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World of Faerûn - 4. Staffel

Begin Of A New Legend
von

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Folge 48: Unbeglichene Rechnungen

Finsternis herrschte in den Katakomben von Shalana, einer florierenden Stadt am Deepwash See. Schon einige Zeit lang liefen die Geschäfte jedoch schlechter, denn ein Gildenkrieg hielt die Stadt im Würgegriff von Angst und Schrecken.

Laut und beständig schritt eine umhüllte Gestalt, die ihr Gesicht im Schatten ihrer Kapuze verbarg in den dunklen Gängen der Katakomben umher, in die sich schon seit Jahren kein sterblicher mehr traute der bei klarem Verstand war. Einige Fackeln an den Wänden erleuchteten seinen Weg, der zielstrebig zu einer Halle führte. Je näher er kam, desto deutlicher vernahm er leises Gelächter aus dem Raum. Flüsternde Stimmen, die durch die ganzen Gänge schallten, umgaben ihn schon seit er dieses Gewölbe betreten hatte, fast so als beobachtete man jeden seiner Schritte. Als der Fremde in den Raum eintrat, den er aufzusuchen gedachte, war er jedoch leer. Unheimliches Getuschel, merkwürdige Laute und Stöhnen umgaben ihn, aber dies schien ihn nicht zu schrecken. Unbeeindruckt schritt er weiter voran, bis er zu einem langen Tisch kam, an dem mindestens 50 Leute platz gehabt hätten. Am Tischende hielt er inne und verharrte regungslos, während die Stimmen um ihn herum immer lauter wurden. Gespenstische Schatten bildeten sich hinter der Gestalt und obwohl duzende von hektischen Schrittgeräuschen hinter ihm erklangen, blieb er ruhig, mit gesenktem Haupt, stehen. Es schien so, als ob er auf etwas wartete, doch dies waren nicht die finsteren Wesen die sich hinter ihm tummelten. Wie wilde Tiere fletschten sie ihre spitzen Eckzähne, bereit ihrem vermeintlichen Opfer einen Biss in den Hals zu verpassen. Es waren Vampire, duzende, wenn nicht sogar mehr und doch wagte keiner von ihnen einen Angriff auf den Eindringling. Die Fackeln des Raumes brannten nur sehr schwach, aber als die Gestalt ihre Hand erhob loderten sie, verstärkt durch seine Magie, förmlich auf. Die jungen Vampire die sich nach Frischfleisch sehnten hielt nun nichts mehr und griffen wie ein Rudel Raubkatzen an.

"Halt!", tönte auf einmal eine Gestalt mit strenger Stimme am anderen Ende des Tisches hervor, der noch in völliger Finsternis lag. Bei genauerer Betrachtung erkannte man dort die Umrisse einer weiteren Person, die dort die ganze Zeit über gemächlich mit gekreuzten Händen saß. Die Vampire hielten an und wagten es sich fortan nicht mehr sich dem Besucher zu nähern.

Eine weitere Fackel erleuchtete so das nun auch der Herr am anderem Tischende ins Licht kam. Seine Haut war blass und bläulich, denn er war nicht lebendiger als all die anderen Vampire. Er wirkte recht stämmig und gesund gebaut. Er trug ein großes, rundes, goldenes Amulett um den Hals das ihm vor dem Herzen hing. Seine Kleidung war recht bürgerlich und sein Haar schwarz wie die Nacht.

"Ich habe dich lange nicht mehr gesehen, Gerrard.", sagte der Vampir, der offensichtlich der Anführer seiner Sippe war. "Ich bin hier, weil ich versprach das ich zurückkehren werde, wenn du mich brauchst.", entgegnete ihn die umhüllte Gestalt und warf seine Kapuze zurück. Sein Anblick entlockte seinem Gegenüber ein kurzes, aber zufriedenes Schmunzeln. "Der Zeitpunkt deiner Rückkehr hätte nicht besser sein können. Wie du ja schon weißt plagen meine Gilde seit einiger Zeit Probleme.", sprach er mit ernster Stimme. "Dein Bote bat mich lediglich hier her zu kommen. Die groben Umstände sind mir inzwischen jedoch bekannt.", meinte Gerrard und nahm platz. "Nun gut, es bringt sicher nichts die alten Zeiten noch einmal aufleben zu lassen, alter Freund, deshalb will ich gleich zur Sache kommen. Meine Gilde ... musste in den letzten Wochen einige herbe Verluste einstecken. Die Probleme begannen als sich eine neue Gilde aus Ormath vor einiger Zeit hier angesiedelt hat. Es ist ihr innerhalb kürzester Zeit gelungen sich hier zu etablieren. Die wenigen meiner Leute die die Begegnungen mit ihnen überlebten berichteten von einer ... Diebesgilde. Versteh mich nicht falsch, normalerweise sind solch kümmerliche Menschen kein Problem für uns, aber diese sind anders. Sie scheinen immun gegen unsere Bisse und ein Teil unserer Magie zu sein.", erzählte der Vampir mit dem Amulett, doch die Miene seines Gegenübers blieb eiskalt. "Ich werde mich diesem Problem annehmen, Lezard, wie ich es versprochen habe. Beim nächsten Beutezug bin ich dabei. Du hast mein Wort.", erwiderte er nüchtern, bevor er sich wieder erhob. "Das ist das was ich hören wollte. Die nächste Jagd ist heute Nacht. Bis dahin ist noch etwas Zeit.", meinte Lezard zufrieden. "Ich werde mich so lange auf mein Quartier zurückziehen, wenn du erlaubst.", merkte Gerrard an und ging zu einer Seitentür des Raumes. "Es ist noch alles genau so wie damals. Ich habe nichts verändert.", rief ihm sein alter Freund schmunzelnd hinterher. Einen Moment lang hielt Gerrard an, rang schon mit den Gedanken sich noch einmal umzudrehen und ein paar Worte zu erwidern, bevor er schließlich seinen Weg mit finsterer Miene fortsetzte.
 

