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Schatten der Vergangenheit

Kapitel 22 "So long, Star Sheriffs" ist fertig!!!
von

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Die Schatten werden länger

Früh am nächsten Morgen erwachte April jäh mit einem stummen Schrei auf den Lippen aus ihren Träumen. Ihr Herz klopfte, als wollte es ihre Brust zum Bersten bringen und das Blut rauschte in ihren Ohren. Keuchend stützte sie sich auf ihre Ellenbogen. Mit zitternden Fingern fuhr sie sich übers Gesicht, das von kaltem schweiß bedeckt war.

Er war tot! Fireball war tot. Sie hatte geträumt, Jesse Blue wäre erneut aus der Hölle emporgestiegen, um sie zu holen. Er war plötzlich hier gewesen, in ihrem Schlafzimmer. Beinahe so wie damals. Überhaupt war der Traum ein ziemlich genaues Abbild dessen gewesen, was vor gut einem Jahr in ihrem damaligen Appartement geschehen war. Er war wieder über sie hergefallen, dieses Mal nicht auf dem Sofa, sondern hier, in ihrem Bett. Sie spürte beinahe noch seine groben Berührungen, seine Zunge, die über ihre Haut glitt und sie sah im Geiste den wahnsinnigen und gierigen Blick in seinen eiskalten Augen. Doch dann war Fireball plötzlich dort gewesen. Er und Jesse hatten miteinander gerungen und April hatte verzweifelt versucht, ihren Blaster zu finden, um ihren Erzfeind noch einmal mit einem gezielten Schuss ins Jenseits zu befördern. Doch bevor sie in der Lage gewesen war, den Abzug zu drücken, hatte der Traum eine skurrile Wendung genommen. Aus Jesses Augen waren Flamen geschossen, direkt auf den wehrlos am Boden liegenden Fireball. April war starr vor Schreck gewesen und musste tatenlos mit ansehen, wie ihr Verlobter bei lebendigem Leibe verbrannte… dieser Schock hatte sie zum Glück in die Realität zurück gerissen und sie war aufgewacht.

Noch immer schwer atmend warf sie einen Blick auf das leere Bett neben sich. Bis weit nach Mitternacht hatte sie auf die Rückkehr von Fireball gewartet; dann hatte er ihr eine kurze Textnachricht geschickt: ‚Mach Dir keine Sorgen, bleibe heute bei Colt und Robin. Brauche Zeit zum Nachdenken.’ Kein Gruß, kein ‚ich liebe Dich’, nicht einmal sein Name am Ende der Nachricht.

April zitterte am ganzen Körper. Sie setzte sich auf und schlang fröstelnd die Arme um die angezogenen Beine. Ihr T-Shirt war vom Schweiß ganz nass und klebte unangenehm kalt auf ihrer Haut. Unsicher berührte sie die Lampe auf ihrem Nachttisch und ein beruhigend warmes Licht vertrieb die angsteinflößenden Schatten der Dunkelheit.

Ein kurzer reflexartiger Blick zum Fenster. ‚Du bist eine Närrin!’ schalt sie sich selbst. Sie konnte nicht mehr sagen, wie oft sie schon nachts aufgewacht war und sich vergewissert hatte, dass die Balkontür ihres Schlafzimmers geschlossen war. Nur um ein ums andere Mal zu erkennen, dass dieses Zimmer keinen Balkon hatte. Damals, als sie sich mit Fireball nach einer gemeinsamen Wohnung umgesehen hatte, war dies ein wichtiger Punkt auf ihrer Liste gewesen. Das Erlebnis mit Jesse Blue hatte sich einfach zu tief in ihre Seele gebrannt, als dass sie die Nachwirkungen hätte ignorieren können.

Noch immer leicht benommen versuchte sie sich ein wenig zu beruhigen. Sie warf die Bettdecke zurück und schwang ihre schlanken Beine aus dem Bett. Ein paar Sekunden verweilte sie in dieser Position, weil ihr Körper ihr nicht weiter gehorchen wollte, doch dann erhob April sich schwerfällig und ging hinüber zum Kleiderschrank. Wenn sie weiterhin die durchgeschwitzten Sachen anbehielt, würde sie sich nur einen Schnupfen holen, und damit war in der momentanen Situation auch niemandem geholfen.

Sie griff eines von Fireballs T-Shirts und vergrub ihr Gesicht darin. Er musste es nach dem Tragen zurück in den Schrank gelegt haben, um es an einem anderen Tag noch einmal anzuziehen. Es roch nach seinem Aftershave, nach Benzin und Maschinenöl, nach Schweiß und dem Ledersitz seines Red Fury Racers. Kurz entschlossen streifte April sich ihr eigenes Shirt über den Kopf und schlüpfte in das von Fireball.

Es war ihr einige Nummern zu groß und reichte bis weit über ihren Po, aber der Geruch und der Gedanke, dass Fireballs Wärme noch immer darin steckte, waren irgendwie tröstlich. Wie gerne hätte sie sich jetzt schutzsuchend in seine Arme gekuschelt, tatsächlich die Wärme seiner Haut gespürt.

‚Brauche Zeit zum Nachdenken!’

Wie konnte sie ihm das verdenken? Die Tatsachen, die ihnen im Büro ihres Vaters eröffnet worden waren, hatten bei ihr solche Alpträume hervorgerufen. Sie mochte gar nicht darüber nachdenken, welche Wunden sie bei Fireball aufgerissen haben mussten. Nicht nur die Erinnerung an Mandarins Tod und die tragischen Ereignisse, die sich darum rankten, sondern auch der Gedanke an die Dinge, die weit in der Vergangenheit lagen.

Wahrscheinlich brauchte er sie im Moment mehr als je zuvor, und sie ließ ihn ohne den Ansatz einer Erklärung im Stich. Jedenfalls musste Fireball das so sehen. Er konnte ja nicht ahnen, welch schweres Geheimnis sie seit einigen Stunden zu hüten hatte. Und schließlich durfte er es auch nicht ahnen. Zu viel stand auf dem Spiel!

Sie schlenderte hinüber zum Wohnzimmer, an Schlaf war sowieso nicht mehr zu denken und bald würde der Morgen grauen. In der Tür blieb sie stehen, um den Lichtschalter zu betätigen. Erst als sie sich vergewissert hatte, dass das Zimmer ruhig und friedlich dalag, konnte sie es sich in einem Sessel bequem machen. Noch ein Erbe von Jesse Blue – sie hatte in ihrer eigenen Wohnung Angst vor der Dunkelheit und vermutete überall lauernde Schatten.

