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Die Revolution

von

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Flucht

Können wir heute einen Rekord feiern? Ich habe gerade gelesen dass es auf die Halbjahresgrenze zu geht! Es stimmt! ;_;

Der „Rekord des lange nicht mehr hochladens?“ Guinnessbuch, ich komme und das, obwohl ich nicht stolz bin, nein, nein! Schlagt mich mental, werft mit Steinen nach mir, ich habe es verdient.

Vielen, vielen dank an alle Kommentarschreiber und die, die mich immer wieder zum Weiterschreiben angestupft haben^^ Am Ende hat es gefruchtet.

Das nächste Kapitel wird sehr wahrscheinlich das Letzte sein und ich werde am Besten gleich damit anfangen, damit ich nicht erst wieder alles durchlesen muss um den Faden wieder zu finden^^;(P.S.: Aller Logik nach müsste es dann wesentlich schneller gehen, auch wenn ich mit der Logik manchmal nicht auf ganz so gutem Fuß stehe ;))

-> Mal sehen wie lang es dann wird, wo mir Richtung Schluss doch meist noch ein Haufen einfällt, hehe.

Darum bitte ich euch, bleibt mir gewogen wenn es nun ein letztes Mal „Fortsetzung folgt“ heißt! (;_;)
 

Danke und viele Grüße,

Fany

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Letztes Mal:
 

„Ich muss schon sagen, Oktavian. Die beste Einlage war das nicht gerade. Geradezu jämmerlich. Du hast schwach angefangen und schwer nachgelassen.“

Ilias hatte den Dolch in ihrer Hand kurz vor dem Eindringen in die linke Hälfte seiner Brust gestoppt und drückte nun nachdrücklich das Handgelenk zusammen. Er tat ihnen weh.

Verbissen versuchte Oktavian, die Waffe dennoch zu ihrem verdienten Blut zu führen. In diesem Körper aber, erreichte er gar nichts. Ilias schubste ihn mit unverschämter Beiläufigkeit auf das Bett, zu dem das Feuer noch nicht vorgedrungen war.

„Deine Wangen haben nicht einmal diese reizende Röte angenommen, als ich dich umarmte. Ich vermisste deine niedlichen Seufzer, als ich meinen Mund auf deine Schulter legte. Das war nur der Anfang einer Aneinanderreihung deiner Fehler. Kein Beileid für deinen Misserfolg, Oktavian, und deine Dreistigkeit mir jemanden vorspielen zu wollen, den ich ausgesprochen gut kenne. Ich hätte dich für klüger gehalten.“

Oktavian zuckte gleichgültig mit ihren Schultern, „was tut’s, schon das Spiel war es wert.“

„Raus da, oder ich ziehe deinen Geist persönlich aus der menschlichen Hülle.“ Ruhig stand Ilias vor ihnen, doch seine Augen sprühten hellere Funken des Zorns als es der Brand um sie herum tat. Oktavian lachte, worauf er sich mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf der Matratze räkelte. „Du kannst mich nicht vertreiben und das weißt du.“

...

„Ein Hinterhalt! Sie wussten dass wir kommen, sie...“

Valentin stürzte sich mit den Armen vor dem Gesicht durch die brennende Tür. Dicht hinter ihm, einer der asiatischen Zwillinge.

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„Du hast sie ermordet! Ermordet!“ Die Stimme des asiatischen Vampirs hallte ungewohnt kraftvoll von den Wänden wider. In seinen Augen glitzerte die wilde Verzweiflung die ihn dazu trieb, einen brennenden Holzbalken durch den Raum zu schleudern. Valentin wich ihm ohne Schwierigkeiten aus.

„Wer wollte hier wen ermorden?“ ,rief er dem anderen zu. „Ich bin nicht mit gewetzten Krallen um die Ecke geschossen und habe euch angegriffen. Hätte ich sie nicht getötet, hätte sie mich getötet! Ist das logisch oder was? Und was tut ihr überhaupt noch hier?!“

Valentin wandte sich an Ilias, der dessen Auftritt mit mildem Interesse verfolgt hatte. Verwirrt sah er von ihm auf die auf dem Bett lungernde Lilemour.

„Wenn dir das Mädchen aus den zweifelsohne hirnverbranntesten Gründen so abartig wichtig ist, hättet ihr besser daran getan längst aus dem Haus zu sein! Ich erinnere mich dunkel daran, dass es auch so verabredet gewesen war“ ,nörgelte Valentin weiter. Diesmal wich er der auf ihn gezielten Kommode nur knapp aus.

„Sacre bleu! Ihr könnt machen was ihr wollt, aber ich verschwinde hier! Der schlitzäugige Kerl hier kriegt den Rappel!“

Noch ehe Valentin die Worte zu Ende gesprochen hatte, erschütterte die Anwesenden ein ohrenbetäubender Knall.

„Der Sprengstoff“ ,grinste Lilemour. Oder treffender, Oktavian tat es, dessen Geist sich noch immer in Lilli befand und seinen Wirt gnadenlos unterdrückte.

„Sprengstoff?“ Dem Gesicht Valentins war etwas wie leichte Irritation abzulesen. Lilli stützte sich mit den Unterarmen auf, gelassen wie zuvor, als wäre das glühend heiße Feuer um sie herum nicht im Stande sie alle mit seinen Flammen zu verzehren.

„Du wusstest es nicht“ ,klang Lil’s Stimme tonlos zu Valentin vor, „doch ich habe es den uns verschworenen Mitgliedern des Escapatischen Ordens gestattet, die hiesigen Kellergewölbe als Waffenlager zu benutzen. Wenn ich nicht irre, hat das Feuer nur eine von vielen Fässern Dynamit erreicht. Nun“ ,sie zuckte gleichgültig mit den Schultern, „Menschen versuchen ihre Schwäche im Kampf nun einmal mit Hilfsmitteln auszugleichen.“

Der asiatische Vampir stürzte sich mit einem schmerzerfüllten Heulen auf Valentin. Sein Hemd hatte bereits Feuer gefangen, doch darauf schien der bleiche Mann der seine Schwester verloren hatte, nicht mehr zu achten. Seine Hände waren zu Klauen geformt, die Zähne gebleckt wie bei einem bis auf’s Blut gereizten Hund. Wenig unterschied er sich noch von dem wilden Vampir, der einst Oktavian gedient hatte und nun nicht mehr existierte. Genauso wie die zum Feind übergelaufene Unwana, Oberhaupt des hiesigen Ordens, und so viele andere.
 

