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Mirai

Für Werwolf1 zum Geburtstag
von

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Mirai
 

"Mirai, bist du da?"

Die Dielen knarrten, als er das Haus betrat. Keine Antwort. Das Haus lag ruhig - wie verlassen. Schummriges Licht fiel durch die Fenster. Die Zimmer, die vom Flur abgingen, konnte man durch die weit geöffneten Türen ganz einsehen. Rechts das Wohnzimmer, links die Küche, bis ins Kleinste geputzt und hergerichtet, die Dielen blank gescheuert.

Sonst war Mirai nie so reinlich, nur wenn sie verreisen wollte. Es war Mitte Juni. Wohin sollte sie wollen?

"Mirai?"

Auf dem Küchentisch, ein gelber Strauß Nelken, im Fenster des Wohnzimmers ein Roter. Farbtupfer in Räumen, die für sich kaum Farbe trugen.

Gerade zu, neben der dunklen Treppe nach oben, die Tür zum Arbeitszimmer. Als er hinging um sie zu öffnen, war sie verschlossen. Wie immer eigentlich.

Er ging durch die Küche und betrat es durch die weit offen stehende Verbindungstür. Auch hier erschreckend akribische Ordnung. Der Schreibtisch aufgeräumt, die Stühle akkurat an den Tisch gerückt, die Tischdecke glatt gestrichen, kein Staubkörnchen zu sehen. Nur eine Sonnenblume in einer hohen, schlanken Vase auf dem Tisch. Niemand zu sehen. Er ging zurück und stieg die Treppe hinauf.

"Mirai?"

Auch hier standen die Türen offen. Gerade zu, das Bad in ein blassblaues Licht getaucht. Vergißmeinnicht auf der erhöhten Fensterbank.

Zu seiner Linken, ein Schlafzimmer. Sonnendurchflutet, wie von Gold und ein Strauß dunkelroter Rosen auf dem schweren Himmelbett neben der Tür, wie aufgemalt. Auch oben war alles penibel aufgeräumt.

"Mirai?"

Am anderen Ende des Flurs, das zweite Schlafzimmer. Es lag ob der Tageszeit im Halbdunkel. Auch hier Ordnung. Im Fenster schräg gegenüber der Tür, ein Strauß Blumen in jener Farbe die man Magenta nannte. Es roch süßlich. Das Bett rechts daneben frisch bezogen und gemacht. Die Kommode links von ihm aufgeräumt. Der Spiegel darüber poliert.

Nur der Boden war anders.

Ein roter, zähflüssiger See hatte sich über ihn ausgebreitet. Rotbraune Strähnen schwammen in ihm wie Treibgut. Ein blasses Gesicht dazu, mit großen, leeren Augen, verblassenden blauen Flecken und einem erschöpften, leidenden Zug um die schmalen Lippen. Daran ein Schwanenhals mit einem Mal gleich dem Höllenschlund. Das Kleid befleckt, die Arme kraftlos, blau gefleckt und doch weiß wie Porzellan. Die Hände getränkt mit dem Wassern des Sees.

Daneben eine vertraute, kauernde Gestalt. Abgerissen und Schmutzig. Der Blick zu Boden, die Hände gezeichnet, darin ein Stahl, getränkt mit der Farbe des Sees.

"Was hast du getan?"

Der Kopf kippt zur Seite, unheilvolle Lichter richten sich auf ihn. Ein unrasiertes Gesicht. Eine Wolke billigen Geistes. Die Hand mit dem umfassten Stahl hob sich drohend. Ein Nachvorneschnellen. Er entreißt es ihr. Kehrt es um und versenkt es in seiner Brust.

Die Lichter flackern. Der Blick voll Häme und Wahn. Auf den Lippen ein letztes "Danke.".

"Mirai." Er sinkt auf die Knie.

Mit den vordringenden Fluten des wiedererwachten Sees vermischen sich die Tropfen des Meeres.
 

~*~
 

"Mirai hör auf zu weinen. Der Tod kann uns nicht mehr scheiden. Deine Flucht war vergebens. Vereint für die Ewigkeit. Hör auf zu weinen, Mirai. Dein Bruder wusste es nicht besser."



