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Liebe, Leid und Leben

Mamorus Jugend
von

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Ein wenig verloren stand Mamoru auf dem Campus der Moto-Azabu-Oberschule. Andere Schüler gingen an ihm vorbei, lachend, redend, sich streitend. Er ignorierte sie. Ihn quälte momentan nur ein Gedanke:

<Was erwartet mich heute?>

Er hatte nicht vergessen, was Chikara ihm gestern gesagt hatte. Er würde jetzt wahrscheinlich sehnsüchtig auf Mamoru warten. Vermutlich würde seine Rache furchtbar sein, nachdem Mamoru ihn immerhin erpresst hatte.

Nach einem schweren Seufzer fuhr sich Mamoru durch die schwarzen, kurzen Haare, an die er sich noch immer nicht recht gewöhnt hatte. Er warf, wie schon so oft in den letzten Augenblicken, erneut einen Blick auf die riesige Uhr, die hoch oben am Hauptgebäude befestigt war. Ihm blieben noch einige Minuten, und er müsste sich nicht mal beeilen, aber er bewegte sich dennoch keinen Millimeter.

Er steckte die Hände in die Taschen seines Jacketts und zog den Kopf ein, als ein eisiger Wind um seine Ohren pfiff. Inzwischen war es Freitag der 1. März, aber saukalt war es nichtsdestotrotz. Er wäre zwar lieber hier draußen stehen geblieben und erfroren, als das Gebäude zu betreten und Chikara in die Arme zu laufen, aber was hatte er denn groß für eine Wahl?

Er wusste genau, dass er sich langsam mal in Bewegung setzen sollte - oh, ja! - er wusste es. Aber sein Unterbewusstsein fand hunderttausend plausible Gründe, es nicht zu tun. Und einer dieser plausiblen Gründe war dieser kleine, eigentlich bedeutungslose, uralte Einkaufszettel, den er in der Tasche seines Jacketts fand, und den er unbedingt noch in den Mülleimer werfen musste, bevor er das Schulgebäude würde betreten können. Das war lebensnotwendig! Zumindest gaukelte ihm das sein Unterbewusstsein vor...

Also ließ er seine Blicke über den Schulhof wandern. Er war von Mülleimern nur so umringt - aber natürlich wählte er den aus, der am weitesten von ihm entfernt lag. So schlenderte er also endlich gemächlich los. Bei dieser Gelegenheit wurde er gleich noch ein paar Fusselchen und Stäubchen los, die er umständlich von seiner Uniform entfernte. Besser so.

Er seufzte mal wieder und fuhr sich zum hundertsten Mal durch die Haare, die einfach nicht richtig liegen bleiben wollten. Besonders eine Strähne ging ihm auf den Keks, die außerordentlich störrisch gen Himmel ragte, statt wie der Rest vom Pony einfach an der Stirn herab zu hängen. Doch er glaubte sich schwach daran erinnern zu können, dass eine ebensolche Strähne auch auf sämtlichen Fotos seines Vaters zu sehen war und dessen Gesicht eine gewisse Einzigartigkeit verliehen hatte. Anscheinend hatte Mamoru selbst das geerbt.

Missmutig wandte er sich zum Gehen um. Länger konnte er unmöglich aufschieben, was kommen musste: die Schulstunde und somit das Treffen mit Chikara. Er lief einige Schritte und hörte dann dieses klatschende Geräusch.

<Hmmm, ein weiterer guter Grund, um die Zeit hier draußen etwas in die Länge zu ziehen?>

Neugierig drehte er den Kopf in die Richtung, in der er das Geräusch vermutete, und tatsächlich! Da stand ein Kerl, vielleicht nur etwas jünger als Mamoru, der sich die Wange hielt und den Blick auf ein Mädchen verdeckte, die schräg hinter ihm stand und deren Hand vom Schwung immer noch durch die Luft segelte.