Bei seinem alten Gemach angekommen hielt Gerrard einen Moment lang inne, als seine Hand nach dem Türknauf griff. Erinnerungen überkamen ihn schon bevor er den Raum betreten hatte, Erinnerungen an ein schändliches Ereignis innerhalb dieser vier Wände das ihn dazu veranlasst hatte die Gilde vor langer Zeit zu verlassen. Schließlich öffnete er die Tür und trat ein worauf weitere altvertraute Bilder und Stimmen sein Gedächtnis fluteten. Bedächtig senkte er den Kopf und schloss die Tür hinter sich. Mittels eines kleinen Zaubers kombiniert mit einer Handbewegung erleuchtete er einige Kerzen um den Raum mit etwas Licht zu füllen. In Vergleich zu seinen Vampirbrüdern, die meist nur einen Sarg in ihren Gemächern stehen hatten, hatte Gerrard ein recht ungewöhnliches Zimmer, das wie das eines Dichters eingerichtet war. Mit Büchern gefüllte Regale, ein Schreibtisch mit allerlei Schreibutensilien, ein Stuhl und sogar ein Bett füllten sein fensterloses Gemach. Nachdenklich setzte er sich auf letzteres und starrte ziellos an die gegenüberliegende Wand. Nun, wo er wieder da war wo alles begonnen hatte, kehrten die Erinnerungen zurück, die er hier zurück gelassen hatte.

Er erinnerte sich noch gut wie ihn Lezard damals aufnahm, obwohl er im Geiste noch immer menschlich war. Er hatte nicht den typischen Weg gewählt ein Vampir zu werden und dennoch akzeptierten sie ihn dank der schützenden Hand, die er über ihn hielt. Nacht für Nacht ging er auf Beutefang und saugte Menschen das Blut aus, ohne sie jedoch selbst zu Vampiren zu machen. Seine Opfer waren immer jung, schön und weiblich, so dass ihr frisches Blut ein wahrer Hochgenuss für ihn war. Schon damals merkte er dass das Blut der Menschen seine Kräfte zu steigern vermochte, aber dies war ihm nicht weiter wichtig. Oft hypnotisierte er seine Opfer, bevor er sie aussaugte um mit ihnen eine erotische Nacht zu verbringen, denn er war es aus seiner Zeit als Barde gewohnt das ihm die Frauen schwärmend zu Füßen lagen. Ja, er genoss es ein Wesen der Nacht zu sein, seine Lust nach Blut und Frauenkörpern gleichermaßen zu stillen, doch eines Tages kam die Nacht an dem dies ein Ende hatte.

An diesen Abend zog er wie schon so oft mit Lezard durch die Stadt auf der Suche nach neuen Opfern. Sie waren gute Freunde geworden und in letzter Zeit häufig zusammen auf Beutezug ausgewesen. Genau wie Gerrard, so nahm auch er sich hin und wieder die Zeit seine Opfer in seinen Bann zu ziehen um sich mit ihnen zu vergnügen. Ein Königspaar war in diesen Tagen in der Stadt, das drei wunderschöne und junge Töchter haben sollte. Für die beiden war dies genau die Herausforderung die sie suchten und so drangen sie um Mitternacht in das adlige Anwesen ein. Jede der Töchter hatte ihr eigenes Schlafzimmer, doch war nicht ganz klar wo diese lagen. Sie klapperten Fenster für Fenster ab, bis sie schließlich fündig wurden und Lezard sich in das Zimmer der ältesten Tochter begab. Auch Gerrard sollte kurz darauf fündig werden und stieg durchs Fenster ein, so wie es für Vampire üblich war. Für beide sollte es zunächst eine berauschende Nacht werden, doch Gerrard fand länger am Liebesspiel gefallen und blieb noch etwas länger als sein Freund.

Bald darauf wollte auch er sich wieder zurückziehen als er plötzlich ein Geräusch vernahm. Fensterglas zerbrach und das nicht nur einmal. Auch das Fenster des Gemachs der zweiten Tochter in dem er war ging zu Bruch indem jemand einen brennenden Klumpen hineinwarf, der beim Aufschlag zerbrach und sich über das ganze Zimmer ausbreitete. In kürzester Zeit stand der ganze Raum in Flammen, doch sein Opfer war, wie es jedem Menschen nach einem Vampirbiss erging, noch zu sehr in Trance um all dies überhaupt wahrzunehmen. Während seiner Beutezüge hatte er getötet und auch dieses mal wollte er nicht für den tot eines unschuldigen Menschen verantwortlich sein.

Er zog sie aus dem Zimmer in den Flur hinaus, musste aber kurz darauf feststellen das bereits das ganze Haus in Flammen stand. Alles ging in rasender Geschwindigkeit in Flammen auf, so dass er sogar um sein eigenes Leben fürchten musste. Einen Augenblick später hörte er panische Schreie die aus der untersten Etage kamen, gefolgt von einem krachenden Geräusch. Es war die Treppe zu dieser Etage, die soeben in sich zusammengebrochen war, womit die kreischenden Eltern von ihren Töchtern abgeschnitten waren. Gerrards Augen weiteten sich, denn aus diesen Inferno schien es kein Entkommen zu geben. Resignierend ließ er von seinen Opfer ab in der Hoffnung es allein weiter zu bringen. Plötzlich schlug eine Tür hinter ihm auf und ein kleines Mädchen kam weinend aus dem Zimmer gelaufen. Es war die dritte und jüngste Tochter der Familie. Zunächst bemerkte sie ihn nicht, doch der Fremdling in ihrem Haus entging ihr nicht lange. Als sie erkannte das er ein Vampir war, weinte sie noch mehr, während seine Verzweiflung immer größer wurde.

Es wurde langsam eng für ihn und er rannte los zum Ende des Flurs, wo ein Fenster ihn die Möglichkeit zur Flucht gab. Einen Moment lang war er gewillt das Mädchen ihrem Schicksal zu überlassen, doch als er das Fenster öffnete überkamen ihn Zweifel. Er drehte sich noch einmal zu ihr um und sah das sie bereits am Boden lag und zwischen all den Dämpfen nach Luft rang. Seine Faust zitterte als er sah wie das Mädchen in den Flammen unterging. Schon der Gedanke das die beiden ältesten Töchter sich wegen ihrer Trance nicht retten konnten ließen den menschlichen Teil seines Herzens schmerzen. Nach kurzen zögern entschloss er sich dem Kind zur Hilfe zu eilen.

Seine Fähigkeiten als Vampir erlaubten ihn die Außenwände wie eine Spinne hinabzuklettern und das Mädchen in Sicherheit zu bringen, doch kaum unten angekommen traf ihn ein Pfeil in den Arm. Obwohl es schmerzte lief er weiter. Er realisierte bald dass das Mädchen auf seinem Rücken das einzige war, was dieses Grundstück lebendig verlassen würde. Ihre Eltern und die Diener des Paares fielen Räubern zum Opfer, die ihnen aufgelauert hatten. Es waren wohl Banditen oder Feinde des Königspaares, die das Haus in Brand gesetzt hatten und obwohl ein weiterer Pfeil sein linkes Bein durchbohrte entkam er mitsamt dem Kind.

