3.Kapitel
3.Kapitel
Toshi sah verärgert zum Fenster raus. /Nun fängt das wirklich an zu
schneien!/ Der Wetterbericht hatte für heute den ersten Schnee angesagt und
tatsächlich: es schneite.
Doch für Toshi hieß das, dass er sein geliebtes Motorrad über Winter in die
Garage stellen musste. Seine Mutter war strikt dagegen, dass er bei Schnee
und Eis draußen herumfuhr.
Seine Laune sackte immer weiter ab. Seit der Party bei Nadja hatte er sich
ein wenig von Haji distanziert. Er nahm ihn kaum noch in den Arm und bemühte
sich seine Gefühle nicht in seinen Worten anklingen zu lassen. Doch mit
diesem Verhalten machte er den Kleinen ziemlich unglücklich. Er wusste ja
nicht, was los war.
/Es tut mir leid Tori-chan, aber ich ertrag einfach deine Nähe
nicht....nicht so. Nicht wenn ich dir nicht sagen darf, was ich fühle...
Glaub mir, es ist bestimmt besser so...hoffe ich.../
"Toshi?" "Was ist, Mama?" "Haji hat gerade
angerufen. Holst du ihn bitte vom Eislaufen ab. Papa und ich wollen heute
abend ins Theater. Es könnte spät werden" "Und der
Schnee?" "Sieh es als Abschlussfahrt." "Danke
Mama!" Er gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange während er schon
in Gedanken seine Schlüssel suchte. "Aber denk dran..."
"Jaaaa! Ich fahr vorsichtig!!!!"
Blauer Zigarettenqualm stieg in den sternenbedeckten Abendhimmel auf. Toshi
versuchte sich ein wenig an seiner Zigarette zu wärmen. /Kaum Leute hier.
Ist ja auch klar... die machen lieber Weihnachtseinkäufe anstatt sich auf
der Eisfläche was abzufrieren./ Es war furchtbar kalt und immer noch nichts
von Haji zu sehen.
/Im zu spät kommen ist er ja echt klasse!/ Endlich sah er zwei Gestalten
über den fast leeren Parkplatz der Eissporthalle laufen. Zuerst wollte er
sie rufen, doch dann stockte er.
"He Haji-kun! Sag doch mal was! Den ganzen Nachmittag starrst du nur
vor dich hin und sagst kaum ein Wort. Was ist denn los?" "Wegen
Toshi..." "Was kannst du denn dafür, wenn dein Bruder rumspinnt?
Der kriegt sich schon wieder ein. Lass dir davon nicht die Laune
verderben!" "Er ist seit der Party so...hab ich vielleicht
irgend etwas gesagt, was ihn verletzt haben könnte?" "Hör
endlich auf dir Gedanken zu machen! Mann! Seit Wochen ist mit dir nichts
mehr anzufangen! Ich schlag vor, du stellst ihn heute abend mal zur Rede.
Dann muss er mit der Sprache rausrücken!" "Vielleicht hast du
recht.... Ich glaub das mach ich."
Er schloss die Augen und atmete die schöne kalte Winterluft ein. Plötzlich
spürte er wie weiche Lippen seine flüchtig streiften. Als er die Augen
aufriss, sah er Nadja vor sich stehen, die Wangen leicht gerötet.
"Lach mal wieder, ja!....Gute Nacht!" Ehe Haji etwas sagen
konnte, wandte sie sich um und verschwand in der Dunkelheit. Ein wenig
unsicher blieb er noch stehen. /Warum hat sie mich geküsst?/
Schnell drehte sich Toshi wieder um. Sein Herz krachte schmerzhaft gegen
seinen Brustkorb. Was war nur los? Damit hatte er doch rechnen müssen. War
doch logisch, dass die zwei nicht NUR gute Freunde waren.
'Wir sind nur Kumpels...' /Warum hast du gelogen, Tori-chan? Ich hätte dann
doch nie.../ Es tat weh. Nicht nur, dass er ihn vermutlich angelogen hatte,
nein, Toshi war immer noch in den Kleinen verliebt. Er hatte es nicht
geschafft seine Gefühle für ihn abzutöten. Tränen sammelten sich in seinen
Augen. /Verdammt! Ich darf nicht heulen! Wenn Haji das sieht..../
"Toshi?"
Flüchtig wischte er sich über sein Gesicht und drehte sich dann um.
"Ich wusste gar nicht, dass du schon da bist." "Tja, hab
mich halt beeilt." /Ich wäre lieber später gekommen.../
"Was ist los mit dir?" Toshi schrak zusammen. "W-wieso?
