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Dunkle Nächte

Wenn das Schicksal zuschlägt...
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
An dieser Stelle möchte ich mich für die lieben Kommentare bedanken! Ich freue mich über jedes und lese sie mir gerne immer einmal wieder durch! :)

Wie euch vielleicht aufgefallen ist, überarbeitet ich gerade auch die alten Kapitel noch einmal und versuche die Fehler heraus zu nehmen oder Situationen feiner zu gestalten oder der Geschichte anzupassen. Da ich aus der Generation der "fliegenden Rechtschreibung" komme, kann es gut angehen, dass meine Wahl teilweise etwas veraltet ist. Aber seit ich das Schreiben gelernt habe, sind sicher vier bis sieben neue Reformen und Überarbeitungen in Kraft gesetzt worden.
Ich empfehle euch das zweite Kapitel noch einmal zu lesen, dass hat eine vollständige Änderung erhalten und ist nun deutlich realistischer gehalten. Die anderen Kapitel sind nur mit kleineren Änderungen versehen, die allerdings keinen großen Einfluss nehmen.
Und ja, offensichtlich ist mir entgangene, dass Seto Kaiba im ersten Kapitel Geburtstag hatte! Daher habe ich das im letzten noch einmal aufgegriffen.

Nun aber viel Spaß beim Lesen dieses hoffentlich etwas kürzeren Kapitel. :) Komplett anzeigen

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Verhaltensweisen

Kapitel 15

Verhaltensweisen
 

Es war seltsam, ganz gleich, wie sehr ich auch auf ihm herum hackte, er ließ sich nicht unterkriegen. Dass er keine Ahnung hatte, wie er nach dem zweiten Teil der Wette fragen sollte, war offensichtlich. Diese Frage stand am Mittwoch Morgen so deutlich in seinen braunen Augen, dass ich mir kaum das Lachen verkneifen konnte. Doch trotz meiner Rüge am Vortag kam er pünktlich um 10:30 Uhr mit einem Teller in mein Büro und blickte mich mit einem unerwartet gnadenlosem Blick an. Er stellte den Teller auf meinen Schreibtisch und sagte dabei doch kein einziges Wort. Ich war mir mittlerweile einer anderen Vermutung sicher. Der unterernährte Zustand des Blonden rührte sehr wahrscheinlich aus finanziellen Sorgen her, er ließ seiner Schwester den Vortritt und hielt sich beim Essen zurück. Einen ausgewachsenen Wheeler durchzufüttern war kostspielig und so wie ich das aus dem Gespräch mit seiner Schwester verstanden hatte, war ihre Haupteinnahmequelle das winzige Ausbildungsgehalt, dass Joey bekam. Vielleicht lag es daran, dass es für mich der beste Weg zur Verteidigung meines Stolzes war, aber ich ging mit ihm einen Deal ein. Ich aß nur, wenn er es auch tat. Die Verwirrung in seinen Augen war herrlich, doch er willigte ohne eine weitere Frage ein. Ich würde ihn so oder so nicht davon abhalten können mir ständig etwas zu essen auf den Tisch zu stellen und ich wusste, dass es für meinen Körper besser war. Dennoch blieb es ein seltsames Gefühl.

Sein unkonventionelles Denken stellte sich als humorvolle Herausforderung dar. Seine Idee, mein Smartphone mit seinem Kalender zu vernetzen, war ohne Frage eine große Hilfe, brachte aber auch Schwierigkeiten mit sich. Ich musste eine einseitig eingeschränkte Zugriffsberechtigung entwerfen, mit der mein Smartphone regelmäßig auf seinen Computer Zugriff hatte, aber dieser nicht auf mein Gerät. Es gab zu viele, kleine Geheimnisse, die ich nicht mit der Welt, nun, mit niemandem teilen wollte. Eine solche Verbindung konnte einem Hacker als Zugang dienen, also musste ich vorsorgen.
 

