Straight From Hell
Chapter 1: ** Straight from Hell **
~(Warum ich von dir nicht zum Höhepunkt gebracht werden möchte, mein Süßer)~
Heiße Beats dröhnten ihm um die Ohren, als er die Tanzfläche betrat. Im flackernden Licht der Scheinwerfer begann er, mit rhythmischen Bewegungen jedes weibliche Wesen im Umkreis von einem halben Kilometer auf sich aufmerksam zu machen. Mit seinem typischen "Leckt-mich-doch-alle-mal-am-Arsch-Blick" erreichte er das, was er erreichen wollte: Abstand, aber Bewunderung.
Ich schnaubte verächtlich. Was dachte sich dieser Kerl, wer er war? Ein Gott? Nur weil man sich die Haare in sämtlichen knallbunten Farben gefärbt hatte, war man doch kein besserer Mensch. Allerhöchstens dämlich genug, sich mit diesem Regenbogen auf dem Kopf auf die Straße zu trauen.
Er verschwand genauso schnell wieder von der Tanzfläche, wie er gekommen war. Die Blicke hingen ihm noch nach, als er schon längst wieder in der dunklen Bar-Ecke lässig auf einem Hocker Platz genommen hatte und sich einen Drink bestellte. Ich wettete um mein klapperiges Sparschwein samt Kreditkarte, dass das illegal war. Wenn nicht sein Alter, dann vielleicht das Zeug, was er sich nachträglich hinein kippte.
Ich schüttelte verächtlich den Kopf.
Sein Name war Glen. Einen Nachnamen kannte man nicht. Aufgrund seines Hahnenkamms und den Hosen, die ihm bis zu den Knien im Schritt baumelten, wurde er von allen Mädchen angehimmelt, die genauso viel Hirn in der Birne hatten wie eine Maus mathematische Grundkenntnisse. Sprich: So ziemlich alle außer mir. Auch die Tatsache, dass er sich mindestens ein Dutzend Ringe durch Nase, Ohren, Lippe und Augenbraue gedreht hatte, machte es nicht viel besser. Er war ein Sozialfall, das war klar. Aber cool genug, um sich Punk nennen zu können.
Schlägt man "punk" in einem Wörterbuch nach, kommt man auf die beiden folgenden Wörter, die meiner Meinung nach sehr treffend sind: miserabel, nichts wert.
Er war halt ein Vorstadtjunge, der sein ganzes Leben wahrscheinlich nur zwei Wörter hatte schreiben gelernt: "Sex Pistols" und "The Clash", die wohl beiden berühmtesten Punkrockgruppen der 90er Jahre.
Glen war das, was sie alle sein wollten:
Cool, unkonventionell, leger.
Kurz: Er war ein Arsch. Aber doch anscheinend so süß, dass sie ihn alle anziehend fanden. Selbst manche Jungs konnten ihre Finger nicht von ihm lassen.
Ich ließ meine Hand leicht über den Rand meines Glases gleiten. Gespannt starrte ich in die Dunkelheit, versuchte zu erkennen, was er da hinten an der Bar trieb, konnte aber nicht wirklich etwas Brauchbares entdecken.
So ein Buntvogel erhob halt doch Aufsehen.
Ich hörte ein schrilles Lachen und dann ein helles Splittern: Ein Glas war zu Bruch gegangen. Was machten die da hinten an der Bar bloß? Sollte ich vielleicht mal hingegen?
"Farina, was starrst du denn die ganze Zeit da hinten hin? Du weißt doch, die haben es nicht gern, wenn sie angestarrt werden. Willst du unser aller Köpfe aufs Spiel setzten, oder was?!", stupste mich meine Freundin Sara plötzlich von der Seite an. Das war aber auch zu dumm. War mein Blick wirklich nicht zu übersehen gewesen?
"Ich geh da jetzt hin.", murmelte ich und schob meinen Stuhl zur Seite. Ich war zwar etwas ängstlich, aber auch neugierig. Und meine Neugier überwog mal wieder.
"Spinnst du?! Hast du eine Ahnung, was die da für krumme Sachen machen??? Hallo, Mädel, das sind gutaussehende gewalttätige Kriminelle!" Sara kriegte sich nicht mehr ein. Sie ging grundsätzlich allen Streitigkeiten aus dem Weg und war nie diejenige, die wegen irgendetwas aufmuckte. Also sollte sie diesmal gefälligst auch die Klappe halten.
