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Joey Bells

oder "Kaiba vs. Christmas"
von

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Kurisumasu no mitsu no jijitsu

Und ohne große Vorrede hier ist Teil III. ^__^ Wir nähern uns dem Ende - aber irgendwie werden die Kapitel immer länger und länger ... o.O
 

"Kurisumasu no mitsu no jijitsu" bedeutet so viel wie "Drei Tatsachen über Weihnachten"

Ganz vielen Dank an Tsutsumi fürs Übersetzen! ^_^ Nyx-chan fürs Probelesen und Maddle dafür, dass sie es mag! *_*

Und vielen Dank an alle die bisher kommentiert haben und gesagt haben, dass es ihnen gefällt! ^--^
 

Warnungen für dieses Kapitel: Kitsch, eventuell OOCness, Joey in einem Rentierkostüm und Kaibas weihnachtsfeindliche Äußerungen. ^^

Viel Spaß damit? *hoff*
 


 

***
 

Drei Tatsachen über Weihnachten:

Erstens - es ist mit Sicherheit das verlogendste, gefühlsduseligste Fest von allen.

Zweitens - meine Firma verdient sich jedes Jahr aufs Neue dumm und dämlich an den Scharenweisen Panikkäufen von besorgten Eltern, denen mal wieder nichts Originelles für ihre verwöhnten Gören eingefallen ist.

Drittens - es gibt nichts, aber auch wirklich gar nichts was lächerlicher ist als Joey Wheeler in einem Rentierkostüm.
 

"Du machst es dir wieder schön leicht, nicht wahr?" knurrte er und versuchte vergeblich sein blondes, viel zu langes Pony aus dem Gesicht zu bekommen. Ein Haarreif mit dem lächerlichen Geweih darauf hätte sie bändigen sollen, aber bewirkt unerklärlicherweise genau das Gegenteil.
 

"Natürlich."
 

"Das ist eine dermaßen billige Ausrede, Alter ... nur weil du so ein Weihnachtsparanoiker bist dich aus der ganzen Arbeit herauszuhalten!"
 

"Wenn ich etwas nicht tun will, brauche ich dafür in der Regel keine Ausrede", stellte ich sachlich fest. Außerdem war ich kein Weihnachtsparanoiker. Dieses Fest regte mich zwar auf ... aber es war mir definitiv viel zu unwichtig um es zu hassen.
 

"Seto Kaiba steht mal wieder über allem, was?"
 

Ich blickte auf ihn hinab. "Darauf kannst du wetten, Hirschi."

Was erwartete er eigentlich? Ich hatte definitiv nicht die Absicht hier in einem lächerlichen Kostüm herumzurennen wie der Rest unserer Klasse und mich zum Narren zu machen bei diesem Kitsch. Ich wäre nicht einmal hier, wenn Mokuba nicht gewesen wäre. Auch wenn mir irgendwie entglitten war wieso ich ausgerechnet hier bei Joey Wheeler hängen geblieben war und mit ihm über Sinn und Unsinn dieser Veranstaltung diskutierte. Es war seine Schuld. Definitiv.
 

"Das ist wieder so typisch - ich arbeite hier unter beträchtlicher Lebensgefahr und demütige mich bis auf die Knochen ... und dich tangiert das alles nicht im Geringsten." Er fuchtelte aufgebracht mit den Armen.
 

"Wheeler - für jemanden, der ein Rentiergeweih auf dem Kopf hat, riskierst du grade eine ziemliche große Klappe." Ich versuchte nicht zu grinsen. "Ich bin viel eher beeindruckt von der Tatsache, dass du das Wort tangieren fehlerfrei benutzen kannst."
 

"Hältst du mich für blöde?"
 

"Willst du dass ich darauf antworte?"
 

"Natürlich weiß ich was tangieren heißt. 'Berühren' - zufrieden?" Er streckte mir die Zunge heraus und fügte grummelnd hinzu: "Nur, weil ich dir gesagt habe, dass heute der ideale Tag ist mich zu demütigen, musst du dich nicht permanent daran halten ... Ich trage das ja nicht freiwillig."
 

"Ein Köter mit Geweih ist ja wohl auch absolut lachhaft."
 

"Zum letzten Mal, Kaiba - ich BIN KEIN Hund!"
 

