Zum Inhalt der Seite

Einsamkeit

Die Suche eines Herzens nach Liebe
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

China und Russland treffen in Japan aufeinander

Halloooooo ^__^

Beyblade Charas ausgeborgt und Weltgeschichte - *sich räusper* - eine FF geschrieben! ^^

Sprich: Es hat nichts mit der eigentlichen Serie zu tun, nur das Rei, Kai, Max, Takao und Kenny vorkommen! ^^ Ich habe mal, größenwahnsinnig wie ich bin *muahaha*, beschlossen, dass die lieben Jungs auf dieselbe Schule gehen ^^ Max, Rei, Takao und Kenny gehen gemeinsam in eine Klasse und sind richtig gute Freunde; Kai kommt neu in die Schule und ist eben erst von Russland nach Japan umgezogen und wohnt jetzt alleine in einem schicken Appartement. Nun, wie sich das ganze weiterentwickelt, könnt ihr jetzt lesen...
 

"reden"

(Kai redet russisch)

[Rei redet chinesisch]
 

Kapitel 1 - China und Russland treffen in Japan aufeinander
 

Er stand vor der Tür, starrte diese wütend an und seufzte innerlich tief auf. Er hasste es, irgendwo neu hinzukommen und den neugierigen Blicken anderer ausgeliefert zu sein, doch er kam nicht drum rum. So sehr er es auch wollte, er musste da durch und nun diese verdammte Tür öffnen. Wider Willen klopfte er kurz und riss das Objekt seines Hasses mit einem kräftigen Ruck auf. Die Lehrerin, die ihm daraufhin entgegenblickte war nicht wenig erschrocken durch diese Aktion und musste sich erst einmal fassen, bevor sie ihre Stimme wieder fand.

"Gehe ich richtig in der Annahme, dass du Kai Hiwatari bist? Der neue Schüler aus Russland?"

Ein Nicken seitens Kai folgte und ein eisiger Blick traf die Lehrerin, welche sich daraufhin kurz räusperte.

"Ich bin Frau Sanaki. Wie ich sehe, bist du nicht sehr gesprächig..."

"Mhm", stimmte Kai zu und schloss einen Moment die Augen, bevor er seinen bohrenden Blick durch die Klasse schweifen ließ.

"Was soll man machen... setz dich einfach neben Rei", sie deutete auf einen schwarzhaarigen Jungen der wie er, nicht die übliche Schuluniform trug. Dafür erhielt er auf Kais unerbittlicher Liste zwar einen Pluspunkt, aber das Privileg seiner Sympathie hatte er deshalb noch lange nicht erlangt. Missmutig schloss er die Tür hinter sich wieder und folgte der Aufforderung der etwas verunsicherten Frau. Der Junge, Rei, lächelte ihn freundlich an, doch Kai quittierte das bloß mit seinem üblichen, starren und gefühlslosen Blick. Mit vor der Brust verschränkten Armen saß er da und schien Frau Sanaki mit jeder Sekunde die verging, mehr an die Gurgel springen zu wollen. Er hasste diese Frau dafür, dass er hier war, obwohl sie bei Gott nichts dafür konnte, was ihm leider sehr bewusst war. Er hatte es immerhin selbst gewollt, hatte von seinem Großvater weg, nach Japan ziehen wollen, um "seinen Horizont zu erweitern", wie er gemeint hatte. In Wahrheit wollte er den grausamen alten Mann einfach nur loswerden, und das war ihm schließlich auch gelungen.

Stur starrte Kai die unschuldige Lehrerin die komplette Stunde über an und nahm nicht wahr, dass ihn ein goldgelbes Augenpaar neben ihm musterte.
 

Rei war von dem Äußeren des Russen fasziniert. Er hatte dunkelrote Augen die eine einzigartige Ausdrucksstärke besaßen, auch wenn sie bis jetzt nur Kälte ausgestrahlt hatten. Seine Haare, deren Färbung zwischen silber und blau wechselte, erschienen dem Jungen ebenfalls sehr außergewöhnlich. Doch das markanteste an ihm war wohl seine Kleidung... wie oft lief einem in der Schule schon ein Junge über den weg, der ein hautenges schwarzes ärmelloses Shirt trug, dazu dunkelblaue Baggypants und zu allem Überfluss rote Unterarmschienen mit äußerst gefährlich wirkenden Stacheln daran? Richtig: nie! Was Rei ebenfalls faszinierte, waren die blauen Dreiecke auf Kais Wangen die ihn erst so richtig bedrohlich wirken ließen.

Erst das Läuten riss ihn aus seinen Gedanken und ruckartig stand er auf und gesellte sich zu seinen Freunden.
 

"Hast du was mit dem Neuen gesprochen?", fragte Max leise.

"Sehr sympathisch sieht der ja nicht gerade aus", fügte Takao zögernd hinzu.

"Ach was, lasst ihn uns doch erst einmal kennen lernen, bevor wie ihn in eine Schublade stecken!", warf Kenny ein.

Rei stand teilnahmslos daneben und war in Gedanken versunken, welche unentwegt um Kai schweiften.
 

Dieser hatte es sich inzwischen zur Aufgabe gemacht seine Kameraden zu begutachten und sofort zu kritisieren. Sein Blick blieb nach einer Weile an der kleinen Gruppe hängen, in dessen Mitte sich Rei befand. An Max gefiel ihm dessen ewiges Grinsen und Lachen nicht, dann hatte er etwas an Kennys seltsamer Frisur auszusetzen und Takao war ihm einfach zu laut. Der brüllte nämlich mittlerweile lauthals durch die Klasse, was, dass interessierte Kai nicht. Nun schweiften seine Gedanken zu Rei. Er war so ganz anders als die übrigen Jungs und Mädchen in der Klasse.

Erst mal trug er typisch chinesische Kleidung: ein enges weißes Hemd, ebenfalls ohne Ärmel und mit den traditionellen Knöpfen, dann eine locker fallende schwarze Hose und die dort üblichen schlappenartigen Schuhe. Was ihm noch ins Auge stach waren das rote Stirnband mit dem Yin - Yang - Zeichen, die dazu passenden Bänder um die Handgelenke und der lange Zopf, der mit einem scheinbar meterlangen weißen Band umwickelt war. Die Stirnfransen hingen ihm keck in die Stirn und verliehen ihm ein freches Aussehen. Er wollte sich eben wieder abwenden, als Rei ihn plötzlich mit seinen goldgelben Augen ansah.

Erst regte sich keiner der beiden, das stetige Gewusel um sie herum ignorierend, doch dann formte sich erneut dieses freundliche, offene Lächeln auf den Lippen des Chinesen und Kai wandte den Blick ab. Er stierte verbissen auf den Tisch, der aber genau genommen nicht ein interessantes Fleckchen besaß, doch das war ihm im Moment vollkommen egal.

Äußerlich sah man ihm nichts an, doch innerlich fühlte er sich ertappt. Er musste den schwarzhaarigen Jungen minutenlang angestarrt haben und dabei hatte er noch nicht einmal etwas gefunden, dass er an ihm nicht leiden konnte. Bis jetzt hatte er wirklich einen bleibenden, und vor allem guten, Eindruck bei Kai hinterlassen.

Erst als Rei sich wieder neben ihn setzte realisierte er, dass es wohl zur nächsten Stunde geläutet hatte und so widmete er sich wieder der Aufgabe, den jungen Lehrer, der nun das Klassenzimmer betrat, in Gedanken auf alle vorstellbaren, und unvorstellbaren, Arten zu töten.
 

Nach dem Unterricht, es war gerade drei Uhr nachmittags, stapfte Kai ungehalten über den Schulhof. Was bildete sich dieser Rei überhaupt ein?! Vor Wut innerlich kochend bog er vom Schultor aus auf den Gehsteig und achtete nicht sonderlich darauf wo er hinging, was sich darin äußerte, dass er nicht wenige andere Schüler anrempelte oder gar umstieß. Wütende Rufe begleiteten seinen Weg doch er hörte sie gar nicht, zu groß und frisch war noch der Zorn auf den jungen Chinesen.
 

~Flashback~

Es hatte gerade zur letzten Stunde geläutet: Mathematik. Die Hälfte der Stunde war mit Sicherheit schon vorüber, als Rei sich erneut Kai zuwandte und ihn ansah. Als dieser seinen Blick, zwar eisig, aber dennoch, erwiderte, huschte dieses Kai wohlbekannte Lächeln wieder über die Lippen des anderen. Er verstand nicht was den anderen ständig dazu veranlasste, aber er fühlte sich dadurch bloßgestellt, lächerlich gemacht.

"Hör auf mich ständig so bescheuert an zu grinsen", zischte er Rei schließlich zu.

"Wieso denn?", fragte der Chinese belustigt zurück.

"Weil ich es dir sage, deshalb!", wurde forsch geantwortet.

"Glaubst du ich lasse mir von dir etwas befehlen?!"

Die Heiterkeit aus Rei's Stimme war purer Entrüstung gewichen.

"Ja!"

"Und wie kommst du auf diese wahnwitzige Idee?!"

Ihre Stimmen wurden mittlerweile immer lauter und auch die Aufmerksamkeit der jungen Lehrerin wurde erregt. Sie wusste jedoch nicht mit der Situation umzugehen, immerhin war es ihr erster Tag an dem sie richtig Unterricht gab und dann gleich so eine überfordernde Situation. Sie wollte erst einmal abwarten, ob die beiden ihren Streit nicht alleine schlichten würden, und sah ihnen nun, wie auch der Rest der Klasse, gebannt bei ihrem Streitgespräch zu.

"Das sagt einem schon der klare Menschenverstand, dass man einen Hiwatari nicht reizt!"

"Oho, soll ich also vor so einem dahergelaufenen Russen Angst haben?!"

"Ich hab sicher mehr drauf als so ein chinesischer Buschaffe!"

Beide waren nun von ihren Stühlen aufgesprungen, die Tatsache, dass sie sich eben in der Schule, genauer gesagt im Unterricht, befanden, vollkommen ignorierend.

[Halt endlich die Klappe!], schrie Rei plötzlich außer sich.

Kai sah ihn einen Moment perplex an und setzte dann ein dreckiges Grinsen auf.

"Ich hab zwar keine Ahnung was du gesagt hast, aber ich bin mir sicher du würdest dafür eine aufs Maul verdienen!"

"Als ob du das Zeug dazu hättest mich zu verprügeln! In Russland leben doch nur elende Säufer die nicht mal geradeaus laufen können!"

Das war für Kai zu viel. Er holte aus und wollte Ray direkt ins Gesicht schlagen, doch der fing seine Faust in der Luft ab. Dafür kassierte er einen Blick der jedem anderen das Blut in den Adern hätte gefrieren lassen, doch er hielt diesem mühelos stand.

(Lass mich los, du Bastard!), stieß Kai wütend hervor.

Rei belächelte es bloß, was Kai noch mehr in Rage brachte. Doch er riss sich zusammen. Dass er russisch gesprochen hatte, hatte ihm bewiesen, dass er die Kontrolle über sich verloren hatte, ansonsten wäre das nicht so unbeabsichtigt vorgekommen. Einen Moment standen sie noch so da: Rei Kais Faust umfassend und ihm leicht grinsend in die Augen blickend, Kai seinen rechten Arm leicht gebeugt von sich streckend und Rei mit einem eisigen, jedoch wieder beherrschten Blick anstarrend.

Die Mathematiklehrerin sah in der Stille einen günstigen Moment um wieder die Kontrolle in der Klasse zu bekommen und schickte die beiden kurzerhand vor die Tür. Die beiden Jungs standen dann bis zum Ende der Stunde schweigend nebeneinander und bedachten die Wand mit tödlichen Blicken.

~Flashback Ende~
 

Rei ging missmutig zwischen Max und Takao. Kenny hatte noch einen Computerkurs und so machten sich die drei, nachdem sie sich für später mit ihm verabredet hatten, alleine auf den Heimweg.

"Dieser Kai hat doch echt nicht mehr alle Tassen im Schrank!", maulte Takao und Rei nickte zustimmend.

"Was war denn los, dass der überhaupt so ausgerastet ist?", fragte Max neugierig.

"Keine Ahnung, wir haben uns kurz angesehen und ich hab freundlich gelächelt und dann hat er schon so blöd angefangen, von wegen ich soll ihn nicht so doof angrinsen. Und dann hat er gemeint mir das verbieten zu können weil er ja ein ach so toller Hiwatari ist! Keine Ahnung was an ihm so super sein soll!"

"Wer weiß, vielleicht gehört er ja zur russischen Mafia und seine Familie ist in seinem Land ein ganz hohes Tier", grummelte der blauhaarige abwertend.

Sie mutmaßten und lästerten den restlichen Weg weiter, bis Rei schließlich alleine war, denn er wohnte am weitesten von der Schule weg. Schlecht gelaunt und Steine vor sich her kickend marschierte er weiter und kam schließlich bei seinem Wohnhaus an. Als er aufblickte, erstarrte er wie vom Blitz getroffen und seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

"Sag bloß du wohnst auch hier, Hiwatari", murmelte er gereizt.

Angesprochener drehte sich leicht erschrocken zur Seite und erblickte den von ihm zurzeit meist gehassten Menschen. Sein Blick nahm erneut diesen tödlichen Ausdruck an und schien Rei förmlich zu durchbohren. Ohne auf die Frage zu antworten stieß er das Haustor auf, zog den Schlüssel ab und stampfte lautstark auf das Treppenhaus zu. Seine Schritte hallten scheinbar doppelt so laut von den Wänden wider und verdeutlichten seine Wut.

