Schwarze Seelen
So, ein neues Kapitel ist fertig und es ging für meine Verhältnisse sogar erstaunlich schnell (ich war selbst überrascht). Nachdem ich den Text+Inhalt zudem teilweise hochoffiziell habe absegnen lassen (danke Hotep für deine Hilfe!), dürft ihr euch jetzt darüber hermachen. Für alle Sesshomaru-Fans habe ich die freudige Nachricht: ja, er tritt ab hier wieder auf und spielt künftig auch wieder mehr in meiner Story mit (allerdings warne ich euch, dass manche Auftritte von ihm euch vielleicht hin und wieder etwas schocken werden).
Ab ins 26. Kapitel: Trotz aller Widerstände, Gefahren und drohender Vorahnungen sind Inu Taisho und Izayoi wieder zusammen. Während das ungewöhnliche Liebespaar wenige, heimliche Stunden des gemeinsamen Glücks genießt, stoßen Inu Taishos Freunde im Schloss und seine Verbündeten auf unerwartete Schwierigkeiten...
Enjoy reading!
Es war kalt und finster, als Sesshomaru zu sich kam. Der eisige Nachtwind stach wie abertausend Messer in seinen gepeinigten Leib. Ein hohles Ächzen entrann seiner ausgetrockneten, schmerzenden Kehle, als er mühsam Luft holte. Jeder Atemzug war die reinste Qual. Sesshomaru keuchte und verfluchte die Tatsache, dass sein starker, dämonischer Körper immer noch Kraft zur Regeneration besaß. Denn sein Geist hatte diese Kraft nicht mehr.
Ich will sterben... ich kann nicht mehr, keinen Augenblick mehr... Ich will endlich sterben...
Starr blickte er auf den steinigen, finsteren Boden der in trübe Schwärze getauchten Schlucht und war dankbar, dass er wegen der Dunkelheit nicht in sein eigenes Blut sehen musste. Auch der Anblick dessen, was sonst von ihm selbst übrig war, blieb ihm dadurch erspart. Glücklicherweise spürte er zudem von einem großen Teil seines Körpers fast gar nichts mehr. Vielleicht waren seine Selbstheilungskräfte mittlerweile doch endlich erschöpft.
Angestrengt wandte Sesshomaru seinen Blick nach oben.
Er war allein, Bundori war verschwunden. Allerdings sicher nicht für lange, der Drache hatte nur für eine kurze Weile von seinem bewusstlos gewordenen Opfer abgelassen, bis Sesshomaru sich soweit erholt hatte, dass er für eine erneute Folterphase bereit war.
Über dem gefangenen, gefesselten Hundedämonen strahlten die Sterne. Am oberen Schluchtrand verschwand gerade die Spitze einer schmalen, bleichen Mondsichel hinter den schroffen Felswänden. Es musste die letzte Nacht vor Neumond sein. Eine weitere von unzähligen, ewig andauernden und einsamen Nächten. Aber möglicherweise endlich die letzte Nacht seines Lebens.
Bald würde hoffentlich alles vorbei sein. Denn der Drache hatte sein Ziel schließlich erreicht, es gab nichts mehr, das Sesshomaru ihm noch an weiterer Genugtuung oder Befriedigung hätte bieten können, sein Wille war gebrochen.
Die funkelnden Sterne tanzten und verschwammen vor Sesshomarus Augen. Sie schienen sich in kristallene Spitzen zu verwandeln und wie Eisspeere auf ihn herabzustürzen. Von unerträglichem Schmerz und von völliger Verzweiflung überwältigt schluchzte er kaum hörbar auf.
Ein tief dröhnendes, bösartiges Lachen erfüllte daraufhin die Finsternis.
„Und nun, Welpe? Sag mir, wo sind sie?“, fragte eine höhnische Stimme: „Wo sind all jene, denen du vertraut hast, nach denen du dich gesehnt hast, für die du nun dein Leben lässt? Für wen und was hast du gekämpft und gelitten? Wofür hast du überhaupt gelebt? Alles war sinnlos, hoffnungslos, vergeblich...“
Nein... Chichi-ue...
„Hah, wo ist er? Wo ist dein Vater? Er hat dich alleingelassen, von sich gestoßen, hat dich geopfert und leiden lassen für sein wertloses Land, für seine jämmerlichen Getreuen, für die Rettung erbärmlicher Menschenwesen. Du hast ihm niemals irgendetwas bedeutet, warst ihm nie etwas wert, einen Dreck hat er sich um dich geschert... Du wolltest wie er sein, doch du weißt nicht einmal, wer er eigentlich ist. Und jetzt wirst du verächtlich sterben für nichts. Du bist nichts.“
Das ist nicht wahr, es ist nicht wahr... Chichi-ue...