"Joey, du bist ein Elch!" piepste es plötzlich neben mir und ich wandte den Kopf. Mein kleiner Bruder starrte fasziniert zu Wheeler hoch.
 

"Er ist ein Hirsch", kommentierte ich boshaft.
 

"Hallo? Seid ihr blind?! Ich bin ein Rentier! Ein RENTIER! Vom Weihnachtsmann, klar?" Er hob in einer Geste absoluter Frustration die Arme und deutet nachdrücklich auf sein Geweih.

Mokuba und ich tauschten einen identischen Blick aus und sahen ihn mit erhobenen Augenbrauen an.
 

"Ja, Wheeler, alles wird gut. Die Männer in den weißen Anzügen sind auch vom Weihnachtsmann. Und dann könnt ihr zusammen den Osterhasen besuchen gehen."
 

"Pffft." Er warf mir einen beleidigten Blick zu.
 

"Du siehst toll aus!" bemerkte Mokuba mit aufrichtiger Bewunderung in den Augen und für Sekunden suchte mich die Schreckensvorstellung heim wie der kleine Diktator uns heute Abend alle dazu zwingen würde in Rentierkostümen herumzulaufen. Er musste definitiv weg von hier, bevor Wheeler ihm irgendwelche Flausen in den Kopf setzen konnte.
 

"Hast du nicht gleich deinen Auftritt?" fragte ich. Immerhin dauerte diese Veranstaltung jetzt schon länger als gut für meinen Blutdruck war. Auch wenn es mich irgendwie überraschte, dass ich schon über zwei Stunden hinter mir hatte - es hatte sich nicht so lang angefühlt.
 

"Nein, wir sind erst die letzten die drankommen." Er schüttelte betrübt den Kopf. "Dann wird kaum noch jemand da sein. Aber du bleibst doch so lange, nicht wahr?" Und wieder wurden riesige, dunkle Augen flehend auf mich gerichtet.
 

"Mokuba - habe ich jemals meine Versprechen dir gegenüber nicht eingehalten?"
 

"Nein, nie." Er schüttelte heftig den Kopf.
 

"Dann frag nicht mehr nach." Meine Hand wanderte kurz zu seinem Kopf, Millisekunden nur und fuhr sanft über seine dunklen, widerspenstigen Haare, die meinen eigenen so ganz und gar unähnlich waren. Ich warf Wheeler einen kurzen, scharfen Blick zu, als ich die Hand wieder wegnahm. Ein Wort nur, Köter, eine falsche Bemerkung und ...
 

"Was für eine Rolle hast du denn?" fragte er interessiert.
 

"Ich bin das Schaf!" erklärte Mokuba voller Stolz. "Ich bin das Schaf in der Krippe, das nach der zweiten Strophe "Bääh" macht!"

Sag jetzt bloß nichts Falsches, Wheeler.
 

"Cool!" Das Lächeln auf seinem Gesicht war breit und nicht einmal gespielt. "Ich freu mich schon auf deinen Auftritt, Kleiner!"

Ausnahmsweise ließ Mokuba sogar das "Kleiner" kommentarlos passieren, obwohl er es sonst mit der gesamten Härte des Gesetzes verfolgen ließ.
 

"Du darfst mir zuwinken, wenn ich dran bin", beschied er liebenswürdigerweise. "Dann weiß ich, dass du zusiehst." Er strahlte ihn an.
 

"Das werde ich. Ganz bestimmt."
 

Seine kleinen Finger legten sich erneut um ein Stück meines langen Mantels und er blickte zu mir hoch. "Ich muss wieder weg, Seto - wir machen vorher noch eine Generalprobe."
 

Ich nickte. Sah so aus, als müsste ich mich noch ein wenig mit dem Köter herumplagen. Aber was würde ich nicht alles dafür tun um Mokuba fünf Sekunden lang vorne an der Bühne stehen und "Bääh" machen zu sehen.

Ich sah ihm nach, als er verschwand, bemüht das Lächeln nicht zu offenkundig werden zu lassen, dass hervorkommen wollte. Das kleine Schaf.
 

"Ehrlich, Kaiba - ich kann nicht verstehen, wie du Weihnachten hassen kannst." Wheeler folgte versonnen meinem Blick.
 

"Werd nicht gleich rührselig." Ich ließ mich mit verschränkten Armen an die Wand sinken.
 