Auch einige andere Ideen, die er nur kleinlaut vorzutragen wagte, machten einiges leichter. Er hatte unteranderem eine gesonderte Ablage geschaffen, die extra für alle Unterlagen gedacht war, die ich im Vorbeigehen auf seinem Tisch loswurde. So sah er immer gleich, was sich dort ansammelte und meistens größte Wichtigkeit hatte. Die per Hand geschriebenen Beschriftungen waren zu komisch. „Wirklich wichtig“, „Buchhaltung“, „Termine“ und „Jonathan Smith“ wären für mich keine denkbaren Kategorien, nach denen ich sortieren könnte. Aber das musste ich ja nicht, es waren seine Probleme, die er sich damit schaffte und ich hatte etwas, womit ich ihn verhöhnen konnte.

Nach dem Ausgang der Wette traute er sich nicht zu fragen und ich wusste, dass ich ein gutes Photo in der Hinterhand hatte. So konnte ich mich auf all die kleinen, anderen Demütigungen konzentrieren, die ich ihm den lieben langen Tag in den Weg warf. Zu meiner Überraschung zuckt er zwar immer noch bei jedem scharfen Räuspern zusammen, wirkt immer noch panisch bei meinen herablassenden Blicken, aber er bleibt standhaft. Er kommt immer wieder und erfüllt die Aufgaben, die ich ihm gebe, so gut er eben kann. Obwohl ich seine Angst immer wieder sehen kann, lässt er sich nicht davon unterkriegen und stellt sich mir in den Weg. Dass er nicht wie die anderen Sekretäre ist, war mir ja klar aber… ich habe heute Vormittag wirklich schon auf dieses verfluchte „Frühstück“ gewartet! So langsam scheint sich eine Art Hunger einzustellen, als würde ich mich wirklich darüber freuen! Unglaublich, wir haben immerhin erst Freitag, wie kann es da schon zu einer Gewohnheit geworden sein?
 

Und nicht nur das! Ich kenne die unterschiedlichsten Arten von Menschen, doch so etwas ist mir bisher noch nie untergekommen. Es gibt die Menschen, die vor dir im Staub kriechen und die, die im Staub kriechen und hoffen, dir irgendwann einen Dolch in den Rücken zu stoßen! Wie lächerlich! Es gibt die Menschen, die glauben, dass sie etwas Besseres wären und dir heimlich den Dolch in den Rücken stoßen wollen oder die, die lieber offensichtlich die Kehle ihres Gegners durchschneiden. Dann gibt es noch die unverbesserlichen Guten, die einfach nur gut sind. Yugi ist die Perfektion dieser Sorte Mensch. Aber zu keiner von ihnen gehört dieser Köter. Er ist anders, gänzlich anders! Er landet immer wieder auf dem Boden, er kriecht immer wieder im Staub und steht doch wieder auf. Es scheint ihm gleich zu sein, wie viel Angst er hat, immer und immer wieder stellt er sich mir in den Weg und… und er scheint dabei nett sein zu wollen! Warum sonst sollte er sich Gedanken über mein Essen machen? Ich kenne nur eine Art, die ein solches Verhalten an den Tag legt. Nur eine Rasse kann man prügeln und sie lieben einen immer noch abgöttisch: Hunde!

Ja, vielleicht passt das am Besten! Er ist wie ein Hund, ein kleiner, schwanzwedelnder Hund, der alle mit seinen honigbraunen Augen um den Finger wickelt. Heute Vormittag wurde doch wirklich gelacht! Ich dachte schon, dass ich träume, als ich eine Frau vor meinem Büro lachen hörte. Aber nein, das war mein Büro, da saß wirklich dieser blonde Köter an seinem Platz und eine junge, schwarzhaarige Frau stand kichernd vor dem Schreibtisch. Ich musste blinzeln, rieb mir die Augen, aber sie war wirklich da! Ich wusste nicht einmal, dass sie bei mir arbeitet. Doch der Höhepunkt war die Aussage dieses Mannes. Da meint er doch ernsthaft, dass es nur eine umweltschonende, Effizienz basierte Arbeitsteilung zur Zeitersparnis wäre. Die junge Dame käme aus der Buchhaltung und hätte ihm etwas gebracht.
 

