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I'm with you

von

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Große Regentropfen prasseln gegen die Fensterscheiben und ein kalter Wind versucht durch jede noch so kleine Ritze in den Raum zu gelangen. Immer wieder schafft er es, wenn auch nur als seichter Hauch, so auch jetzt.

Seufzend erhebe ich mich von meiner Couch um im nun dunklen Raum die Streichhölzer zu suchen. Das vierte Mal an diesem Abend, nein, in dieser Nacht, hat mir der Wind die Kerzen auf dem Tisch ausgeblasen. Ob er mich auffordern will, endlich schlafen zu gehen?

Kurz sehe ich auf das leuchtende Ziffernblatt meiner Uhr. 02:03 Uhr, wahrscheinlich bin ich der einzige, der in diesem Haus noch wach ist.

Tifa würde wahrscheinlich wieder meckern, da ich doch meinen Schlaf brauche, und Cloud würde ihr zustimmen, aber nur um sich nicht mit seiner Freundin anzulegen.

Vielleicht würde aber auch Nanaki mit mir hier sitzen, die Kerzen beobachten und schweigen, uns beide unseren Gedanken hinterherhängen lassen.

Oder Yuffie würde mich die ganze Nacht lang durch den Keller der ShinRa-Villa schleifen in der Hoffnung, ein paar Substanzen von Hojo zu finden.

Nach ein paar Minuten gebe ich es auf, die Streichhölzer zu suchen und entfache die Kerzen mit einem Feuer-Zauber. Ich könnte natürlich auch einfach die Deckenbeleuchtung einschalten, doch das wäre nur ein kaltes Licht, es würde mir nur zeigen, wie leer und tot diese Wohnung eigentlich ist. Die Kerzen hingegen geben Wärme ab, warmes Licht, das Erinnerungen an längst vergangene Tage weckt...
 

"Yuffie! Hör auf Teig zu klauen und hilf mir lieber!", meinte Tifa wütend zu der kleinen Ninja, welche beim Plätzchenbacken "half". Ich saß daneben und sollte die kleine Aeris, Tifas und Clouds Tochter, in meinen Armen halten, damit ihre Mutter sie immer im Blick hatte. Tatsächlich hatte sie eine gewisse Ähnlichkeit mit der verstorbenen Cetra, doch eigentlich war dieser Name nur eine Erinnerung an eine Freundin. Cloud war mit Barret und Cid unterwegs, um einen Weihnachtsbaum zu holen, Nanaki saß neben meinem Stuhl und schien ein wenig zu dösen.

Es war kurz vor Weihnachten und alle Avalanche-Mitglieder schienen glücklich zu sein, ja, sogar ich war irgendwie glücklich.

Wir wohnten in der zuvor noch leerstehenden ShinRa-Villa, da diese Platz für uns alle bot und wir keine Miete zahlen mussten. Nicht, dass wir nach der "Rettung der Welt", wie Barret es immer nannte, hätten Geld sparen müssen, aber trotzdem nutzten wir diesen Ort für uns.

Ein Schreien ließ mich zusammen zucken. Dem Baby schien wohl wieder etwas nicht zu passen, da hatte Tifa ihr Kind schon auf dem Arm.

"Was ist denn? Hat der böse böse Vincent dir weh getan?"

"Natürlich, das mache ich doch immer", meinte ich scherzhaft zu der Dunkelhaarigen. Sie hatte sich über die Zeit zu einer richtigen Hausfrau und Mutter entwickelt.

Sie lächelte mich an und kümmerte sich dann um Aeris. Tifa hatte mich immer angelächelt, zu jeder Zeit, selbst als sie...
 

Energisch schüttele ich den Kopf. Dieses Wetter, diese Jahreszeit, alles bringt mich dazu, in Erinnerungen zu schwelgen.

Habe ich mir nicht vorgenommen zu vergessen?

Vorsichtig nippe ich an meinem Tee und sehe aus dem Fenster.