"Ich bin nicht rührselig!" protestierte er.
 

"Um auf deine Frage zurückzukommen ..." ignorierte ich seinen überflüssigen Einwand und verlagerte mein Gewicht von einem Bein auf das andere. "Natürlich mag ich Weihnachten. Wie kommst du auf die Idee, dass es nicht so wäre? Ich mag die erhöhten Verkaufszahlen, die es mir jedes Jahr einbringt - und ich mag, dass ich die Kosten für Werbung herunterfahren kann, weil die Leute sobald es auf den 24. zugeht sowieso jeden Scheiß kaufen. Wie du siehst, habe ich praktisch nur Gründe es zu mögen - immerhin verdiene ich Unsummen daran."
 

"Oh Gott!" Er rollte mit den Augen. "Diese Sichtweise, das ist so typisch ... DU! Zynisch und raffgierig bis zum bitteren Ende!"
 

"Sieh es endlich ein - Weihnachten ist doch nur ein Geschäft", sagte ich nur um ihn zu ärgern. Wheeler war garantiert einer dieser leichtgläubigen, gefühlsduseligen Idealisten, die das anders sahen. Ich runzelte die Stirn. "Und unseren Schulchor die ganze Zeit ertragen zu müssen, grenzt an Körperverletzung." Notiz an Selbst: Schule verklagen, wenn es sich ergibt.
 

"Sei nicht gemein - so kann man das nicht sagen!" er neigte den Kopf ein wenig zur Seite und lauschte ein paar Takte lang. "Immerhin sind sie ... sie sind ...so ..." ich wartete nur darauf, dass er irgendwas wie "Begeistert" oder "Aber sie geben sich Mühe" sagte - aber stattdessen verzog er das Gesicht zu einer unerwarteten Grimasse und begann schallend zu lachen. "Sie sind richtig schlecht!"

Er hatte ein unbeschwertes, helles Lachen, offen und auf seltsame Art entwaffnend. Ich bemerkte wie einige Leute in unserer Umgebung stehen blieben und zu ihm herübersahen - und unwillkürlich das Gesicht ebenfalls zu einem Lächeln verzogen. Er war ansteckend.

"Sei lieber froh, dass ich nicht da oben stehe und mitsinge", grinste er mich an. "Ich meine, DAS wäre schlimm!"
 

"Ich weiß gar nicht wohin vor lauter Dankbarkeit. Andererseits wäre diese lächerliche Angelegenheit dann vermutlich sehr schnell vorbei."

Eine schöne Vorstellung wie Wheeler da oben stand und völlig talentfrei Lieder schmetterte - und es schaffte die gesamte Halle innerhalb weniger Sekunden komplett zu leeren. Dann konnte nicht einmal Mokuba mich dazu überreden noch länger zu bleiben.
 

"Hättest du wohl gerne." Er ließ einen langen, sehnsüchtigen Blick durch die Halle gleiten und das Lachen verstummte so plötzlich wie es gekommen war. Ich runzelte die Stirn, nicht sicher was ihm plötzlich über die Leber gelaufen war.
 

"Dass das endlich ein Ende nimmt und ich nachhause gehen kann? Was glaubst du?"
 

"Ich nicht ..." seine dichtes, blondes Pony fiel ihm tief ins Gesicht, so dass ich seine Augen nicht mehr sehen konnte. Er klang seltsam.
 

"Entwickelst du grade einen neuen Fetisch, Wheeler?" Zu seinem eigenen Besten wollte ich nicht hoffen, dass er Spaß daran hatte in dieser absurden Verkleidung herumzulaufen.
 

Er kam nicht zum antworten, denn ein paar Gören von der Grundschule standen plötzlich vor dem Stand und sahen erwartungsvoll zu ihm hoch. Er füllte ein paar Gläser mit alkoholfreiem Kinderpunsch und reichte sie mit einem breiten Grinsen an sie weiter. Aber im Unterschied zu eben, war dieses Grinsen nicht mehr echt. Und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass es an mir lag. Mich würde interessieren was ich grade gesagt hatte, dass es ihm so unter die Haut gegangen war. Blöder Köter ...
 

Ich hatte nie verstanden wieso er das tat. Lächeln auch wenn ihm nicht danach war. Er machte das dauernd - und keiner seiner unterbelichteten Freunde schien es mitzubekommen. Idioten allesamt.