„Das Mädchen ist hinüber!“ ,zischte Valentin Ilias zu, wobei er den Angriff des Asiaten nur mit Mühe parierte. „Ihr Verstand ist flöten gegangen. Sie haben sie in den Wahnsinn getrieben, eine unserer leichtesten Aufgaben. Hab doch gleich geahnt, dass die exotischen Brüderlein und Schwesterlein noch perverser sind als du. Vielleicht steht sie auch unter Rauschgift. Jedenfalls weckt es in mir nicht gerade Vertrauen wenn sie von Menschen spricht als wäre sie nicht selbst einer. Wirf sie ins Feuer!“

Ja, so war er. Erst knabberte er Lilli an und im nächsten Moment würde er sie ohne mit der Wimper zu zucken ins Feuer werfen, ohne sich überhaupt erst Gedanken darüber gemacht zu haben, ob es noch eine andere Erklärung für ihr Verhalten als den Wahnsinn gab.

„Erkennst du nicht wen du vor dir hast?“ ,wollte Ilias mit abwertendem Blick wissen. Valentin antwortete ihm nicht, er schien ihn nicht einmal bewusst gehört zu haben.

Lilli konnte Valentin in dieser angespannten Situation jedoch nicht verübeln, dass er seinen ansonsten scharfen Verstand etwas schleifen ließ. Abgesehen davon war sie sich beim besten Willen nicht sicher, ob es nicht wirklich die beste Lösung wäre, sie zusammen mit Oktavian den Flammen zu übergeben. Einfacher als jetzt würden sie ihren Widersacher niemals wieder los werden können. Er lebte jetzt nur durch sie, war dafür aber ebenso körperlich schwach wie sie. Oktavian würde seine Position ausnutzen so lange er konnte, da war sich Lilli hundertprozentig sicher. Bis zum bitteren Ende. Die Frage war, wie lange Ilias mitspielen würde, bis es ihm zu blöd wurde. Denn Lilli wusste noch immer nicht ob er Gefühle für sie hegte und wenn, welcher Natur sie waren. War sie ihm nicht wenigstens ein bisschen etwas wert, wenn er jetzt noch da war? Oder zeigten sich seine bloße Besitzgier und sein grenzenloses Überlegenheitsgefühl so krankhaft, dass er dafür alles in Kauf nahm?

Die halb auf dem Boden hängende Bettdecke hatte Feuer gefangen. Lilli und Oktavian spürten die Hitze an ihren Beinen, Oktavian zog sie zu sich an den Körper. Es knallte erneut, dieses mal bröckelte Putz von den Wänden.

In jedem anderen Fall, wäre Lilli erschrocken aufgesprungen und hätte gemacht dass sie davon kommt, wie es jedem gesunden Menschen in den Sinn gekommen wäre. Jetzt saß sie nur da und die lodernden Flammen spiegelten sich in ihren leeren Augen.
 

„Lass mich endlich los! Fils de pute! Folge deiner missratenen Schwester und geh mir nicht länger auf die Nerven!“ Valentin packte den Vampir, der die Nerven seinerseits längst verloren hatte, an der einzigen Stelle die noch nicht brannte. Er warf ihn Richtung Lilli. Obwohl sie im eigentlichen Sinne nichts Visuelles aufnehmen konnte, sah sie den schwarzen Mann mit dem rot- gelb glühenden Mantel aus Glut durch Oktavians Sinne doch auf sie zu kommen. Lilemour verstand nicht, weshalb Oktavian ihren Körper nicht wenigstens zur Seite warf, oder die Hände vor ihrem Kopf verschränkte. Nein, er sah dem Feuerball entspannt entgegen, als hätte er eine der ruhigeren Kinoszenen aus Notting Hill vor sich und nicht etwa einen potenziellen Verbrennungstod. Eine zweite schwarze Masse tauchte plötzlich seitlich ihres Wahrnehmungsfeldes auf. Sie kollidierte mit der anderen. Jaulend krachte der asiatische Vampir in die brennenden Ruinen der ehemals dicken Wände.

Einen Wimpernschlag später spürte sie den unbarmherzigen Druck von Ilias’ Hand um ihr eigenes Handgelenk. Er zog sie vom Bett auf die Füße, doch Oktavian überließ alle Glieder sich selbst. Lillis Körper baumelte wie eine Marionette neben dem dunkelhaarigen Vampir. Oktavian hatte gewusst dass Ilias sie, die er für sein eigen hielt, nicht so einfach aufgeben und ihn, mit dem er noch eine Rechnung offen hatte, nicht so einfach davonkommen lassen würde.

Jetzt reizte Oktavian ihn.

Valentin lachte auf, kurz und scharf. „So kenn ich dich gar nicht, Ilias. Ich hätte die Arbeit sie sauber zu entsorgen gerade so selbstlos für dich übernommen und ich kann mich nicht erinnern, dich jemals nach Arbeit schreien gehört zu haben. Wie ich sagte, das Weib ist hinüber, sieh sie dir doch an. Aber gut, was kümmert’s mich. Ist mir scheiß...hey!“
 

Fragend hielt Valentin die wie leblos in seinen armen hängende Lilli im Arm. Er war gelinde gesagt erleichtert, dass Ilias zu beschäftigt war um bemerkt zu haben, wie ärmlich seine Reaktionsfähigkeit nach den herben Verletzungen im Hause Stawrogins noch waren. Er hatte den asiatischen Vampir weder angreifen gehört, noch gesehen, noch gerochen, oder gespürt. Die Ausweglosigkeit machte Oktavians Helfer zu einem Berserker. Er war unmittelbar aus den Flammen gesprungen. Die Oberfläche seiner Haut war völlig verbrannt, Kleidung trug er nicht mehr. Er sah aus wie ein Skelett, dem die letzten Reste an Fleisch und Muskeln wie verschieden große, nasse Waschlappen von den verkohlten Knochen hingen. Valentin hatte in seinem Leben und dem was folgte viel gesehen, aber dieser Anblick ging selbst den Hartgesottensten gehörig an die Nieren. Das Skelett war widerlich. Widerlich und ganz nebenbei kräftig genug Ilias in Schach zu halten. Es war das Feuer. Kein Vampir hatte jemals das Feuer zu unterschätzen. Es war heiß, fast so heiß und zerstörerisch wie die Sonne. Ilias wusste das. Ilias wusste alles was er für sich zu wissen als wichtig empfand. Trotzdem hatte er Feuer gefangen. Seine Hose brannte.