„Er wird nicht kommen... Niemand wird kommen. Niemand hat sich je für dich interessiert... Du bist allein, bist niemand, nichts...“
Nein... CHICHI-UE!!!
Leise stöhnend fuhr Sesshomaru aus dem Schlaf hoch und richtete sich schweißüberströmt auf. Unwillkürlich krallte er eine Hand in die leichte Seidendecke, die über ihn gebreitet worden war, und presste krampfhaft seine andere Hand gegen seine fest verbundene Brust. Mit weit aufgerissenen, leicht rötlich schimmernden Augen starrte er auf die Wände seines schlichten Schlossgemachs.
In dem Zimmer war es so finster wie in dem Traum seiner erneut durchlebten Erinnerung. Die dunklen Wände um ihn herum erdrückten ihn. Eiserne, eiskalte Ketten schienen ihn zu umschlingen und zu erwürgen. Das war unerträglich. Schwer rang er um Atem und versuchte aufzustehen. Doch irgendwas hielt ihn zurück und immer wieder brachen seine schmerzenden Beine unter ihm weg. Erbost über seine Schwäche griff er schließlich nach der Wand hinter seiner Bettstatt, zog sich verbissen hoch und schleppte sich die Wand entlang. Jede seiner Bewegungen brannte wie Feuer.
Sesshomaru erreichte eine Türe und zog sie ungestüm auf. Bebend stützte er sich am Türrahmen ab und sah hinaus. Die Nachtluft blies in sein Gesicht und ließ seine Haare leicht wehen. Ein abnehmender Sichelmond beleuchtete matt die vor ihm liegende Balkonterrasse.
Mit eisernem Willen fasste Sesshomaru nach einem hölzernen Geländer, hielt sich daran fest und trat hinaus auf den Balkon. Die nächtliche Kühle ließ ihn leicht frösteln. Er trug nur einen dünnen, ärmellosen Kimono über den zahlreichen Verbänden, die seinen Körper bedeckten.
Nach einigen Schritten brach er in die Knie. Schmerzen packten ihn und dann eine tobende Wut. Zudem schien ihn wieder etwas zu fesseln und zwanghaft zurückhalten zu wollen. Mit einem ungeduldigen, ergrimmten Knurren drückte er seine Krallen in den Holzboden und sah in den unendlich fern und frei erscheinenden Himmel.
Frei sein..., dachte Sesshomaru. Nur dieser Gedanke hallte in ihm und beherrschte seinen Geist. Er hielt es nicht mehr aus. Er wollte, er musste fort.
Mühselig sammelte er all seine Kräfte zusammen und nahm eine kauernde Stellung ein. Der rötliche Schimmer in seinen Augen verstärkte sich, sein Gesicht verzerrte sich. Rötliches Licht begann seine Gestalt zu umhüllen. Eine aufwallende, dämonische Energiewelle brachte das Balkongeländer zum Bersten.
Sesshomaru legte seinen Kopf leicht in den Nacken, schrie in überschäumendem Zorn laut auf und verwandelte sich dann in seine wahre Gestalt. Als großer, weißer Hund stieß er sich vom hölzernen Boden ab, der unter ihm zusammenbrach, und sprang vom Schloss weg in den Garten. Seine Pfoten schienen kaum den Boden zu berühren, als er mit gewaltigen Sprüngen fortjagte. Fort von allen unsichtbaren Fesseln und erdrückenden Mauern, fort von verfolgenden Träumen und schmerzvollen Gedanken, in die Freiheit des sich vor ihm weit ausbreitenden Landes.
* * * * *
Sesshomarus wütender Schrei und das laute Krachen von splitterndem Holz holte Ieyasu aus seinen versenkten Gedanken. Verwundert schlug er die Augen auf und erhob sich von einer kleinen Reismatte, auf der er mit überkreuzten Beinen gesessen hatte.
Er verließ den winzigen, fenster- und schmucklosen Raum, in dem er meditiert hatte, und betrat ein weiträumiges, halbrundförmiges Zimmer, das zum Privattrakt des Fürsten gehörte und Teil der Räumlichkeiten war, die für besonders geschätzte oder hochrangige Gäste reserviert waren. Mit gerunzelter Stirn schob der Heiler ein sich zum Garten hin öffnendes Fenster auf und sah hinaus. Draußen war alles still. Nur der Wind rauschte leise in den Bäumen des Schlossgartens.