Erst als eins der kleinen Mädchen ihn bat sich vor ihr niederzuknien, damit sie sein Geweih anfassen konnte, fing er an zu lachen und diesmal war es wieder echt. "Bist du ein Rentier vom Weihnachtsmann?" fragte sie ernsthaft und sah ihn aus großen Kulleraugen an.
 

Ich gab ein verächtliches Schnauben von mir und verschränkte die Arme. Lächerlich. Joey Wheeler war nichts weiter als ein Straßenköter, da half auch keine Verkleidung mehr. Er bellte, er knurrte, er haarte - und pinkelte vermutlich regelmäßig auf seinen Teppich.
 

"Hey Kaiba ...?" fragte er und richtete sich auf, als die Kleine dabei war zu gehen. Versonnen und ein wenig nachdenklich sah er ihr hinter her. Er drehte den Kopf und sah mich interessiert an. "Wie alt warst du, als aufgehört hast an den Weihnachtsmann zu glauben?"
 

"Muss vor meiner Geburt gewesen sein."
 

"Nein, ernsthaft!" Seine goldblonden Haarsträhnen glitzerten wie Lametta als er sie aus dem Gesicht pustete.
 

"Das ist mein Ernst." Ich hatte definitiv nie an so etwas Lächerliches geglaubt. Und wenn hatte ich es verdrängt.
 

"Denk dran, Alter - ich kann Mokuba fragen, wenn du nicht damit herausrückst!"
 

Verdammt. "Wheeler, das geht dich nichts an. Lass meinen kleinen Bruder zufrieden!"
 

Ich war neun.

Ich war neun und hatte daran geglaubt - dass er irgendwann kommen würde, jedes Jahr aufs Neue. Ich konnte nicht fassen, dass er diese räudige Erinnerung in mir wachgerufen hatte, die ich am liebsten vergessen wollte.

Ich wollte im Boden versinken vor Scham und Wut, wenn ich daran dachte, wie viele Stunden ich am Fenster gestanden hatte und nach draußen gesehen ... wie ein dummer kleiner Junge ... und auf ihn gewartet hatte. Wie viele demütigende Briefe ich an ihn geschrieben hatte, von denen ich nur hoffen kann, dass sie inzwischen allesamt ausgelöscht und vernichtet waren. Und er hätte mir nicht mal ein einziges lausiges Geschenk bringen müssen - nur Mokuba und mich endlich da rausholen ... aus diesem Gottverdammten, trostlosen Waisenhaus.

Selbstverständlich hatte er das nicht. Er existierte nicht. Er würde nicht kommen um uns zu helfen und auch sonst niemand.

Und erst als mir das klar geworden war, wusste ich, dass ich es allein tun musste. Dass uns niemand helfen würde, außer ich würde es selbst tun.

Weihnachten war eine Lüge. Es war eine einzige, schöne Lüge, weil es einem vormachte, dass man nicht alleine war ... dass es irgendwo unsichtbare Kräfte gab, die alles wieder gut machen konnten, was schief gelaufen war - und dass alles was man dafür tun musste, war einen dämlichen Brief zu schreiben, der mit den Worten "Bitte, lieber Weihnachtsmann ..." begann. Und man konnte so viele Kerzen anzünden wie man mochte und so viele ekelhafte kitschige Weihnachtslieder singen - es würde nichts daran ändern, dass es nicht gut wurde und dass man letztendlich doch ganz alleine und auf sich gestellt war.
 

"Kaiba ...?"

Vielleicht hatte Wheeler Recht. Ich glaube, ich hasste Weihnachten doch.
 

"Was?" fragte ich gereizt. Er stand direkt vor mir und sah aus großen rehbraunen Augen zu mir hoch. Aus unerfindlichen Gründen machten sie mich nur noch mehr wütend, dass es diesem dummen kleinen Hund gelungen war mir mit einem dermaßen lausigen Thema in irgendeiner Weise nahe zu kommen.
 

"Tut mir leid, ich wollte nur ..."
 

"Halt die Backen, Wheeler. Ich will deine dämlichen Vorträge nicht hören." Ich ließ mich zurück an die Wand sinken und schloss die Augen.