Es gab wieder einen ohrenbetäubenden Knall, der Valentin zum Fenster stürzen ließ. Das Mädchen hatte er fallen lassen. Es bewegte sich nicht mehr, aber es war auch nicht verletzt. Er würde gehen und beide ihrem wohlverdienten Schicksal überlassen. Ilias und sie. Sein Ziel war erreicht. Er hatte getan was er konnte um Oktavian klar zu machen, dass er sich nicht länger an ihn zu binden gedachte. Der weißhaarige Vampir war nirgends ausfindig zu machen, was Valentin nicht wunderte. Vielmehr hätte es ihn erstaunt, wenn sein jahrelanger Mentor seelenruhig in seinem Sessel das vermaledeite Katzenvieh verwöhnt hätte, während um ihn herum alles zerbrach. Natürlich hatte Oktavian den Braten rechtzeitig gerochen und trotzdem hatte er nichts verhindern können. Valentin hatte keinerlei Grund mehr hier zu bleiben. Er fühlte den Boden erbeben und das Haus in sich zusammenfallen. Sein Fuß stand bereits auf dem Fenstersims, bereit um sich nach draußen abzustoßen, da sah er sich noch einmal um. Ilias’ Augen schienen ihn aus dem Feuer heraus anzustarren und ihm irgendetwas überbringen zu wollen, ehe eine neu emporzüngelnde Flamme den Anblick wieder wegwischte. Noch hatte Ilias den Kampf gegen den dem sicheren Tode Geweihten nicht gewonnen. Es würde ihm nur nicht mehr viel Zeit bleiben sich aus den Klammern des Asiaten zu winden.

Die Fußbodenbretter fielen knarrend und knisternd ineinander zusammen.
 

„Ach Scheiße!“ Flink sprang Valentin vom Fenstersims, packte das Mädchen unter den Armen und zerrte es mit sich. Mit einem schützenden Arm vor dem Gesicht durchbrach er mit ihr die Fensterscheibe und stürzte in die Tiefe. Ohne einen Laut kamen sie sehr viel weiter unten wieder weich auf. Lilemour berührte nicht einmal den Boden.

„Einmal einen Deal mit diesem seiner Meinung nach ach so unfehlbaren Ilias eingegangen, und schon bin ich so balla balla wie du es selbst seit Neuestem zu sein scheinst“ ,schnorrte Valentin, „ich kann nicht glauben, dass ich dich wirklich gerettet habe.“

Lilli hörte sich trostlos husten. Ein Nacheffekt des aufgewirbelten Rußes.

„Gerettet hast du mich erst, wenn du mich so weit wie möglich von diesem seiner Meinung nach ach so unfehlbaren Ilias weggebracht hast.“

Für einen Moment sah Valentin richtig dumm aus der Wäsche, das zeigten Lilli Oktavians seltsam scharfe Sinne ohne Augenlicht. Das Gesicht des Blonden erschien ihr vor schwarzem Hintergrund, ohne sich von einer Landschaft oder Gegenständen ablenken zu lassen.

Steine lösten sich aus dem Mauerwerk und krachten wie Regentropfen auf den Boden hinunter. Untermalt von herrlich anmutenden Flüchen, warf sich Valentin Lilli über die Schulter und hechtete aus dem Gefahrenbereich. Lil schlug kaum einmal mit dem Kopf gegen Valentins Rücken, da hatten sie den Waldrand passiert. Sie hörte wie sich das Haus endgültig und im wahrsten Sinne des Wortes in Schutt und Asche verwandelte.

„Wo ist Ilias?“ Lilemour wurde erneut von einem starken Hustenanfall geschüttelt. Dies mal jedoch, hatte es keinen Reiz gegeben. Oktavian hatte sie nur zum Schweigen gebracht. Valentin pfiff durch die Zähne. „Erst behauptest du weg von Ilias zu wollen und nun schwingen schon wieder die höchsten Sorgentöne um ihn in deiner Stimme mit. Aber bitte. Er wird nicht sterben. Leider, er hätte es verdient.“
 

Oktavian spürte die Erleichterung die den Körper seines Wirtes durchfuhr. Er hätte ihn nicht spüren dürfen. Spüren sollte er allein das, was von ihm, Oktavian, ausging und nicht die Regungen des Mädchens. Gar nichts von ihr. Er sollte ihr Herrscher sein. Doch war er nicht die Person dazu sich etwas vorzumachen, denn Oktavian erkannte wie viel er an Kraft verlor. Mit jeder Minute die er noch in ihrem Körper war. Niemals zuvor war er auch nur annähernd so lange in einem Menschenleib gewesen wie jetzt. Die einzigen Erfahrungen die er bei einem ausgedehnteren Aufenthalt gemacht hatte, waren jene in diesem Moment. Er würde seinen Einfluss verlieren, das Mädchen wieder die Oberhand gewinnen. Sie war stark genug. Er musste über kurz oder lang in seinen eigenen Körper zurück. Eine einigermaßen unglückliche Wendung. Oktavian war dies bewusst, dem Mädchen nicht und darin lag sein Vorteil. Auch sie hatte viel Kraft aufgewendet um Ilias zu warnen, auch sie war schwach. Oder, sie glaubte schwach zu sein und diesen Glauben würde Oktavian zu unterstützen wissen.

„Nein...nein, ich möchte weg.“ Flehend ließ er Lilli Valentin anblicken. „Ja du hast recht! Meine Stimme war voller Sorge, als ich nach Ilias fragte. Aber nicht um ihn. Ich sorgte mich weil ich fürchtete, er wäre dort drinnen nicht gestorben! Meine Sorge war begründet. Er ist nicht tot, aber ich wünschte er wäre es. Lass uns bitte gehen!“

Jedes Wort aus dem Geist Oktavians schnitt Lilli ins Fleisch, doch sie konnte sich nicht dagegen wehren. Nicht mehr. Sie hatte sich eben ein letztes Mal gegen den Vampir aufgebäumt. Sie hatte erfahren wollen, müssen, ob wenigstens Ilias überleben würde. Er würde. Wohl war ihr schmerzlich klar, dass sie den Gedanken an das Ende seiner Existenz nicht ertragen hätte. Und das gerade wegen dem, dessen Existenz nur mit äußerster Mühe von der Welt zu tragen war. Dort, in dem hintersten Winkel ihres Bewusstseins, wo Lilli zusammengepfercht auf den endgültigen Todesstoss wartete, begriff sie nicht zum ersten Mal eines: Sie hatte nen’ totalen Knall! Nicht umsonst ließen sich die Vorgänge im Gehirn eines Verliebten mit denen eines psychisch Kranken vergleichen.
 

Valentin lehnte sie nicht zu umsichtig an einen Baum. „Du hast nen’ totalen Knall! Gib von dir was du willst, aber willst du wissen was ich glaube? Ich glaube, dass mit deinem Gehirn etwas nicht stimmt. Irgendwo zwischen unserer letzten Unterhaltung und dem Feuer ist bei dir da oben was ausgeklinkt!“

Er deutete vielsagend auf seine Schläfe, die noch zur Hälfte mit der Augenbinde verdeckt war.

