den hohen Gast neben sich erblickten. Für einen Moment zögerten sie. Es wäre schicklich, vor ihm auf die Knie zu fallen, aber da war der wertvolle Stoff.
Sesshoumaru fasste die Seide und nahm sie ihnen ab, als sei sie nur ein Blatt Papier. Jetzt fielen die Frauen auf die Knie, während er den Ballen zu der Plattform trug. Dabei witterte er sorgfältig. Aber kein bisschen verriet, dass diese Seide schon präpariert worden war. Nein. Hier in der Weberei schien auch alles mit rechten Dingen zuzugehen. Er ahnte nicht, dass bald das Gerücht die Runde machen würde, wie freundlich er sei.
Sakura hatte die Geste ebenfalls sehr nett gefunden. Aber dann fiel ihr auf, dass er an der Seide zu riechen schien. Es war fast so wie mit diesem Faden, den sie ihm hatte besorgen sollen. Was tat er da? Was hatte er vor? Irgendwie schien es ihr, als sei das hier nicht einfach ein Jahrestagsbesuch. So freundlich das auch gewesen war, den beiden Frauen die Seide zu tragen - er hatte etwas anderes bezweckt. Fragen könnte sie allerdings schlecht. Sie hatte die Szene mit dem Boten zuvor nicht vergessen und legte keinen Wert darauf, dass er sie bestrafen würde.
Eine Glocke klingelte und die Weberinnen standen auf.
Der Dämonenprinz drehte sich fragend zu seinem Gastgeber.
"Sie haben Mittagspause", erklärte Fürst Takaeda: "Hungrige Weberinnen arbeiten schlecht."
Sesshoumaru beobachtete, wie alle Weberinnen und Aufseherinnen die Halle verließen. War das die Zeit, die Gelegenheit für den Giftmischer?
Aber da kam schon Yakuma, der Haushofmeister mit zwei Dienern herein, verneigte sich tief: "Oh, mein Fürst...Lord Sesshoumaru...Verzeiht. Ich wusste nicht, dass Ihr hier seid."
"Mach nur deine Arbeit", meinte der Schlossherr und blickte zu seinem Gast: "Yakuma kennzeichnet die Ballen nun und gibt ihnen Nummern. Erst dann werden sie ins Lagerhaus getragen. So wird sichergestellt, dass kein Ballen verloren geht. Das macht er immer mittags und abends."
"Das System scheint perfekt", dachte Sesshoumaru. "Aber ich muss etwas übersehen. Irgendwie muss das Gift zu der Seide gelangt sein. Nun, es ist nicht gesagt, dass auch die diesjährige Seide vergiftet wird. In diesem Fall hätte ich jedoch keine Chance, den Giftmischer zu finden. Ich würde versagen." Und genau das durfte nicht passieren. Was würde sein Vater von ihm denken. Geistesabwesend beobachtete er, wie Yakuma aus seiner Tasche eine Bürste zog, die Ober - und Unterseite der Ballen fast andächtig nachstrich, ehe er mit einer kleinen Feder am oberen Ende eine Nummer aufschrieb. Dann nahm einer der Diener den Ballen, um ihn ins Lagerhaus zu schaffen. Der andere blieb abwartend stehen, wartete auf seinen Ballen. Ehe er ihn bekam, war der erste bereits wieder zurück.
"Verzeiht, Lord Sesshoumaru..." machte Fürst Takaeda vorsichtig: "Wünscht Ihr noch etwas zu sehen?"
Der Dämonenprinz wandte sich ab. "Im Augenblick nicht. Ich werde mich wieder in meine Zimmer begeben."
"Gewiss. Darf ich Euch heute Abend zu einem Gartenfest einladen? Ich habe Feuerwerker hergebeten."
Nicht noch ein Fest, dachte Sesshoumaru. Aber er war zu selbstbeherrscht, um nicht seinen Vater zu zitieren: "Danke, für die Mühe, die Ihr Euch macht, Fürst Takaeda." Jetzt war er schon achtundzwanzig Stunden hier. Und es sah nicht so aus, als ob er bald weg käme. Er musste in Ruhe nachdenken. Er hatte sicher etwas Entscheidendes übersehen. Zumindest, wenn auch die diesjährige Seide vergiftet wurde. Und er betete zu allen Mächten des Himmels und der Hölle, dass dem so sei.