In einer Gosse wollte er es absetzen, aber als er in ihr friedlich schlafendes Gesicht sah, überkamen ihn erneut Zweifel. Er fragte sich was aus ihr werden würde, wo ihre ganze Familie doch ausgelöscht wurden war. Schließlich war er nicht ganz unschuldig daran. Sie war noch so jung, kaum älter als 14 Jahre und hätte noch ein langes Leben vor sich gehabt. In ihrem Alter wäre es töricht gewesen sie einfach auszusetzen in der Annahme das sie schon irgendwie klar kommen würde und so entschloss er sich, sie mit auf sein Quartier zu nehmen. Augenzeugen sahen ihn in dieser Nacht vom Grundstück flüchten und vermuteten ihn als Täter der Brandstiftung. Die nächsten Tage wurde er Stadtweit gesucht, obwohl er ein Leben gerettet hatte. So zog er sich zurück, denn einem Vampir hätte niemand glauben geschenkt.

Viele seiner Artgenossen waren dagegen das ein Lebender inmitten ihrer Gruft weilte, doch Lezard garantierte ihm das dem Mädchen nichts geschehen würde. Ganze drei Tage brauchte Gerrard um dem Kind das erste Wort zu entlocken. Es war schon sehr ausgehungert, da es sein Essen nicht annahm, das er Nachts extra für sie aus den Lagerhäusern gestohlen hatte. Immer wieder wurde er von den anderen für sein Verhalten verspottet, aber er ignorierte ihre Worte so gut er konnte. "Was ist denn los, Gerrard? Willst du nicht endlich ihr Blut trinken?", tönten seine Mitstreiter immer wieder, die es nicht interessierte warum er sich um sie sorgte. Er dachte nicht daran irgend etwas dergleichen zu tun, denn dieses Mädchen hielt seine Menschlichkeit am Leben.

"Wie heißt du?", fragte sie ihn eines Tages. "Gerrard ist mein Name, und wie heißt du?", antwortete er freundlich lächelnd. "Teresa", erwiderte sie zögerlich, denn auch nach einer Woche war sie noch immer sehr eingeschüchtert. Er meinte es gut mit ihr, so dass sie immer häufiger redete, ja sogar lachte, als er ihr ein paar aufmunterte Lieder auf seiner Laute vorsang. Manchmal vergas sie, was aus ihrer Familie geworden war, wie auch er vergaß das er kein Mensch mehr war, so dass sie immer besser mit ihrer Situation umzugehen lernten. Draußen in den Gängen der Katakombe, so sagte er ihr immer, sei man als Lebender nicht sicher. Mit der Zeit störte es sie kaum mehr, das er ein Vampir war, worauf sie immer offner ihm gegenüber agierte.

"Warum tust du das alles für mich?", fragte sie als er ihr an einen Abend wieder frische Lebensmittel brachte. "Weil ich mich für dich verantwortlich fühle.", antwortete er trübselig. Er hatte ihr noch nicht erzählt das er Mitschuld am Tod ihrer Familie trug, doch er wusste, das der Tag kommen würde.

"Ich habe dich gerettet also passe ich auch auf das dir nichts passiert.", sagte er oft zu ihr und streichelte ihr über den Kopf, wenn sie wieder einmal weinte. Es dauerte nicht lange und die beiden wurden sogar Freunde. Er brachte ihr Teleportzauber bei, damit sie am Tag draußen sein und endlich wieder frische Luft genießen konnte. Sie war die einzige die ihn nicht als schrecklichen Vampir sah. Es war eine schöne Zeit und Teresa hatte ihn bald wie einen großen Bruder akzeptiert, doch es kam der Tag an all dies abrupt ein Ende fand.
 

"Du denkst noch immer an sie, nicht wahr?", tönte auf einmal eine Stimme hervor, welche ihn aus seiner Erinnerung riss. Es war Lezard der gekommen war um ihn zu sagen das die Zeit reif für einen Beutezug war, doch er reagierte nicht auf seine Frage. "Es ist Nacht, alter Freund. Zeit um jagen zu gehen.", meinte sein alter Gefährte, worauf sich Gerrard nach kurzem zögern erhob. "Tut was ihr tun müsst und ich werde tun was ich tun kann.", erwiderte er ihm nüchtern und fasste ihn kurz auf die Schulter, bevor er den Raum verließ. Mit unsicherer Miene folgte Lezard schließlich seinen Schritten in die Haupthalle, wo die anderen bereits auf ihn warteten.
 

Einige Minuten später hatten sie sich auf dem Dach eines großen Lagerhauses versammelt und ließen ihren Blick zu den Häusern und Unterkünften der Stadtbewohner schweifen. Ohne weitere Absprache verstreuten sich die Vampire und verschwanden in den Gassen und Häusern des Viertels, wo sie ihren Opfern auflauern konnten. Lezard versammelte sich mit einigen Leuten auf dem Dach einer Schänke, die Reisenden zu hauf Zimmer zur Übernachtung anbot. Gerrard hingegen blieb zurück und sah sich das Geschehen aus sicherer Entfernung an.

Eine Zeit lang tat sich, abgesehen von den Jagdzügen seiner Artgenossen, nichts. Es schien eine ruhige Nacht zu werden, bis er auf einmal ein seltsames Geräusch aus einer Seitenstraße vernahm. Seine Pupillen schweiften nach rechts, von wo er den Ton gehört hatte, während sich sein Blick zusehens verfinsterte.

Elegant sprang er vom Dach des Lagerhauses zum Boden hinab. Sein Umhang wehte so auf, das man glauben konnte er würde schweben als er in Richtung Boden sprang. Als Vampir war er nicht allzu schwer und so wirkte seine Landung umso ästethischer. Ähnlich wie Raubkatzen, konnte auch er aus extremer Höhe springen und sicher landen. Als sich sein Umhang vom Sprung gelegt hatte und er unten angekommen war, flohen einige verdächtige Schatten aus seinen Augenwinkeln. Er wollte gerade nachsehen was geschehen war, da lief vor ihm ein junger Vampir aus der Gasse. Seine Augen waren angsterfüllt und es schien so, als ob er vor jemanden flüchtete. "Gerrard! Gerrard! Sie sind hier!", rief er panisch, bevor er ungeschickt vor ihm auf den Boden fiel. Kaum hatte er dies gesagt kamen zwei weitere Gestalten aus der Gasse gelaufen, die eine recht einheitliche, wenn gleich auch bürgerliche Kleidung trugen. Es war recht offensichtlich das dies die Leute der Gilde sein mussten, die Lezards Leuten so zu schaffen machte. "Such die anderen und sag ihnen das sie verschwinden sollen.", wies er den jungen Vampir vor ihn an und schritt auf die beiden Fremden zu.