Was sollte sie nur tun? Die Wahrheit konnte sie Fireball nicht sagen, denn dann würde er bestimmt darauf verzichten, an der Mission teilzunehmen. Und dadurch wahrscheinlich die einzige Möglichkeit in den Wind schlagen, etwas über das Schicksal seines Vaters herauszufinden. April wusste, wie viel es ihm bedeutete, endlich Gewissheit zu haben, was mit seinem Vater vor mehr als 20 Jahren geschehen war. Nicht umsonst hatte er im letzten Jahr sämtliche Befehle missachtet und zusammen mit Mandarin an dem Outrider-Schiff herum gefuhrwerkt.

Sie schluckte, als sie sich an das Flammeninferno auf dem Raumhafen erinnerte, in dem Mandarin den Tod gefunden hatte. Und unwillkürlich drangen auch die schrecklichen Bilder aus ihrem Alptraum wieder in ihr Bewusstsein. Fireballs Körper, der ironischer Weise in einem Ball aus Feuer verbrannte.

April gab ein leises Wimmern von sich und schüttelte energisch den Kopf. Vielleicht war dieser Traum ja eine Warnung gewesen. Eine Vision dessen, was passieren würde. Beinahe gefror ihr das Blut in den Adern. Wenn Fireball sich ihretwegen sorgen, sich zu viele Gedanken wegen ihres unerklärlichen Verhaltens machen würde!

‚Brauche Zeit zum Nachdenken!’

Er wäre abgelenkt und könnte sich nicht auf seine eigentliche Aufgabe konzentrieren; welche fatalen Konsequenzen das zur Folge haben konnte, brauchte sich April nicht erst auszumalen. Wieder loderten die Flammen vor ihrem inneren Auge auf.

Sie musste etwas unternehmen. Soviel stand fest! Zwar konnte sie Fireball nicht die Wahrheit sagen, aber sie konnte zumindest eines tun. Entschlossen warf sie einen Blick auf die Digitaluhr des Plasmabildschirms: 3:48 Uhr, eine wahrhaft unchristliche Zeit. Aber besondere Situationen bedurften eben besonderer Maßnahmen, da spielte die Zeit keine Rolle!

Eilig lief sie zurück ins Schlafzimmer, zerrte ihren Jogging-Anzug aus dem Kleiderschrank und zog ihn über T-Shirt und Boxershorts. Dann schnappte sie sich ihren Blaster und ihren Schlüsselbund mit den verschiedenen ID-Cards und verließ mit wehenden Haaren die Wohnung.
 

Das monotone hohe Piepsen seines Communicators, den er wie immer für den Notfall auf dem Nachttisch postiert hatte, holte Saber unsanft aus seinem leichten und traumlosen Schlaf.

Er brauchte einige Augenblicke um zu begreifen, was um ihn herum geschah. Blind vor Müdigkeit tastete er nach dem Wecker, aber alles drücken der Knöpfe half nichts, das Piepsen hörte nicht auf. Verwirrt fuhr er sich über die Augen und starrte auf die grün leuchtende LED-Anzeige, die bestätigte, dass es noch weit vor der Zeit zum Aufstehen war. Dann sah er das hektische Blinken seines Communicators und griff danach, ohne den Kopf vom Kissen zu heben.

Seine Augen waren noch immer zu müde, um die kleine Anzeige entziffern zu können, deswegen öffnete er einfach den Sprachkanal und legte das Gerät dann wieder auf den Tisch: „Hm…?“ brummte er für seine Verhältnisse ziemlich ungehalten und schloss wieder die Augen.

„Saber? Hier ist April…es tut mir leid, aber…“

„April“, ungläubig rappelte der Säbelschwinger sich auf, „hast Du in letzter Zeit mal auf die Uhr gesehen?“

„Sorry, ich würde nicht stören, wenn es nicht wichtig wäre!“ ihre Stimme klang verunsichert und Saber sah ein, dass es wohl tatsächlich wichtig sein musste, wenn sie ihn mitten in der Nacht aus dem Schlaf holte.

„Dann schieß los…“

„Ich muss unbedingt mit Dir reden!“

Saber musste ein wütendes Schnauben unterdrücken: „Ich dachte, das tust Du bereits!“ konnte sie sich nicht einfach kurz fassen?

„Was? Ja, klar…“ ihre Stimme geriet ins Wanken, „ich meinte nicht über Comline…“

„Sag jetzt bitte nicht, dass ich mitten in der Nacht aufstehen soll, um mich mit Dir zu treffen!“ das konnte einfach nicht ihr Ernst sein. Waren denn ein paar Stunden Schlaf nach einem so anstrengenden Tag wirklich zu viel verlangt? Wieso dachten denn bloß alle, dass sie ihn jederzeit mit ihren Problemen und Sorgen behelligen konnten? Hatte er eigentlich ein Recht darauf, sich über seine eigenen Probleme den Kopf zu zerbrechen, ohne dabei gestört zu werden?

„Ich… tut mir leid, war eine blöde Idee… schlaf weiter, ja!“

Saber hörte die Enttäuschung in Aprils Stimme und bekam ein schlechtes Gewissen. Schließlich war es nicht ihre Schuld, dass er stundenlang über dem Brief an Cynthia gebrütet hatte und noch immer nicht wusste, ob der Brief auch wirklich das wiedergab, was in seinem Herzen vor sich ging.

„Wo ist Fireball?“

Eine kleine Pause setzte ein, in der er nur Aprils Atem hören konnte, dann antwortete sie mit belegter Stimme: „Bei Colt…“

„Na gut…“ wenn sein Freund die Nacht bei Colt und Robin verbrachte, schien es tatsächlich Probleme zu geben. Von diesen wäre er zwar lieber verschont geblieben, aber was half es schon. Nun war er wach und konnte sich genauso gut um April kümmern: „Ich komme bei Dir vorbei, gib mir ein paar Minuten Zeit, ja?“

„Nicht nötig!“ mit einem leisen Sirren wurde die Verbindung unterbrochen und das Display von Sabers Comgerät wurde dunkel.