Aber sie ist nicht die einzige. Da tauchen immer mehr Menschen auf, die ich noch nie zuvor gesehen habe! Dieser Köter ist wie ein Magnet, der sie alle anzieht! Anscheinend habe ich jetzt einen extra Bringdienst aus der Kantine, denn einer der Küchenjungen flirtet so offensichtlich mit ihm, dass nicht mal Taubblinde das übersehen können.

Wirklich überrascht hat mich allerdings noch etwas anderes. Ich dachte ja, dass ihn die Nachricht mit Dubai komplett aus der Bahn werfen würde, aber offensichtlich tut es das nicht. Da stand er doch heute wirklich im Personalbereich, kochte meinen Kaffee und war in ein Buch vertieft. Ein Englischbuch! Ein Schulbuch! Der Kerl hatte nicht einmal in der Schule gelernt, kam kaum einmal pünktlich und nun murmelte er mit der Nase im Buch versunken englische Sätze? War das wirklich der Kerl, den ich vor einer Woche auf der Straße aufgelesen hatte?
 

Noch immer war er in Gedanken versunken, als Seto bemerkte, dass sein Kaffee leer war. Mit einem Seufzen drehte er sich mit samt Stuhl wieder zu seinem Schreibtisch herum und stellte den Becher ab. Wheeler, das Mysterium! Mit diesem abscheulichen Gedanken griff der Brünette nach seinem Telefon und öffnete den Kalender. Es war zu einer Angewohnheit geworden, die ihm schon gar nicht mehr auffiel. Er musste den Kalender noch ein wenig anpassen, aber sonst gefiel ihm diese Funktion unglaublich gut. Für den heutigen Abend war nur noch ein telefonischer Termin eingetragen. Er hatte noch eine gute halbe Stunde, bis dieser anlag und dann konnte er an sich auch nach Hause. Draußen war es schon dunkel und die Kälte hatte einen leichten Raureif über die Straßen gelegt. Mit dem Finger strich er über den Bildschirm und blätterte den nächsten Tag auf. Samstag. Verwundert verengten sich die eisblauen Augen und starrten auf den komplett gefüllten Tag. Von Mitternacht bis Mitternacht waren Termine eingetragen. Aber was für Termine!

In einem sanften Hellblau hinterlegt stand bis 10 Uhr „Ausschlafen“ im Kalender und wurde von einem leichten Orange bis 11 Uhr „Frühstücken“ abgelöst. Daraufhin folgte der Termin „Lesen“ mit dem Kommentar „Dracula - Bram Stoker“ als Empfehlung und wurde dann ab 13 Uhr von „Mittagessen“ abgelöst. Es folgte eine „Mittagspause, in der „Weiterlesen“, „Schlafen“ „Spazieren gehen“ im Kommentar vermerkt waren und mit einem „Gemeinschaftsspiele“ Vermerk von 15 Uhr bis 18 Uhr endete. Dazu gab es die Empfehlung lieber Spiele wie Kniffel oder Uno zu nehmen, bei denen die drei sich nicht so streiten konnten. Das Abendessen und eine Filmempfehlung ab 20:15 Uhr ließen den Abend ausklingen.
 

Gänzlich irritiert und völlig perplex strich er noch einmal über den Bildschirm, um nach dem Sonntag zu sehen. Er war ähnlich aufgebaut, nur dass nach dem Mittagessen ein Zoobesuch bis zum Abend eingetragen war.