"Ihr dreckiges, untotes Pack habt es wohl immer noch nicht gelernt das man sich mit uns nicht anlegt. Das hier ist nun unsere Stadt, also verschwindet.", rief einer der beiden mit drohender Haltung. Unbeeindruckt blieb Gerrard unter einer Straßenlaterne stehen und musterte die beiden Männer einen Augenblick lang. "Haltet einen Moment still damit ich euch töten kann.", erwiderte trocken und richtete seine Hand nach ihnen aus. Die Männer erschraken als sich zwei kleine, rote Kugeln in seiner ausgestreckten Handfläche bildeten, die kurz darauf auf sie zugeschossen kamen. Zwei Explosionen erschütterten die Straße und es war klar das der Zauber sein Ziel nicht verfehlt hatte. Als sich die Rauchschwaden verzogen hatten, war Gerrard bereits vom Ort des Geschehens verschwunden.
 

Er schien nichts verlernt zu haben, so geschmeidig wie er von Dach zu Dach sprang um auf ein höheres Gebäude zwecks besserer Übersicht zu gelangen. Kaum dort angekommen, sah er sich schon von vier weiteren gegnerischen Gildenmitgliedern umstellt, die nicht lange zögern sollten und angriffen. "Das war ein Fehler sich mit uns anzulegen.", meinte einer von ihnen, doch dies beeindruckte ihn kaum. Mit spritzen Dolchen und kleinen Schwertern versuchten sie ihn zuzusetzen, aber er wich den Attacken seiner Angreifer immer wieder geschickt aus. Erst als es einen von ihnen gelang einen Riss in seinen Umhang zu schlitzen, drehte er den Spieß um. "Säurepfeil.", rief er und zauberte gleich mehrere dieser ätzenden Geschosse herbei, die er rasant auf seine Gegner abfeuerte. Drei von ihnen riss das Geschoss durch einen Volltreffer glatt vom Dach herunter, während es den vierten ein großes Loch in die recht Torsohälfte ätzte. Alle vier waren tödlich getroffen und Gerrard wollte sich schon abwenden als ihm etwas merkwürdiges auffiel. Mit mürrischer Miene betrachtete er noch einmal das letzte Opfer seines Säurepfeilangriffs das mit geweiteten Augen zu seiner Wunde herabsah.

Was Gerrard sah erschien selbst ihn ungewöhnlich, denn der Gildenanhänger blutete nicht. Er hatte nicht einmal Organe oder Gedärme unter seiner Haut, sondern war voll und ganz mit einer lehmig-sandigen Substanz gefüllt. Einige Augenblicke später erlag er der Verletzung und zerfiel er zu Staub, was zugleich auch alles war was von ihm übrig blieb. Gerrard war sich sicher so etwas merkwürdiges schon einmal gesehen zu haben, konnte es aber zunächst nicht zuordnen. Trotz kurzer Überlegung kam ihn der Gedanke den er suchte nicht in den Sinn und so verschwand er schließlich.

In dieser Nacht sollte es keine weiteren Versuche geben die Vorhaben der Vampire zu stören, so dass man sich nach dem blutigen Vergnügen wieder in die heimische Gruft zurückzog.
 

Dort angekommen herrschte ungemeine Aufregung. Duzende von Vampiren hatten sich in der Haupthalle um etwas versammelt und geiferten herum. Für Gerrard, der gerade hinzustieß, sah es so aus, als ob eine Horde hungriger Raubtiere mit ihren Opfer spielten. Zwischen den Körpern seiner Artgenossen blitzte im allgemeinen Gedränge immer wieder ein zusammengekauertes Mädchen auf, auf das es die Vampire wohl abgesehen hatten. "Hey! Was macht ihr da?! Verschwindet!", rief er mit strenger Stimme, worauf sie sich überrascht zu ihm umdrehten. Sie hatten sein Kommen nicht bemerkt und waren nicht sicher wie man auf seine Worte reagieren sollte. Dennoch war er mächtig genug um mit jedem von ihnen fertig zu werden, so dass man nach und nach platz machte.

Das Mädchen was er erblickte, ließ ihm an Ort und Stelle erstarren, denn er kannte das Gesicht der kleinen, zerschrammten Elfe. Es war das Mädchen das er unter den Namen Kyren kennen gelernt hatte, aber er hätte nicht erwartet sie je wieder zu sehen. "Du ...?!", staunte er verblüfft und auch sie schien von seinem Anblick sichtlich überrascht.

"Sieh es als kleine Wiedergutmachung an. Sie gehört ganz allein dir.", tönte Lezards Stimme hinter ihm hervor. Schmunzelnd trat der Führer der Vampire hinter Gerrard aus einem Schatten, doch dessen Reaktion war anders als erwartet. Wütend wendete er sich ihm zu und packte ihm am Kragen. "Was hast du dir dabei gedacht, Lezard?!", fauchte er erzürnt. "Sieh es doch einfach als Dank an, weil du zu uns zurückgekehrt bist.", erwiderte er gelassen mit zweifelhafter Miene, worauf Gerrard wieder von ihm abließ. Er verstand sehr wohl was er ihn eigentlich zu sagen versuchte, aber es half ihm nichts seinen untoten Körper länger zu würgen. "Wie wäre es? Wollen wir nicht auf ein Gläschen Blut anstoßen? Es war ein so erfolgreicher Abend heute. Tu es der alten Zeiten willen.", fuhr Lezard mit Blick auf das Mädchen fort. "Vergiss es ... offenbar hast du gar nichts verstanden.", gab er mürrisch zurück und ging auf Kyren zu. "Du kannst nicht leugnen was du bist.", mahnte ihn der Gildenführer mit verärgertem Blick. Es änderte jedoch nichts an seiner Meinung und so nahm er sie am Arm und brachte sie auf sein Quartier.
 

Als er die Tür zu seinen Räumlichkeiten hinter sich schloss war Kyren sich sicher das sie dort nicht unversehrt herauskommen würde. Ängstlich kroch sie in eine Ecke, krümmte sich dort zusammen und begann zu beinah vor Furcht zu weinen. "Bitte tu mir nichts! Ich flehe dich an!", schluchzte sie in der Hoffnung auf Gnade zu stoßen. "Spar dir dein Gewinsel! Vampire können keine Gefühle empfinden! Weder Mitleid, noch Reue ... noch Liebe.", gab er barsch zurück, wenn gleich er seinen Satz ergänzte als er sah das er ihr nur noch mehr Angst damit machte. "Du kannst beruhigt sein. Ich habe nicht vor dir irgendetwas anzutun.", sagte er in gleicher Tonlage, worauf sie verwundert ihre Haltung zu lösen begann. Tatsächlich schien er kein Interesse an ihrem Blut zu haben und setzte sich lediglich auf sein Bett.