Verwirrt schwang er sich aus dem Bett. Hatte April die Verbindung absichtlich unterbrochen, oder waren sie getrennt worden? Gerade wollte er versuchen, erneut mit seiner Teamkollegin Kontakt aufzunehmen, als er ein sachtes Klopfen aus dem Wohnzimmer einen Stock tiefer vernahm.

Stirnrunzelnd zog seine Shorts zurecht, dann verließ er das Schlafzimmer und tappte die kleine Wendeltreppe nach unten.
 

Aprils Herz pochte heftig. Hoffentlich hatte Saber ihr Klopfen gehört. Ein wenig mulmig war ihr schon zumute, den Freund zu nachtschlafender Zeit aus dem Bett gerissen zu haben, aber er war der einzige, der ihr im Moment helfen konnte.

Die klamme Kälte des frühen Morgens drang schleichend durch ihren Jogging-Anzug. Zitternd verschränkte sie die Arme und warf einen Blick zu Nova, die ruhig und friedlich auf Sabers Terrasse stand: „Meinst Du, er ist sauer?“

Natürlich erhielt sie von ihrem elektronischen Streitross keine Antwort, doch das war auch nicht nötig. Die unerwartet heftige Reaktion von Sabers Seite hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er alles andere als erfreut über ihre Störung war. Sie konnte es ihm auch nicht verdenken, aber trotzdem versetzte seine unwirsche Art sie ins Grübeln.

Es sah Saber nicht ähnlich, einen Freund in Not so schroff anzufahren, egal wie spät es auch sein mochte. Wahrscheinlich hatte auch er einen langen Abend voller schwerer Gedanken hinter sich. Die Entscheidung, die jeder einzelne von ihnen zu fällen hatte, setze eben auch einem Profi wie dem Säbelschwinger zu.

Unruhig trat April von einem Bein aufs andere. Wenn Saber sie nun tatsächlich nicht gehört hatte! Sollte sie es vielleicht noch einmal versuchen?

Plötzlich flammte im Inneren der Wohnung die Deckenbeleuchtung auf und April sah einen reichlich verwirrt und mürrisch dreinblickenden Saber die Treppe ins Wohnzimmer herunter kommen. Seine Haare standen wild zu Berge und er war mit nichts weiter als einer schwarzen, ziemlich engen Shorts bekleidet. Als er sie erblickte, blieb er für einen Moment auf der untersten Stufe der Treppe stehen. Seine Augen weiteten sich vor noch größerem Erstaunen und reflexartig fuhr er sich mit der rechten Hand durchs Haar, um seine widerspenstige Mähne ein wenig zu zähmen.

April sah die tiefen Sorgenfalten in seinen Gesichtszügen, als er ihr wortlos die Balkontür öffnete und sie ins warme Wohnzimmer trat. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus, in der April sich peinlich bewusst wurde, dass sie Saber nie zuvor nur mit Shorts bekleidet gesehen hatte. Seine schlanken, langen Beine waren sehnig und muskulös, sein Oberkörper durchtrainiert und breitschultrig. Kein Wunder, schoss es ihr durch den Kopf, dass es einmal Zeiten gegeben hatte, in denen sie ihn äußerst anziehend gefunden hatte. Verschämt wandte sie den Blick von ihm ab: „Junge Saber, wenn ich gewusst hätte, was mich hier für ein Anblick erwartet, hätte ich Dich schon mal früher nachts überfallen. Willst Du Dir nicht vielleicht kurz was überziehen? Beim Anblick Deines Adoniskörpers kann ich mich sonst echt nicht konzentrieren!“ sie warf ihm ein verschmitztes Lächeln zu, um ihre Unsicherheit zu überspielen und stellte erleichtert fest, dass sich auch auf seinem Gesicht ein amüsiertes Aufblitzen zeigte.

„Zügle Deine Hormone, immerhin bist Du eine versprochene Frau!“

Die Erinnerung an Fireball ließ Aprils Miene wieder zu Stein erstarren, ein sicheres Anzeichen für Saber, dass es bei den beiden tatsächlich Ärger gegeben hatte. Und da der Rennfahrer bei ihrem Freund Colt Unterschlupf gefunden hatte, würde er an dessen Stelle dieses Mal den Ratgeber spielen dürfen. Unbeholfen berührte er April sanft an der Schulter und drückte sie sacht: „Ich bin gleich wieder da. Nimm Dir doch was zu trinken, wenn Du magst, ja!“

Sie sah ihm nach, wie er die Wendeltreppe wieder nach oben stieg und hörte die Schritte über sich, als er zurück in sein Schlafzimmer ging.

Etwas zu trinken war vielleicht gar keine so schlechte Idee! Während Saber sich anzog konnte sie ebenso gut in die Küche gehen und sich nach etwas Flüssigem zur Beruhigung umsehen. Ein wenig unsicher schlich sie in den Flur hinaus und zur Küche hinüber. Sie war nicht sonderlich oft bei ihrem Boss zu Hause gewesen und fühlte sich befangen, einfach so in seiner Wohnung umher zu spazieren; besonders wenn dieser nur mit Unterhose bekleidet im Stockwerk über ihr war.

Beim Betreten der Küche gingen automatisch zwei kleine Deckenfluter an, die in den beiden äußeren Ecken positioniert waren und den Raum in ein gemütlich warmes Licht tauchten.

Aprils Blick fiel auf den kleinen Tisch rechts neben der Tür. Dort standen eine Glasflasche mit einer bernsteinfarbenen Flüssigkeit und ein leeres, aber offensichtlich benutztes Glas. Sie Griff nach der Flasche und nahm das schwarze Etikett mit dem Goldrand genauer in Augenschein.

„Single Malt Whisky?“ vor Erstaunen wären ihr beinahe die Gesichtszüge entgleist. Seit wann trank Saber denn hochprozentigen Alkohol? Das sah ihm überhaupt nicht ähnlich!

Auf dem Tisch lag noch der Aluminiumverschluss, mit dem die Flasche versiegelt gewesen war. Offensichtlich hatte er sie erst vor kurzem geöffnet. Skeptisch betrachtete April den Inhalt – gut ein Drittel des Whiskys war verschwunden. Wenn Saber den am Abend alleine getrunken hatte, war es kein Wunder, dass er angespannt wirkte und über die nächtliche Ruhestörung nicht sehr erfreut gewesen war. Diese Dosis Alkohol hätte wohl selbst Colt außer Gefecht gesetzt.