Der Chinese war keine zwei Meter hinter ihm und war nicht weniger von Zorn erfüllt als die Person vor ihm. Der Gedanke, auch noch im selben Haus wie er zu wohnen gefiel ihm ganz und gar nicht und er wünschte sich, noch am selben Tag ausziehen zu können.

Sie hatten so eben den Dritten Stock hinter sich gelassen als Kai sich umdrehte und wütend auf Rei hinab sah.

"Welche?!", fragte Kai mit lauter Stimme.

"Was?!"

"Wohnung!"

"22 b", antwortete der Chinese etwas ruhiger.

Kai zog einen Schlüssel aus seiner Tasche und begutachtete die Schrift darauf, als wüsste er nicht in welchem Appartement er denn nun wohnte. Er starrte einen Moment darauf und ließ sich dann kopfschüttelnd auf eine der Stufen sinken.

"Was ist denn nun los?", fragte Rei ehrlich verwirrt.

"So viele Zufälle bekommen mir nicht", meinte Kai schlicht. Als er dann Rei's immer noch fragenden Blick auffing erbarmte er sich, Licht in die Sache zu bringen. Da ihm Reden jedoch als zu gut für Rei erschien, hielt er diesem den Schlüssel entgegen damit dieser sich selbst ein Bild von der Situation machen konnte. Der schwarzhaarige nahm ihn etwas zögernd entgegen und konnte im ersten Moment nicht fassen, was ihm da golden entgegenglitzerte.

"22 a", murmelte er leise.
 

In jeder Etage befanden sich zwei Wohnungen die nur halb so groß waren wie die anderen. Die einst riesigen Wohnungen waren vor vielen Jahren durch eine Mauer auf die Hälfte verkleinert worden, da der damalige Vermieter somit mehr Menschen in seinem Wohnhaus unterbringen und auch Singlewohnungen anbieten konnte. Diese Wohnungen besaßen eine Tür die sie miteinander verband, wieso diese damals eingebaut worden waren wusste nun jedoch niemand mehr. Wie das Schicksal es nun wollte, lebten eben sie beide in je einer dieser Wohnungen, nämlich Appartement 22 a und Appartement 22 b. Das hieß wiederum, dass sie sich durch die Verbindungstür ungewollt nahe waren und sich auch jeden Tag sehen würden, spätestens wenn sie von der Schule nach Hause kamen.

Rei wollte jedoch nicht mit seinem direktesten Nachbarn überhaupt in Streit leben und deshalb streckte er Kai dessen Schlüssel entgegen und sah ihn verlegen an.

"Es tut mir Leid, dass dich mein Lächeln heute in der Schule verunsichert hat oder so, ich wollte bloß nett sein. Und was ich im Streit über dich gesagt habe... nun ja, ich hab' es nicht so gemeint, schließlich kenn ich dich ja nicht mal..."

Dann schritt er an Kai, der immer noch saß, vorbei und ging, in der Hosentasche nach seinem Schlüssel kramend, auf seine Wohnungstür zu.

Das leise Klicken der Tür riss den Russen aus seiner Erstarrung und er begab sich nun ebenfalls in seine Räumlichkeiten. Nach der Entschuldigung des Chinesen war sein anfänglicher Zorn wie verflogen, denn er musste sich eingestehen, dass er doch die meiste Schuld an dem Streit trug, immerhin hatte er angefangen unhöflich zu werden.

Wenn ein Eisberg sich nach sonniger Wärme sehnt

2. Kapitel - Wenn ein Eisberg sich nach sonniger Wärme sehnt
 

Nach dem er zu Mittag gegessen hatte seufzte Kai einmal tief auf und legte sich auf sein Bett. Er fragte sich, ob Reis Wohnung genauso angeordnet war wie seine, und ob ihre Schlafzimmer vielleicht nur durch diese doch recht dünne Wand getrennt waren. Der Gedanke entlockte ihm ein kurzes Lächeln, das jedoch sofort erstarb, als er sich dessen bewusst geworden war. Auf dem Weg zur Küche kam er an der Verbindungstür zu der Wohnung des schwarzhaarigen Jungen vorbei und er verharrte in seiner Position, als er Stimmengewirr und leise Musik wahrnahm. Erst wollte er weitergehen, doch als er deutlich seinen Namen vernahm wurde er neugierig und setzte sich vor die Tür um sie zu belauschen.
 

Kenny, Takao und Max lümmelten auf der Liegewiese herum und unterhielten sich, während Rei in der Küche Tee für sie alle kochte. Den dreien gefiel die Wohnung ihres Freundes ausgesprochen gut, sie war auch mehr als geschmackvoll eingerichtet, obwohl sie nicht außergewöhnlich viel Platz bot. Der vorhandene war jedoch perfekt genutzt und das ließ die gesamte Konstruktion so vertrauenswürdig und heimisch wirken.

Der Aufbau der Wohnung war ganz simpel: man betrat als erstes das Vorzimmer, an dessen rechter Wand ein kleines Kästchen stand und eine Reihe von Haken und ein Spiegel, der bis zum Boden reichte, befestigt waren. Gegenüber davon befand sich die Tür zur Toilette. Ging man weiter, so betrat man die Küche, die auch als Esszimmer diente. Die Türen waren allesamt mittig gehalten und teilten die Räume augenscheinlich in zwei Bereiche, so auch die Küche. Links von der Tür befand sich ein quadratischer Tisch mit sechs Stühlen, der mit einer Seite an die Wand geschoben war. In der Ecke fand sich ein breiter Schrank in dem Geschirr, Gläser und Kochutensilien verstaut waren. An der rechten Wand, von der Tür aus gesehen, befand sich nun die Arbeitsfläche, die ebenfalls wie ein langer Tisch wirkte, da sie auf Holzbeinen stand und bis auf zwei kleine Teile war sie unten offen. Ihre Form erinnerte entfernt an ein "U", da sie um die Ecken herum bis zu den Türen reichte. Gleich rechts der Tür die ins Wohnzimmer führte war die Spüle in die Fläche eingebaut und ein Schrank für Reinigungsmittel darunter angebracht. Neben der gegenüberliegenden Türe hatten der Kühlschrank und der Herd einen Platz auf der zweiten schrankartigen Konstruktion gefunden, sodass sie auf einer angenehmen Höhe waren. Als Beleuchtung befanden sich mehrere Spots an der Decke und schlängelten sich in der Form eines chinesischen Zeichens an ihr entlang. Wollte man weiter, so musste man zwei Stufen hinaufsteigen, da man eine Art Podest betrat. Dieses füllte den gesamten Raum aus und war mit etwas dickem und weichem überzogen, dass man entfernt als Matratze bezeichnen könnte. An den Wänden entlang und in der Mitte des Raumes, befanden sich Erhöhungen aus Holz. Die Konstruktion in der Mitte diente als eine Art Couchtisch und deren Platte war mit geschnitzten Ornamenten übersäht. Die freien Stellen der Wandkonstruktion konnte man als Bank nutzen oder ebenfalls als Abstellgelegenheit für allerhand Dinge wie Gläser und ähnliches. Ansonsten befanden sich ein Fernseher, eine Stereoanlage, mehrere Regale mit Büchern, einige Kerzen und ein Paar Figuren darauf. An jeder Wand hingen zusätzlich zwei kleine Kästchen die allesamt bist zum Rand gefüllt waren und unter anderem Dinge wie Videos, CDs oder Photoalben beinhalteten. Deckenlampen hingen tief in den Raum und verbreiteten eine wohlige Atmosphäre. Man verließ den Raum ebenfalls über zwei Stufen und gelangte dann schlussendlich ins Schlafzimmer. Es war der einzige Raum der Fenster besaß und scheinbar als Entschädigung, ein besonders großes. Genau genommen waren es mehrere Fenster die dicht aneinandergebaut waren und beinahe von der Decke bist zum Boden reichten. Von außen war ein etwa 1,30 Meter hohes Gitter angebracht das vor einem Sturz sichern sollte. Einladend stand das Doppelbett mittig in dem Raum und wurde abends von der untergehenden Sonne in ein höchst romantisches Licht getaucht. Außer dem Kleiderschrank, fand sich in dem Raum auch noch eine kleine Computerecke bei der ein Deckenfluter als zusätzliche Beleuchtung dabeistand. Ansonsten erhellte den Raum lediglich ein Leuchter, der direkt über dem Bett hing und den man mittels einer kleinen Fernbedienung ein- und ausschalten, sowie dimmen konnte. Es fiel auch sofort auf, dass das Schlafzimmer schmäler war, als die anderen Räume, was aber daran lag, dass eine Tür an der linken Seite ins Badezimmer führte. Dieses hatte eine sehr rechteckige Form und in ihm befanden sich eine Dusche, ein Waschtisch mit einem breiten Spiegel der extra beleuchtet wurde, ein Kasten der Handtücher und so weiter beherbergte und zu guter letzt ein Medizinschränkchen.

Abgesehen von der Wohnungs-, der Toiletten- und der Badezimmertür befanden sich in den Türstöcken lediglich Vorhänge, die aus auf Seilen aufgefädelten Bambusstäben bestanden, welche mit den chinesischen Zeichen für "Liebe", "Glück" und "Hoffnung" bemalt waren; je ein Symbol zierte einen der drei Vorhänge in den Farben dunkelrot, orange und grün.

Rei liebte seine Wohnung und er hatte alles persönlich so eingerichtet. Das Geld dafür hatte er sich hart erarbeitet. Jedes Wochenende kellnerte er in einem Café, dass abends in einen Nachtclub umfunktioniert wurde, und seine Schicht dauerte von acht Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags. Da das Geschäft gut lief, verdiente Rei auch nicht allzu schlecht und kam gut über die Runden.
 

Rei kam mit einem schepperten Tablett ins Wohnzimmer und stellte es auf dem Tisch in der Mitte ab. Aus der Stereoanlage trällerte leise Musik und seine Freunde rappelten sich aus den unzähligen Kissen, die in dem Raum verteilt waren, hoch, um sich ihrer Tasse Tee anzunehmen. Lauthals begannen sie in ihrer gemütlichen Runde über den heutigen Tag und somit auch über Kai zu reden.

"Also echt, so ein unhöflicher Kerl", begann Takao von neuem sich aufzuregen.

"Ich fand ihn auch alles andere als nett", meinte nun sogar Kenny, der anfangs noch unparteiisch geblieben war.

"Du bist so still, Rei, sag du mal was dazu", wurde er von Max aufgefordert.

Nachdenklich nippte der Chinese an seinem Jasmintee und sah seine Freunde dann ernst an.

"Ich bin der Meinung, wir sollten ihm eine zweite Chance geben... es ist nicht einfach plötzlich alleine unter lauter Menschen zu sein, die sich schon scheinbar ewig kennen. Vielleicht hat er einfach ein bisschen... überreagiert, weil ihn die neue Situation überfordert hat."

"Also anfreunden werd ich mich mit dem auf jeden Fall nicht", nuschelte Takao in seine Tasse hinein.

"Wirklich scharf darauf bin ich auch nicht... alleine wie gruselig der immer durch die Gegend schaut..." Kenny lief ein Schauer über den Rücken wenn er an den Blick des Russen dachte.

"Also ich finde ihr übertreibt da gewaltig. Ich meine, er ist doch genauso ein Mensch wie wir auch."

"Das schon... aber ich mag seine Art eben nicht. Ich glaube kaum, dass ich mit dem auskommen könnte", warf Max ruhig aber bestimmt ein.
 

Kai seufzte auf der anderen Seite der Tür auf. Bevor Rei ins Zimmer gekommen war, hatte das Gespräch weit unfreundlichere Züge gehabt und sie hatten bei weitem abfälliger über ihn gesprochen, vor allem Takao. Kai beneidete die anderen um ihre Freundschaft, denn während sie nur einen Raum weiter Spaß und Gesellschaft hatten, saß er wie ein Gefangener daneben und konnte nur stumm zuhören. Er musste auch noch erfahren, was für einen Eindruck er bei den anderen hinterlassen hatte und Rei war der einzige, bei dem er noch eine Chance hatte, denn die anderen hatten sich klar geäußert. Sie fanden ihn unfreundlich und unheimlich. Na ja, auch kein Wunder, so wie er sich immer nach außen hin zeigte. Seufzend stand er wieder auf und setzte seinen Weg in die Küche fort um sich ein Glas Wasser zu holen. Damit schlenderte er in sein Schlafzimmer zurück und legte sich von neuem auf sein Bett. Ein Seufzer folgte dem anderen und mit jeder Sekunde fühlte er sich unglücklicher. Jedes mal wenn ein Lachen bis in seine Wohnung drang überkam ihn diese bekannte Einsamkeit. Er hatte sie schon immer gespürt, doch nie etwas daran geändert, aus Angst, sein Vertrauen könnte wieder so sehr missbraucht werden. Alle Menschen die ihm als Kind etwas bedeutet hatten, hatten ihn betrogen, ihn ausgenutzt, allen voran sein Großvater. Wie sehr er ihn doch dafür hasste, denn er war Kais Meinung nach daran Schuld, dass er nun so einsam war. Er konnte kein Vertrauen mehr fassen und ließ seine innere Verletztheit durch Wut und Aggression auf die Menschen um sich herum niederprasseln. Langsam überfiel ihn die Müdigkeit und während das Glas aus seiner Hand polternd zu Boden fiel und den letzten Rest der klaren Flüssigkeit auf den Parkettboden vergoss, schwand Kais Bewusstsein ins Land der Träume.
 