Je näher sie ihn betrachtete desto mehr fiel ihr auf wie sehr er sich seit ihrer letzten Begegnung verändert hatte. Seine Arroganz war fast vollständig aus seinem Mittlerweile trübseligen Gesicht gewichen, obwohl er sich äußerlich nicht verändert hatte. "Du wirst mir nichts tun?", vergewisserte sie sich noch einmal, was er mit einem kurzen Nicken bestätigte. "Aber ... warum?", fragte sie irritiert nach, auch wenn sie wusste wie merkwürdig diese Frage klingen musste. "Ich werde bald sterben ... es gibt nichts was für mich noch von Bedeutung ist. Weder du, noch dein Blut.", erwiderte er mit leiser Stimme. "Ich hätte nie gedacht das ich einen Vampir mal sagen höre das er bald stirbt.", gab Kyren verblüfft von sich und rieb sich am Kopf. "Dummes Mädchen! Dieser Körper wird ewig weiter leben. Nicht ich werde sterben, sondern mein Ego, das was mich wirklich ausmacht, was mir einen Charakter gibt, was mich menschlich macht.", entgegnete er leicht erzürnt, wenn gleich sein Ton mit jedem Wort bedächtiger Worte. Kyren schwieg eine Weile, denn Gerrard saß einfach nur so da. Er wirkte nachdenklich, gewissermaßen sogar menschlich. Es dauerte noch einige Minuten, bevor er das Gespräch fortsetzte.

"Wie bist du eigentlich hier her gekommen? Das letzte mal hab ich dich in dieser Sklavenhändlerschenke gesehen. Reist du etwa immer noch ohne Gefährten?", wollte er schließlich wissen. "Ich ... äh .... woher weißt du das ich bei den Sklavenhändlern war?", staunte sie etwas verwirrt, was ihm ein kurzes Lachen entlockte. "Ich war dort eine Nacht lang Gast und hab dich gesehen. Du hast dort gekellnert, aber ich kann mir denken dass du da nicht freiwillig warst. Was meinst du denn wer an dem Abend die Tür zu deinem Zimmer geöffnet hat damit du fliehen konntest?", gab er noch immer schmunzelnd zurück. "Das ... warst du?! Dann hast du mich gerettet? Warum ...", fragte sie sichtlich überrascht nach, bevor er sie recht prompt unterbrach. "Ich habe dich nicht wirklich gerettet, sondern dir nur die Möglichkeit gegeben dein Schicksal zu ändern. Ich hatte meine Gründe das zu tun, aber die sind nicht weiter von belang. Mich würde viel mehr interessieren was du hier machst.", sagte er mit ernster Miene. "Ich ... ich bin unterwegs nach Thay und habe hier in der Stadt Rast in einer Schänke gemacht. Na ja ... zumindest bis mich deine Freunde entführt und hier her gebracht haben.", erwiderte sie schließlich. "Das sind nicht meine Freunde! ... nicht mehr.", erwiderte er leicht verstimmt. "Aber ... du lebst doch mit ihnen hier ... oder?", fragte sie vorsichtig nach. "Leben ... was bedeutet das schon für einen Vampir? Weißt du überhaupt was mich von einem Lebenden unterscheidet? Nein, sicher nicht.", meinte er trübselig. "Nein, keine Ahnung.", gab sie schulterzuckend zurück. "Meine Organe ... mein Herz schlägt nicht, meine Lunge atmet nicht mehr. In mir ist alles tot und doch lebe ich auf eine gewisse Art und Weise. Durch meinen Körper fließt eine Flüssigkeit die vom Blut der Lebenden lebt. Sie produziert Stoffe und Mineralien die meinem Körper nicht verwesen lassen und mir Kraft verleiht. Alles was ich brauche ist Blut, damit mein 'schwarzes Blut' weiter seinen Dienst tun kann. Der Nachteil ist das die Haut eines Vampirs sehr empfindlich gegen Sonnenlicht wird, der Vorteil das man gegen sämtliche Krankheiten immun und gewissermaßen unsterblich ist. Ein Vampir alleine entscheidet, ob sein Biss dafür sorgt ob sein Opfer zum Ghul wird, zu einem Vampir oder ein Lebender bleibt, je nach dem ob und wie viel dieser Substanz er beim Biss in den Körper des Opfers überträgt. Das ist das ganze Geheimnis, das ist es was mich von einem echten Lebenden unterscheidet.", erklärte er. "Ah, und wenn man euch einen Pflock durchs Herz rammt dann ...", wollte Kyren ergänzen, bevor er sie erneut unterbrach. "Ja, im Herz läuft alles zusammen. Obwohl es nicht schlägt ist es sozusagen die Schaltzentrale von allen. Ein Pflock dort hindurch ist absolut tödlich, obwohl es ein Dolch auch tun würde.", sagte er und je länger er mit ihr sprach desto mehr erinnerte er sich an damals, denn damals war alles fast ganz genauso. "Teresa ...", dachte er still in sich hinein. Einen Moment lang verharrte er in Gedanken als ihn das Elfenmädchen plötzlich ansprach.

"Was hast du nun mit mir vor?", wollte sie wissen und erhob sich aus ihrer Ecke. "Ich werde nicht lange hier bleiben. Ich habe nur noch eine Sache zu erledigen, bevor ich weiterziehe. Dann verschwinde ich von hier und nehme dich mit. Hier bist du auf Dauer nicht sicher ...", meinte er mit ernster Stimme und erhob sich wieder vom Bett. "Eine Sache zu erledigen?", fragte Kyren neugierig. "Sagen wir ... eine unbeglichene Rechung.", gab er mit düsterer Stimme zurück und wand sich ab. "Ich werde nun für eine Weile weg sein. Versuche nicht von hier zu fliehen, das wäre dein Ende. Wenn irgendwas ist, nimm das hier. Es wird dich beschützen.", sagte er und griff unter seine Kleidung. Er nahm ein Zepter hervor und legte es ihr aufs Bett. Kyrens Augen weiteten sich als sie sah welches Artefakt er da bei sich hatte. Sie fragte sich ob es wirklich möglich war das dies das Zepter war was sie vor langer Zeit einmal gesucht hatte um Shane, von dem sie dachte das er tot wäre, wieder lebendig zu machen. Gerrard verschwand derweil ohne weitere Worte aus seinem Gemach und schloss die Tür hinter sich ab. Kyrens Augen weiteten sich staunend, denn er zeigte eine Seite von sich die sie bisher noch nicht kannte. Sie fragte sich ob es Idiotie oder Vertrauen war, das ihn dazu bewog ein solch mächtiges Artefakt bei ihr zu lassen.
 