Ieyasu ließ seine Blicke über den Garten schweifen und sah dann überrascht und besorgt auf den großen, weitgehend zerstörten Balkon, der ein Stockwerk tiefer unter ihm lag.
In diesem Moment wurde eine Türe von einem der Gästezimmer geöffnet. Ein junger, verschlafen wirkender Fuchsdämon mit einem flackernden Licht in der Hand kam zu Ieyasu, gefolgt von dem leicht verärgert wirkenden Dämonenschmied Totosai.
„Was ist denn das für ein nerviger Krach?“, beschwerte Totosai sich: „Habt ihr nachts arbeitende Handwerker da? Und was war das für ein jaulender Schrei? Das war doch ein Hund, oder? Heulen Hunde hier etwa den Mond an?“
„Ich fürchte, das war kein gewöhnlicher Hund“, flüsterte Ieyasu und hetzte zur Schlosstreppe.
Totosai und der junge Fuchsdämon Zuisou neben ihm sahen sich kurz verdutzt an und eilten dann dem dämonischen Heiler nach.
Kurz darauf kamen der Schwertschmied und sein Lehrling in ein sehr schlicht gehaltenes Zimmer mit vielen Schiebetüren. Eine dieser Türen stand weit offen, sie führte hinaus auf eine zerborstene Balkonterrasse.
„Au weh“, entfuhr es Zuisou, „Das sieht ja arg aus! Ist hier irgendwas explodiert?“
Ieyasu, der vor einer zerwühlten, leeren Bettstatt stand, antwortete zunächst nicht. Sorgenvoll betrachtete er die Kratzspuren, die sich an der Holzwand neben dem Bett abzeichneten.
„Unfassbar...“, murmelte er dann vor sich hin, „er ist meinem Bann entkommen... wie hat er das nur geschafft?“
Interessiert kam Totosai näher.
„Hattest du hier jemanden eingesperrt?“
„Gewissermaßen“, antwortete Ieyasu, „das hier ist Sesshomarus Gemach. Vor einigen Tagen ist er ja aus seinem Koma erwacht. Verständlicherweise war er durch die Umstände und Nachwirkungen seines grausamen Todes völlig traumatisierst und daher nicht ganz bei Sinnen, was meinem Schüler und mir fast das Leben gekostet hätte. Um zu verhindern, dass Sesshomaru sich selbst und anderen in seiner unberechenbaren Raserei etwas antun kann, habe ich ihn mit einem beruhigenden Fesselbann belegt. Aber wie es scheint hat er diesen Zauber irgendwie gebrochen. Offensichtlich hat er sich verwandelt und ist fort gelaufen...“
„Willst du damit andeuten, dass jetzt ein durchgedrehter, tollwütiger Riesenhund durch die Gegend rennt?“
„Nun, so könnte man das vielleicht auch ausdrücken“, sagte Ieyasu vorsichtig: „Ich weiß nicht, inwieweit Sesshomaru sich mittlerweile beruhigt oder zu sich selbst gefunden hat. Aber ich würde sagen, gut geht es ihm sicher nicht. Das könnte für ihn selbst und alle, die ihm begegnen, ziemlich gefährlich werden... Wir müssen ihm schnellstens folgen! In seinem Zustand kann er eigentlich nicht weit...“
„Bist du bekloppt?“, unterbrach Totosai den Heiler: „Ich bin doch kein Hundefänger und leg mich doch nicht mit einer bissigen, wild gewordenen Töle an! Das ist wirklich nicht mein Problem, ich geh lieber wieder ins Bett.“
„Solltet Ihr nicht Inu Taisho informieren, Ieyasu-sama?“, mischte sich Zuisou ein: „der Hundefürst kann sich doch sicher am besten um seinen Sohn kümmern.“
„Das würde ich sofort tun“, meinte Ieyasu, „wenn ich bloß wüsste, wo der Herr eigentlich steckt.“
„Na, dann such ich ihn eben. Ich kann ja probieren mich von den beiden neu geschmiedeten Schwertern führen zu lassen. Damit werde ich Inu Taisho schon irgendwie finden.“
„Nix da, das kommt überhaupt nicht in Frage“, schimpfte Totosai, glaubst du etwa, ich vertraue meine kostbaren Prachtstücke einem solchen Fuchsidioten wie dir an?“
„Tja, dann müsst Ihr halt mit mir kommen, Meister. Ist eh besser, dann könnten wir die Kuh nehmen und kommen so viel schneller an unser Ziel.“
„Hmm“, brummte der Dämonenschmied missmutig, „also gut, meinetwegen. Obwohl es mir gar nicht passt diesem Köter nachzulaufen. Und dann auch noch mit miesen Nachrichten. Hoffentlich stören wir ihn nicht bei irgendwas Wichtigem, damit wir wenigstens nicht zusätzlich seine schlechte Laune ausbaden müssen.“
„Nehmt bitte auch Sou‘unga mit“, bat Ieyasu, „mir wäre bedeutend wohler, wenn der Herr das bösartige Schwert möglichst schnell wieder hat. Ein gefährlicher Flüchtling reicht mir.“
„Kommt Ihr denn wirklich vorerst allein zurecht?“, fragte Zuisou.