Mehrere Stunden waren inzwischen vergangen und Takao, Kenny und Max hatten sich vor kurzem verabschiedet um selbst noch genug Schlaf zu finden, immerhin wartete am nächsten Tag ein neuerlicher Schultag auf sie.

Rei räumte die abgewaschenen und inzwischen getrockneten Teetassen zurück in den Schrank und beschloss, etwas frische Luft schnappen zu gehen. Im Schlafzimmer riss er die großen Fenster förmlich auf, lehnte sich gegen das Gitter und atmete tief die frische Nachtluft ein. Ein Blick zum Himmel genügte, um ihn vollends glücklich zu stimmen, denn der Mond, der nun beinahe voll zu ihm herab schien, verwischte mit seinem weichen Licht alle Konturen und ließ die Umgebung unwirklich, traumähnlich erscheinen. Umso mehr erschrak er, als er neben sich ein seufzen vernahm. Als er dem Geräusch auf den Grund ging fiel sein Blick auf Kai, der ebenfalls aus dem Fenster, oder eher, genau zu ihm sah.

"Du siehst verschlafen aus...", meinte Rei vorsichtig, da ihm das verwuschelte Haar und der immer noch etwas glasige Blick nicht entgangen waren.

"Ich hatte auch bis vorhin geschlafen", antwortete Kai kühl wie immer.

"Hm...", machte Rei bloß noch und ließ die Augen wieder verträumt zum Mond über ihnen abschweifen. Ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und er schlug für einen Moment die Lider nieder, atmete tief ein und wandte sich dann wieder seinem Nachbarn zu.

"Findest du diese Atmosphäre nicht auch... wunderschön?", fragte er ihn leise.

"Ich wüsste nicht was daran so interessant sein sollte", antwortete Kai, nachdem er eine Weile den Himmel angestarrt hatte.

"Na sieh dir das doch an... dieses Meer an Sternen, der gelb leuchtende Mond...es ist wie in einem Traum. Wenn ich den Himmel ansehe und diese unzähligen kleinen Lichter mich anfunkeln, dann spüre ich, dass ich nie allein sein werde..."

Kai schwieg eine Weile und ließ diese Worte auf sich wirken. Nie mehr alleine sein war genau dass, was er sich sehnlich wünschte, aber vermutlich nicht erreichen würde. Das lag an ihm, das wahr ihm bewusst, denn könnte er vertrauen zu jemandem fassen... und sei es nur ein einziger Mensch, so würde dieser seine Einsamkeit beenden...er seufzte noch einmal tief, drehte sich dann um und schloss das Fenster.

Rei blickte ihm nach, sich fragend, ob er etwas Falsches gesagt hatte. Wenige Minuten später schloss auch er die gläsern wirkende Wand und machte sich nachtfertig. Einen letzten Blick warf er auf den nächtlichen Glanz des Firmamentes, bevor er die schweren Vorhänge zuzog und sich in sein, mit Satin überzogenes, weiches Bett kuschelte. Selig driftete er mit seinen Gedanken ab und schlief mit einem Lächeln auf den Lippen ein.

Das Eis bricht

3. Kapitel - Das Eis bricht
 

Am Nächsten Morgen öffnete Kai missmutig die Augen. Sein Wecker piepste ihm mit diesem penetranten grellen Ton entgegen und ließ dem Jungen keine Ruhe. So setzte er sich schwungvoll auf, drückte kräftig den Ausschaltknopf der kleinen Foltermaschine und stand mit den Füßen unangenehmer Weise in einer klaren, kalten Flüssigkeit.

"Wasser", murmelte er, als sein Blick von der Pfütze auf das bereits an die Wand gerollte Glas fiel. "Na toll!"

Nachdem das Missgeschick beseitigt war, nahm er erst eine schöne, heiße Dusche und schrak dann auf dem Weg in die Küche durch ein unerwartetes Klopfen zusammen.

"Kai?", kam es gedämpft durch die Verbindungstür.

"Ja?", antwortete er nach einer Weile.

"Wollen wir heute zusammen zur Schule gehen?"

Er überlegte einen Augenblick, sah nachdenklich zu Boden.

"Hm, warum nicht", meinte er schließlich mit seinem üblichen eisigen Tonfall.
 

Rei schloss soeben seine Wohnungstür ab, als er auch schon Kai an der Wand neben sich lehnen sah. Er nickte ihm zu und sie machten sich auf den Weg.

"Stört es dich, wenn wir Max, Kenny und Takao abholen?"

"Ja!"

"Und wieso?"

Kai sah starr vor sich hin und seine undurchdringliche Maske war für einen Moment verschwunden. Rei meinte für eine Sekunde so etwas wie Schmerz in Kais Augen zu sehen, doch so schnell wie dieses Gefühl aufgeblitzt war, erlosch es auch wieder.

"Ich habe das Gefühl sie mögen mich nicht", zischte der Russe förmlich.

"Wie... kommst du darauf? Ihr kennt euch doch gar nicht", antwortete Rei verlegen. Er ahnte, was die Antwort auf seine Frage war und sie wurde ihm auch sofort entgegengeschleudert.

"Ich habe auch gestern gehört, als ihr über mich gelästert habt! ... Ich hätte gar nicht auf dich warten sollen!"

Wütend beschleunigte er sein Tempo und ließ den verwirrten Chinesen hinter sich.

Traurig blickte dieser ihm nach, setzte seinen Weg jedoch fort. Er fragte sich, ob es wirklich Traurigkeit gewesen war, die diese sonst so kalten und von Hass erfüllten Augen widergespiegelt hatten, als er in die Gasse einbog in der Max wohnte. Dieser stand auch schon lächelnd und ihm zuwinkend vor seinem Haus und kam ihm entgegen.
 

Der Schultag verstrich im Eiltempo. Während des gesamten Unterrichts hatte Kai den schwarzhaarigen Jungen keines Blickes gewürdigt und auch auf dem Heimweg, den sie stumm zusammen gingen, hatte er ihn nicht ein einziges Mal angesehen. Rei fand das traurig, denn obwohl der Russe nicht sehr zugänglich wirkte, verspürte er eine gewisse Zuneigung zu ihm. Sei es, weil er ihm Leid tat, oder weil er ihn einfach unheimlich interessant fand, das spielte für den Jungen keine Rolle. Er hatte sich vorgenommen sich mit ihm anzufreunden, egal mit welchen Mitteln und wie lange er dafür brauchen würde. Er beschloss, Kai zu sich einzuladen und nach kurzem Zögern hatte der auch zugesagt. Rei wollte für ihn kochen und da Kai sowieso nichts anderes zu tun hatte, willigte er ein.

Unentschlossen stand Kai nach einer halben Stunde vor der Tür die ihre Wohnungen trennte und hielt einen Schlüssel in der Hand. Ein Teil von ihm freute sich auf ein bisschen Gesellschaft, doch ein anderer Teil verhöhnte diese Geste, die seiner Meinung nach durch pures Mitleid hervorgerufen wurde, und nichts hasste er mehr als das. Er schloss die Augen und dachte daran, wie viel Spaß Rei am Tag zuvor mit seinen Freunden gehabt hatte und wie sehr er an dieser Freude teilhaben wollte. Nun hatte er die Chance dazu und getraute sich nicht diesen Schritt zu tun. Ein Kopfschütteln folgte, dann steckte er den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn herum. Die Tür ging in seine Richtung auf und er staunte nicht schlecht, als er den außergewöhnlich eingerichteten Raum erblickte. Vor ihm erhob sich erst einmal ein Podest mit dem er so ganz und gar nichts anfangen konnte, und auch sonst erschien ihm dieser Raum mehr schlecht als recht. Rei kam, mit einem köstlichen Duft begleitet, aus der Küche und direkt auf ihn zu. Er hielt ihm die Hand entgegen, die er dann schüchtern ergriff, und zog ihn zu sich auf die weiche Oberfläche. Kai staunte nun noch mehr. Ihre Wohnungen waren architektonisch gesehen exakt dieselben und dennoch hätten sie nicht unterschiedlicher sein können. Sich umblickend folgte er ihm zum Esstisch und ließ sich auf einen Stuhl sinken.

Es duftete herrlich und schmeckte genauso gut wie es aussah.

"Das war wirklich gut", sagte er ehrlich anerkennend als er sich mit Rei an den Abwasch machte.

"Danke" Geschmeichelt lächelte er ihn an.

Sie verbrachten den gesamten Nachmittag in Reis Wohnung und unterhielten sich. Sie hatten mehr gemeinsam als Kai anfangs gedacht hätte, immerhin hatten sie beide keine Eltern mehr und kamen ursprünglich aus einem anderen Land, eine Tatsache die sie auf eine stumme und schmerzliche Weise verband.
 

Als Rei in seinem Bett lag, dachte er noch viel über Kai nach. Er war an diesem Tag so anders gewesen, keine Spur von dem verbitterten Jungen den er sonst mimte, er wirkte viel mehr verunsichert und verletzlich. Der junge Chinese hatte das als letztes erwartet, doch irgendwie zeigte es ihm, dass er sich in dem Russen nicht getäuscht hatte.

Kais Gedanken kreisten ebenfalls um die Zeit mit Rei. Er hatte nicht das Bedürfnis gehabt, sich zu verstellen, er war seit langem wieder einmal einfach er selbst gewesen und es hatte ihm gefallen. Die Gesellschaft des schwarzhaarigen tat ihm gut und er wollte diese öfter genießen, doch er hatte Angst davor aufdringlich zu wirken, wenn er darum bat. Also wollte er warten, bis Rei wieder einmal auf ihn zukam.

Mit den Gedanken beim jeweils anderen schliefen die Jungen an diesem Tag ein.
 

Kai musste nicht lange darauf warten bis Rei ihn erneut einlud. So gingen mehrere Wochen vorüber und ihre Freundschaft wurde täglich inniger.

Sie gingen den Schulweg immer gemeinsam und mit Max und Kenny kam Kai auch nach einiger Zeit recht gut aus, nur bei Takao wollte einfach keine Sympathie entstehen.

Abwechselnd kochten sie gemeinsam in der Wohnung des jeweils anderen und nur noch selten wurde die Verbindungstür überhaupt geschlossen, es war fast, als lebten sie zusammen, einmal in der einen und dann in der anderen Wohnung. Nur des Nachts waren sie jeder für sich und dennoch fühlten sie sich nie alleine.
 

Es war gerade Samstag, neunzehn Uhr, und ein kühler Novembertag neigte sich dem Ende zu. Rei wollte sich nach der Arbeit noch mit Max in dessen Haus treffen und sich einen Film ansehen, und so kam es das Kai auf seinem Sofa lag und gelangweilt in die Flimmerkiste vor sich starrte. Irgendwie machte es ihm keinen Spaß mehr, etwas ohne seinen Freund zu unternehmen und dessen Gesellschaft fehlte ihm. Seufzend drehte er sich auf den Rücken und betrachtete die Decke eingehend, wobei ihm mehrere kleine Risse auffielen. Kopfschüttelnd ging er in die Küche und machte sich etwas zu Essen. Nachdem er es lustlos verspeist hatte, lümmelte er sich wieder auf seine Couch und döste kurz darauf ein.

Durch ein lautes Knallen wurde er plötzlich aus seinen Träumen gerissen. Es war inzwischen dunkel geworden und ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es bereits dreiundzwanzig Uhr vorbei war. Er hörte aufgeregte Schritte aus der Nebenwohnung und vernahm deutlich zwei Stimmen. Verwirrt, wer denn um diese Uhrzeit noch bei Rei wäre, stand er auf und streckte den Kopf in dessen Wohnzimmer.

"Rei?", fragte er laut.

Ein erschrockenes aufkeuchen war die Antwort darauf und eine Sekunde später trat Max durch die Schlafzimmertür.

Wenn die Angst einen überkommt

4. Kapitel - Wenn die Angst einen überkommt
 

"Ah, Kai, gut dass du da bist..."

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren nahm er ihn an der Hand und ging mit ihm ins Badezimmer. Dort saß Rei, mit dem Rücken an die Duschkabine gelehnt und sich ein Tuch auf den Kopf haltend, das bereits verräterische rote Flecken aufwies. Als er genauer hinsah, fielen ihm auch an dessen Kleidung mehrere hässliche Blutspuren ins Auge.

"Hey Kai...", murmelte der Chinese.

"Was ist denn passiert?", fragte der Russe erschrocken und sah Max eindringlich an.

"Na ja, ich wollte ihn noch den halben Nachhauseweg begleiten... wir machen das schon immer so... und dann kam auf einmal dieser Kerl aus der Seitengasse und wollte uns beklauen, aber weil wir nichts dabei hatten ist er total ausgerastet. Rei war dem Kerl körperlich zwar total überlegen, aber dann hat dieser Drecksack ein Messer gezückt und wie ein Irrer damit rumgefuchtelt..."

Kai zog die Luft scharf ein, kniete sich dann neben Rei und betrachtete ihn genauer. Er hatte einen Schnitt am rechten Oberarm, einen quer über die Brust... vorsichtig nahm er das Tuch von Rays Gesicht und stellte fest, dass ein weiterer Schnitt nur knapp unter dem rechten Auge war und dieses nur um wenige Millimeter verfehlt hatte. Max hatte sich nun ebenfalls gesetzt und zitterte leicht, als er an das Geschehene zurückdachte. Kai ließ seinen Blick ein paar Mal zwischen den beiden hin und her schweifen und musste sich eingestehen, dass er der einzig Zurechnungsfähige in dem Moment war.