Unschlüssig zog April den Korken aus der Flasche und schnupperte vorsichtig am Inhalt: der Geruch von starkem Alkohol, gemischt mit Torf und Rauch verschlug ihr beinahe den Atem.

Einerseits war sie schockiert darüber, dass Saber Rider da eine Seite an sich hatte, von der sie bislang offenbar nicht einmal etwas geahnt hatte, andererseits war ein Schluck guten Whiskys wahrscheinlich genau das, was sie im Moment brauchte.

Vernunft und Verzweiflung trugen in ihrem Inneren einen heftigen Zweikampf aus, doch dann zuckte sie resigniert die Schultern: „Zum Teufel damit!“

Energisch griff sie nach dem Glas und füllte es gut zwei Zentimeter mit Whisky auf. Ein Schauer durchlief ihren Körper, als sie den Alkohol mit einem Zug ihre Kehle hinunter stürzte. Sie verschluckte sich ein wenig und begann zu husten.

„Bist wohl das Wasser des Lebens nicht gewohnt, wie?“ Saber stand plötzlich hinter ihr und nahm ihr das Glas aus der Hand.

April eilte hinüber zur Spüle und versuchte, mit einigen großen Schlucken aus dem Wasserhahn den Geschmack in ihrem Mund zu vertreiben: „Wie kannst Du so was nur freiwillig trinken?“

Ihr Gesicht hatte sich vor Ekel verzogen und Saber musste unwillkürlich lachen: „Du weißt eben einen guten Tropfen nicht zu schätzen, liebste April! Als echter Schotte saugst Du den Whisky quasi schon mit der Muttermilch ein!“

Der weibliche Star Sheriff schluckte einen letzten Schwall Wasser hinunter und drehte sich stöhnend um: „Ihr Schotten meint ja auch, dass es Musik ist, wenn Ihr ein paar aufgepusteten Stoffsäcken quietschende Töne entlockt…“ und außerdem meinten sie wohl auch, dass „sich etwas überziehen“ bedeutete, dass man zu seiner sowieso schon engen Shorts noch eine hautenges, ärmelloses Shirt überzog und damit der Etikette genüge getan war.

Saber musste Aprils überraschtes Schlucken gehört haben, denn er warf ihr einen geradezu frechen Blick von der Seite zu: „Dachtest Du etwa, ich schmeiße mich in meinen Raumanzug?“

„Was? Nein…“ April wurde unangenehm heiß, „es ist nur, ich… habe Dich glaube ich noch nie…“ ihr blieben die Worte im Hals stecken, als ihre Blicke abermals über Sabers muskulöse Arme und Beine wanderten.

Grinsend griff der Säbelschwinger nach der Flasche: „Vielleicht noch einen? Auf den Schock und die Erkenntnis, dass ich auch nur ein Mann bin?“

‚Und was für einer…’ April schüttelte diesen unpassenden Gedanken ab: „Willst mich wohl umbringen, wie!“

„Banause!“

„Damit kann ich leben!“

Saber hob gleichmütig die Schultern und genehmigte sich selber noch einen kleinen Drink, bevor er es sich auf einem der Küchenstühle gemütlich machte.

„Meinst Du nicht, dass Du heute schon genug von dem Zeug getrunken hast?“ April nahm ihm das Glas aus der Hand, bevor er es erneut füllen konnte und setzte sich zu ihm.

Die eben noch heitere Miene des Star Sheriffs verfinsterte sich: „Und meinst Du nicht, dass hier und jetzt genau der richtige Zeitpunkt dafür ist?“ er schaute ihr forschend ins Gesicht.

„Ich hätte nie gedacht, dass Dich mal etwas so aus der Bahn werfen würde!“ dieser neue Saber machte April in der Tat Angst.

„Hätte ich ehrlich gesagt auch nicht“, der Säbelschwinger inspizierte eingehend den Boden des leeren Glases, „und glaube mir, das gefällt mir selber nicht!“ entschieden schob er Glas und Flasche mit dem rechten Arm beiseite: „Aber genug von mir, weshalb wolltest Du mit mir reden?“

April überlegte, wie sie anfangen sollte. Es hatte keinen Sinn, die Wahrheit unnötig hinauszuzögern, früher oder später, spätestens am Donnerstag, würde sie sowieso Farbe bekennen müssen. Wieso jetzt also noch Zeit schinden?

Mit einem schweren Seufzer wiederholte sie also den Satz, der den Zwist mit Fireball eröffnet hatte: „Ich werde nicht mitgehen in die Phantomzone…“

„Wie bitte?“ Saber war wie vom Donner gerührt. Der Einsatz würde gefährlich werden und vielleicht mussten sie ihren Wagemut mit dem Leben bezahlen, aber nicht eine Sekunde lang hatte er daran gezweifelt, dass das Team sich dieser Herausforderung geschlossen stellen würde.

„Hast schon richtig gehört…“ April rutschte kleinlaut in sich zusammen, „und frag bitte nicht, warum, okay! Nimm es einfach hin!“

„Na, Du bist gut“, mit einem Ruck erhob sich Saber und begann in der Küche hin und her zu tigern, „nimm es einfach hin. Wie stellst Du Dir das vor?“

„Dad hat jedem von uns freigestellt, sich zu entscheiden, ob er an dieser Mission teilnehmen will“, braust April unvermittelt auf, „und ich habe mich dagegen entschieden. Dafür habe ich meine Gründe und mehr ist zu diesem Thema nicht zu sagen!“ sie war vielleicht Fireball eine Erklärung schuldig, aber niemandem sonst.

„Und was sagt Fireball dazu?“ die Arme vor der Brust verschränkt schaute Saber sie prüfend an.