„Es wird schon gehen, ich werde vorsichtig sein“, meinte der Heiler, „Sesshomaru ist immerhin noch sehr geschwächt. Er dürfte also weder sehr weit kommen noch sich stark gegen mich wehren können. Und je weniger Aufsehen wir erregen, desto besser. Es soll ja geheim bleiben, dass der Fürstensohn lebt.“
„Pah, ich sag‘s ja“, grummelte Totosai und stapfte schwerfällig davon, um die Schwerter zu holen und seine Kuh zu suchen: „Mit Hunden hat man eben nix als Ärger!“
* * * * *
Weit entfernt, in Nähe der Gegend, in der vor etwa einem Monat der gewaltige, letzte Kampf zwischen den Herrschern von Ost und West stattgefunden hatte, waren im Morgengrauen weitere Dämonen unterwegs. Es waren drei jugendliche Wolfsdämonen. Sie wanderten am oberen Rand einer Steilküste entlang. Allerdings war nur der vorangehende, schwarzhaarige Wolfsdämon flott unterwegs, seine beiden nachfolgenden Begleiter schienen nicht ganz so viel Motivation zum Weiterlaufen zu besitzen.
„Sag mal, Koga“, meldete sich in diesem Moment prompt einer der beiden müde erscheinenden Burschen zu Wort und betastete kurz seinen Bauch, „wollen wir nicht mal eine Pause machen? Erstens glaube ich nicht, dass es hier noch was Neues zu entdecken gibt. Und zweitens habe ich Hunger. Gehen wir doch lieber wieder weiter zurück ins Landesinnere, da finden wir sicher eher was zum Jagen.“
„Du bist so nervtötend wie ein verfressener, fauler Dachs, Haggaku“, gab der schwarzhaarige Anführer des Trios zurück, „dein unersättlicher Bauch ist wohl alles, was dir wichtig ist, was?!“
„Ach Mann, Koga“, maulte der dritte Wolfdämon, „mir geht es genauso, ich mag auch nicht mehr. Ich bin müde und das ist doch echt öde hier. Diese Küste zieht sich ja ewig hin.“
„Jetzt nerv du mich nicht auch noch, Ginta“, schimpfte Koga ungeduldig, „ich will mich überall gründlich umsehen, um ein gescheites Zuhause zu finden. Mag ja sein, dass meine Mutter sich mit irgendeinem popeligen Erdflecken als neue Heimat für unser Rudel zufrieden gibt, aber ich bin da schon etwas anspruchsvoller. Ich will nicht mein ganzes Leben auf ein paar kargen Felsen verbringen, die uns ein paar alte, verkalkte Nordwölfe gnädigerweise als neues Revier überlassen haben. Auch im Gebiet der zentralen Höhlen gefällt es mir nicht. Da gibt es einfach zu viel Weiber mit ihren quietschenden Babys, das halt ich auf Dauer sicher nicht aus!“
„War doch toll da“, behauptete Haggaku grinsend, „die Mädchen waren super begeistert von dir. So wie die alle über dich hergefallen sind, hättest du ein ganzes Dutzend davon haben können. Und deine Mutter würde sich sicher sehr freuen, wenn du eine davon heiratest. Oder am besten gleich alle! Irgendwie muss unser Rudel ja auch wieder kräftig Zuwachs kriegen!“
„Hör bloß auf“, stöhnte Koga, „wenn es dir da so gut gefiel und du dich so um den Fortbestand der Wölfe sorgst, wieso spielst DU dann nicht beglückender Gockel und fürsorglicher Puter für die schnuckeligen Glucken und deren Küken?“
„Ach, auf mich standen die Mädels doch längst nicht so sehr wie auf dich. Außerdem bin ich, was die Auswahl meiner künftigen Braut angeht, sehr wählerisch. Die muss mir schon ordentlich was zu bieten haben.“
„Ja, zum Beispiel gut jagen und am besten auch noch kochen können“, bemerkte Ginta, „bei dir geht Liebe doch höchstens durch den Magen... Aber jetzt mal im Ernst, legen wir doch endlich mal eine Ruhephase ein! Wir sind die ganze Nacht hindurch gelaufen und mehr als diesen endlosen Meeresgraben haben wir bisher nicht gesehen.“
„Tja, ja“, meinte Haggaku seufzend, „dieser Meeresarm ist schon ziemlich beeindruckend. Kaum vorstellbar, was hier alles passiert sein muss. Vor einem Monat war hier noch eine Menge Land. Ich glaube, wir sind nicht weit weg von der Gegend, wo der Drachenfelsen stand und dieser gewaltige Canyon begann. Jetzt ist hier überall nur noch Wasser. Ich bin echt froh, dass wir weit weg waren, als das hier alles vom Meer überspült wurde. So ein krasser Kampf zwischen zwei Daiyoukai wäre zwar bestimmt sehr sehenswert gewesen, aber wohl ziemlich ungesund.“
Koga zuckte gleichgültig die Schultern.