Der Regen hat noch nicht aufgehört, immer weiter fallen die Tränen des Himmels zu Boden. Ob er mit mir trauert? Ob er von den Dingen weiß, die ich zu vergessen versuche?

Ich habe alles zurückgelassen, was mich erinnern könnte und dennoch werde ich sie nicht los, die Erinnerung an die Vergangenheit.

Ich wohne nun schon seit einigen Jahren in einer Wohnung im neu aufgebauten Midgar, fernab von Nibelheim und vom Nordkrater und lebe davon, Häuser anderer Leute von Monstern zu befreien. Zu kämpfen habe ich nicht verlernt, andere Dinge schon...

Freunde habe ich schon lang nicht mehr, weiß ich doch, wie sehr das alles schmerzt.

Und wieder sind sie da, beim Gedanken an Geschehenes. Bilder aus der Vergangenheit, die mich nicht loslassen, obwohl sie schon Jahre, nein, Jahrzehnte zurück liegen. Um ihnen zu entrinnen lösche ich die Kerzen und verlasse den Raum, gehe durch die kalte Wohnung, in der nur die nötigsten Dinge stehen, und komme schließlich bei meinem Bett an.

Vielleicht sollte ich doch schlafen, denn so ist bisher die Zeit immer am schnellsten verflogen. Leider kann nicht den Rest meines Lebens verschlafen, habe ich so schon genug Probleme damit, in der Nacht ein Auge zu zu tun.
 

Früher hat Yuffie oft bei mir im Bett gelegen und mit mir geredet. Wir hatten keine Beziehung, empfanden es einfach nur als angenehm so bei einander zu sein. Außerdem ließen Cloud und Tifa es oft nicht zu, dass die Ninja schlafen konnte. Ich schlug ihr dann meistens vor, einfach auszuziehen, schließlich war sie auch schon Volljährig und durchaus in der Lage, allein zu wohnen.

"Nein, ich möchte lieber mit euch allen zusammen leben", hatte sie dann immer gemeint und sich an mich gekuschelt. Damals habe ich sie nicht verstanden, doch heute tue ich es.
 

Mein Bett ist so kalt und leer wie der Rest meiner Wohnung. Es ist nicht die Art von Kälte und Leere, die man mit einer Heizung und ein paar Gegenständen bekämpfen kann, es ist viel mehr sowas wie Einsamkeit.

Früher hatte ich immer gesagt, sowas würde mich nicht stören, war ich es doch von den Jahren eingeschlossen im Sarg gewohnt, doch wenn man einmal Freundschaft und Nähe erlebt, will man nicht mehr ohne das sein.

02:16 Uhr, ganze dreizehn Minuten habe ich schon totgeschlagen. Wenn das so weiter geht, wird das eine lange Nacht werden...

Mit den anderen würde ich wahrscheinlich bewusst diese Nacht wach bleiben, das heißt, sie hätten darauf bestanden. Der heutige Tag ist mein Geburtstag, wie ich grade wieder feststelle, aber ich weiß nicht einmal, wie alt ich jetzt bin.

Ich habe aufgehört die Jahre zu zählen, als es niemanden mehr gab, mit dem ich mich über die vielen Jahre freuen könnte.

Aussehen tue ich noch immer wie siebenundzwanzig, etwas, das ich Hojo zu verdanken habe.
 

Jeden Tag, wenn ich in den Spiegel schaute, sah ich mich mit meiner hellen Haut, den roten Augen und schwarzen Haaren, die mir teilweise ins Gesicht hingen. Nie veränderte sich daran etwas, ich bekam keine Falten, keine grauen Haare oder gar eine Glatze.

Manch einer würde sicherlich als großes Glück bezeichnen, doch für mich war es nichts weiter als ein Fluch.

Alle Leute um mich herum veränderten sich, wurden reifer, alterten. Die Jahre gingen an ihnen nicht spurlos vorüber, an mir jedoch schon.