Ich warf ihr noch einen übermütigen Blick zu, bevor ich mein Gesäß ins Wackeln brachte und mit festen Schritten zur Bar hinüberging.
Der Barkeeper sah mich erstaunt an. Wenn Glen mit seinen Freunden an der Theke saß, kamen für gewöhnlich nur irgendwelche kettenrauchenden, total dichten Junkies oder halt Girlies. Mist, sah ich denn nicht aus wie ein Girly?
Ich schenkte dem Keeper mein süßestes Lächeln und säuselte etwas von:
"Ich möchte einen Drink, bitte."
Eigentlich vertrug ich keinen Alk, aber wenn ich hier etwas mitbekommen wollte, musste ich wohl oder übel ein paar Opfer bringen. Also wieder die drei K's: Kopfschmerzen, Klo, Kotzen. Na ja, was soll's?
Mein Plan schien aufzugehen: Glen und seine Freunde schienen auf mich aufmerksam zu werden. Erst starrten sie mich nur an, aber als ich dann schließlich meinen Drink in der Hand hatte und die ersten paar Schlucke tat, fing einer seiner Kumpels an, mich anzulabern.
"Hey, Sweety! Was treibt dich denn hierher? Wurde es dir da drüben in der Nichtraucherecke zu langweilig?" Sehr lustig. Unsere Stammplätze waren also als "Nichtraucherecke" abgestempelt worden. Gut zu wissen.
Der Alkohol machte mich nach den paar Schlückchen schon aggressiv. Oder lag es an dem ganzen Rauch hier, der einem schier die Sicht vernebelte?
"Nicht jeder, der mal etwas Anständiges trinken möchte, ist so ein Luftverpester wie du, klar?!", fauchte ich und zog eine Grimasse. Ich wusste selbst nicht genau, ob ich diese Grimasse zum Nachdruck meiner Worte zog, oder ob mein Mund sich durch den scheußlichen Geschmack des Alkohols wie von allein verzog. Na ja, war ja auch egal. Hauptsache war ja, dass es wirkte. Und das tat es.
Der Junkie zog sofort seinen Schwanz ein und verschwand hinter der nächsten überdimensionalen Rauchwolke.
Was hatte ich mir eigentlich erhofft? Mehr als ein paar Bekiffte, die unentwegt "I believe I can fly" sangen, war hier eh nicht anzutreffen. Doch, Glen. Aber an den ranzukommen, war schon eine Meisterleistung.
Und was würde ich tun, wenn ich wirklich nah genug an ihn rankommen würde, um ihn anzusprechen?! Ich nahm mir vor, ihm ordentlich mal den Marsch zu blasen. Dieser eingebildete, arrogante Kerl hatte mal eine Abreibung verdient. Seine Freunde waren sowieso schon so zu, dass sie darüber nur lachen würden, aber ich erhoffte mir davon, dass sich wenigstens dieser Glen mal ein Herz nahm und über meine Worte nachdachte.
Okay: Ziel im Auge. Nahe genug an Glen rankommen. Den Löwen unter den... ja, unter den was eigentlich? Den Löwen unter den Hühnern?
Doch es erwies sich als nicht allzu anstrengend, da mir das Schicksal zu Hilfe eilte. Kaum war der Junkie verschwunden, stand er plötzlich auf, nahm sein leeres Glas in die Hand und ging ebenfalls ein Stückchen näher zur Bar. Er stand fast direkt neben mir, als er den Keeper heranwinkte und ihm ein Zeichen gab, das ich nicht verstand.
Dieser verschwand sofort im hinteren Bereich der Theke, der nur für die Angestellten eröffnet war und brachte nach Sekunden eine dunkelgrüne Flasche wieder mit. Mit einem geübten Handgriff köpfte er die Flasche an der harten Theke und schenkte die Flüssigkeit in zwei Gläser ein.
Zu meiner Überraschung stellte er das eine Glas vor Glen, das andere schob er mir unter die Nase.
"Voilà!", rief er dabei und kümmerte sich mit einem Lächeln auf den Lippen weiter um den Abwasch.
Ich schaute erst das halbvolle Glas an, dann starrte ich ein wenig verwirrt zu Glen hinüber, der jetzt direkt neben mir saß und mich aufmerksam musterte.
"Was...?", begann ich, wurde aber von ihm mit einem kühlen Blick zum Schweigen gebracht.