„Das ist eine Sache zwischen ihm und mir…“

„Also ich frage mich wirklich, warum Du hier bist“, seine Stimme klang eisig, „wenn Du mir nichts zu sagen hast, hätte ich wunderbar weiterschlafen können!“

„Oder Dich bei Deiner Entscheidungsfindung noch einmal vom Alkohol beraten lassen können…“

Totenstille trat ein; es hatte beinahe den Anschein, als hätte Saber sogar den Atem angehalten. April biss sich auf die Lippe und senkte betreten den Blick: „Das habe ich nicht so gemeint, tut mir leid…“

Ihr Gegenüber schnaubte missmutig: „Ist schon gut, wir sind alle ein wenig angespannt.“ Er riss sich zusammen und zwang sich, wieder am Tisch Platz zu nehmen: „Warum bist Du hier, April?“

„Ich wollte Dich um einen Gefallen bitten…“

Saber lehnte sich schweigend in seinem Stuhl zurück. Er würde nichts erreichen, wenn er April weiter bedrängte. Er musste ihr einfach Zeit geben, ihre Gedanken zu sammeln und das zu sagen, weswegen sie hergekommen war.

„Diese Mission… für Fireball ist sie mehr als nur ein normaler Einsatz.“

„Es ist seine Chance herauszufinden, was damals mit seinem Vater geschehen ist…“

Nervös knetete April mit der rechten Hand den linken Daumen und nickte kaum merklich: „Diese Frage hat ihn schon immer beschäftigt, weißt Du? Ich meine, wer würde nicht wissen wollen, was aus seinem Vater geworden ist!“ die Luft in der Küche schien plötzlich stickig und verbraucht. Sie musste den Zwang niederkämpfen, aufzustehen und ein Fenster aufzureißen.

„Aber es hängt noch soviel mehr daran…“

Sabers Nackenhaare stellten sich auf: „Mandarin…“

Der Name hing in der Luft wie ein unliebsam heraufbeschworener Geist.

„Er hat immer noch schwer mit dieser Sache zu kämpfen. Ich habe einfach Angst, dass das alles irgendwie zu viel für ihn werden könnte…“

„Was genau meinst Du mit zu viel?“

April zog unschlüssig die Schultern hoch: „So genau weiß ich das auch nicht“, Bilder ihres Alptraumes tauchten wieder vor ihr auf, „ich habe irgendwie eine Art Vorahnung, dass ihm etwas passieren könnte. Er hat so vieles zu verarbeiten und ich werde nicht da sein, um ihm beizustehen…“

Saber ergriff ihre Hände: „Fire ist nicht sonderlich glücklich mit Deiner Entscheidung, hier bleiben zu wollen, oder?“

Tränen traten in Aprils Augen während sie langsam den Kopf schüttelte: „Wie sollte er auch? Ich schätze, er hat mich noch nie so sehr gebraucht, wie im Moment. Und ich kann ihm nicht einmal sagen, warum ich ihn im Stich lasse!“

„Habt Ihr Euch deswegen gestritten?“

„Nein, nicht wirklich“, flüchtig wischte sie sich die Tränen von den Wangen, „er ist enttäuscht und glaubt, dass ich ihm nicht vertraue. Weil ich ihm nicht die Wahrheit sagen kann.“

„Und? Hat er Recht?“

April hieb mit der rechten Hand auf den Tisch: „Natürlich nicht, verdammt. Die Sache hat überhaupt nichts mit Vertrauen zu tun“, sie atmete schwer und Zorn blitzte in ihren Augen auf, „wie er so was überhaupt denken kann. Ich mache das doch nur seinetwegen. Wenn ich ihm sage, warum ich hier bleibe, würde er auch nicht mitgehen und somit die Chance in den Wind schlagen, endlich Gewissheit über das Schicksal seines Vaters zu bekommen…“

„Hm…“ Saber nickte geistesabwesend, auch wenn April nicht glaubte, dass er wirklich verstanden hatte, worum es hier ging: „Soll ich mal mit ihm reden?“

„Gott, nein“, was für eine überaus grandiose Idee, „das würde doch alles nur noch schlimmer machen. Du kennst seinen Stolz. Wenn er rausbekommt, dass ich mit Dir über die Sache geredet habe, wird er ausflippen!“ sie mochte sich die Konsequenzen gar nicht erst ausmalen.

„Aber Du hast mir doch wahrscheinlich nicht mehr erzählt, als ihm auch!“

April musste ein ironisches Lachen unterdrücken: „Und Du meinst, dass würde er im Moment glauben, ja?“

Ein erneutes Nicken zeigte ihr, dass Saber verstand, was sie meinte: „Wahrscheinlich nicht. Aber was genau möchtest Du jetzt von mir?“

Zögernd und beinahe scheu ergriff sie seine Linke und drückte sie flehend: „Hab ein Auge auf ihn. Pass auf, dass er nicht irgendeinen Blödsinn anstellt und bring ihn mir heile zurück!“ sie wusste, dass sie das eigentlich nicht verlangen konnte, denn selbst Saber hatte nicht die Macht, im Kampf über Leben und Tod zu entscheiden.

Trotzdem stand er auf und zog April fest in seine Arme: „Fireball wird zurück kommen, das schwöre ich Dir!“
 

Robin erwachte mitten in der Nacht, als sich Colt mit einem lauten Schnauben aufs Bett fallen ließ. Benommen rieb sie sich die Augen. Der Mond schien fahl durch das offene Fenster und erhellte die Silhouette des Cowboys. Er lag mitsamt Jeans, Hemd und Stiefeln neben ihr, die Arme hinter dem Kopf verschränkt und starrte grimmig an die Decke. Es fehlte eigentlich nur sein geliebter Hut, um das Bild abzurunden.

„Kannst Du Dir nicht wenigstens die Schuhe ausziehen, wenn Du mich schon unbedingt wecken musst…“

Colt tat so, als habe er die tadelnden Worte seiner Frau gar nicht gehört: „Die beiden bringen mich noch mal um den Verstand, das kann ich Dir flüstern, Süße!“

Robin seufzte resigniert und schaltete ihre Nachttischlampe ein; an Schlaf würde sowieso nicht zu denken sein, solange ihr Mann so übellaunig war: „Wer wenn ich fragen darf, bringt Dich um den Verstand?“

Überrascht sah Colt sie an, so als habe er bislang gar nicht realisiert, dass sie tatsächlich neben ihm lag: „Der Turbofreak und die eiserne Jungfrau, wer denn sonst!“ seine Miene verfinsterte sich wieder.

Robin stellte sich auf ein längeres Gespräch ein und schob ihr Kopfkissen so zurecht, dass sie Colt ansehen konnte, ohne sich den Hals verrenken zu müssen.