"Du bleibst am besten bis Morgen hier", meinte er an Max gewandt. "Wenn du mir deine Telefonnummer gibst ruf ich bei dir zu Hause an und sag bescheid."

Der blonde Junge nickte dankbar und ließ sich von Kai, der mittlerweile aufgestanden und zur Tür gegangen war, aufhelfen.

"Ich komm dann gleich wieder", fügte er hinzu, als er Rei's ängstlich fragenden Blick auffing.

Max' Mutter fand es zwar ein bisschen kurzfristig, hatte aber schlussendlich nichts dagegen, dass ihr Sohn bei Kai und Rei übernachtete. Dann spurtete Kai zurück ins Badezimmer und machte sich daran, die Wunden fürs erste zu Versorgen.

Nachdem Rei gewaschen, verbunden und umgezogen war, hielt Kai die beiden Jungs an sich ins Wohnzimmer zu setzen und schaltete den Fernseher ein. Ablenken, hieß es jetzt erst mal, denn der Schock saß beiden noch tief in den Knochen. Dann holte er aus Rei's und seinem eigenen Schlafzimmer Kissen und Decken und errichtete auf der Liegewiese eine gemütliche Schlafecke. Zu guter letzt kochte er für sie alle noch einen beruhigenden Tee und stellte diesen auf dem kleinen Tisch ab. Stumm leerten sie die Tassen und sahen weiter dem bunten treiben im Fernseher zu.

Seufzend ließ Kai sich, als er von der Müdigkeit übermannt würde, in seinem gemütlichen Lager nieder, kuschelte sich ins Kissen und hatte wenig später Rei an seiner Seite. Dieser lag zwischen Kai und Max und fühlte sich merklich immer wohler. Die Komödie die gerade lief hatte ihren Zweck erfüllt und ihn, sowie den blonden, nach und nach von dem Schreck erlöst und sie auch wieder zum Grinsen gebracht. Während dem Fernsehen schliefen sie einer nach dem anderen ein.
 

Rei öffnete langsam die Augen. Ein seltsames Gefühl durchzog ihn als er den warmen Körper an sich spürte. Er hatte sich in der Nacht eng an Kai gekuschelt und dieser hatte einen Arm um ihn gelegt. Der junge Russe schlief noch tief und fest und so schlug auch Rei wieder die Lider nieder, jedoch zuckte er keine Sekunde später zusammen, da ein stechender Schmerz seinen Körper durchzog. Sein rechter Arm, seine Brust und seine rechte Wange pulsierten scheinbar und er hatte plötzlich das Gefühl, als ob ihm im nächsten Augenblick die Sinne schwinden würden. Ein leises Stöhnen entwich seiner Kehle doch es wirkte so fern, als wäre es nicht seine eigene Stimme und als wäre diese mehrere Meter von ihm entfernt. Er ließ sich auf den Rücken fallen und krallte die Finger verkrampft in die Decke, die auf seinem Körper ruhte.

Durch die Unruhe neben sich war nun auch Kai erwacht. Erst realisierte er nicht, was dies zu bedeuten hatte, doch dann reagierte er in sekundenschnelle. Da er selbst seinem Freund nicht mehr helfen konnte, rannte er zum Telefon und rief den Arzt an, welcher dann auch zehn Minuten später klingelte. Kai ließ ihn hinein und musste dem jungen Mann dann auch noch ausführlich erklären, wie Rei zu seinen Schnittverletzungen gekommen war.

Er und Max machten, während der Chinese verarztet wurde, in Kais Wohnung Frühstück und deckten eben den Tisch, als der Arzt vorsichtig durch die Verbindungstür trat.

"Er schläft jetzt. Ich habe die Wunden genäht und verbunden." Er reichte Kai eine Dose mit Salbe und eine Packung Tabletten. "Die Salbe muss dreimal täglich auf die Wunden aufgetragen werden, dadurch heilen sie besser und es werden kaum Narben zurückbleiben. Wenn er starke Schmerzen hat, dann geben Sie ihm zwei von den Tabletten, eine Mischung aus Schmerz- und Schlafmittel. Es sollte eigentlich keine Probleme mehr geben. Ich werde übrigens Anzeige gegen Unbekannt erstatten, also stellen Sie sich darauf ein, dass sich in den nächsten Tagen die Polizei bei Ihnen melden wird." Er warf einen Blick auf die Uhr und verabschiedete sich dann von den beiden Jungen. "Ich muss dann auch schon wieder zu meinem nächsten Patienten. Auf Wiedersehen!"
 

Kai hatte Max nach Hause begleitet und saß nun seufzend neben Rei's Bett. Er machte sich Sorgen um den jüngeren und fühlte sich ein wenig hilflos. Er dachte zurück an den vergangenen Abend. Rei hatte sich im Schlaf immer mehr an ihn gepresst und er hatte schließlich den Arm um ihn gelegt. Es hatte sich gut angefühlt und er hatte schon lange nicht mehr so gut geschlafen wie in dieser Nacht. Wäre dann nicht dieser Schreck am Morgen gewesen, hätte er es als einen guten Start in den Tag bezeichnet, doch so schwebte eine dicke graue Wolke über ihren Gemütern. Rei wachte erst gegen Mittag wieder auf und blieb erst einmal regungslos liegen. Er konnte sich kaum daran erinnern, was geschehen war, seine Gedanken wirkten vernebelt und unendlich weit von ihm entfernt. Je mehr er sich anstrengte die Bilder zu schärfen, desto mehr entfernten sie sich von ihm, also ließ er es schnell bleiben, denn Kopfschmerzen begleiteten seine Anstrengungen zusätzlich.

"Hey, du bist ja wach", vernahm er Kais Stimme.

Sich zur Seite drehend erblickte er den Russen dann auch schon, wie er neben ihm, bewaffnet mit einer kleinen Dose und mehreren, für ihn undefinierbaren weißen Röllchen saß. Im nächsten Moment legte Kai die Sachen beiseite, reichte ihm die Hand und zog in ihn die Höhe, bis er aufrecht saß.

"Was...?", fragte er verwirrt, als Kai sich nun vor ihn setzte.

"Kannst du dich denn nicht mehr erinnern? Der Arzt war hier und nun muss ich deinen Verband wechseln."

"Ach ja... richtig... jetzt wo du's sagst, fällt es mir wieder ein."

Rei hob seine Arme an und beobachtete seinen Freund dabei, wie er erst die alte Bandage abnahm, dann sanft und vorsichtig die Salbe auf die Wunde auftrug und dann seine Brust von neuem umwickelte. Als auch sein Arm fertig war, wandte der blau-grauhaarige sich seiner Wange zu. Er zupfte das Pflaster herunter, dass den kleinen aber tiefen Schnitt bedeckte und sah ihn eine Weile an. Er ließ seinen Blick dann ein Stück nach oben wandern und sah starr in die goldgelben Augen die ihm entgegenleuchteten.

Rei wusste den Blick des Jungen nicht zu deuten, denn seine Augen waren emotionslos. Das dunkle rot strahlte keinerlei Gefühl aus, auch keine Ablehnung oder sonstiges, endlose Leere gähnte ihm entgegen. So etwas hatte er noch nie gesehen und es verwirrte ihn zusehends, da Kai den Blick auch nicht abwandte, oder dies in absehbarer Zeit vorhatte. Um das Durcheinander in dem Jungen Chinesen perfekt zu machen, breitete sich mit jeder Sekunde, die der Blickkontakt anhielt, ein seltsames Kribbeln in seinem Körper aus, begleitet von einem unkontrollierbaren Herzschlag der ihm in den Ohren dröhnte. Mit einem plötzlichen Kopfschütteln drehte er den Kopf zur Seite und starrte an die Wand.

Diese Geste hatte auch Kai wieder in die Realität zurückgeholt und er kümmerte sich endlich wieder um die Wunde an Rei's Wange. Ebenso zärtlich wie die beiden Male zuvor trug er die kühle Paste auf und versiegelte es mit einem neuen Pflaster.

"Danke", murmelte Rei schließlich.

"Nicht der Rede wert."
 

Abends hatten sie es sich erneut vor Rei's Fernseher bequem gemacht und ließen die bunten Bilder auf sich wirken. Als Kai dann meinte, er würde nun in sein Bett gehen, wurde er am Handgelenk festgehalten. Er wollte seinem Freund einen fragenden Blick zuwerfen, doch der hatte sein Gesicht zur Seite gedreht und sah verlegen auf seinen verletzten Arm.

"Kannst du bei mir schlafen? Ich will nicht alleine sein..."

Vereinsamen

5. Kapitel - Vereinsamen
 

Verdutzt ließ Kai sich wieder sinken, sein Arm war jedoch immer noch fest umschlossen.

"Ähm... ja, klar...", stammelte er leise.

"Danke..."

Rei sah den Russen immer noch nicht an, sondern zupfte nun unablässig an seinem Hemdärmel herum. Ohne zu wissen warum, wurde er mit jeder Sekunde nervöser und sein Herz schlug immer schneller. Als er hörte wie der Fernseher ausgestellt wurde, blickte er seinen Freund doch wieder an und dieser hielt ihm eben die Hand entgegen.

"Lass uns ins Bett gehen", meinte dieser auf den fragenden Blick des Chinesen.

Rei nickte und ließ sich von ihm hochziehen. Sie machten noch einen kurzen Abstecher ins Bad und nachdem die Verletzungen des schwarzhaarigen frisch versorgt waren legten sie sich hin. Es war für beide ein merkwürdiges Gefühl sich ein Bett zu teilen und den anderen so nah bei sich zu haben, obwohl es vor dem Fernseher nicht anders war... und trotzdem war da dieser kleine aber feine Unterschied. Immerhin befanden sie sich nun in einem Bett... alleine... im Dunkeln... nur mit Shorts und Shirt bekleidet... Aber das wichtigste: sie teilten sich eine Decke! Rei hatte zwar zwei Kissen, aber Decke befand sich nun mal nur eine in dem Raum, auch wenn sie unnormal groß war. Sie lagen einfach nur da, jeder auf dem Rücken und die Decke anstarrend, die Situation mehr als unangenehm empfindend. Der mit Luft gefüllte Leerraum zwischen ihnen erwärmte sich stet und die Raumtemperatur schien ihnen an sich sehr hoch zu sein, was allerdings nicht der Realität entsprach. Ihre Atemzüge erschienen ihnen unnatürlich laut, der eigene Herzschlag war scheinbar durch die gesamte Wohnung zu hören, die Nervosität steigerte sich ins unermessliche.

Kai blieb beinahe das Herz stehen als Rei unter der Decke plötzlich nach seiner Hand fasste und sie ganz fest hielt. Erst tat er nichts, doch dann verkreuzte er seine Finger mit denen des Chinesen und schloss die Augen. Sie sprachen nichts mehr, bewegten sich nicht mehr, wollten einfach nur mit diesem schönen Gefühl einschlafen...
 

Als der blau-grauhaarige am nächsten Morgen aufwachte, wusste er für eine Sekunde nicht wo er war, doch dann fiel ihm alles wieder ein. Als er sich nach rechts wandte heftete sich sein Blick auf ein leeres Bett. So stand er auf, ging erst einmal ins Bad und anschließend in die Küche, wo er dann auch Rei vorfand. Der schwarzhaarige Junge hatte bereits Frühstück gemacht und freute sich, als Kai das Zimmer betrat.

"Guten Morgen. Gut geschlafen?", fragte er auch sofort.

"Ja, allerdings", murmelte der Russe.

Es war für ihn immer noch seltsam jemanden wie Rei um sich zu haben, jemanden, der ihn so gern mochte und der ihm so viel Zuneigung entgegenbrachte... er war es eben einfach nicht gewohnt. Dankend nahm er die Tasse Tee entgegen und beobachtete Rei wie er weiterhin in dem kleinen Raum herumwuselte. Erst als sich der Junge ihm gegenüber an den Tisch gesetzt hatte, kehrte wieder Leben in seine Glieder und sie begannen ein Gespräch, über den vergangenen Abend oder die letzte Nacht verloren sie jedoch nicht ein einziges Wort.
 

Zusammen mit Max und Kenny waren sie keine halbe Stunde später auf dem Weg zu Tysons Haus. Dieser wartete auch schon auf sie und war nicht gerade begeistert, als er Kai erblickte. Es störte den blauhaarigen immer mehr, dass der Russe mit ihnen unterwegs war, denn so kam es dass er sich immer öfter als das fünfte Rad am Wagen fühlte. Rei und Kai klebten fast ständig zusammen und die Freundschaft zwischen Kenny und Max hatte sich auch immer mehr vertieft, nur er kam irgendwie zu kurz. Außerdem unternahmen die vier oft auch etwas alleine, ohne ihn, und nach diesem Wochenende standen sich auch der blonde und Kai näher als vorher, was Tyson nun überhaupt nicht in seinen Kopf wollte. Er hasste diesen angeberischen, eingebildeten, vorlauten, gehässigen Jungen und so war ihm auch dessen Veränderung entgangen.
 

