Fremdes Terrain - Feindesland
Disclaimer : Projekt Weiß und tough
Warnung : no fights this time
Erklärung : kluge Strategen am Werk
Widmung : meiner momentanen Muse kitty
Fremdes Terrain - Feindesland
Der Anblick ist beeindruckend. Jedenfalls, wenn man auf Protz und Prunk steht.
Das schlossähnliche Riesengebäude liegt auf einem Plateau. Das Plateau in einem Seitenarm des weitläufigen Tals in den Schweizer Alpen.
Hinter dem Schuppen, der größenmäßig dem Buckingham Palace Konkurrenz macht,
steigt die Landschaft sanft an. Unterbrochen von einigen Baumgruppen, leuchten die Bergwiesen ekelhaft grün in der frühen Nachmittagssonne. Weißrote Tupfer markieren die Lage der kleinen Chalets, die zum Hotelkomplex gehören, angemietet von Menschen, die vorgeben, noch mehr Ruhe zu brauchen, als alle Anderen.
Die Übrigen residieren im Haupthaus, um sich für ihr Geld etwas Bedeutung zu kaufen. Denn neben dem, unbestritten reichlich vorhandenen Luxus, sorgt eine Heerschar von Angestellten für ihr Wohlbefinden. Und zu denen gehöre ich ab jetzt.
Ungeachtet dessen fahre ich den Porsche mit Schwung die kurvige Auffahrt entlang bis vor die Eingangsstufen.
Der Typ in Livree eilt mir dienstbeflissen entgegen und ist entsetzt, dass ich das Auto ohne seine Hilfe verlassen kann. „Madame….“ „Schon gut. Monsieur de Savoyes erwartet mich.“
Ehe er reagieren kann, werfe ich ihm die Autoschlüssel zu.
An der Rezeption melde ich mich mit dem gleichen Spruch und füge noch den Namen hinzu, der in all meinen Papieren steht.
Ein Page führt mich in den versteckt liegenden Bürotrakt und klopft an die Tür des Mannes, der mein Chef sein wird und meldet mich an.
Der Franzose ist ein Kavalier der alten Schule. Charmant lächelnd erhebt er sich zur Begrüßung. „Miss West. Willkommen im Beau Rivage. Wie war ihre Fahrt? Bitte nehmen Sie Platz. Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?“
„Danke Monsieur. Einen Kaffee hätte ich gern. Aber dann möchte ich mir einen Überblick über meinen Tätigkeitsbereich verschaffen.“
„Eine löbliche Einstellung. Aber warten Sie, bis Sie in Ruhe Ihren Kaffee hatten.
Ihr Kollege, Ansgard Stenholm, ist informiert und wird Sie mit Freuden herumführen.“
Wie auf Kommando klopft es kurz und ein blonder, braungebrannter, gut aussehender Nordeuropäer schiebt sich lässig ins Büro.
„Ah, Ansgard. Wie immer ein exzellentes Gespür für das richtige Timing.
Darf ich Ihnen Ihre neue Kollegin vorstellen? Mss. Jennifer West.“
„Mit Vergnügen. Ich bin Ansgard, aber unsere Gäste nennen mich Andy.“
Sein Händedruck ist fest. Seine Augen blicken fröhlich, vordergründig jedenfalls. Ist natürlich einstudierte Dauergrimasse. Das wird total klar, während er mir die Anlage zeigt.
„Jennifer. Lässt Du Dich Jenny nennen?“ Mein stummes Nicken registriert er nur aus dem Augenwinkel. Seine Aufmerksamkeit gilt den Hotelgästen. Besonders die reiferen Damen scheinen entzückt von seinem strahlenden Lächeln.
„Ich zeig Dir die Gebäude und erklär Dir direkt die geltenden Regeln, okay?
Wir Trainer sind die Spitze der Personalhierarchie, außer dem Alten natürlich. Du machst in Workout und Fitness? Aber kannst mir beim Tennis helfen?“
Faszinierend. Wie ein Wasserfall strömen die Infos aus seinem Mund und doch signalisiert er seinen Kunden, sie hätten seine volle Aufmerksamkeit.
„Hi Mary-Joe. Morgen früh, zehn Uhr? Ich freu mich drauf, Baby.“
Die pummelige Mittdreißigerin kichert wie ein Teenie und er eilt weiter.
Rasch genug, um keine Antwort abzuwarten.
„Da hast Du Deine erste Kundin. Die fette Qualle will sich in Europa mit Klamotten Größe 36 eindecken, dabei frisst sie nur den Weißmehlmistkram, auf den die Amis so stehen. Und wir sollen schauen, dass sie die 5000 Kalorien abbaut, ohne sich anzustrengen. Morgen werde ich versichern, wie gut ihr der Tennisdress steht, ohne rot zu werden. Und wenn sie die Uhr springen lässt, die ich ihr gezeigt habe, werde ich ihr anschließend beweisen, wie verrückt mich ihre Figur macht. Ohne zu kotzen.“
Sein peripheres Sehen ist stark ausgeprägt, denn meine Miene hat er sofort richtig interpretiert. „Was ist? Du willst mir doch nicht erzählen, dass Du die Nebeneinkünfte nicht mitnimmst? Den Porsche hast Du doch nicht mit Kursen finanziert, oder? Habe Deine schwungvolle Ankunft gesehen.“ „Ist nur ein Boxter. Und ich bin Personaltrainer. In New York hatte ich nur Privatkunden, keine Kurse.“
„Na dann doch erst recht. Brauchst keine Show abziehen, der Alte hat nichts dagegen. Solange wir diskret sind…und die Gäste zufrieden. Schau mal die da.“
Unmerklich deutet er auf die schlanke Gestalt, die gerade einem Pagen einen Hund in Ameisengröße abnimmt. „Sieht aus wie ein Supermodel, oder? Zickig genug ist sie jedenfalls.“ „Sieht topp aus. Was ist mit der?“ „Gewerbe. Aber internationale Oberliga. Die sucht hier ihren Begleiter für die Europa-Sommer-Saison. Die kriegste nicht für ne Nacht. Die sucht einen Financier und die alten Böcke suchen ein weiteres Prestigeobjekt. In manchen Kreisen kannste mit den Billigludern halt nicht auftauchen.“
Er grinst kurz und zeigt seine Grübchen. „Aber Nutte bleibt Nutte.
