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Do you know...

Yukixkyo
von

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Junimond [Rio Reiser]

Japan.

Es war nun fast ein Jahr her, seit ich das letzte Mal die Erde meiner Heimat unter den Füßen gespürt hatte. Naja, Asphalt trifft es vielleicht eher.

Eigentlich war ich ja gar nicht dafür aber der Photograph, der sich um einen Phototermin bemüht hatte, ist einer der Besten der Welt.

Mit so einem Menschen darf man es sich nicht verderben.

Nicht in einem Business wie diesem, indem man von einem Tag zum anderen von der Bildfläche verschwunden sein kann.

Die Photos von Makoto Hayashi sind legendär.

Sie sind richtige Kunstwerke, für deren Druckrechte Millionenbeträge auf dem internationalen Markt zu erzielt werden.

Wenn jemand wie er einen um einen Termin bittet, dann hat man es geschafft.

Dann ist man wirklich das, was man ein Topmodel bezeichnet.

Ich hatte es jetzt wohl tatsächlich geschafft, Hayashi von meiner Kamerapräsenz und Individualität zu überzeugen.

Aber ich schaffe es verdammt mal nicht nach Tokio zu fliegen, ohne Schweißausbrüche zu bekommen, aus Angst IHM über den Weg zu laufen.

Ich habe seit Tagen kaum noch essen können, weil ich so aufgeregt bin, das allein der Gedanke daran mir Übelkeit bereitet.

An schlafen war gar nicht erst zu denken.

Was eigentlich total irreal ist, immerhin ist Tokio eine Stadt in der mehrere Millionen Menschen leben.

Da ist es wirklich sehr unwahrscheinlich, dass ich ausgerechnet IHN treffen könnte.
 

Also beziehe ich mein Hotelzimmer, das ich selbstverständlich von meinem schwerreichen Auftraggeber bezahlt bekomme.

Dieser Mann arbeitet sicher nicht mehr, weil er unbedingt Geld braucht! Makoto Hayashi hat finanziell lange ausgesorgt.

Ich empfinde schon lange keine Scham mehr, von anderen Leuten finanziell unterschützt zu werden.

Ob ich meinen Körper nun an einen einzelnen Menschen, oder als Werbeträger an irgendwelche Unternehmen verkaufe, ist letztendlich ja kein großer Unterscheid. Nicht für mich.

Und trotzdem mag ich diesen Job. Ich mag es, zu fühlen, dass ich bewundert und ernst genommen werde.

Klar auch als Model muss ich gegen gewisse Vorurteile ankämpfen, sei es nun wegen der angeblichen Dummheit oder der narzisstischen Neigungen... Aber das stört mich nicht groß, da mir die Leute, die so reden, emotional nicht sonderlich nah sind.

Der Einzige, der es immer geschafft hat mich in den emotionalen Ruin zu treiben, war ER.

Doch auch diese Schäden glaube ich inzwischen im Griff zu haben.
 

Im Zimmer stinkt es nach Geld.

Die Kopfkissen sind so groß und flauschig wie Deckbetten und mit Rosenduft parfümiert.

Mir wird schlecht, wenn ich sie nur ansehe.

Für den flaumigen Teppich unter meinen Füßen müssen die kleinen, hungernden Mädchen in Bangladesh mindestens drei Monate in der sonnenlichtfreien Fabrik gesessen und geknüpft haben. Er ist ebenfalls stark parfümiert.

Der Schreibtisch ist aus teuerstem Tropenholz, darauf steht eine Designerlampe, die das Jahresgehalt eines durchschnittlichen Lehrers kosten muss.

Ich öffne eines der großen, Barock anmutenden, Strebenfenster und schaue hinunter.
 

Die Welt schaut rauf zu meinem Fenster, mit müden Augen, ganz staubig und scheu.
 

Auf der Einkaufsmeile, gut siebzig Meter unterhalb von mir, hetzen die Menschen von einem Geschäft ins andere.

Hatte ich bis jetzt immer das Gefühl, dass ich alleine leide, während es anderen gut geht, so habe ich jetzt das komische Gefühl, dass es all den langweiligen, normalen, grauen Menschen dort ebenso mies geht.