Wie lange er dort saß und auf den kleinen Bildschirm in seiner Hand starrte, konnte er nicht sagen. Was, bei allen verfluchten Göttern hatte sich dieser Vollidiot da ausgedacht? Langsam schob Seto den Stuhl zurück, schloss kurz die Augen und atmete tief ein und aus. Gut, jetzt war es das! Wenn der Kerl keine gute, wirklich gute Erklärung dafür hatte, dann durfte er ab jetzt im Keller die Fließen mit einer Zahnbürste putzen! Bis letzte Woche hatte er noch ein geschäftliches Treffen Morgen von 14 bis 18 Uhr! Zwischen aufgebrachter Wut und völligem Entsetzen durchschritt er sein Büro, griff nach der Tür und die kräftigen Lungen füllten sich mit Luft. „Wheeler!“ Brüllte er ohne zu zögern durch das gesamte Büro und starrte totbringend auf den Mann, der dort erschrocken zusammen gezuckt war. Als sich die honigbraunen Augen zu ihm wendeten, war da wieder dieser Ausdruck von Angst und doch auch von Starrsinn. Mit allem verbliebenen Selbstvertrauen setzte sich Joey an seinem Schreibtisch wieder auf, legte den Stift aus der Hand und versuchte zu lächeln. „Um… um was geht es denn, Mr. Kaiba?“ Fragte er und die Mundwinkel zitterten ebenso wie seine Hände.

Nur schwer unterdrückte er den Drang nach dem Blondschopf zu greifen und ihn quer über den Tisch zu ziehen. „Es geht um die Termine am Wochenende!“ Zischte er mit eisiger Stimme, trat langsam näher und der junge Mann sah deutlich, wie alle Muskeln unter dem dunkelblauen Pullover angespannt waren. Die Hände hatte der Brünette zu Fäusten geballt und ein leichtes, von Zorn geschürtes Zittern hatte den sehnigen Körper ergriffen.
 

„Oh, gut dass sie mich daran erinnern. Ich wollte ihnen da noch etwas… etwas geben.“ Seine Stimme besaß nicht die Fülle, die sie sonst hatte. Die panische Angst zeichnete sie und doch schlossen sich seine Finger sicher um den Griff einer Schublade. Er zog sie so weit aus dem Schreibtisch bis er ein kleines Paket daraus hervor holen konnte. „Ich war mir nicht sicher, ob... ob sie es haben. Daher habe ich es schon einmal besorgt. Es… es soll in Englisch deutlich besser zu lesen sein.“ Die braunen Augen sahen zu Seto auf, als er ihm das kleine Päckchen entgegen reichte. Das, was der Brünette in diesem Blick erkennen konnte, verstand er nicht. Es schien eine seltsame Art von Stolz zu sein und gleichzeitig etwas Wissendes. Wütend zog er das Päckchen aus Joeys Händen und öffnete es. Unter dem hellbraunen Papier kam ein schicker, schwarzer Einband zum Vorschein, auf dem mit goldenen Buchstaben Dracula stand. „Der… der Termin Morgen ist mit Absprache der anderen Teilnehmer auf nächsten Freitag verlegt worden. Anscheinend gab es ein paar falsche Kalkulationen, die noch einmal nachbearbeitet werden müssen und… und darum passte es deutlich besser den… den Termin Morgen umzulegen!“ Er bemerkte selbst, wie er immer schneller gesprochen hatte und schnell zog er noch eine durchsichtige Mappe aus der Schublade. Er reichte sie mit zitternden Händen dem nun völlig verständnislos drein blickenden Mann. „Mokuba will schon seit zwei Jahren in den Tierpark Ueno in Tokyo. Ich habe auch alle… alle Verbindungen mit dem Shinkansen herausgesucht und ausgedruckt, alle Preise aufgeschrieben und alles andere notwendige!“ Er hielt kurz inne und spürte, wie sein Herz langsam schmerzte, weil es so stark und hart in seiner Brust schlug. „Ich weiß, dass du mich für einen Vollidioten hältst und mir dafür den Kopf abreißen möchtest! Aber du kommst jeden Morgen um 7 Uhr hier her und gehst erst spät abends wieder. Selbst am Wochenende arbeitest du, kontrollierst und telefonierst du! Irgendwann brauchst auch du einmal Pause und wenn man dich dazu nicht zwingt, dann machst du das nie!“ Er senkte die Stimme und den Blick. „Ich weiß, wie sehr du an deinem Bruder hängst und ihr zwei zankt euch nur, seht euch kaum noch. Mokuba will immer noch gerne mit dir da hin, auch wenn er es dir niemals sagen würde. Geh einfach mit ihm hin, verbring einfach wieder einmal Zeit mit ihm.“
 