Was soll denn los sein?" Der Kleine sah ihn traurig an. "Du hast
geweint. Warum?" "Quatsch! Das macht die kalte Luft." Haji
schüttelte ungläubig den Kopf.
'Ich schlag vor, du stellst ihn heute abend mal zur Rede...' Nadjas Worte
geisterten ihm durch den Kopf.
"Was ist mit dir los, Toshi?" "Was soll denn los
sein?" Er tat so, als wüsste er nicht was der Kleine meinte.
"Seit der Party bei Nadja verhältst du dich so komisch... Hab ich dich
irgendwie verletzt oder verärgert?" "Nein..." Toshi sah zu
Boden. "Was ist es dann?" "Es ist nichts! Du bildest dir
das nur ein." Er grinste ihn an.
/Bitte zwing mich nicht ES zu sagen.../ "Komm, lass uns gehen! Es
wird langsam echt kalt." Mit diesen Worten wandte er sich zum gehen,
doch Haji hielt ihn an der Schulter fest und zog ihn herum, so dass er ihn
ansehen musste. "Bitte sag mir was mit dir los ist. Du bist so kühl
geworden... Was hab ich dir getan, dass du mich so behandelst?" Die
Stimme des schwarzhaarigen Jungen klang erstickt, Träne glitzerten in seinen
Augen.
/Bitte nicht! Zu viele Tränen haben schon deine schönen Wangen benetzt,
Tori-chan. Ich will keine weiteren verschulden.../ Toshi hatte das Gefühl
einen riesigen Kloß im Hals zu haben, der ihm am Sprechen hinderte.
"Ich kann es dir nicht sagen..." Die Worte waren nur geflüstert
doch Haji verstand sie. "Bitte sag es, ganz egal was es ist!"
"Du willst es wirklich wissen...?" "Ja..."
Erschrocken riss Haji die Augen auf, als Toshi ihn küsste, doch er stieß ihn
nicht weg. /Er küsst mich.../ Ein wahnsinniges Kribbeln durchströmte seinen
Körper. Er spürte warme Hände seine Taille hinabwandern. Sein Herz schlug
unüberhörbar laut.
Langsam löste er sich von Haji. "Ich liebe dich..." hauchte er
ihm leise ins Ohr und verursachte so bei dem Jungen eine unglaubliche
Gänsehaut. Dann drehte er sich weg und blickte zu Boden. Haji stand immer
noch regungslos da, unfähig sich zu bewegen.
"Es tut mir leid...vergiss es einfach...Ich fahr dich jetzt nach
Hause, ja?"
Die Starre wich aus Hajis Körper. Wortlos nickte er.
Toshi schwang sich auf sein Motorrad. Der Kleine stand neben ihm und sah ihn
fragend an. /Verdammt!/ Endlich stieg auch Haji auf. Ein wenig zitternd
legte er seine Arme um die Taille des dunkelblonden Jungen. Sie fuhren los.
Leise quietschend öffnete sich die Haustür als die beiden Jungen eintraten.
Toshis Eltern waren schon weg. /Vielleicht besser so. Sie würden doch nur
Fragen stellen./ "Gute Nacht, Tori-chan. Bitte verzeih mir, was ich
getan habe..." Schnell ging er die Treppen hinauf und schloss seine
Zimmertür hinter sich.
Haji stand schweigend im Flur. Erst jetzt schienen seine Gedanken
zurückzukehren. Ein Kuss, sanfte Berührungen, 'Ich liebe dich '... Sein Herz
begann wieder zu klopfen.
Darauf achtend keine Lärm zu machen, schlich er die Treppe hinauf. Mit jeder
Stufe jagten ihm tausend Gedanken durch den Kopf. In seinem Zimmer
angekommen, warf er sich auf sein Bett und starrte an die Decke.
'Ich liebe dich ' Diese Worte beherrschten seinen Sinn. /Liebe... Tust du
das wirklich, Toshi? Aber das geht doch nicht! Wir sind doch fast Brüder!
Was würden Kaasan und Papa dazu sagen?/ Haji seufzte. Es war an der Zeit
sich etwas einzugestehen. Kribbeln im Bauch, eine wundervolle Wärme, die
sein Herz erfüllte....und das alles nur wenn er mit Toshi zusammen war.
Hatte er sich in ihn verliebt? War es das, wovor er sich gefürchtet hatte?
Gefürchtet davor ausgelacht, zurückgewiesen zu werden...
