Erstes Treffen
Erstes Treffen
Gelangweilt saß ich auf einer der vielen Bänke, die innerhalb des Flughafengebäudes standen. Es herrschte reger Betrieb und eigentlich hatte ich überhaupt keine Lust darauf, Roberts Freund für eine Woche bei mir unterkommen zu lassen. Aber wieso sollte ich Robert nicht auch mal einen Gefallen tun?
Ich seufzte. Immerhin saß ich hier schon seit fast zwei Stunden! Nur weil das Flugzeug Verspätung hatte. In der Zwischenzeit hätte ich so viel tun können. Aber alldem nachzuweinen brachte ja am Ende sowieso nichts.
Langsam lehnte ich mich zurück. Am Ende würde ich noch einschlafen, wenn dieser Typ nicht bald kam. Ich hatte keine Ahnung, wie er überhaupt aussehen sollte. Robert hatte gesagt, dass sein Freund mich schon erkennen würde. Hoffentlich war das auch wirklich der Fall.
Gähnend betrachtete ich die Leute, die im Saal herumliefen. Einige hatten es eilig, andere schienen massenhaft Zeit zu haben. Ich hörte ein paar Mädchen kichern und wandte mich in die Richtung, aus der ich das Kichern wahrgenommen hatte: eine Horde Mädchen war um einen blondhaarigen Jungen versammelt.
Ich schnaubte. Tatsächlich hatte ich selbst noch nie eine Freundin gehabt, dabei hätte ich schon gerne einmal gewusst, wie es war, eine zu haben. Aber ich befürchtete immer, dass es in einer Beziehung dann nicht um die Liebe, sondern um das liebe Geld ginge. Wer könnte so schon glücklich werden?
Aber deswegen hasste ich wohl auch diese verdammten Machos und ihre ewigen Angebereien. Es war eines der wenigen Dinge, die mich nervten, dabei war ich eigentlich sonst so gut wie immer gut gelaunt und zu allem aufgeschlossen. Na ja, fast allem. Die lange Wartezeit hatte ganz schön meine Nerven strapaziert. Ich drehte meinen Kopf wieder und blickte auf die Wandtafel.
Erschüttert sprang ich auf. Der Kerl müsste eigentlich schon vor vierzig Minuten angekommen sein! Der ließ sich aber Zeit. Gottverdammt! Für wen hielt der sich?! Ich versuchte mich zu beruhigen. Er würde sich vielleicht verlaufen haben oder an ihm vorbei gegangen sein. Das konnte sein. Oder es dauerte an öffentlichen Flughäfen immer so lange. Es war in der Tat das erste Mal, dass ich mich auf einem öffentlichen Flughafen befand. Normalerweise flog ich mit meinem privaten Jet, da das weitaus schneller ging und außerdem- nun ja, auch egal. Ich sollte mich lieber nicht so sehr in meine Wut hinein steigern, sonst würde ich vielleicht unfreundlich, oder sogar unfair meinem Gast gegenüber werden.
Ein paar Mädchen liefen an mir vorbei. Anscheinend hatten sie sich von dem Jungen verabschiedet, weil dieser woanders hin musste. Ich schloss die Augen. Mir war einfach nur langweilig. Auf einmal hatte ich das Gefühl, beobachtet zu werden. Es war mir verdammt unangenehm. Ich öffnete gereizt meine Augen um einen Spalt breit und musterte meine Umgebung genauestens. Und da sah ich ihn zum ersten Mal wirklich: Den Jungen, den ich vorhin bei den ganzen Mädchen gesehen hatte. Er blickte zu mir herüber und grinste. Dann fing er an, auf mich zu zukommen. Mir klappte der Mund auf. Sollte dieser strohblonde Macho etwa Roberts Freund sein? Robert hätte mich ruhig vorwarnen können. Wo er doch wusste, wie sehr ich solche Kerle verabscheute. Na ja, an Roberts Geschmack, was seine Freunde-Wahl betraf, hatte ich schon immer gezweifelt.
Verzweifelt kniff ich die Augen zusammen. Bitte nicht! Bitte, bitte nicht! Ganz vorsichtig öffnete ich ein Auge. Der Junge hielt vor mir an und streckte mir die Hand entgegen. "Du musst Oliver sein... Ich bin Enrico!" Ungläubig musterte ich ihn, ehe ich seine Hand entgegen nahm und sie mit einem inneren Seufzen schüttelte.
Na toll. Blieb mir denn nichts erspart? Robert wusste doch, wie ich zu solchen Typen stand! Nach der Rückkehr in mein Haus sollte ich ihn dringend einmal anrufen. Aber das änderte auch nichts daran, dass ich jetzt diesen Kerl am Hals hatte. Für die gesamte nächste Woche! Verflucht. Wieso immer ich?
"Ähm... Hallo, Enrico", sagte ich und versuchte mich zu einem Lächeln durchzuringen, "Du... du bist also Roberts Freund, nicht wahr?" Enrico strahlte mich an, als hätte er eben seinen größten Wunsch erfüllt bekommen und nickte.
Verdammt, hoffentlich würde der Kerl mich nicht ständig für irgendwelche Ausflüge brauchen. Hoffentlich war er nicht den ganzen Tag in meiner Villa. Hoffentlich würde der Kerl sich irgendwo in Paris verlaufen und nicht wieder zurückfinden!
Und dann war noch diese Frage, die mir nicht aus dem Kopf ging... Schaute er immer so blöd oder konnte er auch intelligent gucken? Ich war mir sicher, dass ich dieses Gesicht sicher nicht die nächsten sieben Tage aushalten würde.
Leise seufzend deutete ich zum Ausgang. "Gustav wartet an der Limousine auf uns. Ich hoffe du hast nicht zu viel Gepäck?!" Ich blickte mich nach Enricos vermeintlichem Gepäck um, konnte es jedoch nirgends entdecken. Er hatte anscheinend nur den kleinen Koffer, den er in der Hand hielt, dabei.
Stimmt. Er war ja auch nur eine Woche zu Besuch.
Zum Glück.
~*~