Er war ganz still. Vermutlich hatte ich ihn verletzt. Es musste schon eine Weile her sein, dass ich ihn das letzte Mal so angefahren hatte. Ich war viel zu nett zu ihm gewesen in letzter Zeit, und da sah man mal was ich davon hatte. Es zahlte sich nicht aus nett zu sein.
 

"Hey ...", hörte ich ihn plötzlich murmeln. "Wenn du willst ... kann ich doch noch auf die Bühne gehen und was singen ... Ich meine, wenn dir soviel daran liegt schnell nachhause zu kommen ..."
 

Das war es was dabei herauskam, wenn Joey versuchte etwas Aufbauendes zu sagen, aber es irgendwie nicht schaffte sein Gehirn rechtzeitig in Gang zu setzen. Er sagte immer solche dummen Sachen und irgendwie schafft er es damit, dass man ihm nicht mehr an die Gurgel gehen wollte. In gewisser Weise war es rührend. Dämlich ... aber rührend.

Ich öffnete die Augen und sah ihn an.
 

"Danke für das großzügige Angebot dich vor der gesamten Schule zum Idioten zu machen. Auch wenn du das vermutlich völlig ohne jede Anstrengung geschafft hättest."
 

"Hey! Ich wollte nur nett sein!"
 

"Ist mir nicht entgangen."
 

Er warf mir einen langen, schrägen Seitenblick unter seinem fransigen Pony zu.

Seine Haare waren faszinierend. Chaotisch und viel zu lang und fielen grundsätzlich nie an die passende Stelle. Sie hätten mich aufregen sollen, weil sie praktisch eine Verkörperung von allem waren, was mich an Joey Wheeler aufregte. Planlos, chaotisch, auffallend und rebellisch und taten rein gar nichts um meinen Ansprüchen an Ordnung und Disziplin zu genügen. Sie waren wie ein Sinnbild für alle Dinge, die ich nicht kontrollieren konnte in meinem Leben. Sie waren wie ein Sinnbild für Joey Wheeler.
 

Ich seufzte. "Wheeler ... jetzt hör mir mal gut zu. Ich werde das nämlich nur einmal sagen."

Er blinzelte verwirrt, aber dann nickte er folgsam und blieb still.
 

"Gib es auf, ja? Versuch nicht die ganze Zeit mir dieses dämliche, alberne Fest in irgendeine Weise sympathisch zu machen - denn das wird nicht funktionieren. Weihnachten ist für mich im schlimmsten Fall verlogen und heuchlerisch - und im besten Fall ist es nur lächerlich und kitschig wie die abartig bunte Dekoration, in der Mokuba unser Haus ertränken wird, sobald ich nicht aufpasse. Es bedeutet mir nichts."
 

Langsam ließ er sich an die Wand sinken, so dass er plötzlich direkt neben mir lehnte. Sein Geweih war ihm im Weg und er wandte den Kopf ein wenig, so dass er mich ansehen konnte. Sein Blick war nachdenklich. "Na ja ...", sagte er plötzlich. "Vielleicht liegt das daran, dass du Weihnachten mit den falschen Dingen verbindest ..."
 

"Ach ja?" Misstrauisch betrachtete ich ihn, seine plötzliche Nähe war mir nicht geheuer. "Und was sind deiner meiner Meinung nach die 'richtigen' Dinge?"
 

"Nicht die Lieder ... und die Plätzchen - obwohl die echt lecker sind! - oder die Elchköpfe... Es geht um die Dinge, die einem wichtig sind." Er kaute einen Moment lang nachdenklich auf seiner Unterlippe herum und ich sah ihm schweigend dabei zu. Es war ein durch und durch seltsames Gefühl diese Art "ernsthaftes" Gespräch ausgerechnet mit Joey Wheeler zu führen. Absurd ... aber irgendwie nicht einmal unangenehm. Ich verweichlichte hier noch, so viel war sicher. "Was macht ihr eigentlich an Weihnachten?" fragte er plötzlich interessiert.
 

Wenn es nach mir ginge, müssten wir es überhaupt nicht feiern. Ich konnte an Heiligabend genauso gut arbeiten wie an jedem anderen Tag auch. Aber das war eine der wenigen Sachen, wo Mokuba hartnäckig blieb und sich nicht davon abbringen ließ eine große Sache daraus zu machen.
 