„Die können doch nicht von mir erwarten, dass ich ständig den Babysitter für sie spiele. Ist es denn wirklich zuviel verlangt, dass sie sich mal zur Abwechslung selber um ihre Probleme kümmern? Aber nein, der gute alte Colt wird es schon richten, zum Henker!“

Schweigend lauschte Robin der Schimpftirade und fragte sich, ob sie nun endlich den Grund dafür erfahren würde, dass Fireball völlig überraschend zum Abendessen aufgetaucht war. Äußerst wortkarg und am Boden zerstört hatte er gefragt, ob er die Nacht über bleiben könne. Natürlich hatte das nur bedeuten können, dass er sich mit April gestritten hatte, aber was ein echter Mann war, der gab seine Gefühle und Gedanken natürlich nicht preis. Appetitlos hatte er in seinem Teller Chili con carne herumgestochert und sich in Schweigen gehüllt.

Später hatten er und Colt sich mit zwei Sechserträgern draußen auf die Veranda getrollt und Robin hatte es ihrerseits vorgezogen, diese Männereintracht nicht zu stören. Die beruhigende Gegenwart des Cowboys und ein paar Flaschen Bier würden sicherlich bald ihr Übriges tun und die Zunge des Rennfahrers lockern. Weibliche Intuition, die wieder einmal voll ins Schwarze getroffen hatte.

„Ich hatte ja echt gehofft, dass diese Streitereien endlich aufhören, jetzt wo sie endlich mal aus dem Quark gekommen sind, aber denkste Puppe…“

„Nun spuck schon aus, was los ist!“ wenn sie nicht einen Riegel vorschob, würde sich Colt noch stundenlang aufregen, ohne das eigentliche Thema auch nur angekratzt zu haben.

„Dieses verdammte blonde Gift, was hat sie sich nur dabei gedacht?“ Colt wollte reflexartig seinen Hut nach oben schnippen, bemerkte aber schnell, dass er diesen auf der Veranda vergessen hatte, „irgendwann macht sie Matchbox noch zum seelischen Krüppel, macht sie…“

„Aha…“ natürlich war mal wieder frau die Wurzel allen Übels, „und was hat April sich dieses Mal zu Schulden kommen lassen?“

Colt antwortete nicht sofort und Robin dachte schon, er habe sie nicht gehört. Doch dann brummte er ungehalten vor sich hin: „Sie kommt nicht mit!“ eine tiefe Sorgenfalte zog sich über seine Stirn und man hatte beinahe das Gefühl, eine dunkle Wolke über seinem Kopf schweben zu sehen.

„Du meinst in die Phantomzone?“

„Hm…“ Colt nickte, „und sie hält es nicht mal für nötig, Fire zu sagen, welcher wilde Coyote sie bei dieser Entscheidung geritten hat.“ Kraftvoll trat er gegen den rechten Pfosten des Bettes, welches bedenklich ächzte.

„Ich wäre Dir wirklich sehr verbunden, wenn Du nicht die Einrichtung demolieren würdest.“

„Teufel auch, ist doch wahr…“ der Bettpfosten musste einen weiteren Tritt aushalten, „das kann sie doch nicht einfach machen.“

„Sie wird sicherlich ihre Gründe haben…“ auch wenn Robin sich nicht vorstellen konnte, welche das sein sollten. April war mit Leib und Seele Star Sheriff und Ramrod war nach wie vor ihr Baby. Sie hätte die Navigation des Schiffes niemals freiwillig jemand anderem überlassen. Was hatte April zu verbergen?

„Und was für Gründe sollten das bitte sein? Sie ist ein Star Sheriff, verdammt. Es ist ihr Job, mit auf diese Mission zu gehen!“ Colts Stimme wurde immer lauter, je weiter er sich in Rage redete.

„Aber ich denke, Commander Eagle hat Euch freigestellt, diesen Auftrag anzunehmen. Wäre es da nicht absurd, gegen den eigenen Willen zu fliegen, weil man es als seine Pflicht erachtet?“ Natürlich war Vernunft im Moment ein Punkt, mit dem man Colt überhaupt nicht kommen konnte.

„Schnickschnack“, der Cowboy setzte sich im Bett auf, „fest steht doch wohl eines: Fireball kann auf dieser Mission vielleicht endlich herausfinden, was damals mit seinem Vater passiert ist…“

„Und nichts oder niemand wird ihn daran hindern, oder?“

„Meine Güte, Frauen! Unser Kleiner braucht nun mal seine Angebetete, Du weißt ja, wie das mit der jungen Liebe ist…“

Robin konnte sich ein kleines Schmunzeln nicht verkneifen: „Hm, kann mich schwach daran erinnern…“

„Das ist überhaupt nicht witzig, Weib“, blaffte Colt, „Fireball hat ein Anrecht darauf zu erfahren, warum April hier bleiben möchte. Bislang haben sie alle Gefechte gegen diese widerlichen Schmutzfüße gemeinsam ausgetragen. Fireball konnte sich immer darauf verlassen, dass sie mit Ramrod seinen Rücken gedeckt und zur Not auch mal seinen Allerwertesten aus der Schusslinie geholt hat. Und jetzt, wo es hart auf hart kommt, da lässt sie ihn einfach im Stich, lässt sie ihn, jawoll!“

Daher wehte also der Wind: „Meinst Du nicht viel eher Euch?“ der Cowboy zuckte kaum merklich zusammen und seine Augen verengten sich zu Schlitzen: „Ihn, uns, ist doch völlig egal!“

„Das ist es ganz und gar nicht“, Robin stemmte sich aus dem Bett hoch und zog die Knie an, „ich kann durchaus verstehen, wenn Fireball darüber enttäuscht ist, dass sie sich ihm nicht anvertrauen will. Auch wenn ich sicher bin, dass sie dafür triftige Gründe haben wird. Aber Du, Mister, hast absolut kein Recht, ihr wegen ihrer Entscheidung auch nur den kleinsten Vorwurf zu machen.“

Wütend stand Colt auf: „Ach nein, habe ich nicht?“

„Nein, hast Du nicht!“

„Hör mal zu, Süße“, theatralisch stemmte er die Arme in die Hüften, „wir sind ein Team, comprende? Da kann man nicht einfach aussteigen, nur weil Madame vielleicht eine Laus über die Leber gehumpelt ist!“

War es denn so schwer zu begreifen, dass sie April brauchten? Wie sollte ihre Einheit funktionieren, wenn sie nicht komplett war? Wer außer April war in der Lage, Ramrod zu navigieren. Sie waren im Laufe der Jahre zu einer Art Familie zusammen gewachsen. Jeder kannte den anderen in- und auswendig. Sie verstanden sich blind und konnten sich hundertprozentig aufeinander verlassen. Und nun kam Miss Eagle anmarschiert und wischte dieses Vertrauen aus einer schnöden Laune heraus so mir nichts Dir nichts vom Tisch.