"Trink!", murmelte er mit einer außergewöhnlich rauen Stimme. Sie wollte nun so gar nicht zu seinem Äußeren passen.
Gehorsam nahm ich das Glas in die Hand und setzte es an die Lippen, als ich noch einmal stoppte. Woher sollte ich wissen, was das war? Wollte er mich vielleicht vergiften?
Mit einem weiteren Blick verlieh er meiner nicht zu Ende geführten Bewegung Nachdruck. Auch der Barkeeper lächelte mir aufmunternd zu. Na ja, so schlimm konnte es ja nicht sein, wenn der liebe Herr Glen es selbst trank.
Als das Teufelszeug meine trockene Kehle hinunterlief, hatte ich das Gefühl, es würde Narben in meinen Körper brennen. Es war so scharf, dass mir für einen Augenblick lang der Atem wegblieb. Ich verkniff mir allerdings im letzten Moment noch einen Hustenanfall, das war jetzt so ziemlich das letzte, was ich brauchte. Oder das beste, um meinen peinlichen Auftritt zu vervollständigen.
Schließlich ertönte wieder seine raue Stimme:
"Was willst du?"
Ich schreckte zusammen. Genau das hätte ich ihn eigentlich fragen sollen. Genau, was wollte er eigentlich, sollte er doch seinen Scheiß alleine trinken, wenn ihn das so happy machte! Na ja, der liebe Glen wollte mich wahrscheinlich vertreiben, damit er mit seinen Drogendealereien ungestört und vor allem unbeobachtet fortfahren konnte.
"Bitte was?!", fragte ich, immer noch ein wenig nach Luft ringend.
Er warf mir einen so kalten Blick zu, dass es mir das Blut in den Adern gefrieren ließ. Dann wurde seine Stimme plötzlich lauter und zu meiner Belustigung, die weiß Gott in dieser Situation nicht angebracht war, auch etwas höher.
"Was du hier willst, verdammt noch mal!!!", schrie er mich fast an. Dabei haute er mit der bloßen Faust auf den Tisch und blinzelte mich scharf aus seinen Augen an, die sich mittlerweile zu Schlitzen verengt hatten.
Ich hielt es für besser, ihm schnell seine gewünschte Antwort zu geben.
"Was trinken?", meinte ich. Na ja, eigentlich fragte ich eher als alles andere.
Glen lächelte mir falsch zu.
"Ja klar, und ich bin der Nikolaus im Ganzkörperkondom." Hey, den Ausdruck fand ich gar nicht mal so schlecht. Ich wunderte mich über mich selbst. Eigentlich hätte ich in so einer Situation Angst empfinden müssen, aber stattdessen befand sich in meinem Inneren eine weite Leere. Ein Vakuum, wenn ihr so wollt.
Ich lächelte auch. Zwar nicht ganz so falsch wie er, aber immerhin annähernd.
"Nicht?", fragte ich scheinheilig und konnte fast die Zornesfunken in seinen Augen aufsprühen sehen. Für einen Moment dachte ich, er würde überschäumen, doch dann machte sich so etwas wie Gelassenheit in seinem Ausdruck breit.
"Wie heißt du?", fragte er in dem gleichen Tonfall, indem er mich eben angesprochen hatte. Es war eine Mischung aus Interesse und Befehl, ich wusste es nicht richtig einzuordnen.
Ich überlegte einen Moment. Nicht, dass ich meinen Namen nicht kannte, aber ich war mir nicht sicher, ob ich ihn Glen sagen sollte oder nicht. Schließlich entschied ich mich dafür.
"Farina.", sagte ich mit fester Stimme. Den Nachnamen ließ ich weg. Der ging ihn nichts an.
Ein Lächeln machte sich auf seinen Zügen breit. Er nahm noch einen kräftigen Schluck von dem Spiritusgemisch und stand dann auf, um zu seinem Platz zwischen den Schornsteinen zu gehen.
Kurz drehte er sich noch einmal um.
"Fairy.", murmelte er und fuhr sich mit der Zunge über die gepircte Lippe. "Durchsichtig wie eine Fee, aber doch so auffallend schön, dass man glatt Lust auf mehr bekommt."
Mir klappte der Unterkiefer herunter. Was zum Teufel sollte das denn jetzt schon wieder bedeuten?! Fairy, dass ich nicht lache! Und dann auch noch so ein komischer Spruch, den eh keiner zu deuten wusste!