Ja, ich empfinde Mitlied für die, die ich so lange beneidet hatte.

Die normalen Leute sind letztendlich genauso an ihr unbedeutendes Schicksal gefesselt wie ich.

Doch sie nehmen einfach hin!

Sie sind zu schwach!

Und ich fühlte mich unerwartet stark im Gegensatz zu ihnen.

Fast gönnerhaft lasse ich meinen Blick über die vielen, kleinen Köpfe schweifen.

Die meisten sind schwarz.

Schwarz und winzig, wie Ameisen.

Ich möchte gerade das Fenster schließen, als mein Blick auf einen hellblonden Schopf fällt, dessen Träger wild gestikulierend, neben einem Mädchen mit hellbraunen Haaren herläuft.

Momiji und Toru.

Ich überlege gerade ob ich nach ihnen rufen und winken sollte, als meine Augen auf zwei weitere Gestalten, etwa einen halben Meter hinter ihnen fallen.

Und da bist du. Du wirkst seltsam schwach...

Haru stützt dich. Er hat beide Arme um dich geschlungen!

Ich fixiere dich, aber du siehst nicht auf. Merkst du meine Blicke nicht mehr wie damals? Damals, da hast du es immer sofort bemerkt, wenn ich dich auch nur mit meinem Blick gestreift habe...
 

Ich bin hier oben auf meiner Wolke.

Ich seh’ dich kommen, aber du gehst vorbei.
 

Du gehst vorbei, als hättest du mich nicht bemerkt...hast du ja wahrscheinlich auch nicht.

Ich sehe dir nach. Sehe wie du deinen rechten Arm um Harus Hüfte gelegt hast...

Ist er es jetzt, der dir nachts dein berauschendes Stöhnen entlockt, wie ich damals in jener Winternacht?

Deine samtige, makellose Haut berühren...

Nein ich bin darüber weg!

Es ist mir total egal, mit wem du was tust, solange es mich nicht betrifft!

Es ist mir schnuppe, ob Haru seine Finger in deinen duftig seidigen Haaren vergraben darf!

Es interessiert mich nicht im geringsten, dass du zulässt, dass er deine honigweichen Lippen küsst!

Dass deine violetten Augen nun ihn stumm darum anflehen nicht aufzuhören!

Dein glühender, beschleunigter Atem nun seine Haut versengt!

Es tangiert mich in keinster Weise, ob er das Privileg hat, dich sein Eigen nennen zu dürfen.

Es ist mir egal!

Es ist mir egal...

Egal...

Immer und immer wiederhole ich diesen Satz wie ein Mantra, in der Hoffung es irgendwann selbst glauben zu können.
 

Doch jetzt tut’s nicht mehr weh!

Nee, jetzt tut’s nicht mehr weh!

Und alles bleibt stumm und kein Sturm kommt auf,wenn ich dich seh’!
 

Es ist jetzt nicht der Zeitpunkt zum Schwäche zeigen, ermahne ich mich und drehe mich vom Fenster weg.

Mit energischen Schritten gehe ich zu dem cremefarbenen Designersessel, dessen aufgeplusterte Polster danach schreien, sich darin niederzulassen.

Er ist mit synthetisch hergestelltem Maiglöckchenduft eingesprüht.

.Vielleicht bin ich wirklich nicht ganz normal und der einzige, der von diesem Bombardement an Parfums und Aromen erschlagen wird.

Es kann ja sein, dass andere Menschen einfach nicht so einen empfindlichen Geruchssinn besitzen.

Ich seufze resigniert und stütze mich mit dem Ellebogen auf die Lehne des Sessels.

Mein Kopf schmerzt, ich vermute es kommt von dem Gestank.

Ich massiere mir die Schläfen und versuchte es zu ignorieren.
 

Aber jetzt ist auch nicht der Zeitpunkt sich darüber auszulassen, dass die gesamte Menschheit, abgesehen von meiner Wenigkeit, wohl nasenamputiert ist.

Ein Blick auf die große Wanduhr aus Kirschbaum mit aufwändigen Intarsien aus Elfenbein und Ebenholz sagt mir das es vielmehr an der Zeit ist, sich für das

Interview vorzubereiten, das in einer halben Stunde angesetzt ist.