„Colt“, mitfühlend krabbelte Robin über das Bett und ergriff Colts Hände, „wenn es Dich so sehr beschäftigt, dass April nicht mit auf die Mission geht, dann solltest Du mit ihr darüber reden. Ich denke, Du bist ihr als Freund zumindest schuldig, Dir ihre Meinung anzuhören, bevor Du Dir ein vorschnelles Urteil bildest!“

„Pf, Freunde“, der Cowboy zog seine Hand zurück und schlüpfte behände aus seinen Stiefeln, „echte Freunde würden einander niemals nicht im Stich lassen!“ damit stieg er zurück ins Bett und vergrub sein Gesicht bis zur Nasenspitze unter der Decke – ein eindeutiges Zeichen dafür, dass für ihn die Diskussion beendet war.

‚Ihr benehmt Euch allesamt wie kleine Kinder!’ schoss es Robin erbost durch den Kopf, aber sie hatte definitiv keine Lust, sich deswegen nun auch noch den Rest der Nacht um die Ohren zu schlagen. Morgen war schließlich auch noch ein Tag!
 

Als Fireball am nächsten Morgen in ihre gemeinsame Wohnung zurückkehrte, war April nicht dort. Er hatte eigentlich angenommen, dass sie noch friedlich im Bett liegen und schlafen würde, schließlich war es erst kurz nach halb sieben. Doch das Bett war verlassen, wenn auch nicht unbenutzt. Das T-Shirt, welches April in der Nacht zuvor zum Schlafen angezogen hatte, lag achtlos hingeworfen auf dem Boden und der Kleiderschrank stand offen.

Scheinbar hatte sie auch ihr Comgerät mitgenommen, das sonst immer auf ihrem Nachttisch lag. Aber es war nicht eingeschaltet, denn er bekam keine Verbindung zur ihr. Verwirrt ließ der Rennfahrer seine Sporttasche aufs Bett fallen und ging zurück ins Wohnzimmer. Wo mochte sie bloß stecken?

Ob sie es sich sehr zu Herzen genommen hatte, dass er über nacht nicht nach Hause gekommen war? Im Nachhinein musste Fireball sich eingestehen, dass er sich damit auch nicht gerade eine Medaille verdient hatte. Schließlich wusste er nur zu gut, dass es keinen Zweck hatte, den Problemen aus dem Weg zu gehen. Irgendwann musste man sich ihnen so oder so stellen und meistens wurden sie durch künstliche Verzögerung auch nicht weniger kompliziert.

Es war nicht fair gewesen, April in ihrem aufgewühlten Zustand erst alleine zu lassen und ihr dann mit einer knappen Nachricht auch noch zu verstehen zu geben, dass er sie im Moment nicht sehen wollte. Das war ihm bei Colt klar geworden.

Der Cowboy war voll und ganz seiner Meinung gewesen und hatte sich beinahe noch mehr über Aprils merkwürdiges Verhalten aufgeregt als Fireball selber. Aber das war ihm auch kein Trost gewesen. Schließlich beantwortete es immer noch nicht die Frage, die ihn so immens quälte.

Warum wollte April nicht mit auf diese für ihn so wichtige Mission kommen? Was konnte passiert sein, dass sie nicht bei ihm sein wollte und mehr noch, dass er selber auf diese Mission verzichten würde, wenn er den wahren Grund herausfände. Fragen über Fragen und keine Antworten.

Als er Colt und Robin verlassen hatte, war er entschlossen gewesen, sich bei April für sein kindisches Verhalten zu entschuldigen und noch einmal vernünftig mit ihr über die Sache zu reden. Und nun war sie nicht da.

Zu Robin konnte sie nicht gefahren sein, diesen Zufluchtsort hatte er ihr ungewollt verbaut. Vielleicht unternahm sie ja auch nur einen Spaziergang oder besorgte ein Paar Brötchen zum Frühstück. Andererseits, war ihr in der momentanen Lage tatsächlich nach so etwas nebensächlichem wie Essen?

Unruhig rief Fireball beim Wachdienst an. Vielleicht hatte man ja April beim Verlassen des Hauses gesehen?

„Tut mir leid, ich habe Miss Eagle leider nicht gesehen. Aber als ich um fünf Uhr den Dienst angetreten habe, war ihr Pferd bereits aus der Tiefgarage verschwunden.“

Mit einem knappen ‚Danke’ unterbrach Fireball die Verbindung. April hatte bereits vor mehr als anderthalb Stunden die Wohnung verlassen und sie hatte Nova mitgenommen. Das ergab alles überhaupt keinen Sinn. Wie konnte sie sich einfach so davon machen, ohne ihm wenigstens einen Zettel da zu lassen, damit er sich keine Gedanken machte. So umsichtig war er immerhin gewesen.

Wie von der Tarantel gestochen lief er in der Wohnung hin und her und ging die Möglichkeiten durch, wo April stecken konnte.

Bei ihrem Vater vielleicht, aber selbst der Commander war nur ein Mensch aus Fleisch und Blut, der gelegentlich ein paar Stunden Schlaf benötigte. Sicherlich hätte April ihn nicht in aller Herrgottsfrüh mit ihren Problemen belästigt.

Ramrod? War es möglich, dass sie sich zum Nachdenken an Bord von Ramrod geflüchtet hatte? Er selber hatte das damals getan, als Mandarin im Krankenhaus mit dem Tode gerungen hatte und er am liebsten der ganzen Welt den Rücken gekehrt hätte. Nein, wohl kaum.

Um kurz nach sieben hielt Fireball die Spannung nicht mehr aus. Er musste etwas tun, April suchen gehen! Vielleicht war ihr etwas zugestoßen und sie brauchte Hilfe.