/Ich...liebe...ihn.../ Zum ersten Mal ließ er diesen Gedanken in sich
aufkommen. Immer wieder hatte er sich gesagt, dass seine Gefühle nicht mehr
seien, als die Gefühle für einen großen Bruder, aber... /Aber es ist nicht
nur dieses kleine Gefühl... es ist mehr.../ Ein unbeschreibliches
Glücksgefühl breitete sich in ihm aus. "Ich liebe ihn..." Leise,
kaum hörbar kamen dies magischen drei Worte über seine Lippen. Doch das
Glück wich jäh der Traurigkeit als er sich an Toshis Gesicht erinnerte. Ihm
war scheinbar fast zum heulen zumute gewesen als er ihm gebeten hatte, zu
vergessen, was geschehen war. Doch Haji wollte nicht vergessen.
Langsam richtete er sich auf und verließ sein Zimmer.
Toshi lag genau wie Haji auf seinem Bett. Schlafen konnte er nicht. /Ich
Idiot! Warum hab ich das nur getan? Warum hab ich den Kleinen nur so
durcheinandergebracht? Es hat doch sowieso keinen Sinn./ Nun war doch
eingetreten, was er befürchtet hatte. Haji würde ihn bestimmt nie mehr in
seine Nähe lassen. Nichts würde mehr so sein wie bisher. Er hatte alles
kaputt gemacht.
Erschrocken sah er zur Tür. Haji stand dort, die Wangen leicht gerötet.
"Ich...äh... ich wollte nur..." Toshi richtete sich ein wenig
auf und sah ihn fragend an. Der zierliche Junge nahm allen Mut zusammen und
ging auf Toshi zu. Er beugte sich über den blassen Jungen und küsste ihn
sanft. Toshi befürchtet sein Herz könnte aussetzen. "Ich liebe dich
auch." Er wollte seinen Ohren nicht trauen. Hatte Haji das eben
wirklich gesagt??! Sprachlos sah er den Jungen über sich in die dunklen
Augen. Haji errötete noch mehr. "Sag doch was..." bat er Toshi
flüsternd. Doch dieser fühlte sich außer Stande etwas zu sagen. Statt dessen
gab er ihm einen langen Kuss. Haji erwiderte ihn ein wenig schüchtern.
"Ich kann kaum glauben, dass das kein Traum sein soll..." Toshi
ließ seine Hände durch das seidige schwarze Haar streichen.
"Aber...was ist mit Nadja?" "Was soll mit ihr sein?"
"Na ja...ihr habt euch doch geküsst." Haji lächelte verlegen.
"Um genau zu sein, hat sie mich geküsst. Warum weiß ich nicht...
Vielleicht hat sie sich nur Sorgen gemacht, weil ich so traurig war."
"Wegen mir?" "Ja. Aber jetzt nicht mehr." Glücklich
ließ er sich in Toshis Arme sinken. "Das hätte ich nie
gedacht..." "Was?" Braune Augen sahen ihn fragend an. Er
gab ihm einen Kuss auf die Nasenspitze. "Das ich einmal hier mit dir
liegen würde." Haji wurde ein wenig rot. "Es ist egal ob man ein
Mädchen oder einen Jungen liebt. Es ist doch das Schönste auf der
Welt..." "...geliebt zu werden.
Ich weiß. Und ich liebe dich über alles in der Welt, aber trotzdem bin ich
dein..." "Nicht!" Haji legte ihm einen Finger auf die
Lippen. "Sag es nicht! Lass uns einfach alles vergessen. Mich
interessiert die Welt nicht. Ich bin nur glücklich hier bei dir zu
sein." Eng schmiegte er sich an den Körper des Jungen, der noch vor
ein paar Minuten sein Cousin gewesen war. Und nun? Er wollte ihm einfach nur
so nah wie möglich sein. Toshi schlang seine Arme um ihn. Diese Wärme zu
spüren... Sein Traum war wahr geworden.
"Aber was sagen wir Mama und Papa? Sie werden ausrasten!" Haji
wurde ein wenig traurig. "Ich möchte ihnen lieber nichts sagen...Sie
würden es doch sowieso nicht verstehen. Wer weiß ob sie uns dann irgendwie
trennen würden..." "Das würde ich nie zulassen!" Toshi
lächelte ihn an. War das wirklich Realität? Vor ein paar Minuten noch war er
todunglücklich gewesen und jetzt? Er drückte den Kleinen fest an sich um
sich zu davon zu überzeugen, dass das hier wirklich geschah. Haji hatte die
Augen geschlossen und atmete ruhig.