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von: abgemeldet
2005-06-04T09:03:27+00:00 04.06.2005 11:03
von Vypox:

Die Geschichte ist wirklich schön geschrieben. Diese Eigenschaft, alles vor einer Reise sauber zu machen kenne ich von vielen Leuten und je länger die Reise, desto sauberer die Wohnung. Deswegen und auch aufgrund der gelben Nelken bin ich irgendwie gleich davon ausgegangen, dass die Reise von Mirai wohl eine endgültige ist.
Mir gefällt überhaupt, wie du Blumen zur Stimmungsbeschreibung einsetzt und mit Farbtupfern arbeitest, auch wenn mangenta als Bezeichnung nicht so ganz passt, weil es eine Telekom-Erfindung ist, aber das macht nichts. Es zerstört nicht das Gesamtbild der Geschichte.
Das einzige, was ich mich wirklich frage und nicht weiß, ob das so üblich ist bei Personen, die so viel putzen, ist: Würde diese sich so töten, dass alles wieder schmutzig wird? Vielleicht schon, weil der Gesamteindruck, den man hinterlässt, dadurch nicht wirklich zerstört wird. Man tötet sich da und so, wie man sich wohlfühlt.
Wirklich schön!
Von: abgemeldet
2005-03-26T19:35:31+00:00 26.03.2005 20:35
Hi meine Große!
Jetzt muss ichauch mal was schreiben.Im großen und ganzen ... mhhh...*stille*...suuuuuuuuper!Reicht das.Also,man könnte aber noch mehr draus machen.Vielleicht ein Buch und das ist das letzte Kapitel darin.So kommt mir auf jedem Fall der Anfang vor.Wie mitten aus einer Geschichte herausgegriffen.Woher hast du eigentlich den Gedanken genommen?Du hast mir nie gesagt,dass du soooooooo toll schreiben kannst.Liefer mir/uns mal mehr davon.Biiiitteeeee!*hundeblickmach*Ach und das mit dem "nicht sagen" nehm ich dir fürchterlich übel!*böse guck*Ich hab dich trotzdem lieb!
Bis bald!!!!!!!
Deine mangasoul333
Von:  WhirlwindVio
2005-02-27T11:30:05+00:00 27.02.2005 12:30
Hoi da =)!

Also in erster Linie bin ich auf deine FF aufmerksam geworden, weil sie relativ kurz war und keiner Serie angehörte - meine Lieblingsopfer XD!
Leider trifft diese Vorliebe nicht auf jeden zu, wohl darum musst du noch keine Kommentare haben, denn:
Die Geschichte ist hübsch 'dark' und gut durchdacht!
Erst die sterile Abschiedsatmosphäre, die ersten paar Abschnitte, in denen er Mirai sucht. Währenddessen geschieht eigentlich, wenn ich das so sagen darf, gar nichts. Einzig das Wissen darum, dass solches Ordnunghalten nur dann Mirais Art war, wenn sie verreiste - sowie das Wissen um eine Darkfic XD - lassen schlimmeres vermuten als eine Urlaubsfahrt.
Dann das Finden des Mädchens auf dem Boden. Wie zuvor schön beschrieben scheint es zu seiner Zimmermusterung zu gehören, das, was da am Boden im roten See schwimmt, so, als realisiere er erst Sekunden später, dass sich ein menschlicher Körper, nämlich der seiner Schwester ^^, im Sterben befindet.
Zu spät entreißt er ihr das Messer....
... oder nicht? Kommt darauf an, was man damit anzufangen gedenkt. Letztendlich nimmt er sich sein eigenes Leben, um ihr Unterfangen wenigstens ein bisschen zu vereiteln. Vielleicht ein zeichen wahrhaftiger Liebe... oder zwanghafte Rechthaberei? ^^
In jedem Fall lässt er sie nicht allein in ihren Tod gehen. Weshalb er Mirais Flucht vor dem Leben allerdings auf sich bezieht... nun, vielleicht liegt der Schluss nahe, wenn man sich eng verbunden ist und trotzdem nicht verhindern kann, dass der Andere sich das Leben nimmt... ihr 'Danke' jedenfalls ließ dem Leser keinen Groll vernehmlich werden.

Aber was tue ich hier eigentlich?
Du kennst doch deine Geschichte -.- *wirklich keine seitenlange Nacherzählung schreiben muss*.
Wie dem auch sei, hat mir gefallen. Nicht unbedingt von der Thematik, bin keiner dieser Leute, die vorzugsweise Geschichten über Suizid und ähnliche Taten lesen bzw. schreiben, aber unbedingt von der Umsetzung her.
Du hast einen richtig guten Stil =)!

Hochachtungsvoll,
_Shanna_


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