„So ist das halt, wenn ein Hund seiner ungezügelten Seele nachgibt. Die Köter sind eben ein bisschen verdreht im Kopf. Das liegt wahrscheinlich am Widerspruch ihrer einerseits noch sehr wilden und andererseits domestizierten Ader. Wäre vielleicht besser gewesen, wenn sie völlig ungezähmt und unabhängig lebend geblieben wären, so wie wir Wölfe. Ein ungestümes, freiheitsliebendes Wesen verträgt sich nicht gut mit Heimatgefühl und Beschützerdrang, das gibt immer Ärger.“
„Du bist ja heute richtig philosophisch denkend drauf“, frotzelte Haggaku, „ich glaube, du brauchst ebenfalls dringend was zu futtern. Wenn du so klug daherredest, kann irgendwas nicht mit dir stimmen...“
„WAS?!? Was soll denn das heißen?! Das nimmst du sofort zurück, du...“
„Da liegt ja einer!“
Diese völlig deplaziert wirkende Aussage von Ginta sorgte dafür, dass die zwei zankenden Wolfsdämonen voneinander abließen, bevor sich ein deftiger Streit daraus hätte entwickeln können. Enttäuscht darüber, dass ihm die Chance für eine nette, kleine Prügelei zu entgehen drohte, ließ Koga Haggakus Hals los und wandte sich verärgert seinem anderen Freund zu. Ginta stand am Rand der steilen Küste und sah von einer Klippe hinab.
„Häh? Was soll das heißen: ‚Da liegt einer‚?“ Koga kam an Gintas Seite: „Wer denn? Und wo?“
„Na, da, im nassen Sand, direkt neben den spitzen Felsen!“ Eindringlich deutete Ginta nach unten: „Vielleicht ein Ertrunkener, vielleicht ist der bei der Auseinandersetzung von Inu Taisho und Bundori unabsichtlich zwischen die Fronten geraten.“
„Dann hat er sich aber ganz schön gut gehalten“, meinte Haggaku, „das mit dem Hunde-Drachen-Kampf ist ja schon eine ordentliche Weile her. Ist es ein Mensch oder ein Dämon?“
Koga hatte keine Lust zum langen Spekulieren, kurz entschlossen sprang und kletterte er den Küstenfelsen herab.
„Pass bloß auf“, warnte Ginta ihn, „das geht ganz schön weit und heftig da runter. Wenn du auf einem der Felszacken landest, wirst du gepfählt wie ein Schwein am Spieß!“
Doch Koga kam glücklich unten an, kniete sich neben die im Sand liegende, menschenähnliche Gestalt, drehte sie herum und untersuchte sie flüchtig. Es war ein jugendlich wirkender, braunhaariger Mann, den spitzen Ohren und krallenartigen Hände zufolge genauer gesagt ein Dämon. Er war nur wenig älter als Koga.
„Er lebt noch“, informierte der seine Freunde, „kommt runter und helft mir mal!“
Gerne kamen Ginta und Haggaku dieser Aufforderung nicht nach, keiner von ihnen hatte Lust auf eine lebensgefährliche Kletterpartie. Aber sie wollten ihren Kumpan auch nicht mit einem Problem sitzen lassen. Also taten sie das Verlangte.