„Sagst gerade du, wo du selbst wie ein aus der geschlossenen Anstalt geflohener Patient aussiehst!“

Lilli stockte. Sie hatte gesprochen! Es war ihr Satz gewesen, sie allein hatte ihn gesagt und nicht Oktavian. Die Grenzen des Winkels in dem sie kauerte, schienen sich ein wenig auszudehnen, sie fühlte sich, als bekäme sie mehr Luft als noch Sekunden zuvor. Das Erstaunlichste jedoch war, es hatte sie kaum Mühe gekostet zu sprechen. Ehe sie sich über die möglichen Bedeutungen und Folgen des eben Geschehenen einen Kopf machen konnte, schoss eine gewaltige Druckwelle aus Oktavians Willen durch sie hindurch. Der Schmerz bei Berührung eines unter Hochspannung stehenden Kuhzauns bohrte sich in alle Poren ihres Körpers. Sie stöhnte auf.

„Bist du verletzt?“ Es klang mehr beiläufig als auch nur ansatzweise wirklich besorgt. Valentin hob ihre Arme hoch, drehte Lilli hin und her und verkniff den Mund zu einem schmalen, missbilligenden Strich. „Dir fehlt überhaupt nichts, außer im Kopf.“

Oktavian ließ sich davon nicht aufhalten. Er ließ die Energie wieder durch ihre Glieder strömen und mit ihnen das Leben. Er setzte sich auch gleich voll in Szene, denn er warf sich in Valentins Arme. Wenigstens genau so leidenschaftlich wie die Beautys einer Seifenoper. „Ich weiß dass du weg gehst“ ,sagte er mit leiser Stimme, „weit weg! Jetzt, da du mit Oktavian gebrochen hast. Nimm mich mit!“

„Ich...“

„Schnell, bevor Ilias wie der Phönix aus der Asche aufersteht!“ Scheinbar voller Furcht blickte Oktavian blind in Richtung des Hauses und erzitterte.

„Erstens, unterbrich mich gefälligst nicht!“ Valentin schob sie von sich, „und zweitens, wie der Phönix aus der Asche? Hast du mal einen Drama Theaterkurs besucht oder warum redest du wie ein abgehalfterter Poet?“

Oktavian senkte bedauernd den Kopf. „Hast du mein Blut denn nicht gern gehabt?“

„Was?“

„Was?!“ ,entsetzte sich nach Valentin auch Lilli selbst. Sie schlug die Hand vor den Mund. Wieder hatte sie gesprochen ohne nachzudenken, oder sich anzustrengen. Etwas seltsames passierte, aber was?

„Was?“ ,wollte Valentin wieder wissen.

„Wie was?“ ,schaltete sich Oktavian erneut ein. Offenbar konnte selbst er der Situation nicht mehr völlig Herr werden. Der Stromstoß den er Lilli nun verpasste, kam ihr nicht mehr ganz so brutal vor wie die letzten, aber vielleicht gewöhnte sie sich nur langsam an seine Torturen. Es musste etwas an der Weisheit dran sein, dass einen wirklich all das stärker machte, was einen nicht umbrachte.
 

„Ich...ich“ ,brachte Oktavian mit gekonnt erstickter Stimme hervor, „bevorzuge dich unendlich mal vor diesem...diesem arroganten, selbstverliebten, herzlosen, menschenverachtenden, grausamen, rechthaberischen, schwarzhaarigen Monster!“

Valentin überlegte nicht lange. „Du hast meine volle Zustimmung. Dir ist es nur entgangen, seine Rücksichtslosigkeit, seinen Egoismus und seinen ungesunden Stolz zu erwähnen.“

“Danke, ich wusste du...“

„Seine zahlreichen Laster waren dir aber schon lange bekannt, wahrscheinlich bereits vom ersten Moment an und trotzdem war deine Liebe zu dem schwarzhaarigen Monster vor wenigen Stunden noch groß. Du wiedersprichst dir in einem fort. Ich hatte es nie für möglich gehalten dies einmal irgendwen zu fragen, aber, was ist los verdammt noch mal!?“

„Oktavian lässt mich nicht mehr frei, das ist los!“ Da war es wieder! Sie hatte sich erklären können, und nur sich, nicht ihn. Verlor Oktavian langsam aber sicher seinen Einfluss auf sie? Wenn dem wirklich so wäre...

Valentins Augen verengten sich. „Falls du es noch nicht mitbekommen hast, wir haben dich gerade von ihm befreit. Von meiner Seite her war es mehr ein Versehen, aber passiert ist es doch.“

„Lass uns jetzt endlich gehen! Bitte!“

Der Schnee unter Lillis Füßen knirschte als Oktavian aufstand. Es war kalt. Schade dass Oktavian nicht an eine Daunenjacke gedacht hatte. Musste an der Hitze im Gebäude gelegen haben. Er lief los.

„Komm“ ,forderte er Valentin auf.

„Nein b...bleib“ ,presste Lilli hervor. Waren die zufälligen, impulsiven Sätze zuvor noch leicht aus ihr herausgedrungen, so merkte sie nun wie schwer es war Valentin Dinge zu sagen, über die sie zuvor nachdenken musste. Ihre Gedanken waren eins mit Oktavian, weshalb er brutal dagegen steuerte, sobald er merkte wenn sie zu Sprechen vor hatte.

Bei dem Versuch Valentin ihre Misere zu erklären und durch Oktavians üble Angriffe auf ihr Sein, drückte sie die Hände gegen ihr Herz und krümmte ihren Oberkörper. Lilli betete, dass Oktavian es nicht auch noch schaffte einen Herzstillstand herbeizuführen. Diagnose: Unerklärbarer Sekundentod.
 

„Oktavian ist...ist...“ Lilli würgte, doch der Ton wollte und wollte nicht weiter über ihre Lippen kommen. Dafür erbebte ihr Bewusstsein in einem tiefen, unversöhnlichen Befehl. Vor ihrem inneren Auge formte sich ein Bild zusammen. Sie sah, wie sie röchelnd und aus allen nur erdenklichen Körperöffnungen blutete. Oktavian hätte Horrorfilmregisseur werden sollen.

Seine unausgesprochene Drohung, ihre Eingeweide von innen heraus platzen zu lassen, kam furchtbar echt rüber.

„Wo würdest hin wenn ich sterben würde? Ohne mich bist du nur noch ein Lufthauch aus Bosheit!“ Nach wie vor, so stellte Lilli fest, vermochte Oktavian ihre spontanen, ungedachten Worte nicht mehr zu stoppen. Dafür konnte Lilli sie nicht kontrollieren.

Valentin packte sie an der Schulter. Er fühlte sich angesprochen. „Lufthauch aus Bosheit? Danke für die Blumen. Ich hoffe es verletzt dich nicht zu sehr zu erfahren, dass ich ohne dich immer relativ gut ausgekommen bin. Um nicht zu sagen blendend. Ich würde dann nach Hawaii, oder vielleicht auch Korea gehen. Aufbrechen würde ich, lass mich nachdenken...genau jetzt und zwar ganz sicher ohne dich!“

„Nein!“ Lilli schrak zusammen als sie merkte, sie und Oktavian hatten synchron gesprochen. Mit einem wahrhaft gewaltigen Aufgebot an Jahrhunderte lang geübtem Willen, zwang Oktavian sie nieder. Mit einer Unerbittlichkeit, die ihren Körper in die Knie gehen ließ.