Auch in der folgenden Nacht hielt Gerrard wieder auf dem Dach eines Gebäudes Wache für seine Artgenossen die sich am Blut der Lebenden labten, doch diesmal kam es zu keinerlei Zwischenfällen. "Gratuliere, deine Präsents hier scheint unsere Gegner abzuschrecken. Mit deiner Hilfe werden wir sicher bald wieder die Oberhand über die Stadt gewinnen.", merkte Lezard hinter ihm an. Er hatte sich zu ihm auf das Dach eines Wirtshauses gesellt von dem man eine gute Übersicht über das Stadtviertel hatte, aber der einstige Barde schien nicht viel Wert auf seine Gesellschaft zu legen. "Was hast du eigentlich mit der Elfe gemacht? Lebt sie noch?", fragte Lezard mit verschlagenem Blick. "Sie ist unversehrt.", gab er eiskalt zurück, worauf der Gildenführer einen weiteren Schritt an seinen alten Freund heran trat. "Du willst es einfach nicht einsehen, nicht wahr? Solange du nicht akzeptierst was du bist, wirst du immer wieder leiden - so leiden wie damals. Deine menschliche Seite lässt dich schwach werden. Dein Mitleid ist einfach nur erbärmlich für einen Vampir deiner Klasse.", widersprach er hart, schrak aber leicht zurück als sich Gerrard mit finsterer Mine zu ihm umdrehte. "Meine menschliche Seite ... ich habe keine menschliche Seite mehr. Ich empfinde dieses Mitleid nicht von dem du sprichst. Und nun lass mich allein.", erwiderte er mit ernster Stimme, so dass Lezard schließlich aufgab, ihm dem Rücken zukehrte und sich zurückzog. "Tja-ja, der Tod verändert eben jeden.", tönte er noch vor sich hin, bevor er im Dunkel der Nacht verschwand.
 

Als die Nacht sich dem Ende neigte und auch der letzte Vampir schon seit einiger Zeit in die Gruft zurückgekehrt war, schritt eine einsame Gestalt durch die leeren Straßen der Stadt. Es war Gerrard der tief in Gedanken versunken war. In dieser Nacht lief noch einmal sein ganzes Leben vor seinem inneren Auge ab und er fragte sich ob er immer richtig gehandelt hatte. Als Barde war er beliebt und hatte duzende von jungen Frauen beglückt, als Vampir war er gefürchtet und hatte hunderte von Frauen beglückt, doch sein Innerstes brannte beim Gedanken das Erregung das einzige Gefühl sein sollte, was er für den Rest seiner Existenz empfinden sollte. Sein Entschluss war klar und somit auch sein Ziel. Genau wie Kyren würde er weiter nach Thay reisen, wo er vielleicht die ihm versprochene Erlösung finden würde, die ihn in seinen Träumen stets gepriesen wurde. Er fragte sich ob es einen Zusammenhang zwischen ihrer Reise und seiner gab, doch deswegen war er nicht zu seinen Ursprüngen zurückgekehrt. Ein anderer Gedanke beschäftigte ihn schon seit Tagen. An diesen Abend sollte er zu einer Entscheidung kommen, ob er die Vergangenheit gutheißen oder verurteilen sollte, und somit auch seine eigene Existenz.
 

Es war schon spät als er nach seinen Treffen in der Gruft eintraf, doch etwas erregte seine Aufmerksamkeit. Ein Schrei eines Mädchens hallte durch die Gänge und ihm war klar das dieser von Kyren gekommen sein musste. Rasch eilte er zur Quelle des Schreis um zu sehen was passiert war. Er erblickte die kleine Elfe außerhalb seines Gemachs wie sie versuchte sich den Griff Lezards zu widersetzen. Als die beiden ihn sahen stoppte das Gezerre einen Moment lang. "Sie wollte fliehen! Das hast du nun davon!", rügte ihn der Gildenführer. "Stimmt das, Mädchen?!", wollte er von ihr wissen und warf den beiden einen misstrauischen Blick entgegen. Bevor sie antworten konnte stieß auf einmal ein weiterer Vampir hinzu. Er war sichtlich aufgeregt und hatte ein dringendes Interesse mit seinem Herrn zu sprechen. "Meister! Sie sind hier! Sie haben uns entdeckt! Wir werden angegriffen!", berichtete er mit hektischen Gesten. Kaum hatte er seinen letzten Satz beendet erschütterte das Gewölbe und einige Brocken fielen aus der Decke. "Nun denn, sieht so aus als müssten wir unsere Gespräch auf später verlegen.", meinte Lezard und ließ rüde von dem Mädchen ab. Gerrard jedoch machte keine Anstalten ihn in die Schlacht zu folgen, sondern sah ihm nur kurz nach als er an ihm vorbeischritt. "Er hat die Tür aufgebrochen und ...", begann Kyren die vorherigen Ereignisse zu erklären als er sie barsch unterbrach. Durch das Zepter was sie noch immer in den Händen hielt war ihre Aussage für ihn genauso wenig glaubwürdig wie die seines alten Freundes. "Das ist jetzt egal, wir werden hier verschwinden. Folge mir.", sagte er und wies sie mit einer Geste zu sich heran.

Sie kamen jedoch nicht weit, denn in der Haupthalle tobte bereits ein Gemetzel das seines gleichen suchte. Mit geweiteten Augen sah Kyren wie duzende von Vampiren sich gegen einige wenige Menschen der feindlichen Gilde zu Wehr setzten. Fast desinteressiert vom Kampfgeschehen marschierte Gerrard mit ihr im Schlepptau einfach durch die kämpfenden Massen und für einen Moment schien es sogar so als ob er damit auch durchkommen konnte. Ein Augenblick der Unaufmerksamkeit sollte der kleinen Elfe zum Verhängnis werden als sich einige Vampire ihrer annahmen und sie aus Gerrards Begleitschutz entrissen. Ihr kurzer Aufschrei verstummte zwar im Kampfgetümmel, reichte aber dennoch um die Aufmerksamkeit ihres Begleiters zu wecken. Erschrocken drehte er sich um und sah sie in den Fängen einiger seiner alten Mitstreiter. Es überraschte ihn nur minder das sich ihm Lezard mit ausgestreckten Armen in den Weg stellte.