"Es fängt damit an, dass Mokuba das ganze Haus wahnsinnig macht, indem er die Lichterketten sucht", sagte ich, "und sie leider auch jedes Mal findet." Nächstes Jahr brauchte ich definitiv ein besseres Versteck als den Dachboden. "Danach verwandelt er mein Haus in einen Alptraum."

Unwillkürlich musste ich an die überdimensionalen Statuen meines geheiligten weißen Drachen denken, die im Garten standen ... und die jedes Jahr aufs Neue entwürdigt und gedemütigt wurden, indem Mokuba ihnen ... rote Weihnachtsmützen aufsetzte!! Die Schmach ... die Schande ...
 

"Alptraum? Okay, das interessiert mich jetzt - ich will sämtliche schmutzigen Details!", forderte Wheeler grinsend.
 

"Denk an blinkende Rentiere und rotierende Weihnachtsmänner die "Ho ho ho" machen und du hast nur die halbe Wahrheit." Ich massierte mir die Schläfen. Allein der Gedanke an das Szenario, welches mich erwartete sobald ich nachhause kam, bereitete mir Kopfschmerzen.
 

"Und dann?" Seltsamerweise lachte er nicht, sondern sah mich nur begierig und auf beinah kindliche Art und Weise fasziniert an.

Das war wieder typisch Wheeler. In jeder passenden und unpassenden Situation fand er etwas zum lachen und bei einer Gelegenheit wo ich hätte wetten können, dass er sich vor Lachen auf dem Boden wälzte, war er ganz still. Konnte er sich nicht langsam angewöhnen, endlich so zu reagieren wie ich das erwartete?

Wieso interessierte ihn überhaupt wie ich Weihnachten feierte?
 

"Mokuba zwingt Roland dazu sich als Weihnachtsmann zu verkleiden", fuhr ich sachlich fort. "Und mit ihm den Baum zu schmücken. Ich rechne jedes Jahr aufs Neue damit, dass uns die Angestellten bei der Gewerkschaft anzeigen, so wie er sie behandelt ... Er behauptet allerdings, es macht ihnen Spaß." Ich schnaubte.

Wer weiß, vielleicht tat es das wirklich ... so unbegreiflich es mir auch vorkam. Aber Mokuba kannte sich mit anderen Menschen besser aus als ich.
 

"Und weiter?"
 

"Nein."
 

"Bitte! Erzähl weiter!" bettelte er mit großen leuchtenden Augen und legte den Kopf schief. Sein lächerliches Geweih rutschte dabei zur Seite.
 

"Sag mal, geht's noch? Sehe ich aus wie dein Märchenonkel, Wheeler?"
 

"Oh, komm schon - bitte!" Das dumme Geweih verrutschte weiter und zerzauste seine Haare noch ein bisschen mehr.
 

"Hallo? Kommst du mir blöde? Wieso interessiert dich das?" fragte ich mehr als nur ein bisschen irritiert.
 

"Weil das toll ist, man!" sagte er begeistert und wedelte enthusiastisch mit den Armen. "Wie im Fernsehen!"
 

Langsam schüttelte ich den Kopf und verdrehte die Augen. "Ich weiß nicht, ob ich das als Kompliment auffassen soll oder als Beleidigung." Er setzte zu einer Antwort an und ich unterbrach ihn kurzerhand. "Das war selbstverständlich eine reine rhetorische Frage."
 

Sein Geweih saß immer noch schief und in Kombination mit der Schnute, die er grade zog, sah er geradezu lächerlich jung und niedlich aus. Wie ein Hundebaby. Rentierbaby. Idiot. Plötzlich entnervt von seiner völlig unsystematischen Aufmachung griff ich nach dem schmalen, braunen Haarreif auf seinem Kopf um ihn grade zu rücken.

Absolut erschrocken zuckte er zurück, seine Reaktion instinktiv und überraschend heftig. Ich stoppte mitten in der Bewegung und hielt inne.

Und für einen Moment musste ich unwillkürlich wieder an die Liste denken. Die Liste mit Dingen, die ich über Joey Wheeler wusste ...

Punkt zwei: "Sein Vater hat ein ernsthaftes Alkoholproblem."

Punkt drei: "Blaue Flecken jeden zweiten bis dritten Tag."
 