Und nach und nach verschwanden sie alle. Einer nach dem anderen starb, ließ mich allein zurück. Tifa war die letzte, die mich verließ.

Wir hatten zuvor noch einige Jahre zusammen in der Villa gelebt, sie bekam recht oft Besuch von ihren Enkeln, heute dürften diese schon Urgroßeltern sein. Immer lächelte sie, immer schien sie glücklich zu sein. Als sie dann starb, mitten in der Nacht, ganz ruhig im Schlaf, lächelte sie weiter, wie als würde sie mich bitten wollen, auch weiter zu lächeln.
 

Mit leerem Blick starre ich an die Decke.

Lächeln, wie lange habe ich das nicht mehr getan? Ich glaube, ich kann es gar nicht mehr, warum sollte ich auch? Es gibt niemanden mehr, dem ich ein Lächeln schenken will...
 

Irgendwie habe ich diese Nacht doch noch überstanden, ohne ob meiner Erinnerungen in Tränen auszubrechen.

Der Himmel ist mittlerweile wieder aufgeklart und lässt ein paar Sonnenstrahlen in meine Wohnung fallen. Trotzdem wirkt dieser Ort nicht angenehmer als am Vortag.

Langsam gehe ich zum Kühlschrank, nur um festzustellen, dass dieser dringend aufgefüllt werden muss. Dann habe ich wenigstens eine beschäftigung für den heutigen Tag.
 

Ein reges Treiben herrscht in den Läden in der Stadt, von überall ist ein Stimmengewirr zu hören, zu allen Seiten stehen Menschen, unterhalten sich, kaufen ein oder tun andere Dinge. Ich selbst gehe durch die Regalreihen des Supermarktes, packe alles, was ich brauche in den Korb. Andere Leute interessieren mich nicht, denn ich kenne sie nicht und will sie nicht kennen.

"Das gleiche wie immer?", fragt mich die Verkäuferin an der Fleischtheke, die mich zu kennen scheint. Ich nicke nur abwesend, sehe durch sie hindurch und bin wieder vollkommen in meine Vergangenheit vertieft.
 

"Hast du eigentlich Angst davor zu sterben?"

Es war wieder einmal eines dieser Gespräche, die Yuffie und ich mitten in der Nacht führten. Und wie jedes Mal warf es mehr fragen auf, als es Antworten brachte.

"Nun...", ich sah sie an. Wir lagen immer so, dass wir uns direkt in die Augen sehen konnten.

"Ich weiß es nicht. An sich habe ich ja nicht einmal die Aussicht jemals zu sterben, darum mache ich mir darüber keine Gedanken."

Auf meine Worte hin, gab sie ein Murren von sich und kniff mir in die Nase.

"So eine Antwort wollte ich nicht! Sei ehrlich, na los!"

"...", kur schloss ich die Augen, versuchte mir den eigenen Tod vorzustellen. Damals, gefangen im Keller der Villa habe ich mir oft den Tod gewünscht, aber die Reue über mein Versagen, über Lucretias Schicksal ließ mich einfach nicht von dieser Welt verschwinden.

"Ich glaube, ich hätte Angst davor", gab ich schließlich ehrlich zu.

"Ich auch...aber vielleicht ist es leichter, wenn man jemanden hat, der bei einem ist."

"Jemanden?"

"Ja, du weißt schon...jemanden, dem du vertraust oder den du vielleicht sogar..."
 

"Hier, bitte sehr!", werde ich von der Verkäuferin aus den Gedanken gerissen. Ohne sie anzusehen nehme ich ihr die Lebensmittel ab und entferne mich von der Theke. Mir ist wieder eingefallen, warum ich noch lebe. Ich hatte Yuffie gegenüber nicht gelogen, ich habe sie noch nie angelogen. Wäre ich damals mit Tifa zusammen gestorben...

Aber jetzt ist es zu spät, sich darüber Gedanken zu machen.

Seufend mache ich mich auf den Weg zur Kasse. Um mich herum nur gesichtslose Leute, die mich mehr oder weniger beachten.