"Ist schon doof, dass man sich das Stroh, das durch das überfüllte Gehirn nach außen dringt, färben muss, damit man nicht erkennen kann, dass es Stroh ist.", murmelte ich, drehte ihm den Rücken zu und watschelte zurück zu meinem Stammplatz.
Im Zurückgehen zischte ich noch ein:
"Leck mich!"
Ich spürte Glens Grinsen in meinem Rücken und verstand gerade noch mit einem Ohr, wie er sagte:
"Mit Vergnügen, Fairy."
Ohne darauf zu achten setzte ich mich wieder auf meinen Platz im Nichtraucherteil.
Dort erwartete mich schon Sara mit einem leichten Lächeln auf den Lippen.
Wieso lächelte sie?
"Aha, Fairy also." Sie kicherte.
Ich schleuderte ihr einen bösen Blick entgegen. Den Spitznamen hatte ich weg.
"Lass uns verschwinden. Ich hab kein Bock mehr auf diese vernebelte Disco. Ich will nach Hause, ich hab Morgen Schule.", grummelte ich und trank das Glas aus, dass ich mir vor meinem Besuch bei Glen bestellt hatte. Im Gegensatz zu dem Teufelszeug, dass er mir eingeflößt hatte, schmeckte dieses hier nach Himmel.
Sara nickte kurz und packte ihre Sachen zusammen. Gemeinsam verließen wir die Disco und stolzierten hinaus in die kalte Nacht.
"So eine verdammte Scheiße!", krächzte ich am nächsten Morgen, als ich auf den Wecker blickte und feststellen musste, dass ich wohl heute lieber nicht zur Schule gehen sollte. Es war eh schon die große Pause vorüber und mein Kopf fühlte sich an wie Blei. Das Kopfheben und Weckerausschalten hatte gereicht, um mein morgendliches Bewegungsvermögen gründlich überzustrapazieren. Gerade, als ich meinen Kopf unter dem Kissen vergraben hatte um nicht in das gleißend helle Sonnenlicht blicken zu müssen, klopfte es ein paar Mal laut an der Tür und meine Mutter kam in Morgenmantel hereingerauscht.
"Was is'?", nuschelte ich und setzte noch ein "Vergiss es, ich geh heut nicht zur Schule!" hintendran, damit sie mich ja in Ruhe ließ.
Doch zu meinem Übel hatte sie das nicht vor.
"Aber Schatz, du weißt doch, dass heute in fast allen Fächern die Noten verkündet werden. Dann weißt du endlich, wo du dich noch verbessern kannst!" Ihre Stimme war wieder dermaßen hysterisch hoch, dass mir die Ohren klingelten.
"Los! Raus aus den Federn! Noch ist nichts verloren!", scheuchte sie mich hoch. Durch die abrupten Bewegungen wurde mir schwindelig und ich stürzte sofort wieder zurück ins Bett.
"Scheiß Kater!", murmelte ich. Trotzdem wusste ich, dass mal wieder kein Weg an der Schule vorbei führte. So wie ich meine Mutter kannte, würde sie nicht locker lassen, bis ich geschniegelt und gestriegelt brav meine Schulbank drücken würde.
Na, wenn's unbedingt sein musste.
Missmutig stapfte ich die Treppen zu meinem Klassenraum hinauf. Schon zum hundertsten Mal in meiner schulischen Laufbahn ärgerte ich mich darüber, dass wir den Raum in obersten Stock bekommen hatten. Das war zwar vielleicht was für Sportskanonen, aber sicherlich nicht für eine arme, verkaterte Schülerin, die morgens kaum aus dem Bett gekommen war.
Schnaufend und mit megaweichen Pudding-Beinen kam ich schließlich vor der Tür an und klopfte zaghaft. Ich wusste, was mich erwartete. Eine Standpredigt von meinem Lehrer, die sich gewaschen hatte. Konnte ich ihm aber auch nicht verübeln, war schließlich nicht das erste Mal diese Woche, dass ich zu spät kam.
Als kein freundliches Wort mich dazu bat, einzutreten, machte ich die Tür auf und schlurfte mit einem total entnervten Blick in die Klasse. Alle Augen waren auf mich gerichtet. Oh, wie ich diesen Auftritt jeden Morgen liebte!