In der Schule standen für die nächste Zeit viele Prüfungen an und so vergingen die Wochen erneut im Eiltempo und Kai war immer öfter alleine. Rei hatte einfach zuviel Stress wegen seinem Job und wenn er dann mal zu Hause war, musste er lernen oder Aufgaben machen. Seine Wunden waren inzwischen auch wieder abgeheilt und nur sehr feine weiße Linien konnte man bei genauem hinsehen noch erkennen. Der Russe fühlte sich vernachlässigt und kehrte mehr und mehr in sein altes Verhaltensschema zurück, ohne dass er sich dessen bewusst war. Immer öfter kam es vor, dass er den Chinesen grundlos anfuhr, er Streit mit ihm begann und an einem Freitagabend eskalierte die Situation vollkommen.

Rei hatte die Zeit gefunden für sie beide zu kochen. Als er fertig war wollte er Kai holen, doch der saß in seiner Wohnung und starrte stur auf den Fernseher, den anderen völlig ignorierend. Rei wurde es schließlich zu blöd und er schaltete den Kasten einfach ab.

"Was soll das?!", schrie Kai aufgebracht.

"Ich hab nicht gekocht damit du jetzt blöd vor der Glotze hängst!", antwortete Rei im selben Tonfall.

"Dann hättest du eben nicht gekocht!"

"Ich wollte dir eine Freude machen! Idiot!"

Gereizt sprang Kai von seiner Couch auf und ging bedrohlich nah zu dem Chinesen, was diesen jedoch nach wie vor nicht einschüchterte. Er bedachte den etwas kleineren mit einem eiskalten Blick und verengte die Augen zu schlitzen.

"Beschimpf mich nie wieder", fuhr er schließlich in einem beinahe schon zu ruhigen Ton fort.

"Oh man, jetzt stell dich nicht so an!" Genervt verdrehte Rei die Augen und wandte sich zum gehen um. "Ich kann auch ohne dich essen, verlass dich drauf."

"Ja geh doch und stopf deinen Fraß in dich hinein! Ich hab auf jeden Fall keine Lust dazu! Ich bin auch nicht scharf drauf dich zu sehen! Für mich bist du gestorben!"

"Schön! Du für mich auch!"

([Ich hasse dich!]), hallte es gleichzeitig auf russisch, sowie auf chinesisch durch das kleine Wohnzimmer, bevor die Verbindungstür zugeschlagen wurde.
 

Rei war der Appetit vergangen und so füllte er das liebevoll zubereitete Essen in kleine Plastikdöschen um, damit er sie anschließend im Kühlschrank aufbewahren konnte. Sparte er sich eben am nächsten Tag das Kochen und vielleicht hätten ja Max oder Kenny Lust ihn zu besuchen, genug sollte er auf jeden Fall haben. Wütend und gekränkt ließ er sich vor seinem Computer nieder und begann für die Schule zu arbeiten um sich abzulenken, doch so ganz wollte ihm das nicht gelingen. Immer wieder schweiften seine Gedanken zu Kai ab...
 

Der blau-grauhaarige stapfte wütend durch seine Wohnung und trat im vorbeigehen einen der Küchenstühle um. Polternd fiel dieser auf den harten und kalten gefliesten Boden, das weiche Holz bekam eine kleine Delle ab. Wie er und Rei, schoss es ihm durch den Kopf. Einen Augenblick lang fühlte er sich schlecht, doch dann schob er die Schuld wieder dem kleinen Chinesen zu. Hätte dieser sich doch von Anfang an mehr Zeit für ihn genommen, dann hätte er sich nicht so einsam gefühlt und er hätte mit ihm keinen Streit angefangen. Ja, es war alles Rei's Schuld! ... Zumindest wollte er sich das einreden. Aufgebracht warf er sich schließlich in sein Bett und vergrub sein Gesicht in dem weichen Kissen. Er hasste Rei! ... Nein, er vermisste ihn. Es tat ihm Leid, was er gesagt hatte, doch um sich zu entschuldigen war er zu stolz. Er würde auch gut ohne ihn klar kommen...oder?
 

Inzwischen war es Sonntag und die Sonne verschwand langsam aber sicher hinter dem Horizont. An jenem Wochenende war die Tür, welche die zwei Wohnungen verband kein einziges Mal geöffnet worden und auch so waren sich deren Bewohner nicht über den Weg gelaufen, sie hatten sich also erfolgreich ignoriert.

Nachdenklich saß Rei auf seinem Bett und ließ sich die rote Abendsonne ins Gesicht scheinen, die Augen hatte er geschlossen. Es war seltsam gewesen, Kai nicht ein einziges Mal zu sehen, seine Stimme nicht ein einziges Mal zu hören. Ob er es nun wollte oder nicht, er vermisst die Nähe des anderen sehr... hatte er sich doch schon so daran gewöhnt ihn stets um sich zu haben? Er schmunzelte leicht und bejahte die Frage. Doch was sollte er nun tun? Kai würde nicht kommen und sich entschuldigen, dass war klar. Aber sollte er wieder einmal nachgeben? Wie schon so oft? Er sträubte sich dagegen, doch einer musste ja den Anfang machen...

So stand er auf, begab sich zu der Tür die sie von einander trennte und klopfte zaghaft. Ruckartig wurde sie einen Augenblick später aufgerissen und sie starrten sich an. Rei's Herz schlug schneller und das Atmen fiel ihm aus für ihn unerfindlichen Gründen schwerer als sonst.

Kai bewegte sich ebenfalls nicht, sondern starrte in diese goldgelben Augen die ihn so warm ansahen. Was wollte Rei von ihm? Wollte er, dass sie sich wieder vertrugen? Vielleicht... er hätte auf jeden Fall nichts dagegen.

"Ich...", der Chinese musste sich räuspern, das es mehr einem krächzen ähnelte was da aus seinem Mund kam, "Können... wir reden?"

Kai nickte und folgte der stummen Aufforderung des Jungen, sich ebenfalls in dessen Wohnung zu begeben. Sie setzten sich einander gegenüber auf die weiche Kissenlandschaft und schwiegen sich erneut an.

"Ich möchte, dass wir uns wieder vertragen", begann Rei nach einer Weile. Als Kai nicht darauf reagierte, sprach er weiter. "Ich... hab dich nämlich gern und du hast mir gefehlt..."

"Du hast mich gern?", fragte der Russe leise nach.

"Ja, sehr sogar..."

Rei wurde bei diesen Worten verlegen, doch er konnte den Blick von den Augen seines Gegenübers einfach nicht abwenden. Dadurch entging es Kai natürlich nicht, dass Rei ein wenig rot wurde.

Gefühle: sich hingeben oder abblocken

Kapitel 6 - Gefühle: sich hingeben oder abblocken?
 

"Lass uns den Streit vergessen..."

Kai nickte und war innerlich total erleichtert. Doch nun wusste er wieder nicht, wie er sich verhalten sollte. Irgendetwas stimmte mit ihm eindeutig nicht, er fühlte sich so eigenartig wohl in Reis Nähe doch er kannte diese Art von Gefühl nicht, hatte keine Ahnung, wie er damit umgehen sollte. Rei betrachtete ihn währenddessen lächelnd und freute sich einfach darüber, dass sie den sinnlosen Streit begraben hatten.

"Willst du... heute hier schlafen?", fragte der Chinese schließlich.

"Gern."

"Schön..." Er lächelte Kai immer noch warm an und stand dann auf. "Hast du schon zu Abend gegessen?"
 

Als sie mit dem Abwasch fertig waren, lümmelten sie sich auf Kais Sofa und sahen noch ein wenig fern, doch schon bald wurden Reis Augenlider schwer und er war kurz davor einzuschlafen. Er kuschelte sich enger in die Decke die er um seinen Körper gewickelt hatte und nahm nur noch Bruchstückweise wahr was die Leute im Fernseher so von sich gaben.
 

Lächelnd betrachtete Kai seinen Freund, war dieser doch tatsächlich eingeschlafen. Er sah so unschuldig und süß aus, man konnte diesem Jungen einfach nicht auf Dauer wegen irgendetwas böse sein, so sehr man es auch wollte. Vorsichtig strich er ihm mit einem Finger über die Wange, über die weichen Lippen und dann über das Kinn, so sanft hatte er noch nie jemanden berührt. Es reizte ihn Rei zu küssen, so wie er da vor ihm lag, doch er wollte diese Situation irgendwie nicht ausnützen. Was würde der junge Chinese wohl sagen wenn er wach wäre und Kais Gedanken kennen würde? Vielleicht wollte er dann nicht mehr mit ihm befreundet sein... möglicherweise fand er ihn dann sogar abartig oder unnormal, wer wusste das schon? Nein, er würde es nicht riskieren den besten Freund den er je hatte zu verlieren, um keinen Preis wollte er es aufs Spiel setzen. So riss er sich zusammen, weckte den Jungen auf und schickte ihn ins Badezimmer um sich fertig zu machen.
 

Kai war schon in Reis Bett als dieser, immer noch verschlafen und elend müde, zurückgetapst kam und sich endlich auch hinlegte. Er kuschelte sich eng an Kai, was diesen vollkommen aus der Fassung brachte, weil er nicht damit rechnete, schloss die Augen und schlief keine Sekunde später wieder ein.

Kai lag mit weit aufgerissenen Augen auf dem Rücken und wagte es kaum zu Atmen. Was sollte er nun tun? Sollte er Rei einfach ein Stück von sich wegschieben? Sollte er einfach aufstehen und in sein eigenes Bett gehen? Oder sollte er einfach schlafen? Er wusste es nicht... Rei lag an seine Brust gekuschelt, den Arm um seinen Bauch gelegt und schlief tief und fest. Warum hatte der denn das überhaupt gemacht? Vermutlich war er so müde gewesen, dass er keine Ahnung gehabt hatte, was er tat... ja, so musste es gewesen sein.

Der Russe seufzte und überlegte weiter. Er wollte nicht aufstehen oder Rei von sich schubsen, dazu fühlte es sich zu gut an. Aber ihn bei sich zu lassen, dass machte ihm Angst. Er wusste doch nicht, was dieses seltsame Gefühl in ihm zu bedeuten hatte... vielleicht war er ja verliebt, aber mit Sicherheit konnte er es nicht sagen, er war es ja noch nie gewesen. Er beschloss schließlich, Rei einfach aufzuwecken und ihn zu fragen, denn so konnte er auf keinen Fall einschlafen.

"Was ist denn los...?", nuschelte der schwarzhaarige verschlafen.

"Ich wollte dich etwas fragen."

"Um diese Uhrzeit?? Na meinetwegen..."

"Wie fühlt sich Liebe an?"

Mit einem Schlag war Rei hellwach und setzte sich auf. Verwirrt sah er seinen Freund an, der nun ebenfalls aufrecht im Bett saß.

"Ähm... na ja... man fühlt sich geborgen, wenn man jemanden liebt. Man möchte immer bei dieser Person sein und vermisst sie, wenn man es nicht ist. Man würde alles für den anderen tun und... man fühlt sich glücklich. Manchmal hat man auch ein kribbeln im Bauch wenn man an den anderen denkt oder ihm in die Augen sieht... und natürlich vertraut man der Person die man liebt... aber warum fragst du das überhaupt?"

Kai hatte aufmerksam zugehört und dachte einen Moment nach, bevor er Rei wieder ansah.

"Ich wollte es bloß Mal wissen..."

"Warst du etwa noch nie verliebt?"

"Nein."

"Hattest du denn nie eine Freundin??"

Kai schüttelte den Kopf.

"Aber du hast schon mal jemanden geküsst, oder?"

"Auch nicht, nein."

Rei sah ihn baff an, das hatte er nicht erwartet. Er hätte eher geglaubt, dass Kai jedes Mädchen bekam, das er haben wollte und schon massenhaft weibliche Wesen an seiner Seite gehabt hatte... und dann erfuhr er, dass Kai total unerfahren war. Er spielte mit dem Gedanken, den Russen jetzt einfach zu küssen, wusste aber nicht, wie dieser darauf reagieren würde.

"Findest du das schlimm?", fragte der blau-grauhaarige plötzlich.

"Ähm...was?" Verwirrt schüttelte Rei den Kopf.

"Na dass ich keine Erfahrung habe... findest du, dass das etwas Schlechtes ist?"

"Nein... es verwundert mich nur. Ich meine, du siehst doch verdammt gut aus..."

"Findest du?"

"Ja."

Kai lächelte leicht und legte sich wieder hin, was Rei dazu veranlasste sich ebenfalls wieder ins Bett oder besser gesagt an Kai zu kuscheln.

"Du Kai?"

"Mh?"

"Ich hab dich lieb..."

"Ich dich auch", kam es nach einer kurzen Pause.

Zufrieden schlief Rei wieder ein und in seinem Traum tauchte immer wieder der Russe auf.
 

Es verstrichen ein paar Wochen an denen Rei und Kai sich immer näher kamen, ihre Freundschaft schien inniger als je zuvor und es war für beide unvorstellbar sich noch mal wegen so einem dummen Streit aus dem Weg zu gehen. Kaum noch traf man einen der beiden alleine an, an den Wochenenden kam Kai sogar mit seinem Freund mit zur Arbeit, saß dann im Café und arbeitete dort für die Schule. So konnten sie sich in Reis Pausen, oder wenn wenig los war, unterhalten und kamen trotzdem beide ihren Pflichten nach.

Die Zeit war seit ihrem ersten Aufeinandertreffen wie im Flug vergangen und schon stand Weihnachten vor der Tür. Nur noch wenige Tage waren es bis zu dem Fest der Liebe und es drängte, Weihnachtsgeschenke auszusuchen. Sie wollten gemeinsam mit Kenny und Max feiern, Takao hatte nicht die Erlaubnis bekommen.