Mamoru grinste schadenfreudig. <Hat der Kleine Ärger mit seiner Freundin?>

Der Kerl fing an, wie ein Rohrspatz zu schimpfen. Irgendwas von wegen "bist Du übergeschnappt?" und "Du hast sie wohl nicht mehr alle!?"

Dann trat er einen großen Schritt zur Seite und gab endlich den Blick auf seine vermeintliche Freundin frei - und Mamoru lief ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter. Da stand Hikari und wehrte sich nach Kräften gegen diesen Typen, der sie trotz der Ohrfeige einfach nicht in Ruhe lassen konnte. Im Gegenteil - sie schien ihn dadurch nur noch mehr aufgestachelt zu haben. Wusste dieser lebensmüde Kerl denn nicht, mit wem sie ging? Und überhaupt! Wo ist Chikara, wenn man ihn mal ausnahmsweise brauchen kann?

Da half nichts, Mamoru musste selber ran und seiner Angebeteten helfen. Dieser Halbstarke da vorne war ihm so oder so kein Problem, den konnte Mamoru noch mit geschlossenen Augen erledigen. Niemand durfte sich ihr nähern, geschweige denn, sie auch nur berühren! So wahr Mamoru ... einfach nur dastand und lächelnd ihre Schönheit bewunderte. Selbst wenn sie so wütend war, wirkte Hikari immer noch so unendlich süß und zart...

Mamoru schüttelte kräftig den Kopf und versuchte, seine Gedanken zu vertreiben. Hikari brauchte seine Hilfe! Achtlos ließ er den Schulranzen fallen und zog sein Jackett aus, rannte dann auf diesen Wichtigtuer zu, der es schon wieder wagte, Hikari zu nahe zu treten, machte einen gewaltigen Hechtsprung auf diesen dreisten Typ und riss ihn meterweit mit sich. Der Kerl wusste noch gar nicht, wie ihm geschah, da wurde er schon an den Jackenaufschlägen gepackt, mit Wucht gegen den nächstbesten Baum gedrückt und von einem finster dreinblickenden Mamoru angestarrt.

"Was zum Teufel willst Du hier?", knurrte er böse.

Der Andere wurde bleich im Gesicht, sah abwechselnd Mamoru und Hikari an und schluckte heftig.

"Rede endlich, Du Mikrobenhirn! Ich hab nicht alle Zeit der Welt!", schnauzte Mamoru den immer blasser werdenden Jungen an, der vor Schreck völlig vergessen hatte, sich zu wehren.

"N- ... n- ... nichts ... e- echt ... gar nichts...", stotterte der Kerl hilflos. "I- ... ich w- ... wusst nich, dass D- ... Du schon i- ... ihr Fr- ... Freund bi- ... bi- ... bist..."

"Ach, verschwinde, Du Stück Dreck!"

Mamoru versetzte dem zitternden Häuflein Elend einen heftigen Stoß, und als der Typ sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte, rannte er los, als sei der Leibhaftige hinter ihm her.

Tief durchatmend versuchte Mamoru, sich wieder zu sammeln. Sofort meldete sich sein Gewissen und tat empört kund, dass er sich total daneben benommen hatte. Doch schon zwei Sekunden später obsiegte der Gedanke:

<Wau! Dem Kerl hab ich's aber gegeben! Der macht sich so schnell nicht mehr an sie ran!>

Ach ja, da war doch was...

Mamoru drehte sich herum, hob Hikaris Tasche auf, reichte sie ihr und fragte:

"Hat der Dir irgendwas getan?"

Sie nahm die Tasche entgegen und antwortete:

"Nöh, Du bist gerade noch rechtzeitig gekommen. Danke, Mann. Der Typ is mir vielleicht auf die Nerven..."

Weiter sprach sie nicht. Denn in genau diesem Moment realisierte sie erst, wen sie da vor sich hatte.

"Mamoru? Bist Du das?"

Er grinste.

"Der und kein andrer. Zu Diensten."

Hikari musterte ihn von oben bis unten, blieb dann mit den Augen an seinem Kopf haften, lief einmal um ihn herum, starrte ihn noch einige Sekunden grübelnd an und lächelte schließlich.