Plötzlich rempelt mich jemand an, allerdings wohl ungewollt.

"Entschuldigung...", meint er leise und lässt mein Herz einen Schlag aussetzen. Diese Stimme, ist das möglich?

Schnell drehe ich mich um, in der Hoffnung noch einen Blick auf diesen Mann zu erhaschen. Wahrscheinlich bilde ich mir das alles nur ein, die Einsamkeit kann einen verrückt machen.

Ich brauche mich nicht lange umzuschauen, es ist mir schnell klar, wer das eben war.

Lange, silberne Haare, ein schwarzer Mantel und wie auf ein Stichwort dreht er sich um und ich kann diese glühenden, grünen Augen sehen. Es ist nur ein Augenblick, dann dreht sich der Mann wieder weg und geht weiter, doch schon dieser Moment reicht, um mich vollends zu verwirren.

Bist du das? Kann das wirklich sein?

Oder sieht dir dieser Mann einfach nur zum verwechseln ähnlich?

Ja, so muss es sein. Du solltest, nein, du bist tot, ebenso wie alle anderen. Selbst wenn du den Kampf von damals überlebt hast, heute wärst du zu alt, um noch am Leben zu sein.

Aber...bin ich nicht auch zu alt dafür?

Den Kopf schüttelnd drehe ich mich um, du, nein, dieser Mann, ist schon längst aus meinem Blickfeld verschwunden.

Um mich herum sind immer noch gesichtslose Menschen und ich bin noch immer allein. Aber dieser Moment, auch wenn er noch so kurz war, hat in mir den Wunsch wiedererweckt, wieder menschliche Nähe zu spüren.

Auch wenn es unmöglich ist, so wünsche ich doch, dass ich dich gesehen habe, dass wenigstens ein Teil meiner Vergangenheit noch nicht zur Erinnerung geworden ist.
 

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Gemächlich gehe ich durch den Supermarkt, eigentlich habe ich gar keine Lust darauf einzukaufen, aber irgendwovon muss ich mich ernähren. Um mich herum sind nur Menschen die ich nicht kenne, die mir nichts bedeuten und sie scheinen mich ohnehin nicht zu bemerken. Vielleicht ist es auch gut so, schließlich würde es auffallen, wenn jemand einfach nicht stirbt, ja nicht einmal altert.

Deshalb bin ich auch nach einigen Jahrzehnten von der Costa del Sol hierher, ins neue Midgar gezogen. Hier kennt mich noch niemand. So wirklich hat mich noch nie jemand gekannt.

Doch...vielleicht Zack, er war ein guter Freund von mir. Und dann gab es da noch...

Aber das ist ohnehin alles zu lange her, keiner, den ich je kannte, ist noch am Leben.

In Gedanken versunken setze ich meinen Weg fort, versuche Zeit zu vertreiben, warte darauf, endlich zu sterben.

Ungewollt remple ich dabei einen Mann an, entschuldige mich aber sogleich. Aus den Augenwinkeln sehe ich ihn, schwarze Haare und blasse Haut. Kann das sein?

Um mich zu vergewissern drehe ich mich um, und wie, als hätte dieser Mann meine Gedanken gelesen, sieht er mich ebenfalls an, aus rubinroten Augen.

Ich weiß, es ist unmöglich, aber er sieht aus wie du. Das muss ein Zufall sein, darum wende ich mich wieder ab, versuche diesen Moment zu verdauen.

Du, das heißt, jemand, der wie du aussieht, ist hier in Midgar.

Noch einmal blicke ich zurück, hoffend, einen weiteren Blick zu erhaschen, vielleicht sogar von dieser Person angesprochen zu werden, doch da ist niemand mehr. Nur Menschen, die mit anderen Menschen durch den Supermarkt gehen. Keiner von ihnen sieht mich wirklich, es ist alles so, wie es sein sollte. Vielleicht spinne ich und habe mir diese Begegnung nur eingebildet, aber trotzdem löste sie ein angenehmes Gefühl aus. Diese mir langsam immer fremder werdende Welt ist plötzlich wieder etwas vertrauter.