"Komm schon Kai, beeil dich, wir müssen endlich den Baum kaufen!", drängte Rei ungeduldig.

"Ich komme ja schon", murmelte der andere genervt.

Die gute Laune aller Menschen um ihn herum bekam ihm nicht gut. Er fühlte sich die letzten Tage überhaupt nicht wohl und wollte am liebsten einfach nur im Bett bleiben und der Fröhlichkeit aus dem Weg gehen. Doch Rei zuliebe ging er mit den Baum kaufen, Rei zuliebe half er Kekse backen und Rei zuliebe hatte er zugestimmt die anderen einzuladen. Man konnte wahrlich nicht behaupten dass ihm ihre Freundschaft nichts wert war, doch irgendwie konnte er sich über das Fest einfach nicht freuen. Vielleicht, weil er früher auch nie Grund dazu gehabt hatte. Immer waren alle glücklich gewesen zu dieser Zeit, nur er war einsam und alleine, ja noch nicht einmal Geschenke hatte er bekommen. Er hatte es ohnedies immer verpönt etwas zu feiern, das im Rahmen der Liebe stattfand, denn was war die Liebe denn für ihn gewesen? Nichts als ein bedeutungsloses, unnützes Wort.

Doch das hatte sich geändert. Mittlerweile wusste er, was es bedeutet zu lieben und er selbst liebte auch, er liebte seinen besten Freund. Doch das zeigte er nie. Er hatte immer noch Angst vor Reis Reaktion, sollte dieser je erfahren was für Gefühle er im Laufe der Zeit für ihn entwickelt hatte.
 

Am Markt angekommen gingen sie suchend durch die Reihen bis Rei schließlich einen Baum gefunden hatte, der seinen Vorstellungen des perfekten Weihnachtsbaumes entsprach. Seine Augen strahlten, als sie ihn nach Hause trugen und er schwärmte Kai immer wieder vor, wie toll es doch werden würde. Plötzlich jedoch, verstummte er. Ihm war in all seiner Euphorie zuvor nicht aufgefallen, wie bedrückt der Russe eigentlich wirkte und dessen schämte er sich. Er war sein bester Freund und merkte nicht, dass etwas nicht in Ordnung war. Nachdem sie den Baum in Kais Wohnzimmer aufgestellt hatten, waren sie in die Küche gegangen um Essen zu machen. Schweigend bereiteten sie es zu und schweigend aßen sie es.

"Warum freust du dich nicht?", fragte Rei beim Abwasch.

"Worüber?"

"Na über Weihnachten."

"Tu ich doch."

"Nein."

"Woher willst du das wissen?"

"Du siehst nicht fröhlich aus."

"Was weißt du denn schon..."

Kai ging zurück ins Wohnzimmer, schmiss sich auf die Couch und sah fern. Er lag auf der Seite, den Kopf auf den Arm gelegt und die Knie leicht angewinkelt. Rei war ihm gefolgt und betrachtete ihn besorgt, hatte jedoch keine Idee was er tun sollte. So legte er sich einfach vor ihn auf das Sofa und schmiegte sich eng an ihn. Kai murrte laut.

"Ich sehe nichts mehr."

Von Rei kam jedoch keine Antwort oder Reaktion, er lächelte bloß in sich hinein. Kai legte kurzerhand seinen Kopf auf Reis, seinen rechten Arm um dessen Hüften und bekam so den Fernseher wieder in den Blick.

Erst nach ein paar Minuten wurde ihm bewusst, wie nah sich ihre Gesichter eigentlich waren und diese Tatsache machte ihn sehr nervös. Ruckartig wich er ein Stück von dem Chinesen zurück, drückte sich eng an die Rückenlehne der Couch und starrte ihn an. Was tat er hier überhaupt? Sich selbst tadelnd schüttelte er den Kopf, kletterte über Rei hinweg von dem Sofa und ging aus dem Raum.

Er wusste mit dieser Nähe einfach nicht umzugehen. In der Küche hatte sein aufgewühltes Gemüt erst einmal Ruhe gefunden, da er die Idee hatte Pudding zu kochen. Er machte so was zwar nicht gerade gerne, aber als Ablenkung war es ihm dann doch sehr willkommen.
 

Rei lag immer noch da und dachte nach. Warum war Kai denn so plötzlich aufgestanden? Er konnte es sich nicht erklären. Ein süßer Duft riss ihn wahrlich aus seinen Gedanken und veranlasste ihn dazu, genüsslich die Augen zu schließen. Es roch herrlich nach Vanille und als er die Küche betreten hatte, wurde ihm sogleich eine kleine Schüssel entgegengehalten.

"Wow, das nenn ich Service", meinte der Chinese schmunzelnd als er sich setzte.

"Mhm", murmelte der Russe bloß.

Sie löffelten den cremigen Pudding stumm in sich hinein, doch ihre Blicke trafen sich öfters. Als ihre Augen erneut aneinander hängen blieben, lag spürbar ein Knistern in der Luft. Es hatte zwischen ihnen gefunkt, wie man so schön sagt.

Rei konnte sich dieses Gefühl nicht erklären, war es doch sonst nie da gewesen. Und doch hatte er sich plötzlich zu Kai hingezogen gefühlt, auf eine Art und Weise, wie er es nicht für möglich gehalten hatte. Er schätzte Kai und mochte ihn wirklich gerne, doch verliebt sein war ihm nie in den Sinn gekommen. Immer noch fixierte er die roten Augen vor sich und versuchte wohl zum tausendsten Mal, seit er Kai kannte, aus ihnen zu lesen. Er wollte die Gefühle des anderen deuten, möglicherweise die Gedanken erraten, die sich soeben in dessen Kopf befanden. Er wollte es soeben aufgeben, als ein anderes Gefühl aufblitzte, eines, dass er schon kannte: Trauer. Er war sich nicht ganz sicher, doch bevor er sich intensiver darauf konzentrieren konnte, hatte der andere den Kopf zur Seite gedreht und den Blickkontakt unterbrochen.

Rei stand auf, ging zu Kai und blieb nur wenige Zentimeter vor diesem wieder stehen. Vorsichtig streckte er die Hand aus und strich dem blau-grauhaarigen sanft über die Wange, warm lächelte er ihn dabei an.

"Sei nicht traurig bitte, ja? Ich verspreche dir, Weihnachten wird etwas ganz Besonderes werden."

Das Fest der Liebe

Kapitel 7 - Das Fest der Liebe
 

Fröhlich streckte Rei sich und sah den immer noch schlafenden Jungen neben sich an. Er ging zum Fenster, schob die Vorhänge zur Seite und öffnete es. Die kühle Dezemberluft blies ihm leicht entgegen und weckte vollends seine Lebensgeister. Hinter sich nahm er ein Rascheln wahr und als er sich umwandte stellte er fest, dass Kai sich enger in die Decke gekuschelt hatte. Vermutlich war ihm kalt, also verschloss Rei das Fenster wieder.

Er begab sich in die Küche und bereitete ein wunderbares Frühstück zu. Bald durchzog der Duft von frischem Tee und warmem Gebäck die gesamte Wohnung und weckte den Russen auf.

Er rieb sich verschlafen die Augen, blieb jedoch liegen. Irgendwie war ihm ganz und gar nicht nach aufstehen zumute denn immerhin war heute Weihnachten, das Fest was ihm einfach verhasst war. So drehte er sich murrend auf die andere Seite und versuchte verzweifelt wieder einzuschlafen. Wie erwartet gelang ihm das jedoch nicht und so ließ er sich von dem herrlichen Duft hinreißen und schwankte umständlich in die Küche.

"Morgen", begrüßte Rei ihn fröhlich bevor er einen neuerlichen tiefen Schluck Tee zu sich nahm.

Kai nahm sich eine Tasse, füllte sie mit der heißen Flüssigkeit und packte seinen kleinen Teller mit Leckereien voll. Dann ließ er sich auf den Stuhl der Rei gegenüber war plumpsen und füllte seinen leeren Magen.
 

Zu Mittag, als Rei summend dabei war den Baum zu schmücken, läutete es an der Tür. Da der Chinese nicht vor hatte seine Dekorierungsarbeiten abzubrechen musste Kai gehen um zu öffnen. Wie erwartet standen Max und Kenny im Treppenhaus und brachten ebenfalls einen Schwall gute Laune mit sich.

"Hey Kai, wie geht's dir?", fragte Max fröhlich.

"Passt schon, danke", murmelte der angesprochene. "Los kommt rein, da draußen ist es ja saukalt."

Dazu ließen sie sich natürlich nicht zweimal auffordern. Sie übergaben die Geschenke in Kais Obhut und zogen sich erstmal die Winterjacken und die Schuhe aus.

"Hey Leute!" Rei hatte sich doch von dem Baum losreißen können um seinen Freunden eine wärmende Tasse Tee zu kochen. So kalt wie in diesem Jahr war es schon lange nicht mehr gewesen.

Zu dritt schmückten sie schließlich zu Ende, Kai hatte sich dezent zurückgehalten. Mit hochgezogener Augenbraue stand Rei im Zimmer und betrachtete ihr Werk kritisch. Irgendetwas gefiel ihm daran nicht, und dann fiel es ihm auch gleich ins Auge: sie hatten die Christbaumspitze vergessen.

Er holte sie schnell und ging damit zu Kai.

"Steckst du sie oben auf?"

Missmutig verzog der Russe den Mund.

"Warum denn ich?"

"Weil du von uns am größten bist."

Der bittende Blick des schwarzhaarigen Jungen ließ ihn schließlich doch schwach werden und so nahm er die rote Spitze seufzend an sich. Mit ein wenig Strecken und einem Stuhl war es ihm dann auch gelungen sie lediglich mit dem Verlust einer Kugel anzubringen.

"Gut, und jetzt lasst uns die Geschenke holen!"

Fröhlich hüpfte Max voraus und konnte es kaum erwarten dass es Abend wurde und er seine Päckchen endlich austeilen konnte. Er hoffte, dass sich jeder über sein Geschenk freuen würde denn er hatte sich bei allen lange Gedanken darüber gemacht und Kai war schon ein schwerer Fall gewesen.

Als sie alles platziert hatten siedelten sie in Reis Wohnzimmer um, die Zeit wollten sie sich nun mit Gesellschaftsspielen vertreiben.
 

"Los kommt schon! Ich bin schon ganz hibbelig!", rief Max seine Freunde herbei und hüpfte von einem Bein auf das andere, vor Aufregung gar nicht zu bändigen.

Kai hatte soeben die letzte Kerze am Baum angezündet als Rei die Lampe ausschaltete und sich zu ihnen Gesellte. Einen Augenblick sahen sie alle andächtig den Baum an, doch dann hatten sie ein Problem: Jeder von ihnen kam aus einem anderen Land und jeder wollte natürlich ein Weihnachtslied aus seiner Heimat singen. Nach langem hin und her einigten sie sich darauf, das Rei eine Strophe eines chinesischen Liedes sang, Max etwas auf englisch und Kenny auf japanisch. Als der braunhaarige Junge abgeschlossen hatte sahen sie alle drei erwartungsvoll zu Kai, der daraufhin seufzte und ein russisches Lied zum Besten gab.

Irgendwie machte es dem blau-grauhaarigen sogar Spaß zu singen oder den anderen dabei zuzuhören, er konnte sich das gar nicht erklären.
 

Schließlich kam der spannendste Augenblick: das Auspacken der Geschenke.

Max durfte anfangen, da er schon so aufgeregt war. Von Kenny hatte er ein Buch über kuriose Weltrekorde bekommen, von Rei ein grell grünes Shirt und von Kai ein Lederband auf dem das chinesische sowie das japanische Zeichen für Freundschaft war, sowie ein großes "M".

Kenny bekam ebenfalls so ein Band, auf dem "Ke" stand, von Rei bekam er einen Gutschein für den Computerladen und von Max eine CD mit den Lieblingsliedern des Jungen.

Kai sah seine Freunde seltsam an, als sie nun ihm ihre Geschenke entgegenhielten. Zaghaft griff er danach und öffnete eines nach dem anderen. Nachdem er sich bedankt hatte betrachtete er den kleinen Haufen vor sich und musste lächeln. Sie hatten seine kämpferische Natur erkannt und ihn dementsprechend beschenkt: ein paar Ninjasterne von Kenny und ein paar Wurfmesser von Max. Von Rei hatte er blaue Schminke bekommen. Es wunderte ihn, woher er sie hatte, denn sie war nicht so einfach überall zu kaufen und billig war sie auch nicht gerade.

Endlich kam Rei an die Reihe und packte als erstes einen hölzernen Halter für Räucherstäbchen aus, den Max ihm ausgesucht hatte, dann ein Sushi - Set für seine Küche von Kenny, dann natürlich das Armband mit einem wunderschönen "R" von Kai... und dann wurde ihm noch ein Päckchen entgegengehalten, ebenfalls von dem Russen. Verwundert nahm er es entgegen und tastete es kurz ab. Es war sehr leicht und auch weich, gab dem leichten Druck seiner Hände nach. Er riss das Papier auf und als er es erkannte, blieb ihm für einen Augenblick der Mund offen stehen.

"Das ist doch..."

Kai nickte nur und die beiden anderen Jungen kannten sich nicht aus. Verwirrt blickten sie zwischen den beiden hin und her und fühlten sich ein wenig ausgeschlossen.