"Farina Jones!" Mein Lehrer sah von seinem Pult auf. In seinen Augen spiegelte sich kein einziger Funken der Überraschung, eher des Zornes.
"Mal wieder pünktlich zwei Stunden zu spät.", bemerkte er überflüssigerweise und schaute mich aus seinen 30mm Brillengläsern eisern an.
"Welche Ausrede haben Sie dieses Mal parat? War es wieder die jetzt schon mindestens drei Mal verstorbene Oma oder doch eher der entlaufene Hund?"
Ich funkelte ihn zornig an. Unter Keuchen antwortete ich aggressiv:
"Nein, ich hatte einen Kater, verdammt!" Jeder hier im Raum verstand die Zweideutigkeit dieser Worte.
"Schon wieder ein neues Haustier?", fragte mein Lehrer und seine Brille rutschte belustigt die Hakennase rauf und runter. Dabei wippten seine Augenbrauen und seine Hand knackte voller Vorfreude auf die kommende Bestrafung.
Ich schenkte ihm ein falsches Lächeln und wollte mich gerade auf meinen Platz verpieseln, als mir etwas ins Auge fiel, dass mich schier in der Bewegung inne halten ließ.
Da saß etwas auf meinem Platz. Etwas, dass ich am liebsten zum Fenster rausgeschmissen hätte. Etwas ziemlich buntes, gepierctes und ziemlich schief grinsendes.
Glen.
"So trifft man sich wieder.", murmelte der laufende Hahnenkamm und schüttelte seine Mähne.
Die Wut stieg in mir auf wie ein blockierendes Rennauto. Was hatte dieser Kerl auf meinem Platz zu suchen???
"Ah, Farina! Das ist unser neuer Mitschüler Glen Moore, sei bitte netter zu ihm als zu mir.", murmelte der Lehrer, der sich diese Situation natürlich nicht entgehen lassen konnte. Ja klar, ich war doch immer nett. Aber nicht, wenn werter Herr Moore mit seinem vernieteten Hintern meinen Platz blockierte!
"Er sitzt auf meinem Platz!", bemerkte ich kühl und wandte meinen Blick nicht von ihm. Er schaute desinteressiert zum Fenster raus. Ja, meinen Fensterplatz, den ich mir schwer erkämpft hatte, würde ich mir nicht so leicht wegnehmen lassen, schon gar nicht von so einem Vorstadtjungen!
"Dann können Sie sich ja einen anderen suchen, Miss Jones.", murmelte der Lehrer und griente noch ein wenig breiter. Ja klar, einfach kampflos aufgeben. DAS WAR NICHT MEIN STIL, VERDAMMT!
"Ich möchte aber gerne wieder meinen alten Platz!", meinte ich und meine Stimme wurde deutlich höher und zickiger. Ja, ich war halt ein verwöhntes, reiches Einzelkind, dass alles in den Arsch geschoben bekam, was oben nicht mehr rein passte. Ich wollte nur diesen Platz und ich würde ihn bekommen!
Nun meldete sich Glen zu Wort:
"Du kannst dich ja auf meinen Schoß setzen, Fairy." Mit diesen Worten rückte er ein Stückchen nach hinten und klopfte sich auffordernd auf seine Beine.
"NENN MICH NICHT FAIRY, DU FREAK!!!" Nun war es endgültig um mich geschehen. Ich schrie die Schule zusammen wegen einem bekloppten Fensterplatz. Und wegen Glen.
Nun riss auch dem Lehrer der Geduldsfaden.
"Raus, alle beide! Geht nach draußen und einigt euch! Macht, was ihr wollt, aber stört nicht weiter meinen Unterricht!"
Tja, und damit standen wir dann draußen vor der Tür.
Und das Gemeckere meinerseits ging weiter.
Ich laberte Glen zu, der seine Ohren auf Durchzug schaltete, und jagte ihn durchs Treppenhaus. Er gab nicht mal mehr Widerworte, er hielt sich einfach nur die Ohren zu und nahm von mir nicht weiter Notiz.
"Glen, du verdammter Idiot! Hör mir zu, wenn ich mit dir Rede!!!", platzte ich heraus und zwang ihn mit Gewalt, seine Löffel aufzusperren.
Er schaute mich gelangweilt an. Dann verzog er seine Lippen zu einem Zähnefletschen und verkleinerte die Augen zu Schlitzen.