„Nimm mich nur ein Stück mit“ bat er Valentin, „nur bis ich weit genug von Ilias weg bin!“

„Glaubst du immer noch, du könntest ihm entkommen?“ Valentin stützte die Hände in die Hüften. „Viel elementarer noch, warum willst du ihm so plötzlich entkommen? Sag mal, bist du schizophren?“

Oktavian folgte der Bewegung die Valentin auf einmal machte: aufmerksam sah er an ihnen vorbei.

„Roberta...“
 

Tatsächlich hörten sie nur kurze Zeit später ein angestrengtes Keuchen.

„Valentin?“ Hoch und abgehakt piepste Roberta durch den schneebeladenen Waldrand.

„Valentin, du...!“ Sie hatte ihn erkannt. Hustend kam sie vor ihnen zum Stehen. Ihr Mantel aus Kaninchenfell hatte an manchen Stellen Brandlöcher, ihre Haare waren leicht angekokelt. Sie trug ein selbstgestricktes Set aus Mütze, Schal und Handschuhe.

„Du...du Verräter!“ Furchtlos und damit ziemlich sicher suizidgefährdet, riss sie Valentin an der Jacke. „ Wo ist Oktavian? Was habt ihr mit ihm gemacht, du verfluchter Froschfresser?“

Roberta war aufgeregt und völlig außer Atem. Das kratzte Valentin nicht sonderlich.

„Keine Ahnung, Spaniockel. Ich hoffe er ist nicht mehr, was ich bezweifle. Wo ist überhaupt dein irisches Gegenstück? Abgehauen?“

„Du! Du! Bei dir war Oktavian zuletzt ehe das Feuer ausbrach! Wo ist er, sprich!“ Roberta schüttelte Lilli verzweifelt. Tränen standen ihr in den Augen und obgleich Lilemour sie für ihren Verrat am Orden hassen sollte, schwappte eine Welle puren Mitleides für das ehemalige Oberhaupt durch sie hindurch.

„Ich habe ihn überall gesucht, überall“ ,fing Roberta zu schreien an. Als Antwort darauf drangen von der Ferne Stimmen, die nach ihr riefen, doch Roberta ignorierte sie. „Aber ich kann ihn nicht finden.“

„Eine Schande aber auch“ ,Valentin wandte sich unbekümmert zum Gehen. „Schick mir eine Postkarte wenn er sich gemeldet hat. Badet sicher gerade in einer heißen Quelle und entspannt sich. Das solltest du auch tun wenn du nicht hyperventilieren willst.“
 

Zitternd griff Roberta unter ihren Rock. Sie zog eine Schusswaffe heraus und richtete sie auf Valentin. Ihr Züge waren verbissen und gar nicht so unähnlich denen des verbliebenen Vampirzwillings. „Du bist an allem Schuld! Du und Ilias! Ja, ohne euch hätte alles wunderbar funktioniert.“ Ihre Stimme bebte wie ihre Hände. „Und ohne dich!“ Die Waffe zielte nun auf Lilli. „Ilias ist gekommen um dich abzuholen, nicht wahr Lilemour? Hätte Valentin ihm nicht gesagt wo du bist, hätte er sich Oktavian beugen müssen um dich lebend wiedersehen zu können. Alles hätte so gut funktioniert.“

Roberta ließ die Pistole leicht sinken und schien sich selbst für einen kurzen Moment in Gedanken verloren zu haben. Bis Valentin sich bewegte. „Mir ist das alles zu blöd, Menschen sind mir im Allgemeinen zu blöd. Au revoir.“

„Bleib stehen oder ich schieße!“ Robertas Stimme überschlug sich, doch sie meinte es ernst.

Der blonde Vampir zeigte sich gänzlich unbeeindruckt, zuckte mit den Schultern und lief davon. Roberta schoss. Die Kugel war zu langsam, Valentin verschwand in den Baumwipfeln. Robertas Augen blickten noch eine Weile suchend umher, bevor sie sich wieder Lillis Anwesenheit bewusst wurde. Für einen Moment sprach keiner. Man hörte nur die leisen Stimmen der Leute, die nach Roberta suchten, und den rasselnden Atem der Frau.
 

„Für dich ist er gekommen“ ,flüsterte Roberta dann. Sie riss sich die Mütze vom Kopf und schleuderte sie Lilemour ins Gesicht. Oktavian in ihr rührte sich nicht. „Wenn man es Glück nennen kann von einem Vampir geliebt zu werden, dann besitzt du es. Oktavian wäre nie für mich gekommen. Ich weiß dass es nichts an allem ändern würde, aber wenn ich ihn jemals wieder sehe, dann werde ich ihm sagen was ich für ihn empfinde! Und es ist mir egal ob er mich dann ansieht oder aus dem Fenster schaut und dabei seine Katze streichelt. Es ist mir egal, hörst du?!“ Mitten in ihrem Weinen, fing Roberta wieder zu schreien an. Lilli wünschte sich mit ihr reden zu können, sie wünschte sich, sie zu trösten, doch Oktavian verhinderte alle Aktivitäten ihrerseits.

„Du sollst...sollst nicht glücklicher sein als ich.“ Oktavian ließ Lilli den Eindruck erkennen, wie Roberta erneut die Waffe hob, den Finger am Abzug. Da brach Lillis Stimme wieder frei, doch sie konnte nicht mehr als ein entsetztes „Nein, warte!“ rufen. Lilemour spürte und sah in Gedanken, wie Oktavian ihren Fuß hob. Er drehte sich um die eigene Achse, duckte sich dabei und entrann so dem Schuss. Lilli hätte es nicht für möglich gehalten in dieser Kälte dermaßen beweglich zu sein. Wahrscheinlich war sie es auch nicht und morgen würde sie die vielen Muskelrisse zu spüren bekommen. Vorausgesetzt sie überlebte das Heute.

Sie spürte, wie ihre Verse Robertas Handgelenk traf und die Waffe in die Luft geschleudert wurde. Oktavian richtete sich auf und fing sie. In der selben Sekunde drückte er ab. Lilli hatte nicht die Möglichkeit gehabt ihn aufzuhalten. Roberta starrte sie verdutzt an, saugte Lillis völlig ausdruckslose Gesichtzüge in sich ein. Dann lächelte sie. Mit den gefrorenen Tränen auf den Wangen fiel zur Seite. Hatte sie ihn erkannt?
 

Lilli weinte. Sie dachte nicht darüber nach was sie tat, die Tränen flossen von selbst und Oktavian ließ sie laufen. Dennoch entdeckte Lilli in ihm keine Empfindung, die auf das Geschehene reagiert hatte. Es schien alles wie zuvor.

