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Anime Evolution

Erste Staffel
von

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Vorbereitungen

1.

Dreieinhalbtausend, ging es mir durch den Kopf. Dreieinhalbtausend junge Menschen hatte ich mittlerweile auf OLYMP versammelt. Dreieinhalbtausend, welche die strengen UEMF-Überprüfungen überstanden hatten und unter einundzwanzig oder vom Temporalresonator nicht betroffen waren.

Ich spürte, wie das heiße Wasser der Dusche auf mein Gesicht niederfuhr. Die Duschen im Sportbereich waren sehr hart eingestellt. Genau das, was ich nun brauchte.

Ich hatte zwar eine Dusche in meinem Quartier, aber da kam nur ein erbärmlicher Strahl raus wie bei allen privaten Duschen an Bord des OLYMP. Damit hatten die Konstrukteure verhindern wollen, dass die Glücklichen ihre Duschen über Gebühr strapazierten.

In öffentlichen Bereichen, so hatten die Psychologen argumentiert, war die Hemmschwelle zuviel Wasser zu verschwenden wesentlich höher.

Das hatte mich nicht daran gehindert, nach einem viel zu langen Arbeitstag mitten in der Nacht hierher zu kommen und mich so richtig durchweichen zu lassen.

Außerdem konnte ich so am besten nachdenken.
 

Das Gros der Neuen kam von den Europäern und den Amerikanern. Von Spitzbergen bis Palermo, von Kanada bis Chile hatten die Militärs aufgebracht, was sie an jungen Leuten entbehren konnten. Bei weitem nicht genug. Der zweite große Block stammte von meiner Schule. Über achthundert Schüler hatten sich freiwillig gemeldet.

Ich schämte mich dafür, diese Hilfe angenommen zu haben, zugleich aber war ich sehr stolz auf sie.

Ich hatte ihnen die ersten Tage wirklich zur Hölle gemacht, die Ausbilder angewiesen, ihnen sehr deutlich zu zeigen, was es bedeutet, tot zu sein. Dreckig im Weltall zu sterben.

Lehrfilme von Piloten, die in ihrem Hawk an Unterdruck starben waren ebenso gezeigt worden wie Raumfahrer, die während eines Gefechts aus Lecks in ihren Schiffen gesaugt wurden und dann erbärmlich in ihren Raumanzügen erstickt oder erfroren waren.

Da wirkte der Tod im Waffenfeuer noch geradezu gnädig.

Die jungen Menschen, die vom Militär zu uns gekommen waren, konnte ich damit kaum beeindrucken. Diese verdammten U.S. Marines, über dreihundert frisch ausgebildete Infanteristen hatten die Bilder sogar lustig gefunden, soweit ihre strenge Disziplin so etwas überhaupt kannte.

Aber meine Mitschüler wollte ich schocken, ängstigen. Auf das vorbereiten, was sie erwartete. Egal, ob sie einen Hawk steuerten oder in der Cafeteria arbeiteten. Tot war tot, egal wo man saß, wenn man getroffen wurde.

Keiner hatte bisher den OLYMP wieder verlassen, obwohl ich es jedem frei gestellt hatte.
 

Von den dreieinhalbtausend Freiwilligen hatten achtzig eine militärische Vorbildung für Mechas. Sie ersetzten gerade die Titanen-Bataillone und füllten so gut es ging die Reihen der Hekatoncheiren auf.

Weitere fünfzig hatten viel versprechende Anlagen und wurden von Megumi und den anderen Piloten bis zum umfallen gedrillt.

Ich stützte mich schwer an der Wand ab und atmete tief ein.

Der ursprüngliche Plan hatte vorgesehen, den Mars mit dreiundzwanzig Schiffen anzugreifen. Unter ihnen die drei Kreuzer, von denen ich zwei im kalten Atlantik versenkt hatte.

Aber nun gab es keine Operation dieser Größenordnung. Anstatt zwanzigtausend erfahrene Raumfahrer und rund eintausend Mecha-Piloten, unterstützt von zwei Divisionen Bodentruppen in die Schlacht zu führen würde ich mit einer Notbesatzung für zwei Fregatten der YAMATO-Klasse, einen Zerstörer der MIDWAY-Klasse und das letzte überlebende Schiff der BISMARCK-Klasse auskommen müssen.

Dazu einem Minimum an Mechas und Bodeneinheiten.

An einen funktionierenden Panzerverband, Pioniereinheiten, Artillerie oder sogar Lufteinheiten über die Mechas der UEMF hinaus brauchte ich gar nicht zu denken.

Ursprünglich hatten zwei Staffeln HAWKEYE den Angriff sichern sollen, aber wie zum Henker sollte ich vierzig junge Menschen in nicht einmal einem Vierteljahr auf einem Jet trainieren? Einmal ganz davon abgesehen, dass ich sie woanders wesentlich dringender brauchte.

Wie groß war die Streitmacht, die ich aufstellen konnte? Die KAZE und die YAMATO, die LOS ANGELES, sie wurden gerade für den Einsatz umgerüstet. Die beiden Fregatten würden mit einer Notbesatzung von achtzig Mann auskommen, wenn die zwanzig Mechas nicht bemannt wurden und gewartet werden mussten.

Die LOS ANGELES würde schon ein Minimum an zweihundert brauchen, ebenfalls ohne ihre vierzig Mechas und deren Wartungspersonal.

Und die GRAF SPEE, unser letzter überlebender Kreuzer, er würde minimal dreihundertfünfzig Raumfahrer brauchen, wenn wir auch nur den Hauch einer Chance haben wollten, den Mars zu erreichen.

Ich dachte hier wohlgemerkt über ausgebildete Raumfahrer nach, nicht über das, was wir uns in drei Monaten heran bilden konnten.

Und über die mehr als hundert Mechas, die ein Kreuzer aufnehmen konnte, wollte ich nicht einmal nachdenken.
 

Ärgerlich drosch ich auf die Wand ein. Verdammt, die Verstärkungen reichten gerade einmal aus, um den OLYMP notdürftig am laufen zu halten. Dreieinhalbtausend verrichteten hier den Dienst von fünfzigtausend.

Manchmal, in wirklich schwachen Momenten dachte ich ernsthaft darüber nach, das Risiko einzugehen und den Zeitablauf der Sonde zu beschleunigen, die eine riesige Plattform lahm gelegt hatte. Das Risiko für fünfzigtausend Menschen einzugehen. Zu glauben, dass Taylor mich geblufft hatte.

Oder sie gleich alle zu opfern, damit normales Personal hier seinen Dienst antreten konnte!

In solchen Momenten ärgerte ich mich immer über mich selbst und rief mich einen Riesenidioten. Die Station würde in Blut schwimmen, und all dieses Blut von fünfzigtausend sterbenden Menschen würde an meinen Händen kleben.

Ich starrte meine Hände an. Tatsächlich floss Blut an ihnen herab. Die Wand war härter als meine Knöchel gewesen.

Kraftlos ließ ich mich gegen die Wand sinken und rutschte an ihr herab.

Es war zuviel. Einfach zuviel. Zuviel Verantwortung. Zuviel Arbeit. Zuviel Vertrauen! Ich konnte das alles nicht alleine tragen!

Ich war schwach, einfach nur schwach...
 

Betreten sah ich zu Boden, während der Wasserstrahl weiter auf mich niederprasselte. Ja, das war es wohl. Ich hatte das Kommando an mich gerissen, und nun kam ich nicht mehr damit klar. Ich riss die ganze UEMF in den Untergang und damit die Erde.

Die jungen Menschen, die hierher gekommen waren, weil sie an eine Zukunft geglaubt hatten, die mir vertraut hatten, ich würde sie bitterlich enttäuschen.

Und damit in die Sklaverei führen.

Jene, die nützlich für die Kronosier sein würden, die sich in die neue Gemeinschaft einfügen würden, konnten hoffen irgendwann einmal die Gift zu erhalten. Ihre DNS würde verändert werden und sie würden selbst Kronosier werden. Die neuen Herren.

Aber ich hatte keine Kraft dazu, einfach keine Kraft, das zu verhindern.

Ich hatte nicht genügend Leute, um all die Schiffe zu bemannen, den OLYMP zu verteidigen und auch noch eine Invasion gegen den Mars zu führen.

Und ich würde sie niemals kriegen!
 

Verdammt, es gab über sechs Milliarden Menschen auf der Erde, von denen über ein Drittel unter zwanzig war! Warum konnte es nicht genügend geben? Warum kamen sie nur kleckerweise hier oben an? War das Auswahlverfahren der UEMF so hart? Oder sortierten sie die meisten schon von vorne herein aus?

Gab es nicht genügend Freiwillige? Noch standen wir am Anfang der Ausbildung! Noch hatten wir drei Monate, um unser Bestes zu geben, diese Kids soweit zu bringen, dass sie überlebten und wir mit ihnen siegten.

Noch war es nicht zu spät, sie auszubilden...

Ich zog die Knie an, legte meine Arme auf und vergrub mein Gesicht dazwischen.

Ich kannte die Lösung. Ja, ich kannte sie. Aber ich wollte es nicht tun. Ich wollte und ich durfte nicht. Ich durfte einfach nicht.
 

"Akira?", hörte ich eine Frauenstimme fragen.

Ich sah auf. Megumi stand vor mir, nur mit einem langen Handtuch bekleidet. Aber ich war zu müde und zu deprimiert, um mehr zu tun als es zu registrieren.

"Akira. Du hast ein Problem."

"Ich weiß", hauchte ich müde. "Wir haben zu wenige Leute. Viel zu wenige. Die Dreieinhalbtausend hier auf OLYMP, wir prüfen bereits, ob sie sich für die Marsmission eignen, trainieren bereits einige dafür. Aber damit vernichten wir wieder den gerade erst zögerlich angelaufenen Betrieb auf der Plattform. Wir bräuchten noch mehr, sehr viel mehr. Wenn wir die Zahl der jungen Menschen verdoppeln könnten, dann würde ich den Angriff mit drei Monaten Ausbildungszeit wagen. Und ich würde gewinnen, selbst wenn ich dabei sterben müsste.

Ich würde so viele wie irgend möglich wieder nach Hause bringen."

Ich sah sie an. "Es gibt eine Lösung. Aber ich will es nicht tun. Ich will es einfach nicht."

"Akira", sagte sie leise und setzte sich neben mich.

"Ich will es nicht, Megumi-chan. Ich will mich nicht vor die Kameras stellen, weltweit ausgestrahlt werden und von den jungen Leuten der Erde verlangen, sich der strengen UEMF-Auswahl zu stellen und auf den OLYMP zu kommen, wo sie vielleicht für den Marsangriff ausgewählt werden, auf dem sie ziemlich sicher sterben werden. Ich kann es einfach nicht."
 

"Aber du weißt, das es das Richtige wäre, oder? Erinnerst du dich noch, wie wir angefangen haben? Wie der Himmel brannte, als sich die Luftwaffen gegen die Kronosier durchzusetzen versuchten? Als dieser Daishi herunter kam, direkt vor uns beiden, dachte ich wir würden sterben. Aber als der Pilot tot aus der Luke fiel, da war ich erleichtert und froh. Froh darüber, dass er gestorben war, aber nicht ich und du.

Von diesem Gefühl ist in den letzten Jahren nicht viel geblieben.

Erst bist du in diesen Mecha gestiegen, weil du der einzige warst, den er akzeptiert hat.

Und ich folgte dir Monate später, als die ersten Eigenbauten fertig waren. Als einer von wenigen Menschen, die mit den Künstlichen Intelligenzen synchronisieren konnten.

Damals stiegen wir in diese Maschinen, weil wir keine andere Wahl hatten. Wir mussten die Menschen beschützen. Meine Eltern waren gestorben, aber ich spürte keinen Hass. Ich wollte nur andere davor bewahren, den gleichen Schmerz erleben zu müssen.

Und ich wollte dich beschützen, Akira. So lange hattest du alleine da oben gekämpft, wärst so oft beinahe gestorben... Ich wollte dir soviel Last wie irgend möglich abnehmen."

"Megumi", hauchte ich erschrocken.
 

"Was ich sagen will ist, Akira, wir waren damals beide noch Kinder. Und nun sieh uns an. Wir haben den Mars angegriffen, wir haben Dutzende gegnerische Piloten getötet. Und du bringst es mit drei vernichteten Feindschiffen in den vierstelligen Bereich.

Warum tun wir das? Weil wir töten schön oder richtig finden?

Nein, Akira. Wir tun es auch nicht, weil es uns gesagt wird.

Wir tun es einzig, weil wir gesehen haben, was mit einer Stadt passiert, wenn niemand die Daishis aufhält. Wir tun es, weil niemand den Schmerz erleiden soll, den wir erfahren haben. Wir tun es, damit diese Welt keine Kolonie wird, in der Menschen versklavt werden."

"Sklaverei gibt es auch heute schon auf der Erde", warf ich ein.

"Ja, aber sie wird bekämpft. Unter den Kronosiern wäre sie vielleicht legal. Denn Menschen sind ihnen egal, das siehst du gut daran, wie sie ihre Piloten gegen uns immer wieder verheizen.

Nur sie selbst und jene, die für die Gift würdig sind, sind ihnen wichtig. Davor, alleine davor beschützen wir die Erde. Wir beide, das unschlagbare Paar."

Ich lächelte knapp. "Du beschreibst mein Seelenleben ziemlich gut."