In der linken Hand hielt er das Buch und in der rechten die durchsichtige Mappe, in der ganz oben ein Flyer des Zoos lag. Joey saß da wie ein geprügelter Hund, er hatte alles gegeben, seinen gesamten Mut zusammen gekratzt, gesagt, was er sagen konnte und nun wartete er auf sein Todesurteil. Etwas in ihm wollte am liebsten ausholen und dem Kerl eine scheuern! Was fiel diesem elenden Köter eigentlich ein? Was dachte sich dieser dumme Kerl? Dachte er überhaupt? Seto legte das Buch auf den Tisch und die Mappe darüber und nur einen Herzschlag später vergruben sich seine Finger im Stoff des weißen Hemdes. Er zog Joey in die Höhe und knurrte dabei grausam. „Sieh mich gefälligst an!“ Zischte er und die honigbraunen Augen waren vor Angst geweitet, während der Stuhl nach hinten überfiel. Wie schon am Mittwoch war Yuriko gegangen und sie waren allein. „Du glaubst allen Ernstes, dass du dich einfach so in mein Leben einmischen kannst?“ Doch der junge Mann biss sich nur auf die Unterlippe, sein ganzer Körper war angespannt, doch weiter tat er nichts. Noch immer hingen die Arme an seinen Seiten herab, regelrecht stoisch sah er den Firmenführer an, obwohl die Angst tief in ihm steckte. „Du bist nichts weiter als…“

Doch da fiel ihm Joey ins Wort. „Kennst du es?“ Fragte er gehetzt und mit zitternder Stimme. Das war eine Frage, die völlig unerwartet kam. „Kennst du das Buch schon?“ Der Brünette musste blinzeln, denn so etwas hatte er nicht erwartet. Diese Frage war so irreal, dass er sie nicht glauben wollte. „Was hast du gesagt?“ Fragte er völlig perplex nach und lockerte den Griff seiner Finger. War das ein schlechter Scherz? Wieder hörte er die gleichen Worte, wieder fragte der junge Mann nach dem Buch und reflexartig drehte er den Kopf zum Schreibtisch zurück.
 

„Nein,… nein, ich habe es bisher noch nicht gelesen. Ich habe keine Zeit zum Lesen!“ Noch immer war diese Situation so irreal für ihn, dass er gar nicht anders konnte, als diese Frage zu beantworten. „Aber Morgen hast du Zeit!“ Diese Aussage klang so logisch und doch so widersinnig, dass Seto den Jüngeren gänzlich los ließ. „Selbst, wenn du mich prügelst, ändert das nichts daran, dass du Morgen und Sonntag Zeit hast. Zeit, die du mit deiner Familie verbringen kannst oder… oder etwas tun, dass dir Spaß macht. Mokuba hat mir erzählt, dass du früher viel gelesen hast, aber…“ Gut, seinen Stiefvater sollte er nicht ansprechen. „Aber eben immer nur Sachbücher. Also, ich… ich will dir nicht zu nahe treten, aber… aber wann hast du das letzte Mal etwas getan, dass dir wirklich Spaß gemacht hat? Außer auf mir herum zu hacken!“ Setzet er schnell nach. „Eine Art Hobby!“ Vorsichtig blickte er wieder auf und sah in das noch immer verwirrte Gesicht des Mannes.