"Das Mädchen bleibt hier!", rief er mit ernstem Blick. "Geh mir aus dem Weg!", tönte er grob zurück, doch der Vampirführer wich nicht. "Du wirst doch dieser Göre keinen Glauben schenken? Ich bin es! Lezard! Vertraust du mir etwa weniger als dieser Sterblichen?", erwiderte er ihm mit harter Stimme und gefletschten Zähnen. Gerrard erwiderte seine Worte nicht und verharrte inmitten des Kampfgetümmels vor ihm. Nachdenklich blickte er seinen besten Freund und Lehrmeister in die Augen, doch er fand nicht das was er darin suchte, während Kyren sich zu befreien versuchte.

"Nein! Ieh! Geht weg! Lasst mich looooos!!!", kreischte sie mit dem Zepter um sich schlagend, doch ohne Erfolg. Die Lage schien Hoffnungslos für sie als es plötzlich zu einer unerwarteten Wendung kam. Ihr letzter Ausruf bewirkte wahre Wunder, denn das Zepter in ihren Händen begann auf einmal zu glühen. Ein warmes Kribbeln durchfuhr ihren Körper, bevor es einen gewaltigen Lichtblitz ausstieß, der jeden um sie herum blendete. Noch etwas perplex von dieser Reaktion wusste sie zunächst gar nicht was sie tun sollte, aber die Auswahlmöglichkeiten waren angesichts ihrer Situation auch nicht allzu groß. Gerrard stockte der Atem als er sah mit welcher Macht sie das Zepter füllte und einsetzte, ohne das es ihr bewusst war.

"Was ist das für ein vertrautes Gefühl ... ich ... ich glaube ...", stotterte sie erstaunt und sah auf das Zepter hinab. Verstärkt durch das Artefakt gelang Kyren endlich das von dem sie glaubte es für immer verloren zu haben. Ihre Augen weiteten sich voller Freude, denn sie konnte es kaum erwarten die nächsten Worte auszusprechen. "Magisches Geschoss!", rief sie so laut sie nur konnte, ihren Arm samt Zepter in Richtung ihrer Gegner ausgestreckt. Es trat ein was sie gehofft hatte, denn ihr Zauber funktionierte - und das mit einer beeindruckenden Stärke. "Nein, das kann doch nicht sein!", schrie Lezard fassungslos als seine geblendeten Vampirfreunde von ihrer Magie zerschossen wurden. Auch Gerrard wirkte überrascht, fand sich aber recht schnell wieder als er merkte das nun alle Aufmerksamkeit auf das Mädchen gerichtet war. "Kyren! Versuch ob du einen Nova-Spruch kannst!", rief er ihr zu, was sie leicht aufschrecken ließ. Es wunderte sie, denn es schien nicht nur so, als ob er ihr vertraute, sondern auch so, als ob er auf sie zählte. "Aber ...", wollte sie widersprechen als er ihr in höherer Lautstärke das Wort nahm. "Mach einfach! Du kannst das! Tu es!", schrie er mit eindringlicher Stimme, so dass sie bereit war es einmal zu versuchen. Mit angsterfülltem Blick wendete sich Lezard dem einstigen Barden zu. "Das kannst du nicht machen! Wir werden alle draufgehen, wenn sie das schafft! Bist du denn wahnsinnig?! Warum wendest du dich gegen deine Brüder?!", protestierte er mit zittriger Stimme. "Du bist nicht mein Bruder - du bist nicht wie ich. Du bist ein Lügner.", entgegnete Gerrard mit eiskaltem Blick.

"Sonnenfeuer!!!", schrie Kyren lauthals heraus und legte all ihre Konzentration ins Zepter. Ein gleißend helles Licht durchfuhr den Saal und drang in alle noch so geheimen Gänge der Gruft, bevor eine gewaltige Feuerexplosion das ganze Gewölbe erschütterte. Selbst an der Oberflache waren ihre Auswirkungen noch deutlich zu sehen als die Erde kurz aufbebte.
 

Der Staub im Gewölbe legte sich langsam, und dennoch wagte es Kyren kaum ihre Augen zu öffnen. Als sie es tat erblickte sie ein Meer von gefallenen Untoten um sich herum, allesamt von ihrem Zauber besiegt oder vernichtet. Sie konnte kaum fassen was sie getan hatte und starrte ungläubig auf das Zepter in ihren Händen. Wenn es so mächtig war das es sogar solche Zauber vollenden konnte, dann musste es wirklich das Artefakt sein was sie einst gesucht hatte. "Wow ... das war ein Zauber des fünften Grades ... ich hätte nie gedacht das ich so etwas schaffe.", staunte sie über sich selbst.

Unter den vielen Leibern erhob sich plötzlich eine Gestalt die ihr Gesicht mit seinem Umhang geschützt hatte. Es war Gerrard, der die Explosion recht gut überstanden zu haben schien. Sein Blick fiel auf Kyren, die ihm das Artefakt drohend entgegenhielt. Sein Blick war bösartig, doch lag keine Bosheit in seinem Handeln, so dass sie ihn nicht lange bedrohte. Nahezu freiwillig gab sie ihm das Zepter wieder als er danach griff und sah unsicher zu ihm auf. "Gut gemacht, aber nun wird es Zeit zu gehen.", meinte er und versteckte das Zepter wieder unter seiner Kleidung. Sie wusste nicht was sie von ihm halten sollte, oder was er womöglich vorhatte, aber dennoch war sie gewillt ihm zu folgen und endlich nach draußen zu gelangen. Er hatte sich stets wie ein Freund ihr gegenüber verhalten, obwohl sie keine allzu guten Erinnerungen an ihn hatte. Nie hätte sie gedacht das er sich so ändern würde. Sie fragte sich was wohl mit ihm geschehen war, das ihn so verändert hatte, obwohl sie fühlte das es wohl etwas mit seiner Menschlichkeit zu tun hatte.