Megumi zwinkerte mir zu. "Ich kenne dich eben lange genug.

Aber worauf ich hinaus will, denkst du nicht, dass Menschen, die keine vierzehn mehr sind, sondern achtzehn und älter das Recht haben sollten, sich für oder gegen den Kampf zu entscheiden? Akira, wir rekrutieren doch kein Kanonenfutter. Wir wollen doch niemanden verheizen. Das weiß ich nur zu gut, solange du das Kommando hast.

Im Grunde bist du ein guter Mensch. Ehrlich und aufrichtig durch und durch. Deswegen liebe ich dich."
 

Ich sah ihr tief in die Augen. "Megumi..."

"Lass dir helfen, Akira. Lass dir von diesen Menschen beistehen. Du wirst überrascht sein, wie viel Beistand du erhalten wirst."

Ergriffen sah ich sie an. Meine Megumi-chan. Was war sie doch für ein Prachtmädchen.

"Danke", hauchte ich leise. "Du nimmst mir eine Riesenlast von den Schultern."

Ich sah in ihre großen Augen und beugte mich langsam zu ihr herüber. Ihre Lippen, ihre herrlichen Lippen kamen immer näher, während ich in ihrem Blick tiefer und tiefer versank.

"Das löst aber nicht dein Problem, Akira", erwiderte sie amüsiert, bevor ich sie küssen konnte.

"Noch ein Problem?", echote ich.

Sie schmunzelte mich an. "Ja, noch eins. Das hier ist die Frauendusche."

Übergangslos erstarrte ich. Panik breitete sich in mir aus. Hatte ich etwa, in Grübeleien versunken und mit mir selbst hadernd die Türen verwechselt?

Und das Ergebnis? Ich saß nackt auf dem Boden, ließ mich von einer Dusche durchwalken, während Megumi neben mir hockte und nur mit Mühe beim Anblick meines Entsetzens ein Lachen unterdrücken konnte.
 

"Na, das ist jetzt auch egal", brummte ich und ließ meinen Kopf wieder auf die Knie rutschen.

"Gut, dass das geklärt ist. Nun aber raus mit dir, bevor noch jemand rein kommt", sagte sie schmunzelnd.

Ich sah wieder auf, ein Funkeln in meinen Augen. "Und verpassen, wie du dich duschst? Nie im Leben."

"Akira", sagte sie entsetzt. Sie wurde rot und sah zur Seite.

Als ihre Hand an ihrem Handtuch nestelte, sprang ich auf als wäre ein Hawk auf meinem Fuß gelandet. "Ich... muß noch was Dringendes erledigen. Wir sehen uns, Megumi."

Fluchtartig verließ ich die Dusche wieder und ließ mich im Umkleideraum gegen die Wand sinken. Verdammt, hatte Megumi wirklich drauf eingehen wollen? Warum war ich Idiot dann weg gelaufen? Konnte es etwas Dümmeres geben, als sie derart zu brüskieren?

"Ich", murmelte ich leise, "wollte dich einfach nicht ausnutzen, Megumi-chan."

"Das weiß ich", hörte ich Megumi neben mir sagen.

Sie drückte mir einen Kuss auf die Wange. "Duschzeug vergessen. Und du, mein Lieber, solltest dich wieder anziehen, bevor du dich wieder erkältest, hm?"
 

Nachdrücklich schlug ich mir eine Hand vor die Stirn. Ich hatte sie einfach nicht verdient. Sie war so Klasse.

Nachdem sie ihr Shampoo gefunden hatte, wollte sie wieder in die Dusche zurück. Dabei musterte sie mich kurz. "Wenn du andererseits lieber da stehen bleiben willst, wird das für die Mädchen der Frühschicht eine ganz schöne Überraschung werden", murmelte sie schmunzelnd.

Wieder wurde ich rot. Ich war ja immer noch nackt. Hastig griff ich nach meinem Handtuch.

"Zu spät", flötete Megumi mit einem Zwinkern und ging zurück.

"Eins zu null für dich", sagte ich leise. Und lachte. Was für ein Tag.
 

2.

Als ich nach einer viel zu kurzen Ruhepause wieder auf die Beine kam, war ich wieder einmal dankbar, dass ich mich nicht rasieren musste. Wahrscheinlich hätte ich mir in diesem Zustand sogar mit einem Elektrorasierer die Kehle aufgeschlitzt.

Müde musterte ich mein Spiegelbild, bevor ich mit dem Zähneputzen begann.

Danach malträtierte ich mein Haar mit mehreren Litern Wasser, bevor der Kurzhaarschnitt so lag wie ich es wollte.

Und dennoch stellten sich einige widerstrebende Strähnen wieder auf.

Ärgerlich verließ ich meine Kabine. Akari erwartete mich bereits.

"Guten Morgen, Akira-sama", sagte sie ernst.

"Morgen, Akari. Leg los."

Auf OLYMP trug der Oni eine offizielle Uniform und bekleidete den Rang eines Second Lieutenant. Und soweit ich es kontrollieren konnte, war Akari auch für jedermann immer sichtbar. Es irritierte vielleicht den einen oder anderen, der mit ihr Dienst tat, dass sie niemals schlief. Aber wir konnten es ja nicht jedem auf die Nase binden, dass sie ein Dämon war.

"Die Umrüstarbeiten auf der YAMATO gehen voran. Wir ersetzen die alten Torpedowerfer gegen neue Modelle und installieren eine feste Hauptwaffe. Dafür werden die Mechabays und ein Drittel der Mannschaftskabinen raus gerissen. Ihr Schwesterschiff KAZE wird dafür derweil umgebaut, um vierzig Mechas tragen zu können. Mit dieser Taktik werden wir die Kronosier hoffentlich überraschen können.

Die Werftarbeiten an der GRAF SPEE gehen gut voran. Kapitän Ino meldet, dass sie weit vor dem Zeitplan ist. Ihre Zentrale ist bereits fertig und sie führt mit einer Notcrew erste Simulationen durch. Trainée Takahara ist ihr dabei eine Riesenhilfe. Sie hat ihn zum XO ernannt. Seine Feldbeförderung zum First Lieutenant ist beantragt und bereits angesichts der Notlage genehmigt. Es fehlt nur noch das Einverständnis des Executive Commanders."

Ich grinste leicht. "Dieser Kei. Hat doch mehr drauf, als ich dachte. Okay, leg es mir nachher auf den Schreibtisch. Ich unterschreibe die Beförderung dann."

"Nicht nötig, Meister. Ich habe alles hier, was wir brauchen." Akari lächelte mich an und hielt mir das Formular und einen Schreiber vor die Nase.

Ich schmunzelte dazu, presste das Dokument gegen die nächste Wand.
 

Als ich den Stift ansetzen wollte, spürte ich plötzlich etwas, was... Es fühlte sich an wie ein sehr starker Herzschlag. Ein gigantisches Pochen, das so laut in meinen Ohren hallte, dass ich glaubte, unter einer Glocke gefangen zu sein, die just geschlagen wurde.

Die Welt um mich herum versank in Falschfarben. Meine Atmung setzte aus und wollte auch nicht wieder anspringen. Panik befiel mich. Ich war doch noch nicht mal achtzehn. War das etwa schon ein Herzinfarkt?

Als ich meine Hände plötzlich nicht mehr spürte, rang ich gierig nach Luft.

Tatsächlich füllten sich meine Lungen wieder, und die Falschfarben verschwanden.
 

Als ich wieder klar sehen konnte, blickte ich mich verwundert um. Ich stand noch immer an der Wand, den Stift in der Hand, das Dokument vor mir. Was war passiert?

Unwillig schüttelte ich den Kopf und unterschrieb den Befehl.

Als ich beides an Akari zurück reichte, fragte ich: "Hast du gerade etwas Ungewöhnliches bemerkt?"

Sie sah mich erstaunt an. "Nein, Meister."

"Hm", machte ich. Wenn das eben tatsächlich ein Infarkt war oder Schlimmeres, dann gefährdete es die ganze Mission.

"Planänderung", sagte ich ernst. "Ich gehe heute Vormittag runter auf die Titanen-Station. Beruf eine Pressekonferenz ein, für... genau zwölf Uhr."

"Zwölf Uhr auf der Titanen-Station. Thema?"

"Neue Rekrutierungen."

**

"Und, Doc?", fragte ich leise, während ich das Hemd meiner Uniform wieder anzog.

Captain Schneider, Armeearzt auf der Titanen-Plattform, musterte den Ausdruck des EEGs. "Tut mir Leid, Sir, aber ich kann nichts feststellen. Ihr Kreislauf funktioniert mustergültig, Ihr Herz ist kräftig und hat einen gesunden Rhythmus. Das Belastungs-EKG hat auch nichts festgestellt, außer, dass Sie eine Kondition wie ein freilaufender Stier haben. Meinem Erachten nach kommen für diesen Flashback, wie Sie es nennen also nur zwei Möglichkeiten in Frage. Entweder treten Sie entgegen all unserer Erkenntnisse nun doch mit dem Temporalresonator in Resonanz, oder es ist ein psychisches Problem. Wie dem auch sei, sollte es noch mal auftreten, zögern Sie nicht, mich aufzusuchen."

"Das werde ich machen, Doc. Es wäre fatal, wenn mir so etwas während der Mars-Mission passiert. Und noch was, ich..."

Der Arzt hob die Arme. "Schon gut, schon gut. Halten Sie unbedingt geheim, dass ich hier war, niemand darf etwas davon erfahren, dass ich vielleicht ein so merkwürdiges Leiden habe, die Sicherheit der Welt hängt von mir ab. Das wollten Sie doch sagen, oder, Colonel?"

Ich nickte schwer. "Das, und haben Sie vielleicht eine Sportsalbe für mich? Ich habe meine verbraucht. Ich musste in letzter Zeit viel zu viel einstecken, ohne zurück beißen zu können."
 

Der Arzt nickte, trat an einen Schrank und zog das Gewünschte hervor. "Wenn es Sie beruhigt, Colonel, ich unterliege der ärztlichen Schweigepflicht. Aber falls mich jemand fragt, werde ich ausnahmsweise mal frech lügen und behaupten, Sie hatten Ihren Routine-Checkup." Er warf mir die Salbe zu. "Hier, bleiben Sie fit. Mein kleiner Bruder ist bei Ihnen da oben und ich will, dass Sie ihn heile wieder zurück bringen."

"Sie haben Ihren Bruder sich freiwillig melden lassen?", fragte ich erschüttert.

Doktor Schneider sah betreten zu Boden. "Er... hatte sehr gute Argumente. Und sein Bestes war, warum ich überhaupt beim Militär bin. Man kann die jungen Leute so schlecht anlügen, wenn man selbst mit dem Herzen dabei ist. Aber wem erzähle ich das. Sie, die Legende, sollten das besser wissen als jeder andere sonst."

Ich griff nach meiner Uniformjacke und steckte die Creme ein. "Vielleicht. Danke, Doc. Ich melde mich, falls der Flashback wieder auftritt."

"Ich bitte darum. Und, Colonel Otomo?" "Doktor Schneider?"

"Es ist mir eine Ehre, Sie kennen lernen zu dürfen."

Stumm schüttelten wir uns die Hände. Der Mann meinte es so, wie er es gesagt hatte. Ich las es in seinen Augen.

**

Als ich den Konferenzraum um Punkt zwölf Uhr betrat, wunderte ich mich einen Moment über das Stimmengewirr. Pressekonferenzen auf der Titanen-Station waren nicht üblich und unterlagen zudem strengen Sicherheitsbestimmungen. Diese war darüber hinaus sehr kurzfristig anberaumt worden. Dennoch schien der Saal beinahe zu bersten.

"ACHTUNG!", gellte der scharfe Ruf des Sergeants vom Dienst auf, als ich durch die Tür trat.

Die anwesenden Militärs erhoben sich und salutierten. Selbst Commander Sikorsky war unter ihnen, was ich mit Zufriedenheit zur Kenntnis nahm.

"Rühren, Gentlemen."

Ich trat an das Pult heran, legte meine Mütze beiseite, sortierte ein paar Zettel vor mir und sah dann auf. "Können wir dann, Herrschaften?"
 

Auf Dutzenden Kameras glommen rote Lichter auf. Mehr als fünfzig Augenpaare richteten sich auf mich.

Für einen Moment hatte ich wirklich Lampenfieber. Doch ich schüttelte es so gut es ging von mir ab.

"Wie Sie alle wissen, bin ich der neue Executive Commander der UEMF und damit verantwortlich für die Erdverteidigung und unseren kommenden Angriff auf den Mars. Nein, für Fragen ist später noch Zeit. Und nein, es ist kein Nachteil für uns, wenn ich den Marsangriff anspreche. Wahrscheinlich wussten die Kronosier schon davon, bevor wir auf der Erde Marsangriff ausgesprochen hatten."

Leises Gelächter erklang.

"Solange sie nicht wissen wann und wie wir ihnen in den Arsch treten, ist es egal.

Jedenfalls wurde diese Pressekonferenz unter einem bestimmten Motto einberufen.

Neue Rekruten. Wie Sie alle wissen, haben sich vor wenigen Tagen die Schüler einer Oberstufe in Tokio beinahe geschlossen freiwillig gemeldet. Und wie Sie ebenfalls wissen, liegt OLYMP unter dem Einfluss einer Waffe, die jeden Menschen über vierundzwanzig erstarren lässt, wenn er dieses Feld betritt.