"Was ist es denn?", fragte Kenny neugierig nach.

Bevor er eine Antwort bekam, war Rei dem Russen um den Hals gefallen.

"Ich danke dir, Kai."

Max riskierte nun seinerseits einen Blick in das halbgeöffnete Geschenk und erblickte ein rotes Stirnband, einen Gürtel und zwei Armbänder. Verwundert zog er eine Augenbraue hoch.

"Ich will mich ja nicht beschweren, aber was ist daran so besonders?"

Als Rei sich wieder auf seinen Platz gesetzt hatte, lächelte er glücklich in die Runde.

"Es geht gar nicht so besonders um das, was es ist, sondern darum, woher es kommt. Ich habe Kai etwas aus Russland geschenkt: die Schminke. Und er hat mir etwas aus China geschenkt: die Bänder."

"Oh... verstehe..." Max lachte nun.
 

Abends waren Kai und Rei wieder alleine, da die beiden anderen schließlich mit ihren Familien feierten. So saßen sie gemütlich im Wohnzimmer, hörten leise Musik und schwelgten in Erinnerungen. Plötzlich sprang Rei wie vom Blitz getroffen auf und rannte aus dem Zimmer.

"Wo willst du denn hin?", rief ihm Kai verwirrt nach.

"Ich hab dir doch versprochen, dass Weihnachten etwas ganz besonders wird", schrie Rei quer durch die Wohnung zurück.

"Ja. Und weiter?"

"Hab ein bisschen Geduld!"

Kai kratzte sich am Kopf und fragte sich, was das Besondere wohl sein konnte. Da ihm jedoch nichts einfiel, schaltete er den Fernseher ein und wartete darauf, dass Rei endlich fertig würde. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor, bis der Chinese wieder zurückkam.

"Okay, komm her", orderte der schwarzhaarige auch sogleich.

Artig tat Kai was Rei wollte und ließ sich, mit einem leisen Murren begleitet, auch widerstandslos die Augen verbinden. Dann wurde er durch den Raum geführt, offensichtlich in Reis Schlafzimmer. Der Russe fand die Sache immer merkwürdiger und wollte soeben protestieren, als er auf etwas Weiches gedrängt wurde... vermutlich das Bett. Er wurde in die Kissen gedrückt und spürte wie der andere sich auf ihn setzte. Sein Herz begann schnell zu schlagen und seine Gedanken gingen wirr durcheinander. Was hatte Rei nur vor? Er wollte eben etwas sagen, als sein Mund mit etwas warmen und weichen versiegelt wurde. Automatisch erwiderte er den Kuss ohne überhaupt realisiert zu haben, was er da tat. Mit einem Schlag wurde es ihm jedoch bewusst und er riss sich die Augenbinde ab.

"Was...?"

"Ich hab mich in dich verliebt Kai..."

Mit großen Augen sah der blau-grauhaarige ihn an und schluckte erst einmal hart.

"Du... was? ...Ernsthaft?"

Rei wurde etwas mulmig zumute, als der andere so geschockt darauf reagierte.

Kai hingegen musste erst nach Worten suchen die ausdrückten was er in diesem Augenblick empfand. Sein bester Freund war in ihn verliebt... und er war in seinen besten Freund verliebt...

"Ja ehrlich... ich hab dich unglaublich lieb, Kai..."

"Ähm...", ein Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus, "Wow..." Mehr konnte er im Moment einfach nicht dazu sagen, so überrumpelt hatte Rei ihn.

Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich...

Kapitel 8 - Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich...
 

Rei starrte den Russen erwartungsvoll an, immerhin konnte "wow" nicht das einzige sein, was dieser dazu zu sagen hatte. Aber er sprach nicht, genauer gesagt geschah in den nächsten Minuten absolut gar nichts, sie starrten sich lediglich an. Nach und nach wurde der junge Chinese unruhig, wieso sagte Kai denn nicht endlich was? Oder sollte er selbst die Stille durchbrechen? Warum war das alles nur immer so kompliziert...?!
 

Kais Gedanken überschlugen sich mittlerweile. Was sollte er tun? Sollte er Rei gestehen, dass er selbst sich ebenfalls verliebt hatte? Oder sollte er es für sich behalten? Und was würde passieren, wenn sie beide tatsächlich eine Beziehung eingehen würden? Konnte er es riskieren, verletzt zu werden? Und konnte ihm nicht jemand endlich all diese Fragen beantworten??
 

Nach unendlich langen fünf Minuten regte Kai sich unter dem schwarzhaarigen Jungen und versuchte sich aufzusetzen. Rei reagierte und stand auf, setzte sich an die Bettkante und sah seinen Freund an. Dieser blickte verlegen die Bettdecke an und suchte nach den richtigen Worten.

"Also, Rei... sei mir nicht böse, aber wir sollten... einfach nur Freunde bleiben..."

Die Augen des Chinesen füllten sich mit Tränen und er wandte sich ab, versuchte seinen Schmerz vor dem anderen Jungen zu verbergen.

"Ich dachte, du magst mich auch...", brachte er leise hervor und musste neuerliche Tränenflüsse unterdrücken.

"Ach Rei, ich mag dich ja auch... aber trotzdem, ich glaube einfach nicht, dass es gut gehen kann... ich bin kein Beziehungsmensch, ich will dir nicht weh tun und ich will auch nicht, dass du mir eines Tages weh tust... bitte versteh mich doch..."

Hektisch schüttelte der schwarzhaarige den Kopf, stand auf und eilte aus dem Raum; er musste jetzt erst einmal nachdenken. Kai stand ebenfalls auf und beschloss, sich lieber in seine Wohnung zurückzuziehen und Rei erst einmal in Ruhe zu lassen. Der würde schon kommen, wenn er wieder Kontakt haben wollte.
 

Zitternd setzte Rei sich an den Küchentisch und musste erst zur Ruhe kommen, bevor er seine Gedanken ordnen konnte. Kai hatte ihn also gerne, war vermutlich auch in ihn verliebt, hatte aber Angst davor eine Beziehung zu führen. Vielleicht konnte er den Russen ja umstimmen, wenn er besonders lieb zu ihm wäre, so einfach würde er ihn auf jeden Fall nicht aufgeben. Seufzend legte er sich einen Plan zurecht und fragte sich, wann er ihn umsetzen sollte, denn dass Kai in seine Wohnung gegangen war und die Tür geschlossen hatte, war ihm nicht entgangen.
 

Der blau-grauhaarige Junge lag auf seinem Bett, in die Decke gekuschelt und fühlte sich elend. So lange hatte er sich gewünscht nicht mehr alleine zu sein, und dann ließ er es einfach nicht zu. Er wollte es, aber er konnte nicht, zu groß war die Angst vor Enttäuschungen. Vielleicht hatte er Rei nun vergrault, war gut möglich, denn fair hatte er sich irgendwie nicht benommen, war er doch immerhin in den hübschen Chinesen verliebt. Er zermarterte sich den Kopf wie alles nun weitergehen sollte und ob sie mit diesem Wissen überhaupt noch eine unbelastete Freundschaft führen könnten.
 

Die nächsten Tage gingen sich die beiden Jungen aus dem Weg, was aufgrund der Weihnachtsfeiertage viel Langeweile bedeutete. Die meiste Zeit lümmelten sie herum und sahen fern oder ähnliches. Die Tür hatten sie geschlossen, warum, das wussten sie nicht.

Am Abend des 28. Dezember beschloss Rei, seinen Freund wieder zu Kontakten, also spazierte er nach dem Essen einfach in dessen Wohnung.

"Kai?"

"Ja?", kam es aus Richtung Schlafzimmer.

Der Chinese ging in den Raum und lugte in beide Richtungen... nichts.

"Wo bist du?", fragte er deshalb.

"Im Badezimmer. Ich komme gleich, will mich nur schnell duschen."

"Achso. Ich warte im Wohnzimmer."

Rei setzte sich also auf die Couch und starrte seine Füße an. Das Rauschen des Wassers beruhigte ihn, da es irgendwie ein angenehmes Geräusch war und ihn ein wenig ans Meer erinnerte. Er entspannte sich, sah sich den Raum an, als würde er ihn zum ersten Mal betreten haben und stellte fest, dass sich seit dem Weihnachtsabend nichts verändert hatte. Der Baum stand noch, Kais Geschenke lagen auf dem Tisch und das Papier der übrigen Päckchen lag zusammengeknüllt in einer Kartonschachtel.
 

Kai zog sich Boxershorts und ein weites, dunkelblaues Shirt an, warf einen Blick in den Spiegel und trat dann ein wenig nervös aus dem Zimmer. Was würde Rei nur wollen? Nun, er musste es wohl oder übel selbst herausfinden. So trieb ihn seine Neugier ins Wohnzimmer, wo der hübsche, schwarzhaarige Junge auf dem Sofa saß und die Augen geschlossen hatte. Vorsichtig setzte Kai sich neben ihn und musste leicht schmunzeln, wie süß Rei doch war wenn er so da saß. Als ihm jedoch bewusst wurde, dass er es selbst verschuldet hatte, dass sie beide wohl nie zusammenkämen, seufzte er tief und stieß den anderen an.

"Wie..? Oh, du bist ja schon da, hab dich gar nicht gehört."

"Freut mich dass du da bist."

Rei lächelte über diese Worte. Er war froh, dass sie nun zusammen im selben Raum waren und sich nicht weiter mieden. Ohne weiter darüber nachzudenken lehnte Rei sich an den Russen und kuschelte sich an ihn.
 

Kai lächelte; es war ein ehrliches und warmes Lächeln, wie man es von ihm nur selten zu sehen bekam. Ihm gefiel diese Situation wirklich sehr gut... der Mensch den er liebte, war an ihn gekuschelt und sie saßen in trauter Zweisamkeit nebeneinander... einfach nur schön. Doch zum gleichen Zeitpunkt keimte in ihm diese neuerliche Unsicherheit, die Angst davor, etwas Falsches zu tun und so geriet er in einen innerlichen Konflikt. Liebte er Rei so sehr, dass er über seinen Schatten springen konnte, oder war die Furcht vor Enttäuschungen doch größer? Er wusste es nicht... die ganze Sache war zum verrückt werden.
 

"Warum bist du hier?", fragte der Russe nach ein paar Minuten.

Rei erschrak ein bisschen, setzte sich wieder aufrecht hin und betrachtete Kai. Er war unheimlich sexy mit den leicht feuchten Haaren, die ihm nun strähnig und wirr ins Gesicht hingen. Der Chinese musste leicht schlucken, bevor er sich zu einer Antwort durchringen konnte; zu sehr war er vom Anblick des anderen Jungen gefesselt gewesen.

"Ich wollte dich sehen...", murmelte er undeutlich und leise, doch Kai hatte es verstanden.

Wieder huschte dieses Lächeln über sein Gesicht, doch er verbarg es schnell wieder.

"Du Kai?", drang es nach einer weiteren Pause an sein Ohr.

"Hm?"

"Darf... darf ich heute bei dir schlafen?"

Kais Herz klopfte schneller, diese Frage hatte er nicht erwartet. Fast automatisch nickte er und gab somit sein Einverständnis...
 

Nach ein bisschen Fernsehen waren sie auch schon ins Bett gegangen. Sie lagen nun nebeneinander, wirkten versteift und unsicher und starrten beide an die Zimmerdecke. Man hörte lediglich ihr Atmen und den Lärm von der Straße, kein Rascheln der Bettdecke, kein Knarren des Bettes...es war unheimlich still.

Rei linste immer wieder zu dem Russen und überlegte, ob er es jetzt schon wagen sollte oder ob Abwarten klüger wäre. Er entschloss sich schlussendlich dafür, in die Offensive zu gehen und so drehte er sich auf die Seite und sah Kai direkt an. Dieser hielt die Augen krampfhaft geschlossen, seine Lider zuckten immer wieder und er atmete unruhig.

Rei rutschte näher zu ihm, legte einen Arm um Kais Brust und bettete seinen Kopf an dessen Schulter. Es kehrte wieder Stille ein. Kai hatte die Augen geöffnet, regte sich jedoch nicht weiter und Rei verharrte ebenfalls in seiner Position. Als der Chinese nach ein paar Minuten anfing über Kais linken Oberarm zu streichen, drückte dieser den schwarzhaarigen Jungen mit dem rechten Arm näher an sich. Der blau-grauhaarige strich ihm sanft über den Rücken und schloss die Augen, doch diesmal um den Genuss zu vertiefen.
 

Diese Geste ermutigte Rei und so begann er, leichte Küsse auf Kais Hals zu positionieren. Langsam aber stetig arbeitete er sich zum Mund des Russen vor und kurz bevor seine Lippen die des anderen berührten, hielt er inne. Er sah Kai an, welcher den Blick nach kurzem zögern erwiderte. Trotz der Dunkelheit im Raum konnten sie die Schönheit des jeweils anderen wahrnehmen und ließen sich davon ihn ihren Bann ziehen. Romantischer hätte die Situation wohl kaum sein können.

Der junge Chinese nahm all seinen Mut zusammen, schloss die Augen und küsste Kai kurz und sanft. Als er sich wieder zurückziehen wollte, fasste der Russe in Reis Nacken und zog ihn wieder zu sich hinunter; er ließ seinem plötzlichen Verlangen und seiner leidenschaftlichen Gier freien Lauf, was zu einem feurigen Kuss führte.