"Halt still", befahl ich. Meine Stimme klang nicht unbedingt freundlich, aber ausnahmsweise war es nicht gegen ihn gerichtet. Ich konnte es nicht fassen. Joey Wheeler hatte niemals Angst vor mir ... er war einer der wenigen Menschen, die es wagten mir Widerworte zu geben. Allein der Gedanke, dass es irgendjemand geschafft hatte ihn soweit zu bringen, dass er zurückzuckte ... pisste mich in einem Maß an, welches ich selbst nicht begreifen konnte.
 

Folgsam blieb er stehen, so dass ich ein paar verschlungene blonde Strähnen aus dem Haarreif entfernen konnte. Die Haare, die durch meine Finger glitten waren weich und seidig, obwohl sie so wild und widerspenstig aussahen und meine Hände gingen ungewohnt behutsam mit ihnen um. Ich wusste selbst nicht wieso alles, was weich und zart war an diesem frechen Bengel mich jedes Mal so überraschte und aus der Fassung brachte. Es war so unerwartet. Es war so ... ganz und gar un-joey.

Ich schob das alberne Geweih wieder zurück in seine Position, so dass es sogar meinen ganz persönlichen Sinn für Ordnung und Methodik befriedigte und trat einen Schritt von ihm zurück.

Er tastete seinen Kopf entlang nach oben und berührte den Haarreif. "Öh ... danke ...", murmelte er verlegen.
 

"Schon okay. Vergiss es." Ich sah ihn nicht an.

Nicht weil Weihnachten war - klar? Nicht wegen der verlogenen Nächstenliebe. Nur weil ich ungeordnete Dinge nicht leiden konnte ...
 

Als ob uns beiden im selben Augenblick bewusst wurde wie still es plötzlich um uns geworden war, hoben wir praktisch gleichzeitig die Köpfe.

Er lauschte einen Augenblick. "Kann es sein, dass der Chor aufgehört hat uns zu quälen?"
 

Ich nickte.

"Das bedeutet vermutlich, dass Mokuba gleich dran ist." Und dass ich endlich gehen konnte. Weg von dieser ganzen räudigen Angelegenheit, weg von dem unerträglichen Gesang des Schulchors, weg von Wheeler mit seinen ewigen, bohrenden Fragen ... weg von dem Chaos, dass er rechts und links um sich verbreitete, weg von seinem lächerlichen Geweih und weg von seinen großen, braunen Hundeaugen, die nicht aufhören wollten mich anzusehen ...

Nicht einmal jetzt.
 

"Es ist wirklich blöde erst jetzt dran zu sein ... so kurz vor Ende", sagte er und blickte sich um. "Es ist kaum noch jemand da."
 

"Erbärmliche Organisation", stellte ich fest. "Ich muss auf jeden Fall nach vorne an die Bühne."
 

"Ich ...ich werde ihn dann von hier hinten anfeuern. Ich kann hier noch nicht weg."
 

Eine seltsame Pause entstand, in der keiner von uns beiden etwas sagte.

Es war nie geplant gewesen, dass ich hier gelandet war. Es war niemals geplant gewesen nett zu ihm zu sein. Es war nie geplant gewesen Heiligabend so zu verbringen. Reiner Zufall ... und weil ich sowieso nichts Besseres zu tun hatte. Ich wandte mich um, bereit zu gehen, als er mich noch ein letztes Mal aufhielt.
 

"Hey ... Kaiba ...?" Er lächelte ein wenig bitter. "Falls wir uns nicht mehr sehen sollten ...

... Frohe Weihnachten ..."
 

In gewisser Weise war es nicht das was ich hören wollte. Aber ich hätte ums verrecken nicht sagen können was es war, das er sagen sollte ...
 