An dieser Stelle möchte ich diesen Schülern und ihren Eltern danken, dass sie in der Stunde der höchsten Not bereit waren, das Leben dieser jungen Menschen zu riskieren.

Das gleiche gilt für die vielen Freiwilligen, die überall von der Erde zu uns kommen.

Aber das reicht noch nicht.

Es tut mir unendlich Leid, aber hiermit gebe ich die UEMF-Rekrutierungsbüros frei für Jedermann."
 

Übergangslos wurde ich in Blitzlichtern gebadet. Erschrockenes Raunen ging durch die Menge.

"Die Auswahlkriterien sind hart. Die Ausbildung auf OLYMP ist langwierig, kompliziert und viele werden sie nicht schaffen. Und genommen werden können nur junge Menschen zwischen achtzehn und einundzwanzig. Ab diesem Alter beginnt eine Grauzone, in der das Feld Einfluss auf Menschen haben kann. Aber nicht muß.

Wer in diesem Alter ist und meint, er wäre bereit sein Leben für die Erde zu riskieren, eventuell zu opfern, der soll sich anwerben lassen.

Haben Sie Fragen, Herrschaften?"
 

"Executive Commander. Wird dies das letzte Aufgebot der Erde?"

"Sicher nicht, wenn ich es verhindern kann. Sie, bitte."

"Sir, Ihr Vater ist als kompromissloser Hardliner bekannt. Jetzt wo Sie das Kommando haben, sehen Sie da keine Chance auf Verhandlungen, eine friedliche Lösung des Konflikts? Kann es keine Kommunikation zwischen intelligenten Lebensformen geben?"

"Nun, Ma'am, vielleicht gäbe es das, wenn ich ihnen nicht vor drei Jahren Phobos auf den Kopf geworfen hätte. Worüber die Astronomen heute noch nicht hinweg sind."

Wieder wurde leise gelacht.

"Aber Scherz beiseite. Nein, ich denke nicht, dass es einen Vertragsfrieden mit den Kronosiern geben kann. Dies sage ich mit absoluter Sicherheit und meiner Erfahrung. Ich kämpfe gegen sie seit meinem vierzehnten Lebensjahr. Und eine Erkenntnis habe ich dabei bitter gewonnen. Die Kronosier kennen nur zwei Sorten Menschen. Die eine, die sie bedenkenlos wie Bauern beim Schach opfern können, und die andere, die ihnen im Weg ist. Dazwischen gibt es nichts. Für sie oder gegen sie.

Sie, bitte."

"Colonel, ist das wirklich so? Oder pflegen Sie nur persönliche Animositäten gegen die Kronosier? Immerhin haben sie während des ersten Marsangriffs Ihre Schwester getötet, Sie nach der Rückkehr in einen Biotank gesperrt und Ihr Gedächtnis partiell gelöscht, versucht Sie zu töten und mehrmals Attentate auf Sie veranstaltet, davon alleine in letzter Zeit drei oder vier."

Aufgeregtes Raunen ging durch den Raum.

"Nun, wer wäre da nicht sauer?", stellte ich eine Gegenfrage. Sauer war da aber nicht das richtige Wort. Im Blutrausch wäre weit treffender gewesen. "Nein, Rache und Hass habe ich schon lange hinter mir gelassen. Alles, was mich antreibt ist die Gewissheit, dass die Menschen auf der Erde in Frieden leben dürfen sollten. Die letzten drei Jahre spielten sich die meisten Kämpfe im Erdorbit statt, nachdem sie ein Dreivierteljahr direkt über ihren Köpfen stattfanden.

In dieser Zeit hatten die Menschen weltweit Gelegenheit, ihre Leben so zu leben, wie sie dies wünschten.

Ich will ihnen nicht meine Werte aufdrängen oder von einem besonders erfolgreichen Regierungssystem überzeugen. Ich will, dass sie so leben können wie sie es bisher tun. Und die Chance haben, dieses Leben ändern zu können, wann immer sie es wollen.

Dafür lebe ich. Und dafür werde ich notfalls alleine zum Mars fliegen."
 

"Otomo-sama, ist dieser Marsangriff wirklich nötig? Ich meine, wir haben jetzt, mit dem Ausfall von OLYMP doch genügend Probleme vor der eigenen Haustür, oder?"

Ich nickte Sikorsky zu. Hinter mir erwachte ein Bildschirm und stellte den nahen Marsorbit dar. "Was Sie da hinter mir sehen ist eine Wartungswerft der Kronosier, die auf Deimos, dem Mond den ich nicht vernichtet habe, errichtet wurde. Sie wird in etwas mehr als drei Monaten fertig sein und dann ein kronosisches Schiff warten können, dass größer ist als alles, was wir bis dahin gesehen haben. Wenn dieses Schiff in unseren Sonnensystem ankommt, oder vielleicht sogar eine ganze Flotte, und diese Schiffe die Chance haben, sich wieder aufzurüsten, Reparaturen durch zu führen und so gut wie neu die Erde anzugreifen, dann sind all unsere Anstrengungen hier müßig. Ich bin nicht bereit darauf zu vertrauen, dass die Kronosier ein Duplikat der Werft gebaut haben, die ich mit Phobos vernichtet habe, weil sie gerade Zeit und Spaß daran hatten. Und ich bin nicht bereit zu glauben, dass die dort ankommenden Kronosier andere Ziele haben als jene, gegen die wir bereits kämpfen."

Stille antwortete mir. Ich sah in die Runde, aber niemand meldete sich mehr. "Wenn es das gewesen ist, dann entschuldigen Sie mich bitte. Ich habe viel zu tun."
 

Als ich den Konferenzraum verlassen hatte, stützte ich mich erst einmal an der nächsten Wand ab. Was hatte ich erwartet? Das die freie Presse mir applaudieren würde? Das sie meinen Namen skandierte?

Nun, zumindest eine Reaktion oder einen höflichen Applaus.

Commander Sikorsky legte mir eine Hand auf die Schulter. "Gut gemacht, mein Sohn. Es gab keine Nachfragen. Und die vorbereiteten Dossiers finden reißenden Absatz. Die meisten Stationen werden die Konferenz ungeschnitten senden. Fürs erste Mal eine beachtliche Leistung."

Ich sah den erfahrenen Soldaten an und nickte müde. "Die Welt retten ist schwierig. Verdammt schwierig."

"Mein Sohn, es war noch niemals leicht", antwortete mir der Commander, klopfte mir noch einmal auf die Schulter und verschwand dann im Gang.

Drinnen wurden die ersten Stühle gerückt. Das bedeutete für mich, schnell zu verschwinden, bevor ich auch noch Interviews geben musste. Dafür hatte ich nun wirklich keine Zeit.
 

3.

"Akira-chan!", rief eine Stimme neben mir.

Erschrocken fuhr ich zusammen. "Schleich dich doch nicht immer so an, Kitsune-chan!"

Die Fuchsdämonin verwandelte sich neben mir in einen Fuchs und strich mir um die Beine. Dann sprang sie mir auf den Schoß und leckte mein Kinn.

"Was soll das denn? Das kitzelt, Kitsune-chan."

Der Fuchs sah zu mir herauf. "Ich dachte, du könntest mal ein paar Aufmunterungen gebrauchen. Und gib doch zu, wenn ich dich als Fuchs ablecke, dann ist es nicht so verfänglich." Sie tauschte wieder gegen den Frauenkörper und machte es sich auf meinem Schoß bequem. "Oder soll ich es vielleicht mal so probieren? Vielleicht magst du es ja, Akira-chan?"

"Momomoment, Kitsune, was machst du denn? Ki-Kitsune!"

In diesem Moment öffnete sich die Tür, Doitsu trat ein, geschäftsmäßig über einen Stapel Papier in der Hand brütend. "Akira, ich soll dir hier von Megumi-chan die neuesten Dossiers über die Vorauswahl der zukünftigen Mechapiloten bringen."

Er sah auf, runzelte die Stirn und machte auf dem Absatz kehrt. "Ich komme später noch mal wieder. Du bist im Diktat, wie ich sehe."

"Doitsu!", rief ich und gab der Fuchsdämonin einen Klaps auf den Po, damit sie von mir herunter rutschte.

"Schade, fing gerade an lustig zu werden", maulte sie.

Doitsu wandte sich wieder um und grinste. "Hast Glück, dass ich dich erwischt habe. Wären es Megumi oder Joan gewesen..."

"Es ist nicht so wie es aussieht. Dai-Kitsune-sama wollte mich nur aufheitern und hat mir das Gesicht abgeleckt."

"Na, DAS nenne ich aber mal eine Aufheiterung. Kitsune-chan, machst du das auch für mich, wenn ich deprimiert bin?"

"Klar", erwiderte die Füchsin übermütig.

"Sie war in ihrer Fuchsgestalt, als sie mein Gesicht abgeleckt hat", warf ich ein.

"Also, eben sah sie aber sehr menschlich aus", erwiderte Doitsu grinsend.

"Und?", blaffte ich.

"Ist ja schon gut. Ich glaub dir ja, dass das schon alles war. Ich bin auch nur gekommen, um dir die Berichte zu geben und dir zu sagen, dass du bitte mal in die Zentrale kommen sollst. Dort wartet eine Überraschung auf dich."
 

Er sah zu der Dämonin herüber. Seine Augen bekamen einen merkwürdigen Glanz. "Kitsune-chan, das war ein Versprechen, ja?"

"Aber klar doch", erwiderte die Füchsin. "Ich stehe zu meinem Wort. Vor allem, wenn ich es einem so niedlichen Jungen wie dir gegeben habe."

"Hey, das ist Verführung minderjähriger Dämonenkönige!", warf ich ein.

"Ich bin zweitausend Jahre alt, Akira-chan!", beschwerte sie sich.

"Dai-Kuzo-sama und Dai-Okame-sama sind aber beide weit über fünftausend Jahre alt!", konterte ich.

"Siehste. Kannst du dann nicht verstehen, dass ich auch mal etwas Spaß haben will, wenn ich ständig mit diesen alten Knackern abhängen muß?"

"Gut, dass Okame-kun das jetzt nicht gehört hat. Dann wäre dir die nächste Kopfnuss sicher gewesen", murmelte ich und schüttelte den Kopf.

"Noch so ein Ding. Die Willkür und die Gewalt, der ich ausgesetzt bin, und das nur, weil der alte Knacker keinen Spaß mehr versteht", beschwerte sie sich.

"Oh, Kitsune-chan. Ich verstehe dich", brummte Doitsu und schloss die Füchsin in die Arme.
 

Ich erhob mich und schlug dabei mit beiden Handflächen fest auf die Platte meines Schreibtischs. "In der Zentrale, sagst du? Okay, ich gehe rüber. Wenn ihr beide hier bleiben wollt, empfehle ich abzuschließen."

Doitsu grinste zu mir herüber. "Gleiches Recht für alle. Der eine landet nachts aus Versehen in der Mädchendusche. Der andere drückt einen Fuchsdämon."

Deprimiert ließ ich den Kopf hängen. "Woher weißt du das schon wieder?"

"Aufzeichnungen der Sicherheitskameras", erwiderte er mit einem Zwinkern.

Ich ließ den Kopf noch ein wenig mehr sinken.

"Keine Angst, wir haben Megumi aus dem Band gelöscht, bevor eines der Mädchen es gesehen hat. Aber wie du halbnackt wieder raus gerannt kommst, ist ganz gut getroffen, Akira."

"Megumi-chan? Akira-chan, machst du endlich Fortschritte?", fragte die Füchsin grinsend.

Ich setzte meine Mütze auf und kam um den Schreibtisch herum. Auf dem Gang wandte ich mich sofort in Richtung Zentrale.

Nur um Doitsu links und Kitsune rechts neben mir zu haben.

Beide grienten mich an, als gäbe es damit einen Preis zu gewinnen.
 

Als ich die Zentrale erreichte, wusste ich plötzlich, was sie so fröhlich stimmte.

Die meisten Monitore zeigten Nachrichtensendungen. Und auf den Sendern lief nur eines. Entweder meine Ansprache oder vollkommen überlaufene Rekrutierungsbüros der UEMF.

"Achtung!", rief Daisuke, als er mich kommen sah. "Commander an Deck."

Anstatt zu salutieren, begannen die anwesenden Zentraleoffiziere und Mannschaften - viele von ihnen Freiwillige, die Feldbeförderungen erhalten hatten und nur grob in ihre Arbeiten eingewiesen worden waren - zu applaudieren.

Der Applaus wurde immer lauter, je weiter ich in die Zentrale kam.

Daisuke kam von seinem Platz herüber und klopfte mir auf die Schulter.

Yoshi, der zur Zeit Dienst als Wachoffizier hatte, grinste mich an. "Akira, bis jetzt werden weltweit zweihunderttausend Freiwillige gemeldet. Wenn auch nur jeder fünfzigste den UEMF-Standard erfüllt, dann kriegen wir unseren Angriff auf den Mars!"

Er grinste noch immer, als er mich heran winkte und auf einen Monitor deutete, der japanische Nachrichten aus der Hauptstadt abstrahlte. "Hier, kennst du den noch?"

Ich runzelte die Stirn. "Ist das nicht Tetsu mit seiner Motorradgang?"

"Richtig. Mein alter Kumpel Tetsu. Das Problem war bisher nicht, dass es zu wenige junge Menschen gab, die sich haben freiwillig melden wollen. Es gab nur zu viele, die es sich einfach nicht zugetraut haben."