Auch wenn sie Dolce e Gabbana trägt. Sie ist erst seit zwei Tagen da und die ersten Kontakte laufen. Mal sehen, wer das Rennen macht. Wenn wir hier durch den Wintergarten gehen, können wir Dein Gepäck aus dem Wagen holen und ich zeige Dir unsere Zimmer. Wir residieren direkt über dem Seitenflügel mit den Indoor-Sportanlagen. Ebenerdig der Pool, Sauna und Wellnessbereich. Die Leute dort sind Domestiken. Mit denen geben wir uns nicht ab. Drunter ist die Muckibude, eine kleine Halle fürs Workout und so. Im ersten Stock sind die Kosmetiktanten und darüber haben wir unseren Trakt mit den Trainerräumen. Wir haben einen separaten Zugang über die Außentreppe. Da, siehst Du? Deinen Flitzer holen wir auch hierher.“
Cool. Diskrete Ausflüge sind also ziemlich einfach. Checke das Gelände, während wir zum bewachten Parkplatz gehen. Der Boxter wartet unterm Carport. Zwischen dem Lamborghini und dem Cadillac-Oldtimer wirkt er eh ziemlich ärmlich. Ist halt nur bessere Mittelklasse. Aber das Plappermäulchen ist dennoch beeindruckt.
„Alles klar. Nur ein Boxter. Was bist Du sonst gewöhnt? Kannst ja noch nicht lange im Geschäft sein und hast schon nen Porsche. Bisschen arrogant, den schlechtzumachen. Oder, Jenny-Baby?“
Prima, er hat seine Deckung komplett unten. Sind ja auch keine Gäste in der Nähe. Da kann er seinen Neid und seine Gehässigkeit ruhig raus lassen.
Mir ist richtig warm ums Herz, mit so einem Goldstück als Kollegen.
„Steig ein. Wir fahren bis vor die Treppe. Und wenn Du schön lieb bist und mir mit dem Gepäck hilfst, ziehe ich Dich in die engere Wahl der Kaufinteressenten.
Habe die Karre schon über und was Besseres in Aussicht. Was hältst Du von nem Vorzugspreis unter Kollegen?“
Na, diesen Köder nimmt er gierig, ohne den Haken zu bemerken. Jenny-Baby hat nun einen Stein im Brett bei ihm. Er fährt ja auch nur Golf-Cabrio. Armer Kerl.
Randy-Andy trägt brav die schweren Taschen mit dem Sportzeug, während ich die beiden mittelgroßen Hartschalenkoffer über die Außentreppe hoch bringe. Einer davon ist für meine wenigen Klamotten. Der Andere ist voll Metall. Und sauschwer. Aber das muss Andy ja nicht merken. Wozu habe ich Muskeln?
„Ich geh gleich die Geräte ausprobieren. Erzähl mir noch was über die Leute hier, während ich mich umziehe, okay?“
Schnappe mir ein paar Sachen und gehe ins Bad. Die Tür lasse ich auf. So kann ich ihm zuhören. Und ihn im Spiegel beobachten. Neugierig streifen seine Blicke umher.
Aber er bleibt sitzen.
„Nun. Interessant für Dich ist bestimmt der komische Schriftsteller. Er stammt irgendwo aus Neuengland. Ganz altes Geld und Null Talent. Aber da er nicht arbeiten muss, rennt er laufend mit seinem Notebook rum und versucht, endlich was Brauchbaren zusammen zu reimen. Ich glaube, der hat sogar einen kleinen Buchverlag gekauft, nur um sein Geschreibsel gedruckt zu kriegen. Komischer Kauz. Scheint an normalem Amüsement nicht interessiert. Erst dachte ich sogar, der ist schwul. Selbst unsere Edelnutte hat ihn vergebens angeblinkert. Aber heute Morgen quatscht er mich an, wann denn die neue Muckitrainerin kommt. Bin mal gespannt, was der unterm Tweed verbirgt. Und ob Du was abgreifen kannst bei ihm. Er hat noch so ein verzogenes Bürschlein dabei. Seinen Neffen oder so. Der nimmt Tennisstunden bei mir. So was von lustlos. Den trete ich Dir sofort ab. Dieses Frettchen ist mir unheimlich.“
Sehr gut, Andy. Bei Crawford lagst Du voll daneben, aber Nagi, der ist schon unheimlich. Vor allen Dingen, wenn er Tennis spielt – ohne Schläger.