Nichts ist besser gegen düstere Gedanken als ein Haufen Arbeit!

Auch wenn ich so was von überhaupt keine Böcke habe, mich da ausquetschen zu lassen!

Und diese hirnlosen Journalisten machten sich noch nicht mal die Mühe, ab und zu vielleicht die eine oder andere neue Frage zu stellen!

Das Einzige was die fragen können ist, ob ich eine Freundin habe, wann ich vorhabe zu heiraten und wie viele Kinder ich mir wünsche!

Ich bin nicht im geringsten scharf darauf, eine Frau geschweige denn Kinder zu haben!!

Oder eher, wie soll man sich das bitte PRAKTISCH vorstellen?!

Selbst wenn es irgendeine Perverse geben sollte, die es irgendwie geil findet, gewisse Dinge mit Katzen zutun, die eindeutig nicht artgerecht sind!

Da würden nie Kinder rauskommen!
 

Aber spielen wir mal mit dem Gedanken es gäbe meinen prekären Erbfehler nicht, ich würde auch keine Frau haben wollen!

Ich verspüre nicht das kleinste Bisschen sexuelle Anziehung, wenn ich eine der vielen Frauen und Mädchen betrachte, mit denen ich beruflich zutun habe.

Der einzige Mensch der je in jener Art anziehend auf mich wirkte war...

Lassen wir das!

Ich wollte mich schließlich ablenken!
 

Jedenfalls hatte ich lange Zeit darum kämpfen müssen, dass ich keine Paarphotographien machen muss gemeinsam mit irgendeinem, zugegeben nicht hässlichen, weiblichen Model.

Schließlich hat sich mein Manager damit arrangiert, dass ich eben ein etwas exzentrischer aber genialer Einzelgänger sei und erbarmte sich diesen Punkt in meinen Modelvertrag aufzunehmen.

Er steht gleich unter dem ehernen Gesetz, dass Kiyo Somna keine Aktphotos macht.

Und das ist auch gut so.

Ich kann es mir leisten auf Einzelaufnahmen zu bestehen.

Inzwischen sind auch die meisten Photographen, mit denen ich zusammenarbeite, davon überzeugt, dass eine weiteres Model auf meinen Bildern nur nutzloses Bewerk wäre.

Ich bin wohl ein wenig zu dominant, und überdecke so deren Charme.

Es wäre schade um die Gage die sie erhalten würde!
 

Es ist vorbei, bye-bye, Junimond!

Es ist vorbei, bye-bye!
 

Ich habe viel gearbeitet, seit im März letzten Jahres mich Mike auf der Straße angesprochen hat, ob ich bereit wäre ihn für eine Modelkarriere nach Amerika zu begleiten. Er sagte damals, er habe ein außergewöhnliches Gesicht gesucht.

Ein Asiat mit natürlich roten Haaren und roten statt schwarzen `Schlitzaugen´ entsprach wohl genau seinen Vorstellungen.

Und ich arbeitete hart, um mir diese Chance nicht zu verbauen.

Habe per Fernunterricht meinen Abschluss gemacht, einen Kurs für Wirtschaftslehre absolviert und, man höre und staune, Benimmunterricht genommen.

Außerdem war ich bei einem bekannten Modeltrainer, bin zigmal unter dem steten flackern der Blitzlichter über den Laufsteg stolziert und habe mich für was weiß ich wie viele Photos in Pose geworfen.

In allen möglichen und unmöglichen Gegenden der Erde habe ich die unterschiedlichsten Menschen getroffen, doch dich traf ich nicht.

Und manchmal hatte ich das Gefühl, als würdest du gleich um die nächste Ecke kommen um mir ins Gesicht zusagen, wie doof ich doch sei, dass ich dachte dich vergessen zu können.

Dieser kleine erbarmungslose Kobold mit dem Namen `Hoffnung´ kroch in solchen Momenten aus der Zelle in meiner Seele, in der ich ihn sonst hinter Schloss und Riegel hielt.

Insgeheim wünschte ich mir immer noch deine Nähe obwohl ich wusste, dass sie mir nur schadet.

Und ein kleiner Teil von mir glaubte noch immer, dass du eines Tages bei mir auftauchen würdest und ich deine Gegendwart wieder genießen dürfte.