"Das hat sich jetzt wohl erledigt", sagte ich leise. Ja. Wir würden es schaffen!
 

4.

Als ich die Übungshalle der Infanterie betrat, musste ich schnell einen Schritt zur Seite weichen, weil mir ein Bulle von Kerl entgegen kam. Etwas unfreiwillig, mit beträchtlichem Schwung und zudem im Flug.

"Hey, Joan, ich habe doch gesagt, sei vorsichti... Joan?"

"Ich bin hier, Aki-chan", hörte ich eine Stimme hinter mir.

Ich wandte mich um und erkannte die Popdiva hinter mir, wie sie lässig an der Wand lehnte.

Ungläubig ging mein Blick zu dem Riesen, der an mir vorbei geflogen war und sich nun ächzend wieder aufrichtete.

"Aber wer hat dann..." Ich sah zur Trainingsmatte, auf der Hina Yamada sich gerade in Richtung ihres besiegten Gegners verneigte. Die reihum sitzenden Infanteristen applaudierten eifrig.

"Überrascht?", kommentierte Joan leise. "Ich für meinen Teil bin es."

Nachdenklich strich ich mir über den Nacken. "Nein, nicht unbedingt. Hina-chan hat ne ganze Ecke mehr drauf als es scheint. Hina-chan!"
 

Der eigentlich eher tollpatschige Blondschopf verließ die Trainingsmatte und kam auf mich zu. "Akira-san, ich habe dich gar nicht kommen gesehen. Guten Tag."

"Ja, ja, guten Tag. Äh, was machst du hier?"

Hina sah mich verlegen an und drückte die Zeigefinger aufeinander. "Äh, weißt du, Akira-san, es ist so. In der Strategiebesprechung hieß es doch, dass wir Slayer kombiniert mit der Infanterie vorgehen sollen. Deshalb trainieren wir ab und zu zusammen. Und heute kam es eben mit Jack-san und mir zu Kompetenzrangeleien, wer im Feld das Kommando hat. Und Joan-chan hat gesagt, es wäre das Beste, das auf der Matte zu entscheiden."

Entsetzt sah ich zu Joan herüber. "Du hast was?"

"Hey, es hat doch geklappt, oder?", erwiderte sie, stieß sich von der Wand ab und kam zu uns herüber.

Sie klopfte Hina auf die Schulter und schnurrte: "Gutes Mädchen. Ich wusste doch, dass du was drauf hast."

"Danke, Joan-chan."

"Und was euch andere angeht, wir sind da um die Slayer zu decken, nicht um sie herum zu kommandieren. Wenn ein Youma auf euch zurast, dann werdet Ihr noch mehr als dankbar dafür sein, dass die Slayer euch Kommandos geben, die eure Leben retten werden. Haben das jetzt alle verstanden?"

"Ja, Ma'am!", riefen die Soldaten wie aus einem Mund.

Joan seufzte viel sagend. "Sind ja eigentlich alles wirklich nette Leute. Aber so unsäglich arrogant wegen ihrer Ausbildung. Ich halte einfach nichts von der Brich ihren Willen und bau ihren Stolz danach neu auf-Methode. Erinnert mich zu sehr an das, was zuvor mir passiert ist."

Ich erstarrte, als sie das sagte. Bisher hatte sie noch nicht viel über ihre Vergangenheit, über das davor gesagt. Bevor sie mich das erste Mal in einem Biotank der Kronosier gesehen hatte.
 

"Ich will eine Revanche!", rief der besiegte Marine aus dem Gang und kam wankend auf die Beine. "Machen wir zwei aus drei, Hina!"

"Kumpel, ich hasse schlechte Verlierer", sagte Doitsu und stellte sich neben den Amerikaner. Als er seine Brille die Nase hoch schob, ging ein Reflex über die Gläser. "Aber wenn du dich abreagieren willst, nun, ich biete dir vielleicht eine bessere Show als ein zartes Mädchen."

Entsetzt sah der junge Mann namens Jack meinen Adjutanten an. "Äh, nein, Sir. Ich denke, es ist in Ordnung so wie es ist."

"Was machst du da, Doitsu? Hör auf rum zu spielen. Wir haben zu arbeiten", rief ich ärgerlich. Seit vor vier Tagen die letzten Freiwilligen für den OLYMP und die Mission zum Mars an Bord gekommen waren, hatten wir alle Hände voll zu tun.

"Wie gesagt, ich stehe dir jederzeit zur Verfügung", sagte der zukünftige Mecha-Pilot noch mal und passierte den Marine.

"Ich bin ja schon da, Akira. Hier, die Taktikauswertungen. Joan-chan, nachdem du deine Qualifikation bewiesen hast, hat der Executive Commander entschieden, dich im Feld zum Major der Bodentruppen zu befördern. Du wirst die Infanterie nach der Landung anführen.

Da wir nun genügend Rekruten haben, werden wir fünf Kompanien mit jeweils sechzig Mann aufstellen. Panzerunterstützung wird es nicht geben. Aber die Mechas werden ihr Bestes geben, um euch zu unterstützen. Und in der Anlage selbst wird es sowieso ein Kampf Meter für Meter.

Hallo, Hina-chan. Wenn der grobe Kerl noch mal was von dir will, dann sag Bescheid. Ich kümmere mich dann um ihn."

"Ich habe die Lage hier sehr gut im Griff", erwiderte sie, "aber danke, dass du dich um mich sorgst, Doitsu-chan."

Chan? "Chan?"

Übergangslos wurde der Freund rot. "Es... Es ist nicht so wie du denkst, Akira."

"Nein", bestätigte Hina und lächelte verlegen, "überhaupt nicht."

"Wir... ich meine wir sind nur Kameraden, die aufeinander aufpassen. Nicht, Hina?"

"Genau, Doitsu-chan", erwiderte sie und klopfte dem Brillenträger auf die Schulter. Dort ließ sie ihre Hand ruhen und grinste in die Runde.

"Du darfst ihn auch irgendwann wieder los lassen", kommentierte ich leise.

Erschrocken sah Hina erst mich, dann ihre Hand an. "Tu-tut mir Leid!", rief sie hektisch und wollte die Hand fort nehmen, aber Doitsu legte seine darauf. "Schon in Ordnung, Hina-chan. Ich mag das."

"Na, du bist ja mit wenig zu-uärgs!"

Joan hatte mich mitten im Wort an meinem Kragen ergriffen und begann mich fort zu schleifen. "Aki-chan und ich müssen mal kurz was besprechen. Lauft nicht weg, Ihr zwei, ja?"
 

In einer Ecke, außer Hörweite, stellte sie mich wieder auf die Beine.

"Hör mal, Joan, wenn du mir vorwerfen willst, ich wäre blind oder unsensibel oder ich würde Doitsu die Tour vermasseln, dann..."

"Pssst", machte sie und deutete zurück. Ich sah, wie sich die beiden ungezwungen unterhielten. "Manchmal musst du gar nichts manipulieren, Aki-chan. Manchmal musst du nur die Klappe halten und einen Schritt beiseite treten."

Joan gab mir einen Kuss auf die Wange. "In meinem Fall aber darfst du ruhig etwas forscher sein."

Ich lächelte sie an. "Oh, ich komme drauf zurück."

"Drei Monate zu leben haben wir ja noch, oder? Genügend Zeit. Also, erzähl, was habt Ihr ausgeheckt?"

Ich räusperte mich kurz. "Es ist relativ simpel. Wir wissen, dass die Anlagen unter dem Mount Olympus sehr weiträumig sind. Während der Landeoperation werden die Eagles euch Langstreckenunterstützung geben. Die Sparrows werden so weit es irgend geht mit in die Tiefe kommen. Aber den Rest müsst Ihr alleine schaffen. Die Hawks werden zu diesem Zeitpunkt entweder mit den Bodentruppen oder den gegnerischen Daishis zu kämpfen haben. Aber auch wir helfen euch wo immer es geht. Vierzig Sparrow, vierzig Eagles und hundertzwanzig Hawks werden den Angriff beginnen. Wenn wir auf der Planetenoberfläche ankommen, sind es wenn wir Glück haben noch die Hälfte."

"Verstehe. Was sind die Ziele der Operation?"

"Wir wollen versuchen die Anlagen zu nehmen. Falls das nicht geht, sprengt Ihr die Kraftwerke der einzelnen unterirdischen Fabriken. Ich will unsere Verluste so klein wie möglich halten. Die Infanterie ist kein Kanonenfutter. Aber wenn es sein muß, werden wir Partien des Geländes bombardieren lassen. Dann müssen deine Leute die Regionen verdammt schnell verlassen."

"Also müssen wir auch noch vor Ort aufklären. Und das unter Gefechtsbedingungen. Klasse. Einfach wäre ja auch langweilig gewesen."

"Joan, so darfst du das nicht sehen. Es ist nur, letztes Mal ist ein elf Kilometer großer Brocken von Phobos in der Region abgestürzt und die unterirdischen Fabriken und Werften haben es überstanden. Auf diese Weise klappt es einfach nicht. Entweder sind sie zu stark dezentralisiert, oder ihre Abwehr ist zu gut."

"Schon gut, Akira. Ich wollte dich nicht kritisieren. Wer führt den Angriff an?"

Ich sah zu Boden. "Im Weltall hat Sakura das Sagen. Den Angriff am Boden koordiniere ich. Sollte ich fallen, wird Makoto als Chef der Eagles übernehmen. Stirbt auch er oder fällt aus irgendeinem Grund aus, geht das Kommando an Megumi. Und von dort zu Daisuke. Er ist nach ihr der ranghöchste Offizier mit Fronterfahrung.

Danach seid Ihr Infanteristen an der Reihe. Du, danach Mamoru. Und ab da geht das Kommando an Yohko."

"Eine ziemlich lange Kommandokette", staunte Joan leise. "Du überlässt nichts dem Zufall, was?"

Sie beantwortete ihre Frage selbst. "Natürlich nicht. Nicht bei der Verantwortung, die auf dir lastet. Sag, ist Captain Hatake mein Stellvertreter oder darf ich Takashi nehmen?"

"Mamoru hat nun mal Infanterieerfahrung. Eigentlich müsste er dein Vorgesetzter werden. Aber ich denke, du schaffst den Job auch und besser."

"Hm, danke für dein Vertrauen, Aki-chan. Wie sieht es denn mit den Slayern aus? Wir haben fünf Kompanien, insgesamt dreihundert Soldaten, aber sechs Slayer. Wie soll das funktionieren?"

"Die Slayer werden nicht aufgeteilt, jedenfalls nicht, bevor die Lage es erfordert. Sie bilden unser Trumpfaß. Irgendwo auf dem Mars muß ein Großteil der gestohlenen KI-Energie zu finden sein, ebenso der Schuft, dem wir diese manipulierten Youmas verdanken. Wir können niemand anderen gegen sie einsetzen als die Slayer. Deshalb operieren sie nach eigenem Ermessen. Aber keine Bange. Hina ist ein liebes Mädchen. Sie wird auf deine Leute schon aufpassen."

"Oh, das wird sie. Und auch die anderen, dein Oni und dein Sempai und diese Escaped sind in Ordnung. Wir werden gut miteinander auskommen." Joan grinste mich an. "Man muß halt nur mal die Frauen machen lassen. Die raufen sich viel schneller zusammen als die Männer. Die brauchen ihre blöden Männlichkeitsrituale und so."

"Mit denen Hina anscheinend sehr gut zurecht kommt, wenn ich daran denke, dass ich vorhin fast von zweihundert Pfund frei fliegendem Marine getroffen wurde", warf ich ein.

"Ein Mädchen muß halt sehen, wo es bleibt", erwiderte sie mit einem Lächeln. "Ja, Hina kriegt das hin. Sie... Sie hat im Kampf gegen diese manipulierten Youmas mehr als genug gesehen. Ich denke nicht, dass es noch etwas gibt, was sie erschrecken kann."
 

Eine Zeitlang standen wir schweigend beieinander, sahen dabei zu, wie die Infanteristen die Randoris fortsetzten und Doitsu sich glänzend mit Hina zu verstehen schien.

"Was macht eigentlich Mako-chan?", fragte Joan wie beiläufig.

"Wieso fragst du? Willst du mir untreu werden?", scherzte ich.

"Du, das kann durchaus passieren", erwiderte sie ernst.

"Machst du Witze?", fragte ich sie überrascht.

"Nanu? Auf einmal wirst du eifersüchtig. Du bist mir ja einer." Sie lächelte mich an, dann sah sie wieder auf Hina und Doitsu.

"Passieren könnte es schon, weißt du? Ich meine, Hey, erst war er nur eine Anziehpuppe zum knuddeln und abknutschen, so etwas Süßes, Liebes zum herzen, dass man ihn am liebsten behalten will. Aber wenn er in einer Uniform steckt, dann scheint er zu wachsen. Er baut eine Aura um sich auf, die einfach unglaublich ist.

Ich meine, aus dem kleinen Burschen, der aussieht wie ein Mädchen wird eine Respektsperson. Ein harter Hund, der einem Respekt und Bewunderung abverlangt. Ernst, aufrichtig, geradlinig, alles Eigenschaften, die ich an dir immer bewundert habe.

Ihn zum Zweiten Feldkommandeur nach dir zu machen ist eine sehr gute Idee."