„Pas mal, Pascal!“ (Anm. : Nicht schlecht, Herr Specht!“) Valentin hing kopfüber vor Lilli vom Baum. „Ich wusste gar nicht dass du Kenntnisse im Kampfsport besitzt. Und ich wusste nicht, dass du eine Mörderin bist.“

„Sie hat mich angegriffen“ ,sagte Oktavian, „bring mich jetzt fort.“

„So gleichgültig?“ Valentin kam mit verschränkten Armen vor ihr auf. „Es ist mehr als eine Geisteskrankheit. Oder etwas anderes. Hätte ich die Muse, würde ich schon herausfinden was sie mit dir gemacht haben. Aber was hätte ich davon?“

Es hatte wieder zu schneien begonnen.

Oktavian warf die Waffe in den Schnee und taumelte auf Valentin zu. „Ilias liebt mich nicht“ ,erklärte Oktavian, die Stimme noch immer vom Weinen belegt. „Und ich dich nicht. Aber ich begehre dich. Hilf mir zu vergessen!“

Hätte Lilli wieder etwas mehr Gewalt über ihren Körper, wäre ihr jetzt schlecht geworden. Was zur Hölle hatte dieser kranke Albino nur vor? Was versprach er sich von dieser äußerst plumpen Anmache?

„Dass du mich begehrst könnte ich noch glauben und außerdem verstehen, den Rest jedoch nicht“ erklärte Valentin, der heute ein Bad in Bescheidenheit genommen haben musste.

„Ich schaue in deine Augen“ ,fuhr er fort, „und sehe dich doch nicht.“

So angestrengt Lilli auch versuchte Oktavians Namen hervorzupressen, so übermächtig unterband derselbe ihr Vorhaben. Er stellte sich stattdessen auf die Zehnspitzen und gab Valentin einen Kuss auf den Mund. Lilli fühlte, wie er dabei in ihre Augen sah um das Rätsel das sie umgab zu lösen.

„Deinen kostbaren Ohrring“ ,flüsterte Oktavian. „Ilias hat ihn danach lachend auf den Boden geworfen und ihn zertreten. In tausend Stücke. Ebenso wie er es mit meinem Herzen getan hat. Wir beide, du und ich, wir sind Leidensgenossen. Der Groll gegen ihn wird uns verbinden.“

Die Stimmen, die nach Roberta riefen kamen immer näher. Die Tote war bereits von einer dünnen Schneeschicht bedeckt.

Valentin löste sich von Lilli und ging. Er ging dabei jedoch langsam genug, dass Lilli ihm folgen konnte. Sie liefen schweigsam tief in den Wald hinein.
 

„Was ist das?! Seht euch das an, oh Gott, ein Überlebender! Ich fass es nicht! Kommt schnell hier her!“ Ein Feuerwehrmann, der an den Wagen geschickt worden war um einen weiteren Schlauch zu organisieren, bekam große Augen. Jetzt wedelte er seinen Kollegen mit den Händen zu. Sie bemerkten seine Kontaktversuche nicht, da sie vollauf damit beschäftig waren, den Brand zu löschen, der noch immer auf den Trümmern des ehemals stattlichen Anwesens wütete.

„Geht...geht es Ihnen gut? Wie...“

Der Arbeiter hatte sich nicht geirrt. Ein Mensch trat aus den Trümmern, aus dem Rauch, aus den Flammen. Erst war es nur eine dunkle Silhouette, doch die erwies sich schnell als ein Mann aus Fleisch und Blut. Seine Kleidung wies mehrere Brandschäden auf. Der Feuerwehrmann stürzte ihm mit Löschdecken entgegen. Doch er zögerte, als der Überlebende näher kam. Der Mann mit den Augen, die einen wie die schwarzen Löcher im All hineinziehen wollten, wies keinerlei sichtbare Verletzungen auf. Seine Haut war weiß und makellos, die schwarzen Haare hingen ihm in wilden Strähnen ins Gesicht und flossen weit hinab. Erst jetzt erkannte der Feuerwehrmann etwas Weißes in der Hand des Überlebenden. Der Anblick packte sein Herz mit blinder, unerklärlicher Angst und drückte es zusammen. Er ging rückwärts davon, dann warf er die Decken auf den Boden, drehte sich um und rannte so schnell er konnte. Es war nicht schnell genug. Der schwarze Schatten legte sich über ihn und er wurde bewusstlos.

Ilias ließ den Mann kurz darauf auf den Boden fallen. „Keine Angst um dein mickriges Leben, Mensch“ ,sagte er. „Von dir habe ich nur genommen was ich wirklich brauche, alles andere zähle ich zum Genuss.“ Seine Brust bewegte sich leicht, als würde er in sich hinein lachen, „und den hole ich mir irgendwo anders.“

Der Vampir stieg über den Ohnmächtigen hinweg und steuerte auf den Wald zu.
 

Hinter einem riesigen Haufen aus über die Zeit angeschwemmtem Geröll, lag ein See. Mitten im Wald. Seine glatte Oberfläche war mit einer dünnen Eisschicht überzogen. Der Schnee fiel nur in kleinen Flocken auf die Erde, so dass sie bald Teil des Sees wurden.

„Ich kann nicht mehr“ ,jammerte Oktavian. Er log. Doch Valentin blieb tatsächlich stehen. Lilemour ließ sich in den Schnee fallen. Sie war sich sicher dass es nicht mehr lange dauerte, bis ihre Eingeweide vereist waren, aber Oktavian schien sich dessen nicht zu kümmern. Abschätzend sah Valentin auf sie herab. „Du solltest Zuflucht bei den Menschen suchen, sonst wirst du in absehbarer Zeit erfrieren. Russische Winter sind hart und du trägst nicht mehr als einen Pullover.“

„Dann wärme mich doch.“

„Wenn ich dir die Richtung in das nächste Dorf weise, habe ich schon viel für dich getan. Mehr als ich wollte und viel zu viel als ich sollte.“

Oktavian ließ ihre steifen, bläulich gefärbten Finger an den Ausschnitt ihres Pullovers wandern. Er zog ihn über ihre Schulter, so dass die letzten Rückstände des Bisses sichtbar wurden, den Valentin vor kurzem dort hinterlassen hatte.

„Nimm mehr“ ,bat Oktavian, worauf Valentin sich mit forschendem Blick zu ihnen hinunterbeugte. „Du musst verrückt sein.“

„Ja ist er!“ Oktavian verzichtete darauf, Lilli für diesen Ausruf zu züchtigen. Statt dessen packte er Valentin am Kragen und zog ihn vollends zu sich hinab.