Eigentlich total absurd!

Was solltest du denn bitte in Rio de Janeiro, in Dresden, Riga oder in Kapstadt?

Ich habe mich dann immer über mich selbst geärgert und mich in die Arbeit hineingeschmissen, wie der Seelöwe in die Fluten.
 

Zweitausend Stunden hab ich gewartet!

Ich hab sie alle gezählt und verflucht!
 

Als ich min Zimmer verlasse, ist das Erste, was ich sehe, ein gutes Dutzend aufgeregt quiekender Frauen und Mädchen.

Genervt rolle ich hinter meiner Sonnebrille mit den Augen, als sie mir hysterisch ihre Zuneigung für mich kundtun.

Mir klingeln die Ohren.

Vier Heiratsanträge, sechs Kinderwünsche und circa zwölf Autogramme später, gelingt es mir selbst die hartnäckigsten Verehrerinnen abzuschütteln und ich rette mich in den vorerst noch leeren Interviewraum.

Hinter meinem Stuhl hängt eine lebensgroßes Plakat, auf dem ich mit weltmännischem Gestus einen schlichten, jedoch sehr teuren, anthrazitfarbenen Dreiteiler präsentiere.

Ich setze mich mit dem Rücken dazu.

Das Photo gefällt mir nicht.

Ich erinnere mich noch an dieses Shooting.

Es muss vor etwa einem Monat gewesen sein und es war an diesem Tag schrecklich heiß in Los Angeles.

Der Anzug war aber schon für die Herbstsaison gedacht und dementsprechend verarbeitet.

Ich habe mich halb zu Tode geschwitzt in dem dunklen Angoragewebe!

Außerdem hat es entsetzlich gekratzt!

Grauenhaft!

Trotzdem scheint man mit dem Ergebnis ja einigermaßen zufrieden gewesen zusein.
 

Wenig später öffnet sich die Tür und eine junge Journalistin, die mit Blondierung und dauergewellten Korkenzieherlocken ihre japanischen Gene zu negieren versucht, wuselt hinein, hockt sich auf den mir gegenüberliegenden Stuhl und packt mit zittrigen Händen ihr Diktiergerät aus.

Ein nervöses Lächeln erscheint auf ihren Lippen, als sie mich das erste Mal seit ihrem Eintreten ansieht.

„ It´s a vely big honoul to see you in leality, Mistel Somna!“

Sagt sie etwas holprig, lächelt aber tapfer. Offensichtlich fühlt sie sich in der englischen Sprache nicht sehr wohl.

Die Arme tut mir leid.

„Oh! Please, let us speak Japanese! Ich bin so froh wieder einmal hier zusein!“

Ich hoffe, dass das Interview auf Japanisch entspannter ablaufen wird.
 

Und ich sollte recht behalten.

Diese Journalistin ist ein kluges, witziges Mädchen und es machte fast Spaß mit ihr zu reden. Auch wenn die Fragen die sie stellte, die gleichen waren wie in jedem anderen Interview.

Nun sitze ich wieder in meinem nach Wohlstand stinkenden Zimmer und warte, dass die Zeit vergeht.

Früher hätte ich in diesem emotionalen Zustand bestimmt schon zwei Flaschen starkes Zeug in mich hineingeschüttet!

Aber seit ich Model bin, trinke ich kaum noch.

Anfangs war es schwer, aber ich stand es durch, weil ich erfolgreich sein wollte.

Jetzt muss ich allein mit der Einsamkeit zurecht kommen.
 

Ich hab getrunken, geraucht und gebetet, hab dich flussauf- und flussabwärts gesucht.
 

Mein Schädel pocht.

Vielleicht sollte ich mal aus diesem stinkenden Hotelzimmer raus und einen Spaziergang durch Tokio machen.

Ich nehme keine Tabletten.

Selbst von normalen Aspirin kann man abhängig werden und wie das endet habe ich schon oft bei Kolleginnen und Kollegen gesehen.

Ich habe genug Energie darein investiert, von Flasche und Kippe loszukommen.

Da ist die Perspektive, mit einer weiteren Sucht kämpfen zu müssen, nicht gerade eine Verlockung.
 