In seinem Zimmer kniete sich Sakura wieder neben der Tür nieder, blickte zu Boden, obwohl sie ihn gern gemustert hätte. Irgendetwas war hier los, das wusste sie, aber ihr war auch klar, dass sie nicht fragen durfte.
"Sakura."
"Lord Sesshoumaru?"
"Sieh mich an."
Sie hob etwas den Kopf. Er stand direkt vor ihr und so betrachtete sie die Schleife, die seinen Gürtel bildete.
"Nein. Sieh mir ins Gesicht."
Diesem Befehl durfte sie nicht zuwiderhandeln und so blickte sie empor, obwohl sie den Kopf in den Nacken legen musste. Er war wirklich groß gewachsen. Sie begegnete einem bernsteinfarbenen, kühlen Blick. Er sah so jung aus, vielleicht so alt wie sie selbst, aber sie hatte gehört, dass er schon weit über hundert Jahre alt war. Wie langsam alterten Dämonen?
"Ich befahl dir, mir einen Faden der Spinnen zu bringen. Woher hattest du ihn?"
"Aus dem Lagerhaus."
"Es ist verboten, dort hinzu gehen. Und es stehen Strafen darauf, wenn eine Dienerin dort hingeht."
"Ja, Lord Sesshoumaru." Was sollte sie sonst sagen? Es stimmte. Aber was wollte er denn jetzt?
"Dennoch bist du in das Lagerhaus gegangen? Da sind Wachen."
"Oh", dachte sie: "Meint er vielleicht, ich hätte ihn betrogen?" Das wäre mit Sicherheit nicht gut für sie. So versuchte sie, seinem Blick standzuhalten, empfand das aber als schwer: "Ja."
"Was ja?"
"Ja, ich habe Euch diesen Faden aus dem Lagerhaus gestohlen. Ja, da waren Wachen und wenn sie mich gesehen hätten, wäre ich ausgepeitscht worden." Im gleichen Moment hielt sie sich die Hände vor den Mund. Wieder einmal war ihr etwas herausgerutscht, das sie besser anders gesagt hätte. Und ihr Tonfall war mit Sicherheit unangebracht gewesen.
Er machte nur eine kleine Bewegung mit der Hand, aber etwas traf sie mit solcher Gewalt, dass sie zwei Meter weiter durch die Luft flog. Der Aufprall war schmerzhaft, aber sie raffte sich hastig zum Knien auf, warf sich vor. Sie hatte schon zu oft solche Situationen erlebt:
"Verzeiht..."
"Ich begreife, warum dieser Yakuma meinte, du würdest bei mir nicht lange leben." Das klang fast nachdenklich. "Sieh mich wieder an." Sie gehorchte, versuchte, ihre Tränen zu unterdrücken. Er trat erneut vor sie:
"Wie bist du in das Lagerhaus gelangt?"
"Auf der Rückseite, da ist ein Brett locker. Jemand, der so schmal wie ich ist, kann dort hindurchschlüpfen."
Sie log nicht, das hätte er gewittert. Sie hatte nicht einmal sonderlich Angst vor ihm. Hatte sie zu oft schon durch solche Bemerkungen sich Ärger eingehandelt?
"Wer außer dir weiß von diesem Brett?"
"Niemand, denke ich. Ich fand es nur einmal durch Zufall, als..."
"Als?"
Sie zögerte, aber als er langsam die Hand hob, verstand sie das durchaus richtig als Drohung und war froh, dass er wegen zuvor nicht mehr wütend war, wie es wohl ein Mensch gewesen wäre. "Ich hatte da Yakuma-san eine unhöfliche Antwort gegeben und er ließ mich für eine Strafe suchen."
"Hat das Lagerhaus für die Seiden auch ein loses Brett?"
"Nicht, dass ich wüsste."
"Untersuche es."
Sie starrte zu ihm auf. Etwas ärgerte sie an der ganzen Sache: "Was soll das? Hinter Euren Fragen steckt doch etwas?!" In jäher Panik begriff sie, was sie da gerade abermals getan hatte, keine zwei Minuten nach der letzten Strafe. Und diesmal würde es sicher mehr wehtun - falls er sie nicht gleich tötete. Sie hatte es geschafft, sich die ganzen Stunden zu beherrschen. Und jetzt das.
"Weißt du, was ich mit vorlauten Dienern tue?" Das klang fast sanft.