„Bitte“ ,hauchte er ihm entgegen und festigte Lillis Vermutung. Oktavian hatte wohl abgeschieden von der Zivilisation gelebt, doch musste er stapelweise Videos mit Liebesschnulzen zu Hause liegen haben. Er drückte Lillis Hals an Valentins Mund. In diesem Augenblick erhaschte sie einen Blick auf die Gedanken des blinden Vampirs. Kurz aber deutlich sah sie, wie sich Valentin und Ilias bis aufs Blut bekämpften und schließlich gegenseitig umbrachten. Sie selbst, nein Oktavian, stand daneben und lächelte. Das war der Plan! So schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe. Der Feind und der Verräter töteten sich gegenseitig, womit sie ihm alle Arbeit abnahmen. War Ilias denn so angeschlagen, dass er tödlich verletzt werden konnte? Immerhin waren beide nicht in Top Zustand und damit wieder ebenbürtig.
 

„Du riechst gut“ ,murmelte Valentin gegen ihre Kehle, was Lilli innerlich gequält aufschreien ließ. Oktavian legte die Arme um den Hals des anderen Vampirs und schnurrte: „Komm, tu es, aber töte mich nicht. Dann kann ich lange, lange bei dir bleiben.“

Noch einmal löste sich Valentin von ihr um sie anzusehen. „Ich weiß, du bist nicht du selbst, aber ich weiß nicht warum und ich weiß nicht wie lange. Aber es geht mich nichts an, denn ich bin nicht dein Freund und auch nicht so dumm nicht zuzugreifen, wenn mir etwas wiederholt angeboten wird.“

Oktavian schenkte ihr die Sicht auf ein paar gierig glänzende Augen und scharfe Zähne, die, obgleich sie stets da waren, nun viel deutlicher zum Vorschein kamen. In diesen Situationen erst, offenbarten sie ihre wahre Funktion. Lilli presste aus eigenem Antrieb heraus die Augen zu, als sich Valentin schlussendlich zu ihr beugte. Ihre eiskalten Finger krallten sich durch Fremdsteuerung in Valentins Locken um seinen Kopf näher an sich zu pressen.
 

Im nächsten Augenblick knallte ihr eigener Kopf auf den Boden. Valentin war fort. Aber er war nicht weit. Auch er lag rücklings über ein paar Steinen. Und er ächzte. Nach diesem kurzen Beweis vergangener Menschlichkeit, hatte er sich wieder vollkommen im vampirischen Griff. Er stand in Verteidigungsposition, ihm gegenüber: „Ilias! Ein Glück dass du hier bist!“

„Ja, das hört sich furchtbar hasserfüllt an“ ,keifte Valentin Lilli ironisch an, nachdem er ein wenig Blut ausgespuckt hatte. Seine Unterlippe war aufgesprungen. War Lil wieder einen Moment sie selbst gewesen, so ließ Oktavian ihren Blick nun wieder gleichgültig und tot wirken.

„Ilias“ ,sagte er, emotional aufgeladen wie eine Rolle Toilettenpapier, „hast du nun gesehen wie wenig Ehrfurcht Valentin vor dir hat? Er hätte sich deinen Menschen genommen, im Bewusstsein dass du noch lebst. Es war ihm ganz gleich.“

Valentins Finger, der so klein und schmal wie der einer Frau war, richtete sich mehr als nur vorwurfsvoll auf Lilemour. „Jetzt redet sie von sich auch noch in der dritten Person, horrible! Sie hat praktisch darum gebettelt ihr Blut an den Mann zu bringen!“ Er lachte beinahe herzhaft, „was für ein linkes, schizophrenes Stück. Doch sei es wie es war, ich habe es nicht nötig mich vor dir zu rechtfertigen“ ,spie er Ilias an. „Sie ist nicht dein Mensch, sie ist irgendein Mensch. Frei zugänglich für alle!“

Lilli fand in ihrem Bewusstseinswinkel, dass Valentin sich überaus fragwürdig ausgedrückt hatte.

„Dass du dämlich bist wusste ich ja schon lange, aber ich hatte keine Ahnung dass deine Dämlichkeit sich nicht von Grenzen aufhalten lässt.“

Nun ja, wie immer nahm auch Ilias kein Blatt vor den Mund. „Du hast es tatsächlich nicht erkannt. Wie erbärmlich.“
 

Wie es geschehen war, wusste Lilli nicht, ihr war nur klar, dass sie plötzlich dicht vor Valentin stand. Ilias hielt sie am Kragen ihres Pullovers fest. Dann drückte er ihr etwas Weiches, Fellbesetztes in die Hand. Automatisch schlossen sich ihre Finger um die Leiche von Oktavians schneeweißer Katze.

„Sieh sie dir genau an, Valentin“ ,verlangte Ilias, wobei er Lilemours Körper unnötig grob hin und her schüttelte. Sie merkte, wie Oktavian ihren Mund zu einem kalten Lächeln verzog und spürte unwillkürlich, wie Valentin zu begreifen begann. Er ging einige Schritte rückwärts, fassungslos, keiner Worte fähig. Bis auf eines.

„Ihgitt!“ Wie besessen rieb der Blonde sich mit seinem Ärmel wieder und wieder über den Mund. Er sprang zum See hinüber, hieb seine Faust durch das Eis und spritzte sich das kalte Nass ins Gesicht.

„Du hast ihn geküsst?“ Valentin schlug nach Ilias, der zwischenzeitlich neben ihm stand.

„Halt deinen Mund! Ich habe sie geküsst, sie, hörst du?!“ ,raste er, was Ilias nicht dazu veranlasste sich zurückzuhalten.

„Was ist das?“ ,amüsierte er sich, „sollten sich deine Wangen röten? Bist du am Ende peinlich berührt? Ich habe noch nie Farbe in deinem Gesicht gesehen, Schneewittchen.“

Wie ein Pfeil schoss Valentin in die Höhe. Er verlor keine Zeit mit seinem Angriff und Ilias nicht mit seiner Gegenwehr. Das war das erste und letzte Mal, dass Lilemour jede der unmenschlich schnellen Bewegungen der Vampire verfolgen konnte. Es waren die Sinne Oktavians, die sie Zeuge seines Triumphes werden ließ.
 

Fortsetzung folgt!



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Kommentare zu diesem Kapitel (14)
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Von: abgemeldet
2007-07-03T15:28:50+00:00 03.07.2007 17:28
hoffentlich geht es bald weiter^^
das kapitel ist große klasse :O
Von:  Jaenelle
2007-05-20T14:38:10+00:00 20.05.2007 16:38
Okatavian du *biep* (an dieser Stelle denke man sich sämtliche Schimpfwörter, die einem einfallen) *schimpf* Ich kann ihn nicht ausstehen! Wenn er schon unbedingt mit wem mit Lillis Körper rummachen muss, dann doch bitte mit Ilias. Ich wünsche diesem Mistkerl einen qualvollen Tod!
Und die arme Roberta, die zwar 'nen leichten Knacks im Hirn hat, ernsthaft wie konnte er sie nur so kaltblütig erschießen? Immerhin hat sie ihn vergöttert. Da wäre wohl etwas mehr Dankbarkeit angebracht!