Auf ihren Weg nach draußen kamen sie an einen leicht verschütteten Vampir vorbei, der schwer verletzt in einer Ecke lag. Es war Lezard, den die Druckwelle des Zaubers offensichtlich davon geschleudert hatte. "Gerrard ... egal was du tust. Du kannst nicht leugnen was du bist. Für einen Vampir gibt es keine Heilung. Du besudelst die Ehre der Untoten dich mit dieser ... Lebenden einzulassen.", schimpfte er, doch seine Worte entlockten ihm nicht mehr als ein Schmunzeln. "Du hast mal gesagt, ich soll mich amüsieren. Das war damals bevor ich von hier fort ging. Ich habe wirklich viel von dir über das Vampir-sein gelernt. Du warst mein Mentor und mein bester Freund, aber die Zeiten sind vorbei.", erwiderte er und sah nachdenklich auf ihn herab. "Wenn du ein Vampir bist, dann töte die Kleine, nimm ihr Blut und beweis das du einer von uns bist! Das ist deine Bestimmung!", mahnte er ihn eindringlichst, so dass Gerrard etwas in Gedanken verfiel. Er dachte zurück an die damaligen Ereignisse die ihm zum Gehen bewogen. Er erzählte sie leise vor sich hin, wodurch sie auch Kyren mit anhören konnte.

Er erinnerte sich noch gut als er eines Nachts von einem Beutezug zurückkam und sein Zimmer betrat, wo er Teresa halb nackt in einer Blutlache auf dem Boden liegend vorfand. Sie zitterte am ganzen Körper und winselte mit ihren letzten Kräften. Tränen kullerten an ihren Wangen hinab und Bisswunden zierten ihren ganzen Leib. Lezard, der all die Zeit wie ein Vater für ihn war, saß auf seinem Bett und sah ausdruckslos auf das Mädchen herab. Sein Blick fiel auf Gerrard als er das blutende Kind vorfand. Er erhob sich und ging zur Tür, während er ihm fragend verzweifelte Blicke nachwarf. "Ich kam zu spät. Die anderen haben es einfach nicht ausgehalten. Tut mir Leid.", gab er nüchtern von sich, so als ob eigentlich nichts schlimmes passiert wäre. Es schien niemanden zu kümmern was Gerrard fühlte. Das war der Tag an dem er entschloss die Gilde zu verlassen. Lezard, seinen treuen Freund und Meister, gab er damals das Versprechen zurückzukehren, wenn er ihn brauchte, doch niemals würde er vergessen was man ihm und Teresa angetan hatte.

Seine Erinnerung endete und sein Blick fiel strafend auf den Vampirführer hinab. Es bedurfte keine Worte damit der verstand was sein einstige Schützling ihm sagen wollte. "Du ... du hast es herausgefunden, nicht wahr?", fragte Lezard sich vergewissernd. "Ich war so dumm dir all die Jahre zu vertrauen. Wir waren Freunde, aber du hast mich nur betrogen und ausgenutzt.", erwiderte Gerrard mit gesenktem Haupt. "Hehe ... du hättest damals dabei sein sollen. Ihre Stimme war wie Musik in meinen Ohren als ich ihr die Unschuld und ihr Blut nahm. Sieh es doch ein - du kannst nicht verleugnen was du bist, Gerrard! Egal wie nett du zu ihr warst - eines Tages hättest du das gleiche getan. Wir sind Vampire und wir haben einen Blutdurst den wir stillen müssen! Ein Lebender wird nie in unsere Gesellschaft passen!", gab er mit leicht irrer Stimme zurück. Der einstige Barde war enttäuscht und wütend zugleich als er diese Worte hörte. Lezards Motiv, der Blutdurst, konnte und wollte er nie verstehen.

"Bis heute hast du mit einer Lüge gelebt. Sieh dich an, Lezard. Ihr streift durch die Nacht wie wilde Tiere, auf der Suche nach Beute. Weißt du, ein wahrer Vampir hat Eleganz ... Würde und Stolz. Du hattest das nie, bist nur eine verlogene Marionette deiner Instinkte. Ich schätze es ist nicht schlimm, wenn ich diese Welt von dir befreie ... alter Freund.", sagte er schließlich und rammte seine Hand durch das Herz des Anführers. Ein letztes aufstöhnen seines Lehrmeisters zeigte wie tödlich dieser Schlag war, bevor er schließlich leblos zusammensackte. "Du hast dich für etwas besseres gehalten, aber am Ende warst du auch nur eine hirnlose Bestie wie all die anderen.", sagte Gerrard, bevor er schließlich vor dem geschockten Blick der Elfin weiter in Richtung Ausgang ging. Sie folgte ihn nach kurzen zögern, denn was immer sich für ein Drama vor ihren Augen abgespielt hatte, es zeigte das Gerrard noch immer gefährlich war.

Oben angekommen schienen ihr gerade die ersten Sonnenstrahlen der Morgendämmerung am Horizont entgegen. Eine Weile sahen die beiden der aufgehenden Sonne zu, bis er sich schließlich ein paar Schritte entfernte. "Los, hau schon ab, bevor ich es mir noch anders überlege. Wir werden fortan getrennte Wege gehen, also baue nicht darauf das ich dir je wieder helfen werde.", meinte er ohne sich ihr zuzuwenden. Kyren staunte etwas, begann aber kurz darauf zu lächeln. Bisher hatte sie nie einen besonders guten Eindruck von ihm gehabt, doch er hatte ihr bewiesen das selbst die vermeintlich Bösen ihre guten Seiten haben. "Du hast diese Angreifer hier her geführt, nicht wahr?", merkte sie mit ihren letzten Worten an. "Du weißt doch ... ich hatte hier ... noch eine Rechnung zu begleichen.", gab er reuelos von sich und senkte bedächtig den Kopf.

Kyren verschwand schließlich und ließ Gerrard allein zurück. Noch eine ganze Weile stand er da und sah dem Sonnenaufgang entgegen.
 

Als Kyren an diesen Tag zusammen mit Jáin in der Nachmittagssonne weiter in Richtung Thay lief, merkte man ihr kaum an was ihr wiederfahren war. Der junge Drow hatte sie am Stadtbrunnen aufgegabelt und war nun wieder mit ihr unterwegs. Er war froh das sie alles heil überstanden hatte, denn er selbst hätte sie wahrscheinlich nicht gefunden.

Er merkte das sie sich immer wieder an den Handflächen musterte und jedes mal wenn sie dies tat, lächelte sie heimlich in sich hinein. "Ist irgendwas?", fragte er neugierig, worauf sie fröhlich in den Himmel sah. "Nein, es ist nichts.", gab sie gut gelaunt zurück. In Gedanken war sie bei Gerrard, der ihr dank des Zepters ihre magischen Fähigkeiten wieder erwachen ließ. Schon bald, so wusste sie, würde Shane zurückkehren, dem sie ihr großes Abenteuer unbedingt erzählen wollte.



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