^to be continued^
 

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Kommentare zu diesem Kapitel (24)
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Von:  lilac
2013-08-13T22:14:30+00:00 14.08.2013 00:14
Ps. Die sache mit Hund-elch-Hirsch-Rentier ...war wirklich sehr sehr lustig.
Von:  lilac
2013-08-13T22:12:17+00:00 14.08.2013 00:12
Wieder mal sehr schön geschrieben.
Von:  Zauberlehrling
2011-12-03T02:19:50+00:00 03.12.2011 03:19
So^^
es ist zwar noch nicht weihnachten, aber all zu lange ist es ja nicht merh und jetzt hab ich den Salat, hab wieder einmal deine unglaubliche Story gelesen und ich weiß nicht wirklich warum, aber beim dritten Kapitel muss ich immer heulen *schnief* auch jetzt wieder...
Jetzt lese ich Kapitel 4, damit es mir wieder besser geht....
Einfach wow die story...
lg
Zauberlehrling
Von:  Zauberlehrling
2010-12-10T02:45:12+00:00 10.12.2010 03:45
hi^^
ich glaube ich habe schon einmal ein kommi zu diesem kapitel da gelassen, aber ich musste sie einfach noch einmal lesen und ich kann ganz ehrlich sagen, dass ich sie liebe. Du hast so viel Gefühl und Tiefe ind die Story und die Charaktere gebracht, was zusammen mit deinem wunderbaren Schreibstiel einfach eine super schöne und mitreißende Story geschaffen hat...

Vielleicht hab ich gar eine neue Weihnachtstradition entdeckt???
Hast du auch so etwas?
In der Regel fängt für mich weihnachten immer erst dann an, wenn ich drei Haselnusse für Aschenbrödel geguckt habe, meine ersten Kekse gebacken und die Fenster dekoriert sind...
Dann komme ich langsam in weihnachtsstimmung...
Jetzt werde ich wohl jedes Jahr aufs neue deine Story lesen und denken, das ist ein kleiner Teil von meinem Weihnachten!
Danke dafür...
Ich finde deine Geschichte wirklich klasse!
LG und vor allem schöne Weihnachtstage!!!
Zauberlehrling
Von:  kitticat
2007-11-03T19:08:26+00:00 03.11.2007 20:08
Schön, schön, schön, schön, schön, schön, ....wunderschön!!!!
CAT =^.^=
p.s. Ich freue mich irgendwie, plötzlich voll auf Weihnachten
Von: abgemeldet
2007-07-08T13:41:54+00:00 08.07.2007 15:41
Oh mann ;_____;
Wundervoll!
Und traurig... also das mit Kaiba... seit er nimmer an de weihnachtsmann geglaubt hatte....
Nja, also geile ff^^
Von: abgemeldet
2007-01-02T00:24:44+00:00 02.01.2007 01:24
Das einzige was ich eigenartig finde, ist, dass an Heiligabend ein Schulfest stattfindet, denn ich verbinde diesen Tag immer mit Familie - jede Menge und letztendlich zuviel Familie - , aber die Vorstellung Heiligabend mit seinen Freunden an einem Ort zu verbringen, wo ich die andere Hälfte meines Lebens verbracht habe, ist irgendwie gar nicht so schlimm^^
Ich muss Seto jedoch Recht geben. Weihnachten ist zu einer Zeit mutiert, in der es nur um Profit und ausgaben geht… schade eigentlich^^ Aber ich mag die Lichter, egal ob kitschig oder schlicht, Hauptsache alles leuchtet^^
Und natürlich sind Joey und Seto wieder mal so süß von dir dargestellt^^
LG
Von:  bebi
2006-12-06T23:44:15+00:00 07.12.2006 00:44
Süüüß^^
Kaiba ist irgendwie wie ein ziemlich hartes altes stück brot, dass man verdammt lange einweichen muss, damit es wein wenig weicher wird und man sich nicht sie zähne daran ausbeißt, was aber leider nichts daran ändert, dass es dennoch ungenießbar ist. ;)
Super Kapitel.^^
LG bebi
Von:  VanChou
2006-02-26T09:37:26+00:00 26.02.2006 10:37
Also, jetzt hab ich mal 2 Kapitel auf einmal gelesen. Und ich muss sagen: die gefallen mir beide echt gut. ^^ Ich bin zwar immernoch kein Fan von dem pairing, aber ich glaube, ich kann es... nun ja... besser akseptiern. Das nächste Kapitel (ist es das letzte?) les ich wann anders.

Wie gesagt, die Kapitel haben mir gefallen.

Madessa
Von:  Listle
2005-06-25T18:55:35+00:00 25.06.2005 20:55
Die FF wird echt immer besser *.*
Schade nur, dass sie nach dem nächsten Chapter schon aus is u.u'
Nja, egal, ich werd jetzt weiterlesen ^^
*knuff*
Greez, Joey


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