So genug über den alten Oktavian geschimpft.
Die Dialoge zwischen Valentin, Oktavian und Lilli waren einfach nur hammergeil. Ich musste mich an den Computertisch klammern, damit ich nicht vor lachen vom Ball fiel. (ernsthaft)

Damit das ganze hier konstruktiv ist, müsste ich eigentlich noch schreiben, was mir nicht so ganz gefallen hat. Dummerweise existiert da nichts.


Also dann,
viele liebe Grüße und 'ne tolle Muse (wünsch ich dir),
Jaenelle
Von: abgemeldet
2007-05-03T21:56:15+00:00 03.05.2007 23:56
Ich hab endlich deine Geschichten wieder gefunden^^
Und ,hey, ich dachte ich hätte mehr verpasst, aber zum Glück bist du ein gemütlicher Schreiberling ;)
Valentin ist ja wirklich der Trottel vom Dienst und Lilli hatte ich etwas weniger nah am Wasser gebaut in Erinnerung.
Ilias ist unblumig wie immer^^
Insgesamt meiner Meinung nach ein gelungenes Kapitel.
Das versüßt die wenige Zeit, die ich momentan zum Lesen habe. Abi is das letzte und wird allgemein sowieso viel zu überbewertet *g

Ich wünsch die Motivation und Ideen für den nächsten Teil.
Ist bei dir eigentlich schon ne andere Geschichte in Planung? *flüster

ein quak vom
froschi
Von: abgemeldet
2007-03-15T18:05:49+00:00 15.03.2007 19:05
Oktavian diese Mistgeburt :D
Nein Nein Nein. Ich weiß ganz genau dass du uns das nicht antun würdest wenn er gewinnt^^
Du schaffst es immer, es irgendwie zu einem gefinkelten guten Ende zu bringen. Da vertrau ich mal drauf haha.
Aber das Kapitel hat ja mal sehr unfair aufgehört........aber es war echt gut.
Ich hoffe du lasst dir jetzt nicht so viel Zeit mit dem nächsten sonst muss ich jeden Tag weinen :(
*anflausch*
Von:  Krylia
2007-03-14T21:06:50+00:00 14.03.2007 22:06
WAAAAAAHHHHHHHH!!!!!! NEIN, VALLY DARF NICHT STERBEN!!!!
Ich hab solchen Gefallen an ihm gefunden! *schnief*
Irgendwie nehme ich nicht an, dass Ilias stirbt...
Die schizophrenen Gespräche waren echt zu köstlich und der "aaaaarme" Valentin hats einfach nicht geblickt und sich von IHM küssen lassen. *zitter* . . . . . . *losprust*
Gott, war die Reaktion herrlich, als Ilias ihn dann endlich augeklärt hat. Himmlisch! Grandios! ^________________^

Oooooch, schade, dass das nächste wahrscheinlich das letzte ist....
Da müssen dann aber noch Stawrogin, Emi und Tony noch so richtig zum Zuge kommen. Die verpassen ja alles!
Von: abgemeldet
2007-03-14T16:40:13+00:00 14.03.2007 17:40
Also ich hab erst vor einer Woche angefangen deine FF zu lesen und hab sie jezt komplett durch.

Was für ein Glück das ich gerade fertig war als das neue Kapitel on war. Ich finde die Geschichte unglaublich. Erstens hab ich mehr als einmal Tränen gelacht bei deinen Kommentaren. Und zweitens hast du es echt drauf deine Charaktere interessant zu machen.

Die Geschichte hat den höchsten Suchtfaktor. Ich konnte diese Woche an nichts anderes denken als an Ilias und Lilli. Echt, ich bin hingerissen und hoffe das es noch ein paar Kapitel mehr werden als du geplant hast. Ich würde deine Geschichte sonst echt vermissen.

Tschüsi

Renesati
Von: abgemeldet
2007-03-13T22:51:09+00:00 13.03.2007 23:51
Sooo ich wollt nur hallo sagen, jetzt hab ich ka zeit einen ausgibiegen kommi zu schreiben aber ich hole es nach :)

und noch was ... mein pseudo Deutsch braucht man nicht verstehen (bezogen an meinen kommi in vorrien pitel)

mfg
Von: abgemeldet
2007-03-13T20:44:44+00:00 13.03.2007 21:44
Erstmal ein gaaanz herzliches Danke ^^
*zweimal gucken musste ob da wirklich 23 steht* :D
Das Kapitel ist mal wieder echt super, auch wenn ich Ilias ein wenig vermisst habe um ehrlich zu sein.
Wieder wunderschön geschrieben ^^ Ich liebe deinen Stil wirklich, ich mag den Witz den du reinbringst :D
... Das nächste nun also wirklich schon das letzte ! <-< Irgendwie macht mich das traurig ._. Auch wenn ich ganz gern erfahren möchte, wie denn die Geschichte aus geht ^^ Bitte mach ein Happy End, sonst müsst ich glaub ich echt noch anfangen zu heulen vorm Pc..... o_o

Naja nochmal ein gaaanz grosses DANKE für das Kapitel :D

lg Shiana ^-^
Von: abgemeldet
2007-03-13T18:57:33+00:00 13.03.2007 19:57
ICH HASSE MEINEN COMPUTER!!!!!!
(ich hab dir nämlich ein total schönes langes, detailreiches kommentar geschrieben...und dann drücke ich auf speichen...und es ist WEG!!!)

Also nochmal:
Wäre ich in diesem kap auf action aus gewesen, wäre ich vielleicht enttäuscht worden. ABER ich hab das ganze kap einfach wider nur gut gefunden, dein Schreibstil so ironisch-witzig...Du bist wirklich ein Wahnsinn!!!! Und du hast immer wieder so ganz spezielle ausdrücke oder redewendungen...heute hat es mir besonders das :"so emotional wie eine Rolle Klopapier" angetan;-)

Ganz toll fand ich auch die szene mit Roberta. Traurig. (obwohl ich zugeben muss, dass roberta nie zu meinen wirklichen lieblingen zählte...) Ich hab mir überlegt wie es Lilli gehen würde wenn sie so alt wäre...und ob sie auch so eine schrullige kartoffel werden würde? (obwohl ich noch immer hoffe das du Lilli niemals eines natürlichen Todes sterben lässt *bedeutungsvollmitaugenzwinker* )

Ich mag Ilias...Valentin...Lilli...die haben alle so richtig Charme! Und Oktavian mag ich auch- der ist so ein herrlicher Intrigant!

Aber du lässt die story doch nicht schlecht ausgehen?! Bitte nicht!

Ich wünsche dir noch viel Geist zum schreiben und dann eine gaaanz gute Nacht

liebe grüße
lupida
Von: abgemeldet
2007-03-13T18:46:56+00:00 13.03.2007 19:46



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