"Warum sollte ich einer verwöhnten Zicke wie dir zuhören, wo sie doch sowieso nur gedanklichen Stuss produziert und nichts weiter Konstruktives von sich gibt?" Na ja, gewählt ausdrücken konnte er sich ja. Lässig ging er die Treppen zu unserem Klassenraum wieder hoch.
"Glen!!! Bleib gefälligst hier!" Ich hechtete hinter ihm her, so was ließ ich mir doch nicht einfach so bieten. Mit einem entschlossenen Griff erwischte ich ihn an seinem Nietengürtel und zog mich zu ihm rauf.
"Ich bin noch nicht fertig mit...", begann ich, wurde aber abrupt von ihm unterbrochen, als er seine Hand gegen mein Schlüsselbein drückte und somit erreichte, dass ich ein paar Schritte rückwärts torkelte und mit dem Hinterteil gegen das Treppengeländer prallte. Doch damit nicht genug, gerade als ich mich wieder gefangen hatte, rückte er blitzschnell vor und bog meinen Oberkörper über das Treppengeländer, sodass ich mit dem halben Körper in der Luft hing. Ich unterdrückte einen Aufschrei, als sein Gesicht sich meinem soweit näherte, dass ich nur noch seine blaugrünen Augen in Lebensgröße vor mir sah.
"Glen-...", keuchte ich und versuchte mich wieder aufzurichten, doch er blieb erbarmungslos und drückte mich wieder in meine hilflose Position zurück. Eine falsche Bewegung seinerseits und ich würde kopfüber das Treppenhaus runterstürzen.
"Jetzt hör mir mal zu, kleine Fairy." Dabei schaute er mich aus seinen Augen so stechend kalt an, dass mir das Blut in den Adern gefrierte.
"Von mir aus kannst du den Platz haben. Ich war sowieso nie besonders scharf darauf gewesen, diesen verseuchten Platz zu besetzten, wo du doch schon mal draufgesessen hast."
Damit hatte ich nun nicht gerechnet. Ich hatte geglaubt, er würde sich diesen Platz um jeden Preis erkämpfen wollen. Aber dem war wohl nicht so.
Na ja, auch gut.
Er blies mir seinen heißen Atem ins Gesicht und richtete sich wieder auf. Ich atmete erleichtert auf und brachte mich wieder in die Senkrechte.
Mir war schwindelig. So ein bisschen kopfüber im Treppenhaus hängen bekommt einem nicht gut, ich spreche nun aus Erfahrung.
Ich folgte ihm schließlich die restlichen Stufen zu unserem Klassenzimmer hinauf und hielt lieber meine Klappe. Für dieses Mal hast du gewonnen, Glen Moore, aber wenn du denkst, dass ich das auf mir beruhen lasse, da hast du dich geschnitten! Innerlich kochte ich und schmiedete bereits Rachepläne.
Vollkommen erschöpft kam ich also ein zweites Mal innerhalb kürzester Zeit oben an meinem Klassenraum an. Ohne ein weiteres Wort folgte ich Glen schwer atmend vorbei am Lehrerpult zu den Bankreihen. Meine Beine waren vom vielen Treppensteigen und wie Wackelpudding und ich war froh, dass ich meinen verwöhnten Hintern endlich auf meinem Fensterplatz platzieren konnte. Nur noch ein paar Schritte... dann war es geschafft...Ich seufzte erleichtert.
In den Reihen wurde Geflüster laut.
"Na, Glen? Haste sie in so kurzer Zeit zum Höhepunkt gebracht?" Ich vernahm blödes Kichern und stellte meine heftige Atmerei ein. Diese blöden Bastarde!
Ich wollte weder von Glen zum Höhepunkt gebracht werden, noch von irgendeinem anderen Schnösel hier in diesem gottverdammten Gebäude!
"Sehr lustig.", murmelte ich noch, setzte mich auf meinen zurückeroberten Fensterplatz, wischte mit einem Ärmel die Glen-Bazillen davon und schaute scheinbar angestrengt zur Tafel.
Der konnte was erleben! Mister Moore konnte froh sein, wenn ich ihm nicht innerhalb der nächsten Minuten all seine Piercings aus dem Hirn riss und ihm seinen verblödeten Schädel kahl rasierte!
Ich ließ meinen Blick unauffällig zu ihm schweifen.
Doch er strich sich nur lässig über seine bunte Mähne und grinste mich frech an.
Chapter 1/ ***Straight From Hell*** \ END