„Warum tust du das?“ Fragte er mit einem Mal und verschränkte die Arme vor der Brust. Alles an ihm hatte sich verändert, es war ein forschender Blick, der den Blonden durchdrang. „Was hast du davon, Wheeler?“ Diese Frage ließ nun Joey tief Luft holen und er schien genau zu wissen, was er antworten wollte. Anscheinend hatte er erwartet, dass diese Frage früher oder später käme. „Ich… ich will Mokuba als Freund helfen und… und ich bin dein Sekretär! Es ist meine Aufgabe als dein persönlicher Sekretär für dein Wohl zu sorgen, dir Arbeit abzunehmen und dir jede Hilfe zur Seite zu stellen, die du brauchst.“ Nervös rieb er die Handinnenflächen gegeneinander. „Ich bin nicht gut im Termine legen oder in Fragen zur Buchhaltung, aber ich sehe „andere Schwierigkeiten“.“ Meinte er und senkte den Blick wieder, starrte auf seine Finger, die er noch immer gegeneinander rieb.
 

„Du solltest gehen, Wheeler! Geh, bevor ich mich vergesse!“ Knurrte Seto nur und dann drehte er sich um. Mit einem gewaltigen Knallen schlug er die Tür hinter sich zu und ließ den Blonden allein zurück. Keine 10 Minuten später hatte Joey all seine Sachen gepackt, einen kleinen Zettel geschrieben und ihn ordentlich auf dem Buch platziert. Seine Tasche hielt er schon in der Hand, als er es sich anders überlegte. Die Jacke landete wieder auf dem Stuhl und seine Tasche gleich hinter her. Mit schnellen Schritten eilte er in die kleine Bistroküche und stellte das Wasser an. Er lebte noch! Ja, er lebte nach all dem Scheiß noch! Er hatte sich geschworen, diesen Job zu überleben! Er konnte ihn nicht so machen, wie es all die anderen Sekretäre machten! Er konnte ihn nur auf seine Art erledigen! Innerlich aufgewühlt zog er einen Becher aus dem Schrank und die Dose schwarzen Tees. 15 Minuten später griff er nach dem Buch und der Mappe, klemmte sie unter seinen Arm und schritt auf die große Tür zu. Kurz klopfte er an und dann trat er ein. Sein Blick war fest, seine Mine eisern, als er in das nun wirklich erstaunte Gesicht des Firmenführers blickte. Vorsichtig stellte Joey den Becher Tee ab und legte ihm das Buch und die Mappe auf den Schreibtisch. „Ich wünsche noch einen angenehmen Abend und ein erholsames Wochenende, Mr. Kaiba!“ Damit deutete er eine Verbeugung an und drehte sich um. Ohne noch etwas zu sagen, ohne zu warten, verschwand er aus dem Zimmer, griff nach seinen Sachen und eilte aus dem Büro.
 

Das war mehr, als er glauben konnte. Die „Unterhaltung“ eben hatte ihn ja schon beinahe gänzlich aus jedem Konzept geworfen, aber dass der Kerl dann noch einmal hier auftauchte und ihm das Buch und die Mappe zurück brachte, erschien ihm wie ein irrer Traum. Völlig überfordert stand er auf, umrundete den Schreibtisch und ging hinüber zur Tür. Doch im Vorraum seines Büros war niemand mehr. Es war leer. Abgedunkelt und alles ordentlich verlassen. Da war kein Joey Wheeler mehr und als er sich schweigend zurück drehte, seinen Blick auf den Schreibtisch fallen ließ, lag dieses Buch noch immer da. Nein, das hatte er also nicht geträumt. Der Kerl war wirklich hier gewesen!

Erst das Klingeln seines Telefons riss ihn aus dieser Starre und er zuckte erschrocken zusammen. Schnell beeilte er sich um hinüber zu diesem zu kommen. Wie konnte er seinen Termin nur vergessen? Gefasst und ruhig nahm er das Gespräch entgegen, es dauerte eine gute Stunde und als er es beendete, zeigte sein Computer 19:47 Uhr in der unteren Leiste an. Damit waren alle Termine für heute erledigt und Wheeler wieder viel zu lange geblieben. Er kam vor ihm und ging erst gegen 19 Uhr. Das hätte er nicht erwartet, aber das zog sich schon die ganzen letzten Tage so durch.