Verblüfft sah ich sie an. Langsam näherte ich mich ihr und starrte ihr lange in die Augen. "Hm, sehe ich da wirklich das erste Funkeln von Verliebtheit? Also, wenn du zwei Kerle willst, du bist ein Cyborg, das sollte für dich doch absolut kein Problem sein."

"BLÖDMANN!", blaffte sie. "Ich rede hier über meine Gefühle und Erfahrungen und du kommst mit so einem Schwachsinn an!"

"Aber du magst ihn, oder?"

"Natürlich mag ich ihn. Das sollte dich jetzt nicht wundern."

Ich dachte nach. "Natürlich nicht. Denn ich mag ihn ja auch. Meinen kleinen, verrückten Cousin, für den ich mich sofort in jede Kugel stürzen würde. Und du hast dich in ihn verknallt?"

"DUMMKOPF! Wer redet denn davon? Ich... Ich beginne nur, ihn ein wenig zu bewundern. Ich meine, er ist nicht du. Er ist einfach nicht du. Er ist so anders. Aber dann irgendwie... Ich kann es nicht in Worte fassen.

Ich meine, seit mein bewusstes Denken erwacht ist, bist du der Mittelpunkt und das Ziel meiner Welt. Aber je näher wir einander kommen, desto größer wird mein Weltbild, desto mehr verschwimmen meine Ziele. Vielleicht werde ich einfach erwachsen. Oder ich nable mich vom Auftrag meiner kronosischen Schöpfer ab. Ich habe schon ewig nicht mehr daran gedacht, dass ich deine Gene haben wollte."

"Du hast wollte gesagt", stellte ich überrascht fest.

Sie lächelte. "Ja, wollte. Dieser merkwürdige Wunsch ist völlig verblasst. Aber freu dich nicht zu früh, dafür sehe ich dich umso klarer, Mister Ich rette die Welt, ob sie will oder nicht. Du bist immer noch die Nummer eins auf meiner Liste, und Miss Joan Reilley ist nicht dafür bekannt, dass sie eine Beute wieder los lässt, wenn sie sich erst mal verbissen hat. Selbst wenn ein zweiter Appetithappen vor ihrer Nase herumstreunt."
 

"So", murmelte sie und streckte sich, "ich sollte wieder zurück zum Training. Danke fürs Zuhören, Aki-chan."

"Joan", sagte ich mit trockener Kehle, "du solltest wirklich einen Sport-BH oder so etwas tragen."

"Das macht aber keinen Spaß, Aki-chan. Ich sehe dich doch so gerne rot werden. Besuch mich mal wieder hier oben, meine Nummer eins." Sie zwinkerte mir zu und ging zur Matte zurück.

Auch ich setzte mich in Bewegung. Ich musste zugeben, ich war irritiert. "Früher hattest du keine Liste", murmelte ich und winkte Doitsu zu, damit wir unseren Weg fortsetzen konnten.
 

5.

"Colonel, wir haben Commander Thomas in der Leitung."

Ich nickte. "Gut, Ensign Chan. Ich komme rüber."

Ich erhob mich und verließ mein Büro. Ein letztes Mal glitt mein Blick zurück auf den Schreibtisch, der mittlerweile überladen war mit Papierdokumenten und Datapads, weil eines die eingehenden Dokumente schon nicht mehr fassen konnte.

Ein Monat war es her, dass ich das Kommando an mich gerissen hatte. In dieser Zeit glaubte ich, einen verdammt guten Job gemacht zu haben. Gerade wenn man die angespannte Situation bedachte, in der wir steckten.
 

Ich ging die paar Meter bis zur Zentrale des OLYMP herüber und warf mich in den für mich reservierten Sessel neben dem Superviser-Posten, der wieder einmal von Yoshi besetzt war. Er machte sich wirklich gut in dieser Position und ich hatte mehr als einmal überlegt, ihm OLYMP zu übergeben, wenn ich den Mars angriff. Aber einerseits würde er mich dafür erwürgen, wenn ich ihn zurück ließ. Und andererseits waren er und Mako-chan, das absolute Top-Team. Kein anderes Team eines Hawks im Training, egal ob sie schon Erfahrungen auf Mechas mitbrachten oder nicht, hatte eine so erfolgreiche Bilanz aufzuweisen wie diese zwei.

Mako-chans alter Codename, Zeus, war wieder aufgekommen, und mit Ehrfurcht raunten die Rekruten über die Treffsicherheit dieses Duos.

"Durchstellen. Jerry, was kann ich für dich tun?"

Commander Thomas sah mich etwas ratlos an. "Akira, du weißt, ich stehe voll hinter dir, aber diesen Befehl musst du mir erklären. Warum soll ich jedes Mal, wenn eines der Schiffe der Angriffsflotte ausläuft, ein Brimborium veranstalten, als zögen sie in die Schlacht?"

Ich grinste schief. "Ist die Leitung sicher, Ensign?"

"Absolut, Sir. Laserdirektverbindung über einen einzelnen Satelliten, dessen weitere Funktionen permanent überwacht werden. Zudem kontrolliert ein weiterer Satellit sämtliche Aktivitäten in dessen Umgebung."

"Okay. Jerry, kennst du die alte Geschichte von dem mongolischen Heer und der chinesischen Mauer?"

"Welche jetzt direkt, Akira?", fragte er etwas ratlos.

"Das ist doch offensichtlich", brummte Okame-kun von seiner Lotsenstation herüber. "Ich erinnere mich als wäre es Gestern gewesen. Die Wächter auf der Mauer hatten ein wirklich formidables Sicherheitssystem und bewachten das einzige Tor auf drei Kilometer, zudem eine der wichtigsten Verbindungen aus dem Reich hinaus und in das Reich hinein.

Jedenfalls griff die wilde Reiterhorde an, und das Tor wurde geschlossen, die Krieger kamen auf die Mauer und machten sich für eine blutige Abwehrschlacht bereit.

Aber kurz bevor die Angreifer auf Bogenreichweite heran waren, brachen sie den Angriff ab.

Am nächsten Tag begann das gleiche Spiel. Und wieder gab die Besatzung der Mauer Großalarm, und erneut brachen die Reiter den Angriff ab.

Dies ging den nächsten Tag so, den übernächsten, die ganze Woche. Irgendwann begannen sich die Verteidiger daran zu gewöhnen und riefen nicht mehr zum Alarm. Einen Monat darauf schlossen sie nicht einmal mehr das Tor.

Und dann, als sie es am allerwenigsten erwarteten, preschte die ganze Horde doch in Reichweite der Pfeile, ritt in wilder Hatz auf das immer noch offene Tor zu. Und bevor die Verteidiger richtig verstanden hatten was geschah, hatten sie der Reiterhorde durch ihre Nachlässigkeit den Weg ins Reich geebnet."

"Genau die Geschichte." Ich lächelte und faltete meine Hände ineinander. "Du verstehst, was ich erreichen will?"
 

"So. Du rechnest also damit, dass entweder Spione an Bord der ARTEMIS sind oder dass zumindest unsere Aktionen penibel überwacht werden, richtig? Und wenn wir jedes Mal eine Kapelle spielen lassen, wenn einige oder mehrere Schiffe der Angriffsflotte auslaufen, dann versetzen wir die Kronosier in Alarmbereitschaft, da sie von unseren Plänen wissen."

"Richtig. Vor allem, da die GRAF SPEE ihr ersten Testflüge absolviert. Ich denke, deswegen sind sie ohnehin sehr nervös. Warum das nicht noch steigern?" Ich lächelte verschmitzt. "Wenn wir Glück haben, machen wir sie nachlässig. Wenn wir Pech haben, sind sie lediglich aufgrund der ständigen Alarme erschöpft. Also denke ich, es ist die Mühe wert. Und deine Kapelle kann jeden Tag ein wenig üben."

"Hm, klar. Wenn sie nicht wissen, welches der richtige Angriff ist, müssen sie einfach alarmiert sein, sobald auch nur ein einziges Schiff ausläuft. Also gut, Akira. Machen wir es so.

Aber mal was Anderes, wann kommst du rüber?"

Ich runzelte die Stirn. "Ist die Schiffsübergabe schon so früh?"

"Die Kommandeure wurden bestimmt, ja. Wir haben sie durch eine sehr schwere Auswahl gejagt und haben jetzt unsere Favoriten. Es hat sich nicht viel geändert, Akira."

Ich dachte kurz nach. Die weltweiten Rekrutierungen hatten dazu geführt, dass wir rund fünfzigtausend junge Menschen für den Dienst auf den Plattformen parat hatten. Da wir auch mit entsprechenden Angriffen auf die Titanen-Station, ARTEMIS und APOLLO rechneten, konnten wir nicht einfach alle auf den OLYMP holen. Stattdessen wurden für alle Plattformen Notfallmannschaften ausgebildet und Notfallcrews für alle im Dienst befindlichen Schiffe ausgebildet, um einen gewissen Betrieb aufrecht erhalten zu können.

Außerdem schossen die Patrouillenschiffe derzeit auf alles, was der Erde und dem Mond zu nahe kam, in der Hoffnung, einen weiteren Satelliten oder eine getarnte Korvette zu vernichten.

Alles in allem ging es uns weit besser als es die miserable Lage vor einem Monat noch zugelassen hätte.

"Ich komme heute Nachmittag herüber. OLYMP Ende."
 

Langsam erhob ich mich aus meinem Sessel. "Willst du mit, Yoshi?"

Der Bordschütze hob eine Augenbraue. "Überlege ich mir noch. Übliche Zeit?"

"Übliche Zeit. Tja, wer hätte das gedacht? Was manche Menschen für ein Talent entwickeln, wenn man sie nur lässt, es ist unglaublich."

Ich warf einen kurzen Blick in die Zentrale. "Falls ich es heute noch nicht erwähnt hab, Herrschaften, Ihr macht hier nicht nur einen wichtigen, sondern auch noch einen verdammt guten Job. Ich bin sehr stolz auf euch, und ich bin sicher, die ganze Welt ist das auch."

"Danke, Sir", raunte es mir entgegen.

Ich grinste schief. "Ach, und bevor ich es vergesse. Ich weiß, wir sind in ständiger Alarmbereitschaft. Aber nächste Woche machen wir mal ne Ausnahme. Ich habe Geburtstag und werde eine Party schmeißen. Ihr seid natürlich alle eingeladen.

Leider wird es keinen Alkohol geben. Immerhin soll diese Anlage hier betriebsbereit bleiben."

"Trotzdem, eine gute Idee, Akira. Wer kämpfen kann, soll auch feiern können. Wünscht du dir was Bestimmtes?", fragte Yoshi grinsend.

Ich zuckte die Achseln. "Keine Ahnung. Weltfrieden, einen Porsche, Taylors Kopf auf einem Silbertablett, etwas in der Art."

"Du, der Porsche wird aber schwierig", erwiderte Yoshi grinsend.

"Amüsiert euch auf der Feier nur alle, mehr wünsche ich mir nicht", sagte ich mit einem Zwinkern und verließ die Zentrale wieder.
 

Akari trat sofort an meine Seite. "Wo ist Doitsu?", fragte ich ernst.

"Doitsu-sama kommt in einer Stunde für die tägliche Besprechung, Akira-sama. Aber bis dahin jagt er seine Kompanie durch die Simulatoren", informierte mich der Oni.

"Megumi?"

"Hat sich eine der Kompanien aus ihrem Bataillon heraus gepickt und drillt sie draußen."

Ich dachte kurz nach. Die Aufteilung in Kompanien, wie das Reglement der UEMF es vorgab, hatten wir beibehalten. Nur bestanden Kompanien nun aus zehn statt zwölf Mechas und bildeten Zweierteams, was unsere Verluste reduzieren helfen sollte. Wir hatten zwanzig Kompanien aufgestellt und in fünf Bataillonen organisiert. Die Bataillone waren zu je vierzig Mechas organisiert.

Das Sparrow-Bataillon unterstand natürlich First Lieutenant Jones. Sie war in ihrer Rolle einfach unschlagbar und hatte im letzten Monat einen Ernst und eine Übersicht bewiesen, die mich mehr erschreckt als überrascht hatte. Viel war von der quirligen Lilian nicht mehr geblieben, geschweige denn von meiner kleinen Schwester.

Die Eagles unterstanden natürlich Makoto. Das war klar.

Und die übrigen drei Bataillone, die aus den Hawks bestanden, hundertzwanzig an der Zahl, teilten sich gleichmäßig auf mich, Megumi und Daisuke auf.

Ich hoffte, es würde reichen. Sowohl die Zeit, um die jungen Menschen auszubilden als auch die Stärke unserer Truppen.
 

"Es ist übrigens auffällig, Akira-sama", sagte Akari neben mir. "Wenn man die Personallisten durchgeht, dann sieht man, dass für die Angriffsflotte und die für sie vorgesehenen Kampfeinheiten auffällig viele Schüler deiner alten Schule eingeteilt wurden. Die meisten haben sich dafür freiwillig gemeldet. Viele wurden aufgrund überragender Qualifikationen zugeteilt, wie Kenji-sama, der Anführer der Bravo-Kompanie. Oder Takashi-sama, der Charlie anführt."

Abwehrend hob ich die Hände. "Ich habe nichts damit zu tun. Ich habe nichts manipuliert, nichts befohlen und nichts suggeriert."

"Dennoch. Wir werden über dreitausend sein, die auf die vier Schiffe gehen, richtig? Alleine siebenhundert von ihnen kommen von deiner alten Schule."