"Wow, Du siehst toll aus! Kommst mir gleich viel erwachsener vor, weißt Du das?"

"Was? Wirklich?"

Hikari nickte bestätigend. Dabei fielen ihr einige Strähnen in ihr wunderschönes Gesicht, die sie sich mit den zierlichen, langen, schlanken Fingern wieder zur Seite strich.

Fast schon gierig beobachtete Mamoru jede einzelne ihrer Bewegungen und freute sich dabei wie ein Schneekönig. Er konnte es absolut nicht fassen, er wirkte erwachsener!!! Und er sah toll aus!!! Der pure Wahnsinn!

Mit stolzgeschwelgter Brust stand er da und strahlte. Ganz kurz, nur für einen klitzekleinen Augenblick, wurde er sich bewusst, dass er sich jetzt gerade genau so benahm, wie es Chikara sonst immer tat. Und er bemerkte, dass ihm dieser Gedanke so ganz und gar nicht gefiel. Aber nur ganz kurz. Dann war sein Gehirn wieder ganz woanders.

Bei ihr.

Wo sonst?

Er ging, um sein Jackett und seinen Schulranzen wieder zu holen. Hikari begleitete ihn.

"Warte", sagte sie, "Du hast da was."

Gehorsam blieb er stehen und Hikari fuhr ihm immer wieder über den Rücken, wo etwas Schmutz klebte. Mamoru war bei der kleinen <Meinungsverschiedenheit> von vorhin zusammen mit seinem Gegner über den Boden gerollt und hatte sich dabei natürlich etwas Dreck eingefangen. Eine schier unnatürliche Hitze schien von ihren Fingern auszugehen und sich durch seinen Rücken hindurch im ganzen Körper auszubreiten. So was nannte der Poet wahrscheinlich <ungezügelte Flammen der Leidenschaft> oder so ähnlich. Jedenfalls genoss Mamoru jede einzelne Berührung ihrerseits.

Er konnte der Versuchung einfach nicht widerstehen. Er wandte seinen Kopf zu ihrem um und blickte in die scheinbar unendlichen Tiefen ihrer intensiv smaragdfarbenen Augen. Ihre Augen richteten sich auf seine und blieben an ihnen haften. Es war unmöglich für Mamoru, in ihrem Blick zu lesen. Vielleicht zeigten sie Interesse, vielleicht Verwirrung, vielleicht wollte sie ihn aber nur wieder um den Finger wickeln, wie sie es schon so oft geschafft hatte. Mamoru spürte eine gewisse Spannung zwischen sich und Hikari. Es war fast, als könne sie bis in die tiefsten Geheimnisse seiner Seele sehen, nur indem sie durch seine lapislazulifarbenen Augen blickte wie durch perfekt geschliffene, dunkelblau schimmernde Kristalle.

Mamoru fühlte sich von diesem Blick wie magisch angezogen und Ewigkeiten schienen in Sekunden zu vergehen.

"Hikari...", flüsterte er tonlos.

"Ja?", wisperte sie zurück.

"Ich... ich denke...", stotterte er.

"Scht ... ich weiß, was Du denkst. Ich denke das Gleiche."

"Wirklich?", fragte er ungläubig nach.

Sie nickte.

"Ja", sagte sie, "ich denke auch ... dass wir uns langsam mal beeilen sollten. Sonst fängt der Unterricht noch ohne uns an."

"Hä? Was?" Mamoru musste erst aus seiner kleinen Traumwelt aufwachen, um realisieren zu können, was sie überhaupt gerade gesagt hatte. Sein Blick wanderte hinauf zur großen Uhr, die seelenruhig vor sich hin tickte und gnadenlos die kostbare Zeit der Zweisamkeit verstreichen ließ.

"Oh, ver..." Er ließ den Fluch allerdings unvollendet. Stattdessen sammelte er endlich Ranzen und Jacke auf, klopfte beides vom Staub frei, wandte sich dann zu Hikari um und bot an, ihr die Tasche zu tragen. Sie nahm sein Angebot an, indem sie sich mit einem zauberhaften Lächeln bedankte.