Ich sollte, wie ich mich tarnen kann, um auf der Straße nicht von einer Meute Paparazzi und Fangirlies verfolgt zu werden.

Sonnebrille und Schirmmütze würden nun wahrscheinlich eher verdächtig wirken.

Und darauf scharf, Gorillas mit der Pumpgun im Anschlag hinter mir herzuschleifen, bin ich auch nicht wirklich.

Nichts gegen meine Bodyguards! Sie sind echt nett und lustig und gar nicht so blöd, wie es von diesem Berufsstand immer erzählt wird.

Aber ich möchte jetzt eigentlich alleine sein.
 

Als ich einen meiner fünf Koffer öffne fällt mir eine weißblonde Perücke entgegen.

Okay, warum nicht mal die `Ich bin einen dummer, amerikanischer Tourist und finde alles, was älter als fünfhundert Jahre alt ist, incredable cute´- Masche!
 

Meine Jeans weicht einer olivgrünen Baggypants im HipHop-Stil.

Früher trug ich diese Baggys oft.

Sie sind weit und hüllen meinen Körper ein ohne ihn unnötig zu berühren.

Im Gegensatz dazu sind die engen Jeans und Stoffhosen, in die ich mich von Berufs wegen zwängen muss, schrecklich unbequem!

Trotzdem werde ich wohl auch in der Freizeit größtenteils weiter bei meinen enganliegenden Hosen bleiben.

Sie sind schlicht und einfach ästhetischer.
 

Mein Hemd landet auf dem Bett und ich entscheide mich zu einem weißen unförmigen Kapuzenpullover aus San Francisco, der mir mindestens drei Nummern zu groß ist.

Der große, blaue Aufdruck des örtlichen Footballteams auf der Rückseite ist durch die tiefen Falten, die er aufgrund meiner mangelnden Fülle schlägt kaum zu erkennen, als ich mich im Schrankspiegel betrachte.

Auf der Vorderseite erweckt die riesige, ausgebeulte Bauchtasche, den Eindruck, ich hätte einen Bierbauch.
 

Gemeinsam mit den gigantischen, schmutzig weißen Turnschuhe mit neongrünen Schnürsenkeln, die ich selbst verständlich nicht schnüre, komme ich mir irgendwie vor wie irgendein Typ aus der Bronx.

Nein dazu passt es nicht, wenn ich alles ìncredable cute´ finde.

Schade. Wäre mal lustig gewesen!

Die blonde Perücke im `modischen´ Pottschnitt wandert auf meinen Kopf und ich stopfe meine roten Haare darunter.

Anschließend verschwinde ich im Bad.
 

Doch jetzt tut’s nicht mehr weh!

Nee, jetzt tut’s nicht mehr weh!

Und alles bleibt stumm und kein Sturm kommt auf, wenn ich dich seh’.
 

Seit ich mich für den Job als Model so gut wie täglich geschminkt werde, habe ich mir auch selber einige dieser Techniken angeeignet.

Unter anderem kann ich inzwischen auch meine Augenbrauen mit verschiedenen Pinselchen aufhellen und durch entsprechendes, unauffälliges Make Up im Augenbereich, meine Augen eher braun als rot erscheinen lassen.

Mit einem feinen Pinsel, diversen Farbecremes und einem etwas zweckentfremdeten Haarlack zaubere ich mir einen unreinen, fett glänzenden Teint ins Gesicht.
 

Als ich fertig bin und mich im Spiegel betrachte, schaut mir ein Fremder entgegen.

Ich muss etwas lachen, als ich daran denke, was manche Fangirlies sagen würden, wenn sie mich so sehen würden.

Aber ich lass es dann schnell.

Die durch das Lachen hervorgerufenen Erschütterungen, mag mein Kopf gar nicht!

Jetzt habe ich es eilig.

Diese ganze Maskerade hat schon mehr als genug Zeit gekostet!

Ich laufe zum Telefon und benachrichtige schnell Mike, dass ich kurz rausgehe.

Er versucht es mir auszureden, aber ich lege einfach auf und stecke mir hastig Geldbeutel und Handy in die Tasche.
 

Unten in der Lobby starrt mich die Frau an der Rezeption befremdet an, als ich ihr meinen Zimmerschlüssel zur Aufbewahrung reiche.