"Vielleicht", sagte ich nachdenklich, "liegt es einfach daran, dass wir sehr, sehr viele Freiwillige bekommen haben und dass meine Mitschüler bereits mehrfach streng durchleuchtet wurden. Sie sind das, was man im Geheimdienst als sicher bezeichnet.

Oh Gott, wenn das schief geht, dann lösche ich meine ganze Schule aus."

"Na, nun mal nicht so pessimistisch", kommentierte Kitsune und klopfte mir aufmunternd auf die Schulter. Dabei grinste sie von einem Ohr zum anderen.

"Du tauchst auch immer dann auf, wenn ich dich nicht erwarte, was, Kitsune-chan?"

"Na, einer muß dich ja aufbauen, bevor du in das tiefe und dunkle Loch fällst, welches du dir selbst schaufelst, weil von dir die Zukunft der Erde, der gesamten Menschheit und vor allem deiner Freunde und Mitschüler abhängt."

"Das baut mich jetzt auf, Kitsune-chan", brummte ich belustigt.

"Na, dann mache ich ja einen guten Job, ja?", erwiderte sie und begann mich in die Seite zu pricken. "Lobst du mich jetzt?"

Ich griff zu und nahm die Dämonin in einen liebevollen Schwitzkasten. "Natürlich lobe ich dich. Du bist immerhin meine einzige und beste Dai-Kitsune-sama."

"Bring nicht immer meine Haare durcheinander", beschwerte sie sich, als ich ihr durch die Haare fuhr.
 

Als ich meinen Weg mit Akari fortsetzte, schloss sich Kitsune wie selbstverständlich an. Ihre Aufgabe an Bord war nicht so klar umrissen wie die von Okame, der sich in der Zentrale fest etabliert hatte. Aber sie war ein unverzichtbarer Teil meiner Führungsmannschaft und griff mal hier ein, mal dort ein. In der Infanterieausbildung ebenso wie bei den Mechas. Dabei zeigte sie eine Kompetenz, die man dem ewig fröhlichen Fuchsdämon eigentlich nicht zutraute.

Außerdem verbreitete sie gute Laune und Zuversicht, wo immer sie auftauchte.

"Wo gehen wir eigentlich hin?", fragte Kitsune, als wir mit einem Fahrstuhl auf eine tiefere Ebene wechselten.

"Wir sehen nach Makoto-sama", sagte Akari. "Wir haben da eine Überraschung für ihn."

"Oh, Mako-chan. Na, der hat auch eine Überraschung für euch", sagte Kitsune geheimnisvoll.

"So? Was denn?"

"Das wird nicht verraten", flötete die Füchsin und beobachtete interessiert die Decke des Fahrstuhls.

"So? Da bin ich aber mal gespannt."
 

Auf der unteren Ebene wechselten wir in Richtung Laufbänder, die uns zum Hangar bringen würden. Von dort war es nicht mehr weit bis zu dem Briefingräumen, in denen unsere neue Hawk-Elite theoretische Ausbildung erhielt.

Als ich den mit Makos Klasse gut gefüllten Raum betrat erstarrte ich. Achtzig Augenpaare richteten sich auf mich.

"Entschuldigung", sagte ich zu dem jungen Mann mit dem Bürstenhaarschnitt am Hauptmonitor, "ich wollte nicht stören. Ich dachte, mein Cousin wäre hier, aber..."

"Akira-chan", sagte der junge Mann ernst. "Willst du mich verarschen?"

"Überraschung", flötete Kitsune grinsend.

"Ma-mako?", rief ich erschrocken. Ich kam in den Raum, stürzte auf den jungen Mann am Hauptmonitor zu und strich über seinen extrem kurzen Haarschnitt. "Mako! Was hast du denn mit dir angestellt? Wo sind deine Haare geblieben? Und warum färbst du nicht mehr?"

Belustigtes Gemurmel aus der Klasse erfolgte.

"Was? Gefällt es dir etwa nicht, Akira-chan?", meinte er und strich sich selbst über den Kopf.

"Gefallen, nicht gefallen, warum hast du es gemacht?"

Makoto griente mich an. "Tja, Kumpel. Es kommt eben irgendwann im Leben eines jeden Mannes der Punkt, wo er sich entscheiden muß, was er sein will.

Und ich habe überlegt, wenn ich bei dem Angriff auf den Mars sterben muß, dann bitte nicht als Anziehpuppe meiner Schwester." Er zwinkerte mir zu und flüsterte: "Außerdem mache ich damit Yoshi nicht mehr so nervös."

"Guter Grund", raunte ich zurück.
 

Makoto schmunzelte. "Ach, wir sind gerade dabei, Mecha-Taktiken durch zu gehen. Die meisten stammen von dir, Akira-chan. Willst du nicht etwas dazu sagen?"

"Gerne doch. Wo seid Ihr?"

"Wir sind bei den empfindlichen Spots eines Daishi, Akira-chan."

Ich wandte mich dem Monitor zu und überlegte einen Moment. "Die am stärksten verwundbaren Punkte eines Daishi sind seine Extremitäten wie Arme und Kopf sowie die obere Rumpfpartie. In der unteren steckt das Cockpit. Dort anzugreifen ist eine schlechte Option. Ja, eine Frage?"

"Sir, Second Lieutenant Antani, Eagle Bravo-Kompanie. Ist es nicht sinnvoll, den Piloten auszuschalten und damit den gesamten Mecha?"

"Hm, Antani, ich habe das nicht vorgeschlagen, weil ich ein Altruist bin.

Junge Dame, das Cockpit ist selbst bei einem Daishi der bestgeschützte Platz. Es dauert eben einfach zu lange, sich da durch zu nagen. Besser sind die Arme mit einem Teil der Waffen, der Sensorkopf, der den Feind mit den meisten Daten versorgt, die Beine mit weiteren Waffen sowie den Steuerdüsen. Und der obere Torso mit Munitionslager und Fusionsreaktor.

Ja, Sie bitte."

"Sir, Ensign Garcia, Eagle Delta. Sie haben doch schon erfolgreich das gegnerische Cockpit angegriffen. Und Sie haben ebenso wie Captain Uno - Verzeihung, Major Uno - dort Erfolg gehabt."

"Nun, Ensign, das liegt einfach daran, dass ich meine Herkules-Schwerter benutze. Sie sind eine extrem effektive, aber auch schwierige Waffe. Sich für sie zu qualifizieren ist sehr schwer. Das gleiche gilt für die Artemis-Lanze, die Major Uno benutzt.

Sehen Sie, es sind komplexe Waffensysteme. So komplex, dass Major Honda sich auf die regulären Mecha-Waffen verlässt und es gar nicht erst mit diesen Spezialwaffen versucht. Er vertraut auf das Glattrohr-Rifle, auf die Partikelpistole und dergleichen. Ja, Sie?"

"Sir, was macht die Waffen denn so besonders? Ich meine, tschuldigung, First Lieutenant Kowaleva, ebenfalls Eagle Delta. Warum sind sie so schwierig zu beherrschen? Wenn sie so effektiv sind, sollten wir es dann nicht wenigstens probieren?"

Ich schüttelte den Kopf. "Hören Sie, Lieutenant. Ich bin im Mecha-Kampf ein Genie. Das ist kein angeben. Es ist einfach so. Als mir damals Primus direkt vor die Füße gefallen ist, und ich später mit ihm in die Schlacht zog, da war es so etwas wie Bestimmung.

Ich bin mit Abstand der beste Mecha-Pilot der Erde. Und diese Waffe wurde speziell für mich entwickelt. Außer mir gibt es nur neun Hawk-Piloten, die sie mit meiner annähernden Effizienz bedienen können, und drei davon sind in diesem Stasisfeld gefangen. Probieren Sie es ruhig aus, ob Sie das Talent für die Schwerter oder die Lanze haben. Aber verbeißen Sie sich nicht unnötig darin.

Die Herkules-Schwerter bestehen aus ultraverdichtetem Carbon in einem frei schwebenden Futteral, was es ermöglicht, sie ultrahochfrequent schwingen zu lassen. Diese Waffe schneidet durch jedes bekannte Material. Aber, und das ist der springende Punkt, hat die Waffe keinen Widerstand, dann kann sie sich selbst zerstören. Oder noch schlimmer, unkontrolliert aus dem Futteral gleiten und mehr Schaden anrichten als gut wäre.

Der Punkt der ultrafrequenten Vibration ist nach einer hundertstel Sekunde erreicht. Ab diesem Zeitpunkt habe ich drei weitere hundertstel Sekunden, bevor die Klinge mir um die Ohren fliegt. Bis dahin muß die Waffe aufliegen. Dies ist sehr wenig Zeit, und ich treffe die Entscheidung eher unterbewusst. Ein perfektes Zusammenspiel zwischen Instinkt, Verstand und Bordcomputer ist dabei natürlich Voraussetzung.

Deshalb schneide ich auch durch ein schwer gepanzertes Cockpit.

Man kann es sicher lernen. Oder man hat dieses Talent. Wie gesagt, probieren Sie es ruhig."

"Weitere Fragen?", meldete sich Makoto. "Hm. Sieht nicht so aus. Danke, Colonel, für Ihren Vortrag. Gab es sonst einen bestimmten Grund, warum Sie gekommen sind?"

"Ja. Sakura kriegt ihr Kommando offiziell übergeben. Willst du mit? In einer Stunde geht es los."

"Bis dahin bin ich hier wohl durch."

"Okay, bis dann."
 

"Komisch", murmelte ich, als ich wieder auf dem Flur stand, "und ich dachte, manche Dinge ändern sich nie."

Amüsiert warf ich Kitsune einen Blick zu. "Keinen Kommentar, Kitsune-chan."

"Och, Menno", brummelte die Füchsin beleidigt und blies die Backen auf.

**

Anderthalb Stunden später befand ich mich bereits auf ARTEMIS. Die kleine Feierstunde, in denen die Kommandos bestätigt wurden, erfolgte unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Dennoch hatten sich viele führende Offiziere, vor allem die Ausbilder der Schiffsbesatzungen, die aufgrund ihres Alters nicht am Feldzug teilnehmen würden, versammelt.

Es hatte eher die Atmosphäre einer Dinnerparty, kaum das die Kapitänspatente an unsere hoffnungsvollen Jungkapitäne übergeben worden waren. Champagner wurde gereicht und in kleinen Gruppen stand man beieinander und schwatzte.
 

Ich stand etwas abseits mit Megumi und unterhielt mich mit ihr leise über die Möglichkeiten, die der Kreuzer für die Mecha-Operation erbringen konnte, als sich jemand neben mir räusperte. "Sakura-chan." Erfreut sah ich meine Cousine neben mir stehen.

Sie lächelte. Viel zu ernst, wie ich fand. Aber es war definitiv ein Lächeln. Sie deutete auf ihre drei Begleiter und sagte: "Executive Commander, ich und die anderen Kapitäne wollten noch einmal mit Ihnen sprechen."

Ich sah die jungen Menschen der Reihe nach an. Sie würden ohne Zweifel eine extrem wichtige Rolle bei unserem Angriff spielen. An ihnen würde es letztendlich liegen, ob überhaupt jemand wieder nach Hause kam, egal wie der Angriff selbst ablief.

"Ich weiß ich wiederhole mich, aber ich würde dir die Kapitäne gerne noch einmal vorstellen, Akira. Links steht Kapitän Roger Smith, ursprünglich von der Royal Navy und angehender Hawk-Pilot. Seine Talente liegen nach unseren Test aber eher auf einer etwas anderen Kommandoebene. Er wird die KAZE kommandieren."

Ich reichte dem Briten die Hand. "Freut mich, Roger. Die KAZE ist ein zähes kleines Schiff, das sich bisher noch vor keinem Kampf gedrückt und jeden gewonnen hat. Ich hoffe, der Trend hält an."

"Danke, Sir", antwortete der junge Mann verlegen. "An mir soll es jedenfalls nicht scheitern."

"Kapitän Elora Gonzales. Ehemals MIT. Sie übernimmt die YAMATO."

Ich reichte auch der jungen Frau die Hand. "Sie übernehmen eine große Verantwortung, Lady. Die YAMATO ist nicht irgendeine Fregatte. Sie ist unser Garant dafür, dass wir alle wieder nach Hause kommen. Sie hat die Strecke schon einmal geschafft. Solange sie fliegt, sind wir alle sicher."

"Ich bin mir der Bedeutung der YAMATO bewusst, Sir", sagte sie mit einem Lächeln und erwiderte den Druck meiner Hand fest.

"Und Kapitän Tetsu Genda. Keine militärische Vorbildung, kein Studium. Er hat in Tokio eine Gang von Jugendlichen angeführt. Nachdem er sich freiwillig gemeldet hat, erkannten wir aber schnell seine Fähigkeiten. Er wird die LOS ANGELES kommandieren."

Ich nickte nur und reichte dem Dicken die Hand. "Danke, Sakura-chan, aber wir kennen uns bereits. Hast du abgenommen, Tetsu?"

Der große Dicke erwiderte meinen Händedruck und lachte, während er die Linke hinter den Nacken legte. "Ein wenig. Die Ausbildung war hart, und ich bin kaum zum Essen gekommen."

Übergangslos wurde er ernst. "Otomo-sama, ich... Ich weiß, wir fliegen in einen Angriff, den wir vielleicht alle nicht überleben werden. Aber ich will Ihnen danken."