Endlich gingen sie los. Und das gerade pünktlich. Denn auf die Sekunde genau zum Klingeln der Schulglocke schritten die beiden ins Klassenzimmer. Oder vielmehr: Mamoru machte einen höflichen Knicks und ließ die Dame zuerst eintreten. Und nur Sekundenbruchteile später wurde er von einem mürrisch dreinblickenden Chikara begrüßt.

"Was soll das denn werden, wenn's fertig ist, Saftsack?"

Darauf grinste Mamoru nur herausfordernd und antwortete:

"Der Saftsack hat nur gerade Deiner kleinen Schnecke den Arsch gerettet, weiter nichts. Die Einzelheiten wird sie Dir bestimmt mit Freuden verklickern."

Darauf drückte Mamoru seinem perplex keuchenden Gegenüber Hikaris Tasche in den Bauch - natürlich mit viel mehr Wucht, als nötig gewesen wäre - ließ ihn dann eiskalt stehen, ging nach hinten zu seinem Platz und setzte sich neben Motoki, der ihn nur aus unnatürlich geweiteten Augen anstarrte.

"Wer bist Du?", fragte sein blonder Freund ungläubig, "Und was hast Du mit Mamoru gemacht? Raus damit, von welchem Planeten kommst Du?"

Darauf grinste ihn Mamoru frech an. "Vom Planeten der selbstherrlichen, gutaussehenden Machos. Und Du?"

"Ich - kann - das - nicht - glauben!", keuchte Motoki atemlos, "Das ist unfassbar! Mamoru? Bist Du das wirklich? Himmel! Welche gute Fee ist Dir im Schlaf begegnet? Die will ich auch haben!"

Abschätzend musterte Mamoru seinen Freund.

"Ja", meinte er schließlich, "Du hättest es echt nötig."

"Und Dein Sarkasmustank ist auch aufgefüllt, wie ich sehe", brummte Motoki, aber sofort darauf grinste er wieder von einem Ohr zum andren. "Mamoru, was ist bloß mit Dir passiert? Ich muss alles wissen! Alles! Aber..." Er blickte sich um wie ein Spion, der sichergehen wollte, nicht von den Feinden belauscht zu werden. Dann lehnte er sich zu Mamoru rüber und flüsterte:

"...aber nicht hier, und nicht jetzt. Ein paar Kumpels und ich, wir wollen uns heute Abend treffen und zusammen ins <Jugend Rockt> gehen, um mal ein wenig abzuspannen. Morgen ist ja eh Samstag. Also, kommst Du mit?"

Erwartungsvoll sah er in Mamorus dunkelblaue Augen. Dieser nickte begeistert.

"Und wann?"



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Moonprincess
2005-06-12T16:38:48+00:00 12.06.2005 18:38
Mir gefällt deine Geschichte sehr gut, du beschreibst sehr gut Mamorus Emotionen.

Bin ja mal gespannt, wann Mamoru von Hikari die Nase voll hat. Sowas liebloses...
Von: abgemeldet
2005-06-11T07:58:46+00:00 11.06.2005 09:58
Ich mag deine Geschichte nur Bunny fehlt mir. Schreib schnell weiter.
Von: abgemeldet
2005-06-09T19:06:52+00:00 09.06.2005 21:06
So ein Zufall, gerade heute habe ich gedacht, wann wohl der nächste Teil erscheint und voila, da ist er! ^^

Tja Spieglein, spieglein an der Wand....., hat Mamoru letztendlich doch noch ne Chance? Wenn ja, ist seine Angebetete aber ziemlich Oberflächlich, aber gefällt mir das Mamoru nun mal zeigt, das er nicht so ein schwächling ist, Mamoru ist halt der Beste!!!! ^^ Wieder ein Super Kapitel. Ich hätte ja zu gerne Motokis Gesicht gesehen, als er Mamoru erblickte! *lach*

Bis denne *g* ^^


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