Nun saß der ach so großartige Seto Kaiba in seinem großen Stuhl und starrte auf das kleine, schwarze Buch, dass da noch weiterhin ungerührt lag. Noch immer konnte er nicht glauben, was da geschehen war. Joey hatte sich nach dieser Abfuhr wieder in sein Büro getraut und dann hatte wirklich er…er, Seto Kaiba, kein einziges Wort zu Stande bekommen. Selbst jetzt befand er sich noch in diesem Zustand der Trance, der ihn auf seltsame Weise gefangen hielt, ihn wie in Watte gepackt hilflos im Nichts treiben ließ.

Von all den Empfindungen so vernebelt, griff er nach dem schwarzen Einband und wendete ihn in seinen Händen. Er fühlte sich angenehm weich an, das Leder schien älter zu sein. Die goldenen Buchstarben hatten an wenigen Ecken ihren Schimmer verloren, dieser war abgeblätterte. Bram Stocker … war das nicht der berühmte, englische Autor, der diesen Vampirroman geschrieben hatte? Warum dachte dieser Köter eigentlich, dass ausgerechnet er einen Vampirroman lesen würde?

Nachdenklich schlug er das Buch auf und blickte auf die erste Seite, die er ungelesen umblätterte. Dann begann es...
 

CHAPTER 1
 

Jonathan Harker's Journal
 

3 May. Bistritz.--Left Munich at 8:35 P.M., on 1st May, arriving at Vienna early next morning; should have arrived at 6:46, but train was an hour late. Budapesth seems a wonderful place, from the glimpse which I got of it from the train and the little I could walk through the streets. I feared to go very far from the station, as we had arrived late and would start as near the correct time as possible.
 

The impression I had was that we were leaving the West and entering the East; the most western of splendid bridges over the Danube, which is here of noble width and depth, took us among the traditions of Turkish rule.
 


 


 

Erst das Klingeln seines Handys holte ihn zurück in das jetzige Jahr und er starrte überfordert auf das schwarze Gerät. Klingeln… Handy… der Name Mokuba… Bruchstücke setzten sich zu einem Ganzen zusammen und er griff nach dem Störenfried. „Was gibt es denn?“ Fragte er direkt und Mokuba stockte kurz am anderen Ende. Die Stimme des Brünetten hatte einen so warmen, sanften Ton, der so gar nicht zu der groben Frage passte. „Also,… wie du sicher erraten kannst, werde ich heute nicht Zuhause sein. Allerdings wollte ich fragen, ob wir… na ja… vielleicht Morgen zusammen frühstücken. Etwas später dann am Morgen…“ Nun war sein Bruder verwirrt und starrte vor sich auf das Buch, dass er noch in der linken Hand hielt, fast zugeschlagen, den Zeigefinger zwischen den Seiten. Hatte Joey mit Mokuba gesprochen, dass der so perfekt anrief? „Ich weiß ja, dass unser letztes Frühstück nicht so gut ausgegangen ist, aber… aber das Essen am Mittwoch… hat mir auch sehr gefallen.“ Nuschelte er schon halb in das Mikrofon und Seto brauchte einen Moment, um alles zu verarbeiten. „Ok… ja, also, ich habe Morgen nichts vor.“ Kam leicht stotternd von ihm und er konnte das erleichterte Grinsen seines kleinen Bruders hören. „Klasse, so gegen 10:30 Uhr so in dem Dreh?“ Fragte Mokuba noch einmal und als er diese Uhrzeit bestätigt bekam, verabschiedete sich der Jüngere freudig.
 