"Vincent..."

Lautlos formen meine Lippen deinen Namen. Du kannst mich nicht hören, selbst wenn du dieser Mann sein solltest, aber bei diesem Namen erinnere ich mich an vergangene Tage.
 

Ich muss etwa sieben Jahre alt gewesen sein, als mich mein "Vater", wie sich Hojo immer nannte, zum ersten Mal allein in den Keller der ShinRa-Villa ließ.

Natürlich war ich aufgeregt, durfte ich doch zum ersten Mal jeden Winkel diesen Gemäuers erforschen.

Mein Weg führte mich durchs Labor, an den Bücherregalen vorbei, wieder in den modrig riechenden Gang und schließlich in einen Raum voller Särge. Ich hatte keine Angst vor Vampiren oder was sonst noch in Särgen hausen sollte, dennoch wurde mir an diesem Ort etwas mulmig, war doch deutlich die Anwesenheit eines Lebewesens zu spüren. Langsam ging ich zwischen den Särgen umher, machte einen nach dem anderen auf, fand allerdings nichts als Knochen. Nur eine dieser Holzkisten blieb übrig, mir war klar, dass ich dort kein Skellett finden würde.

Vorsichtig klopfte ich auf den dunklen Deckel, die Buchstaben darauf waren schon verblasst. Als sich nach wenigen Minuten nichts im Sarg regte, wagte ich es, ihn zu öffnen.

Tatsächlich lag dort jemand, ein Mann etwa Mitte zwanzig. Mit großen Augen musterte ich ihn. Schwarze Haare und eine sehr helle Haut, dazu einen langer, den Körper verdeckenden Umhang, so stellte ich mir einen Vampir vor.

Gespannt beobachtete ich, wie mein Fund die Augen öffnete, orientierungslos blinzelte und mich dann mit diesen Rubinen fixierte.

"Wer bist du?", fragte ich ihn neugierig. Dieser Mann war zu hübsch um Angst vor ihm zu haben.

"Vincent...", erklärte er nach einer kurzen Pause und setzte sich auf.

"Ich bin Sephiroth!"

Fröhlich hielt ich ihm, dir, meine Hand hin und nach einer weiteren Pause ergriffst du sie.

Dein leerer Blick schien wieder etwas Leben zu bekommen, während ich bei dir war, schon allein deshalb kam ich von da an fast jeden Tag in den Keller.

Du warst, ob du es nun wolltest oder nicht, zu sowas wie einem Freund für mich geworden, meinem einzigen Freund.
 

"Passen sie doch auf!", werde ich von einem Motorradfahrer angebrüllt, der mich fast umgefahren hätte. Verblüfft stelle ich fest, dass ich schon aus dem Laden raus bin und grade über eine stark befahrene Straße gehe.

Diese Tagträumereien müssen aufhören, schon allein weil sie meine Laune noch weiter hinunter ziehen.

Ich schaue nach oben. Der Himmel ist blau, wie er es früher in Midgar nie gewesen war, und lädt zu einem Spaziergang ein. Da ich nichts anderes vorhabe, nehme ich die Einladung an und mache mich auf den Weg zum Park.

In Midgar einen Park zu sehen ist für mich immer wieder seltsam, kenne ich diese Stadt doch noch als dunkles, kaltes Gebilde. Aber heute gibt es hier keine Slums mehr und keine Reaktoren. "Solarenergie" und wie das alles heißt sorgt jetzt für Strom.

Im Gehen blicke ich zur Sonne, sie scheint schwächer zu sein, als sie es noch in meiner Kindheit war. Scheinbar tuen die Menschen nun das mit der Sonne, was sie zuvor mit der Erde getan haben. Egal welchen Planeten sie zerstören, letzten Endes fällt es alles auf die Menschen selbst zurück.