Plötzlich jedoch löste er sich von dem schwarzhaarigen Jungen, drückte ihn von sich und sah ihn beinahe entsetzt an.

"Geh... bitte..."

Verwirrt starrte Rei zurück. Er wollte es zwar absolut nicht, doch er folgte der Aufforderung. Als er soeben aufgestanden war und das Zimmer verlassen wollte, geschah wieder etwas Unvorhersehbares: Kai hatte ihn am Handgelenk gepackt und zog ihn zurück ins Bett.

"Was...!?", begann Rei nun völlig perplex, doch Kai legte ihm einen Finger auf den Mund.

"Bleib doch... bleib bei mir... ich will nicht mehr alleine sein..."

Wenn du denkst du liebst, dann denkst du nur du liebst, aber lieben tust du nicht...

~+~ ... ~+~ Kai träumt ~+~ ... ~+~
 

Kapitel 9 - Wenn du denkst du liebst, dann denkst du nur du liebst, aber lieben tust du nicht...
 

Bereitwillig legte Rei sich wieder hin, sein Blick jedoch zeigte deutlich seine innere Verwirrung. Was wollte Kai denn nun? Mann, war der Typ unentschieden...

"Ich lass dich nie mehr alleine, wenn du das willst...", meinte er schließlich.

Kai sah ihn einen Augenblick undefinierbar an, dann kuschelte er sich an den Chinesen und schloss die Augen.

"Ja, das will ich..."

Rei meinte einen Moment sich verhört zu haben, doch dann freute er sich einfach über die Antwort des Russen und seufzte erleichtert auf. Nach und nach driftete er ab und versank wenig später in tiefem Schlaf.
 

~+~ ... ~+~
 

Wald, überall nur Wald... was soll das? Und wo bist du? Rei, wo kann ich dich nur finden? Warum bist du nicht bei mir? Ich fühle mich so verlassen und alleine... Was ist bloß geschehen? Du warst doch eben noch bei mir. Ich war so glücklich als du da warst.

...

Ich kann bald nicht mehr laufen, meine Füße tun so weh... aber ich darf nicht stehen bleiben, ich muss dich finden, ich muss einfach...

...

Was ist nun wieder los? Warum habe ich keine Stimme? Ich kann nicht nach dir rufen... aber wie soll ich dich denn dann finden? Wo bist du nur? Bitte lass mich nicht alleine...

...

Nanu?! Ein Rascheln! Bist du das, Rei? Bitte sei es...

...

Tatsächlich! Aber... warum läufst du weg? Bleib doch stehen! Bitte, warte auf mich! Stumme Schreie... alles was aus meinem Mund kommt sind stumme Schreie... Nein, das darf nicht sein! Bitte, bleib doch stehen! Rei!!

...

Endlich... da vorne stehst du. Nur einige Meter entfernt; gleich... gleich hab' ich es geschafft... endlich kann ich wieder mit dir zusammen sein...

...

Was? Aber... warum willst du nicht, dass ich dich anfasse? Was ist denn los? Du... du liebst mich nicht? Aber... ich dachte... Was? Aber... Wie kannst du dich getäuscht haben...? Einbildung? Deine Liebe soll nur ein Hirngespinst gewesen sein? Das kann ich nicht glauben...

...

Was tust du? Lass mich los, du tust mir weh...Rei! Hör auf!
 

~+~ ... ~+~
 

Kai schrak hoch und sah sich erschrocken im Raum um. Es war dunkel; ein Blick auf die Uhr verriet ihm, dass es drei Uhr morgens war. Er drehte seinen Kopf und betrachtete Rei... ein seltsames Gefühl stieg in ihm hoch. Ob dieser Traum etwas zu bedeuten hatte?

Der junge Russe fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn... komplett nass geschwitzt. Bei genauerem Hinsehen stellte er fest, dass auch sein Shirt komplett durchnässt war und an seinem Oberkörper klebte. Obwohl es mitten in der Nacht war, brauchte er jetzt erst einmal eine kühle Dusche. Also stand er so vorsichtig wie möglich auf, um Rei nicht zu wecken, schnappte sich ein frisches Shirt aus dem Schrank und verschwand im Badezimmer.
 

Durch die plötzliche Leere neben ihm und das Rauschen des Wassers, erwachte der junge Chinese und blickte sich verschlafen um. Wieso ging Kai denn mitten in der Nacht duschen? Seltsam...

Er setzte sich auf und beschloss zu warten, dass der Russe zurückkam und dann würde er ihn einfach fragen.
 

Kai stand mit Handtuch um die Hüften vor dem Spiegel und sah sich selbst in die Augen. Er versuchte zu deuten, welches Gefühl in ihnen zu erkennen war, doch es gelang ihm nicht, stattdessen führte es dazu, dass er noch verwirrter wurde. Wie konnte das alles nur sein? Er wollte mit Rei zusammen sein, doch er hatte Angst vor der Nähe. Das konnte alles einfach nicht funktionieren.

Wieder einmal seufzte er, fuhr sich mit den Händen durch die Haare und wusste nicht, ob er zurückgehen oder im Badezimmer bleiben sollte.
 

Rei fragte sich was Kai so lange tat, das Wasser hatte schon lange aufgehört zu Rauschen. Vorsichtig schlüpfte er aus dem Bett, tapste zur Tür und klopfte an.

"Kai?", fragte er vorsichtig.

Zur Antwort wurde die Tür geöffnet und der Russe sah ihn mit einem seltsamen Ausdruck an. Rei erwiderte diesen Blick und seine Augen waren in diesem Moment ebenso unergründlich wie die von Kai. Angespannt standen sie da, sahen sich an und warteten, dass der andere etwas unternahm. Logischerweise geschah daraufhin wieder einmal gar nichts. Schließlich wurde es Rei zu dumm.

"Kai, was-?", begann er, wurde von jedoch unterbrochen.

Der Russe war plötzlich an dem schwarzhaarigen vorbeigegangen, hatte diesen dabei sogar noch angerempelt und war dann wieder ins Bett geschlüpft. Er zog die Decke eng um sich, machte sich ganz klein und dachte angestrengt nach was er wollte und wovor er eigentlich Angst hatte. Seine Gedanken beherrschten in diesen Minuten sein ganzes Dasein, er vergaß wo er war, mit wem er hier war... er war wie weggetreten. Auf die Wand starrend atmete er unruhig ein und aus.

Rei gefiel diese Situation ganz und gar nicht, Kai führte sich ja auf wie ein Verrückter. Gut, dass tat er seit sie sich kannten, aber das war jetzt nicht der Punkt. Irgendetwas lief doch da komplett falsch, nur was? Er wusste es nicht. Und Kai sah nicht aus, als ob er ihm eine Antwort darauf geben würde. Niedergeschlagen marschierte Rei in dieser Nacht in sein eigenes Bett. Es hatte nicht viel Sinn jetzt noch bei Kai zu bleiben.
 

Am nächsten Morgen wachte Kai auf und war alleine. Es fiel ihm erst jetzt auf, dass Rei nicht mehr da war, obwohl er irgendwie wusste, dass dieser es die ganze Nacht schon nicht gewesen war. Es war einfach ein seltsames Gefühl.

Der Russe stand auf, wankte sich die Augen reibend in die Küche und machte sich als erstes einen starken Kaffee. Er würde Rei einfach aus dem Weg gehen, genau, der Konfrontation einfach ausweichen, wie ein Feigling... Er seufzte.

"Guten Morgen..."

Erschrocken drehte Kai sich um und blickte in ein Paar goldgelbe Augen, die ihn traurig ansahen. Gott, warum musste Rei gerade so schauen? Das war nicht fair. Es tat ihm ja Leid, aber er konnte diese innerliche Barriere einfach nicht durchbrechen, auch wenn er es noch so sehr wollte.

"Wieso bist du gegangen?", fragte er den Chinesen.

"Weil du seltsam warst, deshalb. Außerdem hast du es ja sowieso nicht bemerkt..."

Stimmte vollkommen, Kai hatte diese Tatsache einfach übersehen. Wieder wusste er nicht was er sagen sollte, tun könnte... also blickte er auf die Kaffeekanne und schien die Antwort dort zu suchen.

"Was ist mit dir los?", fragte Rei plötzlich.

"Nichts...", log Kai.

"Ach bitte, erzähl mir nichts. Ich bin doch nicht dumm."

Der blau-grauhaarige fühlte sich sehr ertappt und kaute unruhig auf seiner Unterlippe umher. Rei sah ihn gleichzeitig sehr ungeduldig an und wartete auf eine gute Erklärung seitens Kai.

"Na ja... weißt du... ich... also...", ein Seufzer, "...ich will nicht alleine sein, aber ich hab auch Angst, dass du mir zu Nahe kommst..."

Jetzt war es raus. Die Sache die ihn so sehr beschäftigte und ihn unglücklich machte, hatte er nun Rei anvertraut. Doch was würde jetzt weiter passieren? Wie würde Rei wohl darauf reagieren? Abwarten...
 

Der Chinese stand da und starrte Kai an.

"Das ist es also...? Du hast Angst, dass ich dir wehtue...?", fragte er sicherheitshalber nach.

Kai nickte.

"Aber..."

Rei schüttelte den Kopf.

"...wieso?"

Ja, warum eigentlich? Gute Frage. Kai hatte keine Ahnung. Unruhig ließ er seinen Blick durch den Raum schweifen und suchte nach einer Antwort die er Rei geben könnte und die nicht zu dumm klang.

"Ich weiß es nicht..."

Der schwarzhaarige seufzte.

"Dummkopf."

Verdutzt blickte Kai auf.

"Was..?"

"Du bist ein Idiot..."

Nun war er vollkommen verwirrt, denn Rei grinste leicht. War der denn irre?
 

Rei ging auf den Russen zu, legte die Arme um ihn und blickte ihn nun freundlich lächelnd an.

"Kai... hast du denn so wenig Ahnung von der Liebe?"

Der blau-grauhaarige blinzelte ein paar Mal.

"Was meinst du...?"

"Du willst nicht einsam sein, also lass mich dir Gesellschaft leisten..."

Er machte eine dramatische Pause und wartete Kais Reaktion ab.

"Du hast aber gleichzeitig Angst davor, wieder alleine sein zu können... also halt mich fest und lass mich nicht mehr gehen..."

Und plötzlich verstand Kai. Er wusste seine Ängste und Gefühle einzuordnen und hatte gleichzeitig die Erkenntnis erlangt, dass Rei ihn nicht drängen wollte. Er konnte sich Zeit lassen dem anderen körperlich Nahe zu kommen und trotzdem war dieser hier, nur damit er selbst nicht mehr einsam sein musste...

Endlich hatte er verstanden, dass Liebe alle Zeit der Welt hatte, solange man nicht alleine war...



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu dieser Fanfic (35)
[1] [2] [3] [4]
/ 4

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  knoedelchen
2007-06-22T21:57:27+00:00 22.06.2007 23:57
O___Q
schnief* rei ist wirklich knuffig, mein lob ;3
aber was mit kai los war... möp* da stehe ich immer noch vor einem rätsel!
kriege ich eine ens, wenn es weiter geht? Q__Q
*winkz* lg knoedelchen
Von:  knoedelchen
2007-06-22T21:53:01+00:00 22.06.2007 23:53
so...süüüß X3~

schenkst du mir kai? XDD
deine ff ist wirklich sehr süüß und gut geschrieben... *sfz*
*schnell zu den nöchsten kapitel hobbs*

Von:  knoedelchen
2007-06-22T21:40:48+00:00 22.06.2007 23:40
*___*
*begeistert fähnchen sschwenk*
ich mag deine ff recth gerne, untertreibung! sehr gerne....X3~
dass mit kai udn rei haste gut geschrieben, bin sehr begeistert udn les jetzt erst mal weitör...XDDD
lg knoedelchen
Von:  teufelchen_netty
2006-04-19T18:43:08+00:00 19.04.2006 20:43
oh ja, er hat wirklich so wenig ahnung. da gibt rei sich mühe und kommt trotz des korbes zurück und dann das -.- ^^
Von:  teufelchen_netty
2006-04-19T18:38:23+00:00 19.04.2006 20:38
gott kai si so... man kann es gar nicht beschreiben. aber ich kann beide irgendwie verstehen. hoffentlich renkt sich dsa ein ^^
Von:  teufelchen_netty
2006-04-19T18:31:22+00:00 19.04.2006 20:31
ähm.. wow
is das alles O_o?
man kai sehr einfallsreich. sas ist ja echt melodramisch. ich muss weiterstöbern
Von:  teufelchen_netty
2006-04-19T18:24:16+00:00 19.04.2006 20:24
ich glaub auch das es für sie was besondres wird. es gehört sich so und sie haben es sich ja verdient ^^
Von:  teufelchen_netty
2006-04-19T18:21:47+00:00 19.04.2006 20:21
or ich hab dich nämlich gern. wie süß. das klingt so schnuffisch. aber toll. ich muss weitr. ich bin gespannt, ob sie sich ausreden
Von:  teufelchen_netty
2006-04-19T18:18:40+00:00 19.04.2006 20:18
wow echt übel. das ganze blut. irgs das stell ich mir echt böse vor. aber ich hoffe das wird wieder udn wird er bleiben erneut?
Von:  teufelchen_netty
2006-04-19T18:10:26+00:00 19.04.2006 20:10
ich find die entwicklung zu schnell niedergeschrieben, aber dennoch gut. sie streiten ja schliesslich nimmer ^^


Zurück