Erstaunt sah ich ihn an. "Wofür, Tetsu?"

"Dafür, dass es Sie gibt. Das Sie den OLYMP übernommen haben. Dafür, dass Sie diese Ansprache gehalten haben, wegen der ich mich freiwillig gemeldet habe.

Hätte ich das nicht getan, würde ich irgendwann mit einem Messer im Rücken blutend in irgendeiner Gosse enden. So aber habe ich etwas gefunden, was ich kann. Was ich sehr gut kann. Und mit mir viele meiner Freunde aus der alten Gang. Sieben von ihnen dienen auf meinem Schiff. Und alle sind mit dem Herzen dabei."

"Das freut mich zu hören. Das freut mich wirklich. Grüß deine Leute bitte von mir, ja? Dies hier neben mir ist Major Megumi Uno. Sie befehligt das Death-Bataillon, welches auf der GRAF SPEE stationiert werden wird."

Die Kapitäne und Megumi tauschten Handschläge und Grußworte aus.

"Soviel zum offiziellen Teil. Stürmen wir das Buffet!", sagte Sakura und schritt forsch vorweg.

"Na dann", sagte ich und wollte ihr folgen.
 

Ein lauter Schreckenslaut ließ mich stoppen. Sakura hatte nicht nur ihren Bruder entdeckt, sie drückte den erschrockenen Makoto gerade sehr herzlich an sich. "Oooh, Mako-chan. Du siehst ja so männlich aus. Man nimmt dir den verwegenen Eagle-Piloten, der kein Risiko scheut, ja sofort ab. Du bist ja so süß."

"Okay", bemerkte ich lachend, "manche Dinge ändern sich doch nie."

Der arme Makoto."
 

6.

Ein Monat noch. Wenn alle Prognosen stimmten, die auf meinem Schreibtisch landeten, würden wir acht Tage vor dem avisierten Zeitpunkt ausrücken.

Die Zweite Reihe, wie die Ersatzmannschaften für Flotte und Plattformen genannt wurde, war auch bereit.

Und das Training der Angriffstruppe machte rasante Fortschritte. Wir warteten nun vor allem auf das Ende der Ausbauten der GRAF SPEE und das Ende der Umbaumaßnahmen auf der YAMATO und der KAZE.

Mittlerweile waren alle vier Schiffe bereits viermal gestartet, jedes Mal mit großem Brimborium, und nach den drei Tagen, die sie zum Mars benötigt hätten, wieder im Dock gelandet.

Nun, zumindest zur Marsumlaufbahn. Denn der Mars selbst brauchte etwas länger auf seiner Tour einmal um die Sonne als die Erde.

Zur Zeit stand er in perfekter Konjunktion. Und mit jedem Tag der verstrich würde die Reise zu ihm länger dauern. Wir würden aufbrechen, sobald die Zeit der perfekten Konjunktion vorbei war. Es war ein Vabanque-Spiel, weil der Gegner damit rechnen konnte. Andererseits würde er in den letzten Tagen der Konjunktion erhöht abwehrbereit sein. Das konnte dazu führen, dass sie in den Tagen danach weniger aktiv waren. Ich hoffte es doch sehr.
 

"Akira, was grübelst du hier? Es ist deine Party", meinte Megumi zu mir und schenkte mir nach, während sie neben mir Platz nahm.

Ich trank einen Schluck und verdrehte die Augen. "Alkohol?"

"Nur ein klein wenig für den Beschützer der Menschheit. Wir sehen zu, dass es in Maßen bleibt", beteuerte sie und lächelte mich an.

"Na, dann sieh mal zu, dass dein Vorgesetzter nichts davon erfährt", erwiderte ich schmunzelnd.

Vor den Tischen in der Kantine hatte Yoshi gerade die improvisierte Bühne erklommen und begann unter den begeisterten Anfeuerungen der anderen Anwesenden Luftgitarre zu spielen.

"Ach, der Chef ist zwar ein alter Miesepeter, aber er ist keine Petze", erwiderte sie und zwinkerte mir zu.

"Miesepeter?"

"Ach komm, Akira, dies ist deine Party. Und alles was du machst ist dich hier an deinem Tisch zu verkriechen. Findest du das fair?"

"Ich glaube, die anderen haben auch ohne mich ihren Spaß", sinnierte ich laut.

"Natürlich haben sie das. Aber sie hätten noch mehr, wenn du mit machen würdest. Akira. Du bist heute achtzehn geworden. Wenn das keine Feier wert ist..."

Ich lächelte ein wenig. "Ich mache mir wohl zu viele Sorgen, Megumi-chan. Was, wenn die Kronosier die Zeit nutzen und einen Präventivschlag ausführen? Was wenn wir abfliegen und in einen Hinterhalt geraten? Es gibt so viele Unsicherheiten..."

"Idiot!", warf sie mir vor, ergriff meinen Becher und zwang mich, ihn auszutrinken. "Du kennst die Berichte. Die Kronosier hatten in ihren letzten Attacken horrende Verluste, die sie nicht so ohne weiteres ausgleichen können. Zudem haben wir große Teile ihres Spionagenetzes auf der Erde ausgehoben. Es ist eher wahrscheinlich, dass sie ihre Schiffe in einer kompakten Verteidigung formieren, uns also erwarten anstatt selbst anzugreifen.

Also, werde mal locker! Dies ist dein Geburtstag, oder?"

"Mbl", protestierte ich, aber sie ließ nicht locker als bis ich alles ausgetrunken hatte.

Sofort schenkte sie mir nach. "Siehst du. Geht doch."

"Megumi! Willst du mich betrunken machen?", fragte ich amüsiert.

"Würde es etwas nützen?", fragte sie zwinkernd.

Übergangslos stand mein Magen in Flammen. Ich starrte sie an. "Megumi, ich... Ich habe mir gedacht, dass... Ich meine, wir... Der Mars und so... Und wir beide..."

"Akira-chan, wenn ich ehrlich bin, dann habe ich mir auch Gedanken gemacht. Ich meine, die letzten Wochen haben wir viel enger zusammen gearbeitet als je zuvor. Wir bilden ein super Team und ich will diese Zeit echt nicht missen. Aber... Wenn wir zum Mars fliegen, und einer von uns stirbt... Oder wir beide sterben, Akira-chan, dann... Dann haben wir vielleicht unsere einzige Chance verpasst. Okay, es ist vielleicht egoistisch von mir, das zu sagen und haben zu wollen. Und ich weiß, dass es gerade für mich viel Schmerz bringen wird."

Sie sah mir tief in die Augen. Ihr Gesicht näherte sich meinem.

"Was willst du mir sagen, Megumi?", fragte ich mit trockener Kehle.

"Es ist mir egal, ob du mich richtig liebst oder wie eine kleine Schwester. Lass uns... Lass uns wenigstens ein einziges Mal..."

Ich starrte sie an. Mein Magen wurde zum Vulkan, mein Kreislauf konnte sich nicht entscheiden, ob er durchgehen oder zusammen brechen wollte. Und in meinem Kopf schienen sich ein paar hundert Mechas dazu entschlossen zu haben eine möglichst laute Schlacht zu führen. Zum Glück wurde das größtenteils vom Rauschen des Blutes in meinen Ohren übertönt. "Megumi...", hauchte ich und berührte ihre Lippen mit meinen.
 

"Und jetzt einen großen Applaus für unseren heiß geliebten Executive Commander Akira Otomo und sein Karaoke-Duett mit der unglaublichen Joan Reilley!", erklang Yoshis Stimme im Saal.

Ich fuhr herum. Und hörte den anfeuernden Applaus der Menschen, mit denen ich zusammen arbeitete. Tag für Tag.

"Nun geh schon", sagte Megumi leise und gab mir einen Kuss auf die Wange. "Aber vergiss nicht, worüber wir geredet haben, ja?"

Mit wackligen Knien stand ich auf. "Lauf nicht weg, ja?"

Ich wandte mich der Bühne zu und ging durch das Spalier meiner Leute. Die Stimmung war gut. Sehr gut sogar. Hoffentlich war sie das auch noch, wenn ich zu singen anfing, ging es mir amüsiert durch den Kopf.

Joan erwartete mich auf halber Strecke und ergriff meine Hand. "Los, komm schon, Aki-chan. Bringen wir den Saal zum kochen."

"Bei mir klappt das schon ganz gut", scherzte ich.

**

Irgendwann am frühen Morgen erwachte ich. Mein linker Arm fühlte sich taub an. Ich wischte mir den Schlaf aus den Augen und sah zur Seite. Erleichtert seufzte ich auf. "Oh. Du bist es nur." Ich schloss wieder meine Augen und nickte weg.

Moment mal, Moment!

Ich fuhr hoch, wurde aber wieder zurück auf mein Bett gerissen, weil noch immer etwas auf meinem linken Arm lag. Mein Bett? Nein, das war nicht mein Bett. Und erst Recht nicht meine Kabine.

Was tat ich hier? Oder vielmehr, was hatte ich getan? Oder mit mir tun lassen oder... Ich schüttelte verzweifelt den Kopf.

Ruhig, ruhig. Was hatte ich hier gemacht? Langsam, Gedanke für Gedanke, rekonstruierte ich den Rest des Abends. Das ausgelassene Feiern. Der geschmuggelte Sake. Das tanzen und das Karaoke mit den Freunden und Kollegen.

Dann, Stunden später, der Weg in diese Kabine. Ich erinnerte mich an warme, weiche Lippen, die Liebkosung einer Zunge. Die weiche Haut einer Frau, viele Berührungen. Ekstase, Leidenschaft, vollkommene Zufriedenheit.

Ich hatte also wirklich mit ihr geschlafen. Was für ein tolles Geburtstagsgeschenk. Was für ein dämlicher Vergleich.
 

Was hatte ich nun für Optionen? Konnte, sollte ich mich aus dem Zimmer schleichen und alles was passiert ist, wie einen Unfall, ein Versehen aussehen lassen? Sie brüskieren? Verletzen? Nein, nicht nach dem, was wir geteilt hatten. Müde ließ ich mich wieder zurück sinken. Sanft strich meine Hand über ihre nackte Schulter.

Sie war so warm. So weich. Wenn ich mir doch nur hatte sicher sein können, das das alles mir gehörte...

"Ich bin nicht sauer, wenn du jetzt gehst", hörte ich sie sagen. Übergangslos kam mein linker Arm frei. "Ist vielleicht auch besser so, wenn du nachher aus deinem Raum kommst und nicht aus meinem."

"Ich will nicht weg", hauchte ich.

"Du musst nicht. Aber denkst du nicht, dass Yohko etwas... geschockt sein würde? Und wenn ich an meine Lieblingskonkurrentin denke... So kurz vor dem Angriff auf den Mars solltest du... die anderen nicht so irritieren."

Ich schnaubte wütend aus.

"Und weil ich jetzt habe, was ich wollte. Geh. Wir reden nach der Marsmission darüber."

Ich zog meinen Arm ganz unter ihr hervor. Dann begann ich nach meinen Sachen zu suchen. Sie waren im organisierten Chaos über den ganzen Raum verteilt. Teilweise unter

Ihrer Uniformjacke, auf der deutlich sichtbar die Majorsabzeichen prangten.

Als ich mich einigermaßen hergerichtet hatte, beugte ich mich über ihr Bett und küsste ihre nackte Schulter. "Danke. Es war sehr schön."

Sie antwortete nicht, aber ich sah ihren Körper leicht zittern, als meine Lippen ihre nackte Haut berührten.

Mehr würde ich von ihr nicht zu hören bekommen. Also verließ ich ihren Raum so leise wie möglich.
 

"Wo kommst du denn her, Akira-san?", hörte ich Hinas erschrockene Stimme rufen.

Mein Kopf ruckte herum, und ich sah den Blondschopf mit weit aufgerissenen Augen im Gang stehen. Sie hielt ihre Uniformjacke in der Hand und umklammerte den Kragen, als wäre er eine Art Reling.

"Und wo kommst du her? Deine Kabine ist doch in einem anderen Gang", fragte ich überrascht.

"Ich... Ich... Ich...", stammelte sie verlegen und sah zur Seite. "Ich bin ein Vierteljahr älter als du und kann tun und lassen, was ich will, wann ich es will und wo ich es will."

Für einen Moment dachte ich, der Flashback würde erneut zuschlagen, aber es war nur offenes Entsetzen, als ich Hina hörte. Meine kleine Hina-chan. Wann war sie nur so schnell so schrecklich erwachsen geworden?

"Okay", erwiderte ich gedehnt. "War es denn wenigstens gut?"

Hina kam langsam ein paar Schritte auf mich zu. "Kann mich nicht beklagen. Und du?"

Ich spürte, wie ich rot wurde. "Ich fand es klasse."

Hina begann zu kichern. "Wer hätte das denn vor einem Vierteljahr gedacht? Das wir uns in diese Richtungen entwickeln würden. In wen wir uns verlieben würden... Nicht, Akira-san?"

Ich glaubte für einen Moment mein Herz würde brechen. "Ich... bin mir nicht sicher, ob es richtig war. Ob es Liebe war."

"Na, na", meinte Hina gönnerhaft und schlug mir auf die Schulter. "Ihr Männer seid in der Beziehung sowieso etwas eigen. Denk einfach in Ruhe drüber nach. Offensichtliche Sachen seht sogar Ihr nach einer gewissen Zeit."

"Hina, wann bist du nur so erwachsen geworden?", fragte ich leise.