Ich frage mich, wie lange diese Welt noch existieren kann und ob ich bis dahin noch leben werde. Wahrscheinlich.

Unter einer großen Eiche setze ich mich auf eine Bank und hänge der Vergangenheit nach. Diese Begegnung mit dir, oder mit dieser Person, lässt mich nicht los.
 

Niemand wusste davon, dass ich dich im Keller der ShinRa-Villa besuchte, ich hatte auch niemanden, dem ich es erzählen könnte.

Du warst immer da, ich fragte nicht warum, nahm es einfach als gegeben hin.

Wir redeten miteinander, das heißt, ich erzählte dir viele Dinge, die ich am Tag zuvor erlebt hatte und hörtest zu. Nur wenn ich dir Fragen stellte sprachst du relativ viel. Aber auch wenn du nicht sehr gesprächig warst und sicherlich nicht das, was ein Junge von sieben Jahren zum Freund haben sollte, so war ich doch froh, dass es dich gab.

Irgendwann, wir kannten uns schon ein paar Monate, kam ich in den Keller um dich zu besuchen, doch die hölzerne Tür war verschlossen. Wütend rüttelte ich an der Tür, versuchte zu dir zu kommen, doch es war sinnlos.

"Was machst du da?", hörte ich plötzlich eine kalte Stimme hinter mir. Erschrocken drehte ich mich um und stand Hojo gegenüber.

"In diesem Raum liegt ein wertvolles Projekt von mir, hör auf dort herum zu schnüffeln!"

"Aber...", begann ich kleinlaut, da wurde ich mit einem Schlag zur Ordnung gerufen.

"Verschwinde von hier, wenn du nichts sinnvolles tun kannst. Du störst!"

Damit wandte er sich von mir ab und ging in sein Labor.

Ich stand noch eine Weile vor der Tür, flüsterte immer wieder deinen Namen, war ich mir doch sicher dich verloren zu haben.

Hätte ich damals geahnt, was einige Jahre später passieren würde...
 

Gedankenverloren sehe ich einem Blatt hinterher, welches langsam zu Boden segelt. Und genau in diesem Augenblick tritt auch eine Person in mein Blickfeld, als hätte das Blatt sie mir zeigen wollen.

Das ist keiner dieser gesichtslosen Menschen, die durch den Park gehen, es ist wieder diese Person, die dir so ähnlich sieht, aber dennoch nur eine fremde Person seien kann. Trotzdem beobachte ich sie, lasse sie nicht mehr aus den Augen und folge ihr schließlich.

Wer weiß, vielleicht werde ich so etwas finden, das mir zeigt, warum es mich noch gibt.
 

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Schweigend stehe ich auf der Brücke im Park, starre in das klare Wasser des unter mir hindurch fließenden Baches ohne es wirklich wahrzunehmen. Dennoch beruhigt es mich ungemein. Ich könnte stundenlag hier stehen bleiben und dem leisen Plätschern lauschen, so etwas mochte ich schon immer.

Aber heute ist es trotzdem das erste Mal, dass ich diesen Ort aufsuche. Bisher war ich immer in Begleitung, wenn ich mich an einen Fluss oder Bach setzte, meist war Nanaki bei mir, doch auch andere kamen gelegentlich mit mir. Egal wer da war, ich war jedenfalls nie allein.

Warum bin ich dann heute hier?

Vielleicht, weil ich diesen Mann getroffen habe und hoffe, ihn hier zwischen den Bäumen wieder zu treffen?

Ich weiß wie dumm es ist auf jemanden zu warten, von dem man nichts weiß und auch nicht erwartet, ihn jemals wieder zu sehen, dennoch tue ich es. Was sollte ich auch sonst machen?

Es ist noch nicht einmal Nachmittag und ich habe rein gar nichts mehr zu tun.

Andere Leute sagen sich in solchen Momenten, dass sie etwas machen könnten, was sie schon immer machen wollten und wozu sie vielleicht nie wieder kommen werden. Aber was, wenn man ewig Zeit hat?