Mit vielen Mühen schafften die drei Wolfsdämonen den Entdeckten schließlich nach oben. Als sie mit ihrer Last dort angekommen waren, legten sie den Unbekannten erschöpft ins Gras und betrachteten ihn dann genauer.
„Was ist das denn für einer?“, sprach Ginta die Frage, die sich alle Drei stellten, laut aus.
„Scheint ein Wolf zu sein“, meinte Haggaku, „komisch, wie kommt der denn da unten hin. Im Osten gab es bisher doch kaum Wölfe. Er hat auch nicht viel Ähnlichkeit mit den Wölfen, die in der näheren Umgebung leben. Ob das ein rudelloser Streuner oder so was ist?“
„Vielleicht hat er ja was angestellt und wurde verbannt“, überlegte Koga. Er fühlte Mitleid in sich aufsteigen. Was eine Verbannung für einen Wolfsdämon bedeutete, konnte er gut nachvollziehen, schließlich hatte er das selbst am eigenen Leib erfahren.
„Es war bestimmt kein Unfall, dass der da unten gelandet ist. Ich glaube, der wollte sich umbringen und ist von der Klippe gesprungen. Wahrscheinlich hat er das Alleinsein nicht mehr ertragen... Wir nehmen ihn mit, meine Mutter kann sich um ihn kümmern.“
Ginta war von Kogas Idee nicht begeistert, zweifelnd sah er den Bewusstlosen weiterhin an.
„Ich finde, das sollten wir lieber lassen. Wir wissen doch gar nicht, was das für ein Typ ist. Der ist doch irgendwie unheimlich. Ist euch aufgefallen, dass der nach überhaupt nichts riecht? Vielleicht wollte er ja auch gar nicht Selbstmord begehen, sondern wurde von der Klippe geschubst. Und vielleicht wollte ihn jemand aus gutem Grund töten.“
„So ein Schwachsinn“, hielt Koga dagegen, „der riecht nur deswegen kaum nach was, weil er im Meerwasser lag und noch ganz nass ist. Besonders stark oder gefährlich scheint er auch nicht zu sein, der hat ja fast gar kein Youki. Außerdem sind wir zu dritt, was soll da schon passieren? Wir können ihn hier doch nicht einfach so liegen lassen. Das hat kein Wolf verdient!“
Haggaku stimmte Koga zu und half dabei den Unbekannten aufzuheben. Ihn gemeinsam tragend machen sich die beiden Wolfsdämonen auf den Weg in Richtung ihrer neuen Heimat.
Zögernd folgte Ginta seinen Freunden, er wusste nicht so recht, was er von der ganzen Sache halten sollte. Eigentlich gab es tatsächlich nichts, was zu fürchten war, trotzdem konnte er sich eines unbestimmten Unbehagens nicht erwehren. Da war etwas an der sehr seltsamen Aura des gefundenen Dämons, das ihm bekannt vorkam. Irgendwo hatte er diese Ausstrahlung schon mal gefühlt. Aber wo und in welchem Zusammenhang, wollte ihm einfach nicht mehr einfallen. Auf jeden Fall war ihm das alles nicht geheuer, irgendwie hatte er das äußerst beunruhigende Gefühl, dass Koga und Haggaku ein zweischneidiges Schwert nach Hause trugen.
Soweit das sechsundzwanzigste Kapitel.
Unerwartete Entdeckungen haben oft unerwartete Folgen... Ich denke, ihr könnt erraten, wen die Wölfe da aus dem Meer gefischt haben, oder?
(Wie ihr seht, versuche ich brav an all meinen Erzählfäden weiter zu knüpfen und nix und niemanden zu vergessen.)
Im nächsten Kapitel schauen wir dann wieder zu unserem Liebespärchen. Denn die Erholungsphase für den Hundepapa ist nun leider eindeutig vorbei (neben Ärger mit den Kindern gibt es da ja beispielsweise auch noch einen gewissen Drachen namens Ryokossei, den habe ich auch nicht vergessen, *evilgrins*). Es kommt also wieder einiges auf Inu Taisho (und euch) zu.
Ich hoffe, ich bin bei meiner dramatischen Charakterdarstellung und -entwicklung bezüglich poor Sesshomaru nicht über das Erträgliche hinausgeschossen und im OOC gelandet. Es kann nur besser werden (hoff ich).^^°
Ihr dürft euch gerne kritisch über alles auslassen, ich bin dankbar für jeden helfenden Kommentar!