Noch immer überrumpelt legte Seto das Handy zur Seite und blickte auf die Uhr. Nach neun hatten sie es jetzt und er sollte auch langsam nach Hause gehen. Mit einem Blinzeln versuchte er diese verwirrende Trance los zu werden, doch vergeblich. Dann kniff er die Augen fest zusammen, schüttelte den Kopf und erhielt nur einen unangenehmen Schwindel als Ergebnis. Was bei allen verfluchten Göttern war mit ihm los? Warum war ihm so verdammt… anders? Er konnte es nicht genauer beschreiben, dieses Gefühl der Verlorenheit, des ziellosen Treibens, als wäre ein Teil seines Verstandes noch immer bei Jonathan Harker, der nun endlich im Schloss Dracula angekommen war und dem die ersten Unstimmigkeiten aufgefallen waren. Mit einem Ruck stand er auf, schlug das Buch gänzlich zu und beschloss für sich ganz auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren. Schnell verstaute er alles Wichtige in seinem Koffer, warf auch das Buch und die Mappe dazu und fuhr seinen Computer herunter.

Was hatte dieser Köter an sich, dass er ihn immer so aus der Bahn warf? Warum kam dieser Kerl immer wieder auf die Füße, egal, wie schmerzhaft er ihn zu Boden warf? Immer wieder drängte dieser Wheeler ihn in Situationen, in denen er nicht nur völlig überrumpelt, sondern regelrecht hilflos war. Eine solche Überforderung kannte der Brünette nicht, verstand sie nicht und konnte sie in keiner Weise begreifen. Wie konnte ein Mensch, nein, ein solcher Köter ihn, ihn, Seto Kaiba dermaßen überfordern?
 

Mit einem sanften Ton gab der Rechner von sich, dass er nun alle Aktivitäten eingestellt hatte und Seto schloss seinen metallenen Koffer. Was musste er noch machen, um diesen Kerl zu bremsen? Was musste er tun, damit dieser Köter nicht wieder aufstand und endlich im Staub vor ihm kroch! Es waren erst fünf Tage vergangen, fünf verfluchte Tage!

Ein Magenknurren unterbrach seine Gedanken und seufzend griff er nach dem Koffer, um das Büro zu verlassen. Anscheinend stellte Wheeler sein Leben komplett auf den Kopf. Jetzt war nur die Frage, was am geschicktesten wäre. Sollte er ihn auflaufen lassen? Konnte er das? Mit einer Handbewegung legte er den Lichtschalter um, schloss die Tür hinter sich und dann selbige ab. Vielleicht war Dubai dafür die richtige Gelegenheit. Immerhin waren Joeys Englischkenntnisse immer noch schrecklich und die würde er auch nicht bis dahin aufholen können.

Zufrieden mit diesem Gedanken, rief er Zuhause kurz an und teilte mit, dass er in einer halben Stunde dort wäre und etwas essen würde. Erst als er sein Handy verstaut hatte und in den Fahrstuhl eintrat, bemerkte er sein Handeln. Seit wann kündigte er sein Kommen an? Normalerweise tauchte er einfach nur auf und beschwerte sich dann, dass nichts vorbereitet war. Bei allen verfluchten Göttern, er musste unbedingt auf sein Verhalten aufpassen. Das konnte doch nicht angehen! Jetzt wurde er nett?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Lunata79
2015-03-21T16:50:42+00:00 21.03.2015 17:50
Zum Totlachen. Ein netter Kaiba. Das hätte gerade noch gefehlt. *Tränen wegwisch*
Da sieht man mal, welch GUTEN Einfluss Joey auf den 'guten' Kaiba hat. *kicher*
Hab irgendwie das Gefühl, dass Joey Kaiba erzieht und nicht so, wie es Kaiba eigentlich bei Joey vorgehabt hat. *lachkrampf hab*
Huuuu! *tief Luft hol und allmählich wieder beruhig*
Das scheint ja noch lustiger zu werden. Freu mich schon aufs nächste Kapitel.

Lg
Lunata79

Von:  Onlyknow3
2015-03-20T21:09:04+00:00 20.03.2015 22:09
Pass nur auf Seto das Joey dich nicht auflaufen lässt in Dubai, der ist für seine Überraschungen bekannt.
Trotzdem tut mir Seto etwas leid hier, da er nicht mit allem rechnet was Joey so macht, das macht den Blonden so einzigartig. Mach weiter so, freue mich auf das nächste Kapitel.

LG
Onlyknow3


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