Ich wüsste nicht, was ich heute tun könnte und morgen nicht mehr. Selbst im Fernsehen kommen nur wiederholungen. Auf Dauer findet man nirgends etwas wirklich neues, aber auch nichts vertrautes mehr.

Meine Blicke wandern über die Wiese hinter ein paar Bäumen. Kinder spielen und lachen dort.

Ob ich auch als Kind gespielt und gelacht habe?

Das letzte, woran ich mich erinnere, liegt zwar auch schon sehr viele Jahre zurück, doch geschah lange nach meiner Kindheit...
 

Da war ein Kind. Ein Kind, dass immer wieder zu mir kam, obwohl es mich nicht kannte und ich es auch nicht. Es war die einzige Person, die ich in den vielen Jahren, eingeschlossen im Keller der ShinRa-Villa zu Gesicht bekommen hatte.

Trotzdem weiß ich nicht einmal mehr seinen Namen oder wie es aussah, nur an dieses strahlende Lächeln kann ich mich erinnern.

Es schien glücklich zu sein und eine schöne Kindheit zu haben, so schön, dass es irgendwann nicht mehr zu mir kam, keinen Bedarf mehr an mir hatte.

Immer wenn ich wach war wartete ich in der Dunkelheit, wartete auf dieses Klopfen, mit dem sich mein junger Besuch immer ankündigte, aber das Warten war vergebens.

Schließlich schlief ich wieder länger. Tage, Wochen, Monate vergingen fast unbemerkt und so vergaß ich, dass ich gewartet hatte.
 

Ein Ball rollt zu mir, gefolgt von einem rennenden Mädchen.

"Kannst du mir den Ball wieder geben?", fragt es mich, als ich das runde Objekt aufhebe. Es hat fuchsbraune Augen, fast so wie die meinen, doch diese Augen strahlen im Gegensatz zu meinen Augen.

Ob ich auch jemals solche Augen hatte?

Nachdenklich gebe ich dem Mädchen den Ball zurück, woraufhin es wieder zu seinen Freunden läuft.

Eigentlich weiß ich über meine Kindheit genauso wenig wie über dieses Mädchen. Wahrscheinlich sind Menschenleben deshalb so kurz, nur damit man seine Vergangenheit nicht vergisst.

Ein Tropfen fällt mir auf die Nase, ihm folgen weitere. Erst jetzt fällt mir auf, dass sich der Himmel verdunkelt hat und dass in einiger Entfernung ein dumpfes Grollen zu hören ist. Die Kinder rennen schon nach Hause, in der Hoffnung nicht ganz nass zu werden.

Mich hingegen stört der Regen nicht, gibt er mir doch immer wieder das Gefühl, noch am Leben zu sein. Also bleibe ich noch etwas hier auf der Brücke und warte. Worauf werde ich sehen, wenn es mich gefunden hat.
 

Völlig durchnässt komme ich bei meiner Wohnung an und schließe mit zitternden Fingern die Tür auf. Es ist plötzlich kalt geworden und hat stärker angefangen zu regnen, darum habe ich mich doch auf den Heimweg gemacht.

In meinen vier Wänden drehe ich erst einmal die Heizung auf, man merkt, dass es langsam auf den Winter zugeht. Seufzend lasse ich mich dann auf die Couch fallen, die Jacke zusammen mit den Schuhen einfach in Richtung Garderobe werfend.

Es ist erst 16:00 Uhr und ich sitze schon zu Hause. Nun gut, ich habe schon eine ganze Menge Zeit vertrieben, aber die verbleibenden acht Stunden bis ich die Chance darauf habe einzuschlafen, werden sich wieder ziehen, so wie sie es immer machen.

Es ist komisch, wenn man keine Uhr hat, durch die man die Zeit direkt sieht, so vergeht sie viel schneller. Aber bei mir in der Wohnung hängen viele Uhren, wahrscheinlich zu viele. Ihr leises Ticken ist oft das einzige Geräusch hier, ein Geräusch, das vielen Leuten sagt, wie schnell ihr Leben vergeht. Und mir? Mir sagt es nur, dass ich wieder eine Sekunde mehr überstanden habe.