Sie zieht ihre zu einem Strich gezupften Augenbrauen skeptisch hoch und will schon den Sicherheitsdienst rufen, da erscheint Mike keuchend aus dem Gang, der in das hoteleigene Restaurant führt.

Eine Augenblick sieht er sich suchend um, dann geht er schnurstracks auf mich zu.

„Kiyo! Wo willst du hin! Noch dazu in diesem Aufzug!! Bist du denn des Wahnsinns!?“

zischt er leise.

Die Rezeptionistin hört es trotzdem und hängt nun den Schlüssel weg.

„Ist doch klar! Ich will spazieren gehen. Schon vergessen, dass ich hier in Tokio aufgewachsen bin? Und `dieser Aufzug´ wirkt gut! Diese Dame hier hat mich jedenfalls eben nicht erkannt.“ Rechtfertige ich mich flüsternd und auf die Frau hinter der Theke deutend.

Jene nickt.

„Und jetzt lass mich gehen, sonst ist es nachher ganz dunkel. Ich denke nicht, dass ich lange weg bin. Geh du doch eben einen Kaffeetrinken oder so.“

Bevor mein Manager auf die Idee kommt mich aufzuhalten, verlasse ich mit einem freundlichen Nicken in Richtung der Frau an der Rezeption das Hotel.
 

Es ist vorbei, bye-bye Junimond!

Es ist vorbei, bye-bye!
 

Blaue Sommerluft durchströmt meine Lungen.

Draußen dämmert es schon und die große Einkaufstraße, die von meinem Hotelfenster aus gesehen habe, liegt verlassen da.

Die wenigen Menschen, denen ich begegne, würdigen mich keines Blickes sondern sind gedanklich schon am heimischen Esstisch über einem Teller Reis mit Fleisch.

Nur ein Conviniencestore an der Ecke und ein Buchladen direkt gegenüber haben noch auf.

Ein paar Schülerinnen in veilchenblauer Matrosenuniform stehen dort und sichten das dortige Mangaangebot.

Im Laden gegenüber sortiert eine junge Frau roten Stöckelschuhen Kartons mit Fertignudelsuppen in das entsprechende Regal.

Japan.
 

Um die großen Schuhe nicht zu verlieren muss ich über das Pflaster schlurfen. Das fühlt sich seltsam an, wenn man ansonsten immer versucht möglichst leichtfüßig zu gehen.

Der stechende Schmerz in meinem Kopf ist nicht verschwunden.

Trotzdem mache ich mich auf den Weg zur Straßenbahn.

Meine Jahreskarte ist inzwischen schon lange abgelaufen, also bin gezwungen eines der sündhaft teuren Tickets für eine Einzelfahrt zu erstehen.

Naja, inzwischen kann ich’s mir ja leisten.

Ich setze mich auf einen der wenigen Sitzplätze und werde sofort von einer älteren Frau mit Knoten missbilligend gemustert.

Soll sie doch. Sieht selber nicht besser aus!

Vor den Fenster des Zuges wird es immer dunkler.

Hochhäuser, kleinere Tempelanlagen und vereinzelte Kiefern rauschen vorbei.
 

Doch jetzt tut’s nicht mehr weh!

Nee,jetzt tut’s nicht mehr weh!

Und alles bleibt stumm und kein Sturm kommt auf,wenn ich dich seh’!
 

Wie von einer Schnur gezogen, steige ich bei der Haltestelle die nahe bei meiner alten Schule liegt.

Der Schulhof ist mit einem großen Tor abgeschlossen. Das gab es noch nicht, als ich nach Downtown ging.

Vielleicht gab es Stress mit Jugendlichen die dort Gerüchten zufolge immer ihre feuchtfröhlichen Partys gehalten hatte.

Ich gehen an der Mauer entlang um das Gelände herum.

Neben dem hohen Maschendrahtzaun vom Sportplatz haben sie einige Bäume gefällt und ich kann erkennen, dass in einer Ecke zwei neue Pingpongplatten aufgestellt worden sind.
 

Meine Schritte führen mich zu dem öffentlichen Park, der hinter der Schule beginnt.