"Ich weiß nicht. Vielleicht, als ich gemerkt habe, was ich wirklich für dich empfinde..."

"Wehe du nennst mich jetzt O-nii-chan", beschwerte ich mich schmunzelnd.

"Du kannst mich meinetwegen O-nee-sama nennen. Vergiss nicht, ich bin älter", erwiderte sie lächelnd.

Ich strich ihr sanft über den Kopf. "Ja. Das sehe ich jetzt."
 

7.

"Haben Sie verstanden, Colonel? Wir empfangen sie mit der NIEMITZ, der MIDWAY, der AKAGI, der HOKKAIDO, der FUJI und der TOKIO. Wir werden die Schiffe so lange wie irgend möglich binden, auch auf die Gefahr hin, dass sie Temporalresonatoren dabei haben.

Sie werden schon noch merken, dass ein mobiles Zielobjekt für eine in der Reichweite begrenzte Waffe ein schwieriges Ziel ist."

"Verstanden, Admiral Roglund. Wir brechen sofort auf. Es ist zwar vier Tage vor dem Termin, aber wenn die Kronosier da wirklich mit zehn Fregatten, drei Zerstörern und zwei Kreuzern angreifen, können diese Schiffe nicht über dem Mars sein."

"Vergessen Sie nicht die acht bis elf getarnten Korvetten, die sie begleiten könnten. Wir binden den Feind hier und versuchen so viele Schiffe wie möglich zu vernichten. Geben Sie Ihr Bestes, um diesen unerwarteten Vorteil auszunutzen. Die Menschheit zählt auf Sie. Sir."

"Verstanden. Wir geben unser Bestes. Otomo Ende und aus."
 

Ich wandte mich Doitsu zu. "Gib stillen Alarm. Wir brechen sofort auf. Der GRAF SPEE-Verband soll starten, mit dem üblichen Brimborium. Anschließend soll er am OLYMP anlegen. Wir verladen die Mecha-Verbände und die restliche Ausrüstung direkt. Ach, und sorge dafür, dass so wenig wie möglich davon auf die Erde durchsickert."

Müde rieb ich meine Nasenwurzel. "Ich überführe Prime Lightning persönlich."

"Es geht also los", sagte Doitsu erfreut. Übergangslos schienen seine Haare in Flammen zu stehen.

"Lass doch diese Spielereien. Schon dein KI lieber. Du wirst noch jedes Quentchen brauchen", tadelte ich.

Die glühenden Haare erloschen wieder. "Du bist ja nur neidisch, weil du es nicht kannst."

"Jetzt aber raus hier", sagte ich grinsend und erhob mich drohend von meinem Stuhl.

"Bin schon weg."
 

"Akari. Lass sofort die Mechas aktivieren. Keine Zeit für letzte Reparaturen und Checkups. Was danach noch getan werden muß, machen wir an Bord der Schiffe."

Der Oni nickte. "Ja, Meister. Diesmal werde ich dich nicht enttäuschen."

Ich musterte sie für einen Moment irritiert. "Du hast mich noch nie enttäuscht, Akari."

"Das ist nett, dass du das sagst", erwiderte sie, "aber wir wissen es beide besser."

Mist, den Gedanken bekam ich wohl nie wieder aus ihr heraus.

"Wie dem auch sei. Es geht los."

Ich öffnete meine Uniformjacke und ging zum Spind. Dort hing mein Druckanzug. Dieses Ding würde für mindestens drei Tage an meinem Körper kleben. Und wahrscheinlich würde er mir von einer ABC-Sicherheitstruppe mit einem großen Spatel wieder vom Körper herunter geschabt werden müssen.

Akari verneigte sich kurz vor mir. "Ja, Akira-chan."

Ihr Lächeln, als sie chan sagte, gefiel mir sehr gut.
 

"Akira, ich habe gehört, dass... Oh, entschuldige, ich hätte anklopfen sollen."

Ich sah zu Megumi herüber und grinste breit. "Ach komm, du hast mich doch schon nackt gesehen. Stell dich nicht so an."

Langsam schlüpfte ich in meinen Druckanzug, während Megumi zwischen vorgehaltenen Händen durch die Finger linste. "Jetzt ein Foto", murmelte sie.

"Frag am besten Kei. Er macht dir bestimmt einen guten Preis für einen Fünfersatz", scherzte ich und kämpfte mit dem Verschluss.

"Gute Idee. Ich frag ihn mal, wenn wir auf die GRAF SPEE wechseln." Sie trat an mich heran und schloss den Anzug für mich. "Du bist manchmal so herzerfrischend hilflos, Akira-chan."

Ich sah sie an, mit Schmerz im Blick. "Megumi-chan, ich... Ich..."

"Schon gut. Du musst mir nichts sagen. Ich bin doch hier, oder nicht? Und ich werde auch nicht mehr von deiner Seite weichen. Egal, was passiert."

"Danke, Megumi. Das macht es mir nicht leichter, aber es beruhigt mich."

"Na also", murmelte sie und schloss den letzten Kontakt. "Willst du vielleicht mir jetzt beim umziehen helfen?", neckte sie mich.

Ich lüftete meinen Kragen. Hatte ich zugenommen, oder warum wurde er mir zu eng?

**

Im Hangar stürzten wir in geordnetes Chaos. Der Hangar war dafür ausgelegt worden, um einhundertzwanzig Mechas zu warten und zu verwalten. Abzüglich der Maschinen, die bereits an Bord der Flotte waren, standen hier aber noch hundertsechzig herum. Und diese Zustände beengt zu nennen wäre ein Kompliment gewesen.

Prime Lightning stand schon bereit, Lady Death direkt neben sich.

Ich zwinkerte Megumi zu. Sie lächelte zurück.
 

"Lauf mir nicht nach!", fauchte meine kleine Schwester hinter mir. Ich wandte mich überrascht um und erkannte, wie sie auf ihren Sparrow zuhielt - mit Yoshi hintenan.

"Ich lauf dir nicht nach. Ich habe den gleichen Weg", beschwerte er sich. "Wer würde auch einem kleinen Gör wie dir hinterher laufen?"

Sie blieb stehen und drückte ihren Zeigefinger auf Yoshis Brust. "Du!"

"Hey, mach mal halblang. Warum sollte ich dir wohl hinterher laufen, hm?"

"Das ist doch offensichtlich. Weil du total verknallt in mich bist!"

Im weiten Umkreis um die beiden wurden die Arbeiten eingestellt. Das allgegenwärtige Raunen verstummte. Nur ab und zu hörte man das Geräusch eines startenden Mechas.

"Das ist doch absoluter Quatsch", konterte Yoshi und hob die Arme zu einer abweisenden Geste. "Ich bin absolut nicht verknallt in dich."

"So? Und warum läufst du mir dann hinterher?", wollte Yohko wissen.

Langsam senkte er seine Hände auf ihre Schulter, zog sie zu sich heran. "Weil ich dich vom tiefsten Grund meiner Seele und mit meinem vollen Herzen liebe."

"Was?", rief ich erstaunt. "Megumi, haben wir in letzter Zeit irgendeine Droge im Kaffee?"

"Nicht mehr als sonst auch", bemerkte sie schmunzelnd.

"Oh, Yoshi", hauchte Yohko. Ihre Augen begannen zu verschwimmen und ihr bisschen Widerstand verblasste wie eine Kerzenflamme im Wind.

Als die beiden sich küssten, klang spontaner Applaus auf.

"Hoffentlich bleibt es bei einem Zungenkuss", scherzte ich und klopfte dem Hangar-Chief auf die Schulter. "Harun, sorge doch bitte dafür, dass die beiden spätestens in einer halben Stunde in ihren Mechas sitzen, ja?"

"Geht klar, Chef", erwiderte der Araber grinsend.

"Eine halbe Stunde?", murmelte Megumi leise. "Du traust den beiden ja eine Menge zu."

"Wir können ja drauf wetten, Megumi-chan", meinte ich fröhlich.

"Besser nicht. Deine Wetteinsätze kenne ich", erwiderte sie und winkte ab.

Nebeneinander gingen wir zu unseren Mechas. "Das Abenteuer beginnt", murmelte ich.

"Nein, Akira", sagte Megumi leise. "Wir stecken schon lange drin. Und das seit langer Zeit."
 

8.

"Der letzte Hawk ist an Bord. Die letzte Infanteriegondel ist an Bord, Kapitän", meldete Kei Takahara und salutierte von Sakura.

"Gut, Mr. Takahara. Lösen Sie uns aus dem Parallelorbit zu OLYMP und bringen Sie uns auf neuen Kurs. Drei Strich Backbord, fünf über Horizont. Halbe Kraft voraus."

"Aye, Ma'am. Ruder, drei Strich Backbord, fünf über Horizont. Halbe Kraft voraus."

"Aye, drei Strich Backbord, fünf über Horizont. Halbe Kraft voraus."
 

Hinter und neben uns machten sich die anderen drei Schiffe unserer kleinen Flottille auf.

"Nachricht von der MIDWAY: Admiral Roglund berichtet über erste Feindberührung. Die Schlacht hat begonnen."

"Sehr gut, Miss Tanaka. Kontakt einseitig halten. Ach, und Sanae."

Die Funkerin wandte sich dem Kapitän zu. "Ma'am?"

"Absolute Funkstille."

"Aye, Skipper."
 

Sakura sah mich an. "Willst du vielleicht irgendetwas sagen, Akira?"

Ich sah in die Runde, erkannte meine Freunde, Menschen die ich ruhigen Gewissens Kollegen nannte und viele Kameraden aus meiner Schule.

"GRAF SPEE", begann ich leise, "war der Name eines deutschen Schiffes im Zweiten Weltkrieg. Während in Europa der Krieg ein Gemetzel war, der an Grausamkeiten Rekord auf Rekord aufstellte, ging die GRAF SPEE im Südatlantik auf Frachterjagd.

Neunzehn kanadische, britische und australische Frachter fielen dem Panzerschiff unter ihrem Kapitän Langsdorff in die Hand, und in all dieser Zeit starb nur ein einziger britischer Handelsmatrose.

Schließlich wurde die GRAF SPEE auf offener See gestellt und gezwungen, sich beschädigt in den neutralen Hafen Montevideo zurück zu ziehen. Mit lächerlichen drei Tagen Zeit für wichtigste Reparaturen und dem Zwang, danach interniert zu werden, abgesehen davon, dass sich zu den drei Angreifern weitere britische Schiffe gesellten, blieb der GRAF SPEE nur ein Ausweg. In der Mündung des Flusses Plata versenkte es sich selbst.

Gefürchtet und geachtet vom Gegner, in einer auswegslosen Situation blieben Schiff und Mannschaft sich selber treu, ohne zum Kanonenfutter zu verkommen.

Von diesem Schiff aber verlange ich weit mehr. Treue zur Menschheit, Schutz der Kameraden und den Willen, unseren Auftrag Zuende zu führen.

Aber... Vor allem verlange ich von diesem Schiff und seiner Mannschaft, zu überleben und zur Erde zurück zu kehren, denn sie könnten bald schon der einzige Trumpf sein, den wir haben.

So wie die Ehre die Mannschaft der GRAF SPEE im Zweiten Weltkrieg dazu gebracht hat, ihr Schiff lieber zu sprengen als es interniert oder vom Feind versenkt zu sehen, so soll es eure Ehre sein, bis zuletzt für die Menschheit zu stehen.

Diese GRAF SPEE wird uns zum Angriff führen und wieder sicher vom Mars zurückholen.

Deshalb muß es überleben. Deshalb müssen Kapitän und Mannschaft ihr Bestes geben.

Das erwarte ich von euch."

Leiser Applaus erklang. Ob sie ahnten, welche große Verantwortung ich ihnen gerade aufgebürdet hatte?
 

"Akira", hörte ich Megumi wie aus weiter Ferne sagen. Wieder fühlte es sich für mich an als, würde meine Brust bersten wollen. Die Welt versank in einem kaleidoskopartigen Farbrausch und ich fühlte, wie ich fiel, tiefer, immer tiefer. Ein Flashback!

Nein, nicht jetzt! Nicht heute! NICHT HIER!



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2007-02-11T12:32:56+00:00 11.02.2007 13:32
SUUUUUUUUUUUUUPAAAAAAAAA! *_______________________*

*schnell weiter lesen tu*
Von: abgemeldet
2005-09-07T14:10:48+00:00 07.09.2005 16:10
Ääähm... An des Kappi kann ich mich irgendwie überhauptnichtmaehr erinnern...
*Kopf gegen Wand donner*
O.O! Ah! Stimmt ja! XD
Hast du Geschwister? Die Reaktionen kannst du irgendwie genial wiedergeben...
Von:  Carnidia
2005-02-19T21:28:11+00:00 19.02.2005 22:28
Sorry, dass ich jetzt erst wieder weiterlesen konnte, aber ich stecke zur Zeit im absoluten Sress!
Genial, genial, genial! Endlich kommt Megumi wieder mehr vor! Und der neue Haarschnitt von Mako! (und die typische Reaktion von seiner Schwester!!!) XDDD Sogar die Geschichtseinlagen sind interessant.
Dieses Kapitel beweißt nur, was ich schon immer vorbete: Finger weg vom Alkohol! ^.^
Als Fazit, außer, dass es wiedermal absolute Spitzenklasse ist? Ich sag nur: AUF GEHT'S ZUM MARS!!!
^.^v


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