/Das war wohl heute etwas zu viel für dich gewesen, Tori-chan./ Doch auch
ihm fielen langsam die Augen zu.
Friedlich und eng aneinandergekuschelt waren sie eingeschlafen.
Panisch riss Toshi die Augen auf und suchte seinen Wecker. /Oh Gott!!! Schon
halb 10!!!/ Seinen Eltern waren 100%ig wieder da. Was war wenn sie
mitbekommen hatten, dass Haji heute nacht bei ihm geschlafen hatte?
In seinem Gedankenchaos fiel ihm keine vernünftige Begründung ein.
Neben ihm wachte langsam Haji auf. "Was ist denn los?...Oh!"
"Was denn?" Der Kleine drückte sich fest an ihn. "Ich
dachte, ich hätte das alles nur geträumt..." Toshi musste lächeln.
Sanft gab er ihn einen Kuss auf die Wange. "Du hast nicht geträumt,
aber wenn Mama und Papa wirklich nichts mitbekommen sollen, müssen wir uns
eine gute Ausrede einfallen lassen, warum du hier und nicht in deinem Zimmer
bist!" "Oh oh... Vielleicht sind sie ja noch nicht wach."
"Hoffen wir's!"
Das Glück schien auf ihrer Seite zu sein, denn Toshis Eltern waren nirgends
zu sehen. Haji schlich sich ins Bad während Toshi unten in der Küche
Frühstück machte. Nach ein paar Minuten hörte man auf dem oberen Flur
schwere Schritte - Herr Norika war aufgestanden.
Haji war mittlerweile auch in der Küche und half Toshi. "Guten
Mooooorgen!" gähnte er zur Begrüßung.
"' Morgen Papa!" kam es von den beiden Jungen. "Es ist
gestern....äh, wohl doch eher heute....'etwas ' spät geworden. Mama wollte
unbedingt noch mal nachsehen ob ihr 'auch wirklich schlaft ', aber ich hab
sie erfolgreich davon abgehalten. Es muss ja wirklich nicht sein, dass sie
euch nachts um 3 noch mal aufweckt. Wer weiß, wann ihr ins Bett gegangen
seid, na???" grinste er sie an. " Och eigentlich gar nicht so
spät..."
/Papa wenn du wüsstest...du würdest uns vermutlich den Hals umdrehen!/
Toshi und Haji warfen sich einen vielsagenden Blick zu.
Es gibt nun mal Dinge auf der Welt, die Eltern besser nicht wissen sollten.
"Übrigens sind Mama und ich gestern von den Schneiders eingeladen
worden. Wir sollen das Wochenende vor Weihnachten mit ihnen in ihrer
Skihütte in den Alpen verbringen." Herr Norika schnappte sich noch ein
Brötchen. "Toll! Habt ihr schon zugesagt?" Toshi fand die Idee
gar nicht schlecht. Ein Wochenende nur zu zweit!
"Neee, Mama wollte euch vorher noch fragen..." "Ist ja
auch so! Wir können euch doch nicht einfach so alleine lassen! Was ist wenn
was passiert? Oder euch langweilig wird." /Langweilig bestimmt nicht!/
Haji musste sich das Grinsen verkneifen. "Kaasan! Wir sind doch keine
Babys mehr. Zur Not haben wir ja Papa's Handynummer und die Telefonnummer
der Polizei und der Feuerwehr kann ich auch auswendig." "Werd
mir ja nicht frech! Na gut. Ich glaub nicht, dass ihr Unsinn anstellt. Aber
veranstaltet mir ja keine Riesenpartys, verstanden?"
"Versprochen."
Toshi zog Haji mit in sein Zimmer. "Sollen sie doch ruhig fahren. Ich
hab hier alles was ich brauch." Mit diesen Worten küsste er den
schwarzhaarigen Jungen lange und intensiv.
"Meinst du nicht, dass sie es irgendwann rauskriegen werden? Was
werden sie dann tun?" Haji schaute traurig drein und löste sich
vorsichtig aus Toshis Umarmung.
/Ja, was dann...?/ Dieser Gedanke war ihm heute morgen auch gekommen, aber
trotzdem bereute er nichts. "Ich weiß nicht, was dann passiert, aber
ich möchte bis dahin jeden Moment mit dir genießen. Denk nicht darüber nach!
Ich bleib auf jeden Fall bei dir." "Das ist schön." Haji
schloss die Augen und ließ sich in den Arm nehmen.
/Trotzdem wünsche ich mir, dass dieser Tag nicht so schnell kommt.../