Sie mochte es eigentlich auch gar nicht wissen, wagte aber nicht, die Antwort zu verweigern: "Nein, Lord Sesshoumaru." Sie wollte um Gnade bitten, aber ein Dämon kannte sicher keine. So sagte sie es anders: "Ich kann Euch nur bitten, mich nicht über meine Kräfte zu bestrafen."
Der Dämonenprinz musterte sie. Sie war anmaßend, unhöflich gewesen, aber sie war bislang recht nützlich. Und sie war klug genug, um zu erraten, dass er an der Seide und ihrer Herstellung interessiert war. Außerdem gefiel ihm, dass sie nicht weinte, um Gnade flehte, ihn anjammerte, sie zu verschonen. Sie wusste, dass sie Strafe verdient hatte und würde sie akzeptieren. "Geh und sieh dir das Lagerhaus für Seide an. Danach werde ich dich bestrafen." Er wandte sich ab und blickte aus dem Fenster. Er machte es von ihrer Leistung abhängig.
Sakura schluckte ein wenig, stand aber auf. Immerhin hatte sie eine gewisse Frist bekommen. Wenn er sie nicht im ersten Zorn bestrafte, wagte sie zu hoffen, dass er Milde walten ließ. Aber wozu erst der Auftrag? Wollte er sie danach töten? War das ihre letzte Nutzanwendung? Allein, sie konnte nur gehorchen. So ging sie in den Hof. Hoffentlich würde sich niemand wundern, warum sie so um das Lagerhaus herumschlich, aber es war heiß in der Mittagsglut und der Hof vollständig leer. Selbst die Wachen hatten sich in den Schatten der Schlossgebäude zurückgezogen.
"Was tust du hier?"
Sie fuhr herum. Ein Samurai musterte sie. "Lord Sesshoumaru schickte mich her, " sagte sie einfach. "Er habe hier etwas verloren ..."
"Ach ja, du bist ihm ja zugewiesen. - Jetzt hast du aber nichts gefunden. Also, geh. Sonst muss ich dich melden."
"Ja, danke." Sie ging hastig. Immerhin war sie hier um eine Bestrafung herumgekommen. Aber was nun auf sie wartete...Sie wollte es sich nicht einmal vorstellen.
Als sie jedoch niederkniete, den Rücken des Dämonenprinzen betrachtete, konnte sie nicht verhindern, dass Furcht in ihr aufstieg.
"Nun?" fragte er, ohne sich umzudrehen.
"Ich konnte kein loses Brett finden, Lord Sesshoumaru. - Eine der Wachen sprach mich an. Ich sagte, Ihr hättet mich hingeschickt, weil Ihr dort etwas verloren hättet. Das erschien mir ein guter Vorwand zu sein."
Sie dachte mit. Immerhin etwas. Er konnte ihre Angst wittern. Ihr war klar, dass ihre Strafe noch ausstand. Er drehte sich um, hob ein wenig die Hand.
Sakura starrte unwillkürlich die langen Finger an, die so menschenähnlich waren, und doch wieder nicht. Etwas schien leise zu knacken, als er die Hand versteifte. Sie sah nur eine kleine Bewegung, aber erneut traf sie etwas, das sie diesmal gegen die Wand fliegen ließ. Sie rang nach Atem, als sie heftig auf den Rücken prallte. Für einen Augenblick blieb sie regungslos auf dem Boden liegen. Das war härter gewesen als das erste Mal, aber sie wusste nur zu gut, dass er Rücksicht darauf genommen hatte, dass sie ein Mensch war. Mit etwas mehr Nachdruck hätte er sie mühelos töten können, sogar, ohne sie auch nur direkt zu berühren. Sie raffte sich auf, kniete sich wieder hin. Er drehte sich um, sah wieder aus dem Fenster. Mit gewisser Erleichterung schloss sie daraus, dass nichts weiter passieren würde. Aber sie nahm sich vor, ihre Zunge zu hüten. Ein drittes Mal würde es sicher nicht so glimpflich abgehen, auch, wenn ihr Rücken noch immer wehtat. Aber wenn sie bedachte, wie Yakuma-san sie manchmal strafen ließ, war der Dämonenprinz nachsichtig gewesen.
***********************************
Nachsichtig ist ein Wort, dass nicht sehr viele Leute mit dem Dämonenprinzesn verbinden würden.Sakura hatte es noch nie sehr einfach...
Das nächste Kapitel heisst: Die Vermutung.
Und habt ihr welche über das wie?
Kommentare würden mich, wie imemr, sehr freuen.
bye
hotep