Mein Blick fällt auf die Einkaufstasche neben der Tür. Ich hatte sei nur schnell herein gestellt, bin dann sofort wieder nach draußen geflüchtet, da ich keinen Nerv für das Auspacken der Lebensmittel hatte. Zwar habe ich das jetzt noch immer nicht, aber wenn die Tasche weiterhin dort stehen bleibt, verdirbt das Essen.

Langsam stehe ich auf und gehe mit den Einkäufen in die Küche um den Kühlschrank aufzufüllen. Ich verstehe nicht, warum ich so viel eingekauft habe, das schaffe ich nie innerhalb der nächsten zwei Wochen aufzuessen.

Es wäre wohl das beste, nur für einen Tag einkaufen zu gehen, damit man jeden Tag etwas zu tun hat, aber ganz so vereinsamt und gelangweilt bin ich noch nicht.

...

Oder doch?

Es wäre zumindest eine Möglichkeit sich die Zeit zu vertreiben.

Bei diesem Gedanken fällt mir ein Sprichwort ein:

"Man soll die Zeit nicht vertreiben, man soll sie verbringen!"

Wer auch immer das gesagt hat, er hatte sicherlich keine hundertfünzig und mehr Jahre auf dem Rücken.

Schließlich packe ich das letzte Stück in den Schrank, räume die Tasche weg und habe wieder nichts zu tun. Ich bin eindeutig zu schnell für dieses Leben.

Gemächlich gehe ich durch das Wohnzimmer, welches an die Küche grenzt, und überlege wie ich den Rest des Tages verbringen soll. Im Fernsehen kommt ohnehin nichts und ungelesene Bücher habe ich momentan auch nicht. Gerade will ich schauen, ob ich etwas aufräumen könnte, da klopft es an der Tür.

Verwirrt gehe ich hin. Wer sollte mich besuchen wollen?

Es klopft erneut.

Ich mache mir nicht die Mühe durch den Briefschlitz zu schauen, einen Spion hat diese Tür nicht, sondern mache einfach die Tür auf.

"Was...?", beginne ich, stocke aber erschrocken im Satz.

Da steht er. Der Mann, dessen Anblick mich den ganzen Tag in meinen Gedanken verfolgt hat. Ich habe mir gewünscht, dass er mich finden würde, aber selbst nicht daran geglaubt. Seine grünen Augen sind auf mich gerichtet und wieder habe ich das Gefühl dich zu sehen.

Nein, das kannst du einfach nicht sein, das darfst du nicht sein.

Während ich noch in diese Augen starre, noch hoffe, gleich schweißgebadet aufzuwachen, fragt dieser Mann, was ich nicht hören will.

"Darf ich reinkommen, Vincent?"
 

****************************************************************************

to be continued...



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Fumachan
2006-06-03T07:50:32+00:00 03.06.2006 09:50
Hach, das hier war einfach zu herzergreifend*taschentuchvollheul*
Von:  ZetaXIII
2006-02-16T02:48:17+00:00 16.02.2006 03:48
Warum nur ein Kommi?????????????
Des geht doch nich! >.<
Geile Story. Kann man immer wieder lesen und es fesselt einen jedesmal *.*

zeta13 :)
Von: abgemeldet
2004-11-08T09:58:32+00:00 08.11.2004 10:58
Woooow,
eigentlich wollte ich keine FF7-FF mehr lesen und schon auf "zurück" klicken, aber die ersten Zeilen haben mich schon voll in ihren Bann gezogen o.O""

Vincent tut mir echt leid und ich muss echt sagen dass Du ein wirkliches Talent bist!
Du schreibst wirklich unglaublich unterhaltsam, bin mal auf die weiteren Kapitel gespannt:°)

Bou-chan


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