Inzwischen ist es vollständig dunkel und über mir beleuchten Millionen und Abermillionen kleiner Sterne den samtschwarzen Sommerhimmel.

Hier unten auf der Erde sind es einige flackernde Straßenlaternen die die verlassene Grünfläche beleuchten.

Und einige kleine Glühwürmchen die sich in der Mitte des Parks um ein kleines Bassin versammelt haben.

Früher bin ich öfters mit meinen Klassenkameraden während der Pausen hierher gekommen.

Uotani, Hanajima, Toru natürlich, Yuki und ich hatten hier so manches Mittagessen eingenommen. Später, als sie ebenfalls auf diese Schule kamen, gesellten sich des Öfteren Momiji und Haru zu uns.

Die Park hat eine seltsame Wirkung. Er macht so friedlich!

Schon damals war es so, dass es innerhalb des Parks nie zu Streits kam, höchstens zu kleineren Stichelein.

Und das war bei mir und Yuki ein wahres Wunder.
 

Es ist vorbei, bye-bye Junimond

Es ist vorbei, es ist vorbei, bye-bye
 

Auch jetzt fühle ich, wie diese friedliche Schläfrigkeit in meine Knochen kriecht.

Die durchwachten Nächte der letzen Zeit scheinen auf einmal ihren Tribut zu fordern.

Ich beschließe mich einen Augenblick auf die kleine Grasfläche zu legen, die eingerahmt durch dichte Büsche, damals unserer bevorzugter Lagerplatz gewesen war.

Man ist dort wunderbar geschützt und abgeschottet von der umgebenen Stadt.

Es riecht nach Erde und trockenem Gras.

Einige Zikaden machen irgendwo in den Bäumen einen Heidenlärm und das leise Rauschen der Schnellstraße, circa zehn Minuten Fußweg von hier, klingt wie das Meer.

Über mir glitzern die Sterne und aus Spielerei beginne ich sie zu zählen.

Irgendwann werden mir darüber die Augenlider so schwer, dass ich sie nicht mehr offen halten kann und meine Gedanken verschwimmen im nahenden Schlaf.
 

Es ist vorbei, bye-bye Junimond

Es ist vorbei, es ist vorbei, bye-bye
 


 


 

Dieses Kapitel ist Herrn Hayashi aus Hannover gewidmet, der mich mit seiner Katanavorführung vor dreizehn Jahren das erste Mal in Kontakt mit der japanischen Kultur brachte und mich dafür begeisterte!

Er wird es zwar höchst wahrscheinlich nicht lesen, aber trotzdem.

Arigatou, sensei!!



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Von:  Elliiy
2006-09-09T13:05:37+00:00 09.09.2006 15:05
wie schön, ach...*sniff* kyo du bist wudnerschön! *fangirlyhaft benehm*

naja...armer kyo...irgendwie...ich weiß nicht...das past nicht zu ihm, sein job, aber, es würde sicher toll uassehn

~den eintrag musst du nicht verstehen, ich verstehe ihn selbst nicht
Von:  Azazel_Il_Teatrino
2006-09-08T13:17:00+00:00 08.09.2006 15:17
klasse!!^^ ich find dein kapi supi! *smile* die beiden vor mir haben absolut recht... man kann ruhe geradezu spüren... und kaos empfindungen auch irgendwie...
ich hoffe es folgen noch mehr tolle kapitel...^^
greets
nazue
Von: abgemeldet
2006-08-22T13:25:25+00:00 22.08.2006 15:25
Wow, dieses Kapitel ist wirklich gut. Sonny hat recht, es ist so schon ruhig und wirkt irgendwie sehr harmonisch.
Kyos Abneigung gegenüber den künstlichen Gerüschen im Hotelzimmer hat mir sehr gut gefallen. Man könnte das ganze dauraf üertragen, dass er unechte Dinge einfach hasst und das Natürliche schöner findet ;)
Bin mal gespannt ob ihn jemand im Park findet
Von:  Syn
2006-08-20T05:36:21+00:00 20.08.2006 07:36
Ich mag dieses kapitel.. irgendwie sogar mehr wie die anderen.. das hat so was ruhig fesselndes... und noch etwas mehr was ich nun nicht zu beschreiben vermag.. wirklich gut... weiter so~


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