Während er in seinen Raumanzug schlüpfte und überlegte, ob es sinnvoller war, die Suche aus der Luft oder vom Boden aus zu starten, hörte er die Haustür klappen. Sensibilisiert durch Aprils mysteriöses Verschwinden zog er seinen Blaster und war mit einem Satz im Flur, die Waffe entsichert und im Anschlag.

April schrie erschrocken auf und starrte entsetzt in die Mündung des Blasters und dann in Fireballs ernstes Gesicht: „Bist Du wahnsinnig?“

Sofort ließ der Rennfahrer die Waffe sinken und entspannte sich ein wenig: „Wo bist Du gewesen?“ die Frage hatte nicht unfreundlich klingen sollen, aber die Sorgen, die er sich gemacht hatte, brachen sich in diesen wenigen Worten Bahn.

„Du hast mich fast zu Tode erschreckt!“ wütend schob April sich an ihm vorbei ins Wohnzimmer, ohne auf seine Frage einzugehen.

Er folgte ihr unwirsch: „Ich habe mir Sorgen um Dich gemacht…“

„Ist das ein Grund, mir gleich mit Deinem Ballermann vor der Nase herumzufuchteln?“

„Wenn Du mir bescheid gesagt hättest…“

„Darf ich Dich daran erinnern“, unterbrach sie ihn aufgebracht, „dass Du es ja vorgezogen hast, die Nacht bei Deinem Busenfreund Colt zu verbringen. Und da ich keine Ahnung hatte, wann ich Euer Hochwohlgeboren zurück erwarten durfte, sah ich es nicht als notwendig an, mich abzumelden.“

Fireball schluckte; es war mehr als nur ein Funken Wahrheit an dem, was April da sagte: „Wo hast Du gesteckt?“ versuchte er es deshalb noch einmal versöhnlicher. Er merkte jedoch sofort, dass sich der weibliche Star Sheriff unwohl in ihrer Haut fühlte. Sie ließ sich auf einen der Sessel fallen und zog sich die Schuhe aus, ohne ihn dabei anzusehen: „Bei Saber…“

Bei Saber? Fireball verschränkte die Arme und zog fragend eine Augenbraue nach oben: „Du treibst Dich nachts bei Saber herum?“ dieser Gedanke versetzte ihm einen kleinen Stich. Natürlich war ihm klar, dass diese Schwärmerei längst vorbei war, aber es hatte einmal Zeiten gegeben, in denen April sich mehr für den Säbelschwinger als für ihn interessiert hatte. Damals hatte die Eifersucht ihn schier wahnsinnig gemacht, besonders als sie ihm einmal sogar bis ins schottische Hochland gefolgt war.

„Hast Du was dagegen? Du treibst Dich ja schließlich auch nachts bei Colt herum!“ war die schnippische aber unsichere Antwort.

„Das ist was ganz anderes…“

„Ach ja“, jetzt funkelte sie ihn böse an, „und wieso, wenn ich fragen darf?“

Fireball kam ins Trudeln: „Na, ja, weil… Colt ist keine Frau, oder!“

„Oh bitte“, April sprang gereizt auf, „jetzt komm bloß nicht mit so einer lächerlichen Eifersuchtsnummer. Wir reden hier von Saber, okay?“

Der Rennfahrer musste sich eingestehen, dass er tatsächlich überreagierte. Er leckte sich über die trockenen Lippen: „Okay, tut mir leid. Das war ziemlich blöd. Aber Du kannst mir nicht verdenken, dass ich es merkwürdig finde, wenn Du mitten in der Nacht beim Säbelschwinger herumlungerst.“

„Was hast Du bei Colt gemacht?“

„Ich musste mit irgendwem reden…“

„Siehst Du…“ triumphierend hob April die Hände, „mir ging es nicht anders!“

Wieder erhob sich in Fireballs Innerem dieses brüllende Etwas, das sich Eifersucht schimpfte: „Ihm erzählst Du, warum Du nicht mitkommen willst und mich lässt Du im Dunkeln tappen?“ das war doch einfach nicht zu fassen. Und er hatte sich auch noch Vorwürfe wegen seines Verhaltens gemacht.

„Nein, Du Blödmann, ich habe ihm nicht erzählt, warum ich hier bleiben werde“, Aprils Gesicht bekam hektische Flecken und ihre Hände zitterten, so dass sie sie zu Fäusten ballen musste, „wenn Du es genau wissen willst, hatte ich einen furchtbaren Alptraum, in dem unser guter alter Kumpel Jesse Blue Dir Hohlbirne die Lichter ausgeblasen hat. Und nachdem ich dann völlig schweißgebadet aufgewacht war, hatte ich irgendwie keine Lust mehr, allein in der Wohnung zu bleiben. Also bin ich zu Saber…“

„Ach Süße“, ohne auf ihre Gegenwehr zu achten zog Fireball sie unvermittelt an sich und vergrub sein Gesicht in ihrem duftenden Haar, „es tut mir leid. Ich hätte Dich nicht alleine lassen sollen…“ er spürte ihr Zittern und drückte sie noch fester an sich.

„Es war so schrecklich…“ April schauderte beim erneuten Gedanken an den Traum, „aber Du musst mir glauben, ich habe Saber nicht mehr erzählt, als Dir auch!“

„Ist schon gut“, er drückte ihr zärtlich einen Kuss auf den Scheitel, „wir sollten uns noch ein wenig hinlegen und dann nachher in Ruhe noch einmal über die Sache reden!“

„Nein“, widerwillig wand April sich aus seinen Armen, „es gibt da nichts mehr zu reden, Fire. Ich habe meine Entscheidung getroffen. Ich werde nicht mit auf diese Mission gehen und daran wird sich nichts mehr ändern. Wenn Du zurück bist, werde ich Dir meine Gründe nennen, aber bis dahin wirst Du meine Entscheidung akzeptieren müssen!“

Fireball schluckte. Er sah die Angst und Unsicherheit, gleichzeitig aber auch eine feste Entschlossenheit in ihren Augen. Und in diesem Augenblick wurde ihm klar, dass er ihre Entscheidung tatsächlich würde akzeptieren müssen. Er hatte weder die Kraft noch die Lust, diesen Disput bis zum Äußersten zu treiben. Die nächste Zeit würde für sie alle schwer genug werden und wenn es so sein sollte, dass er sich in ein paar Tagen von April verabschieden musste, so wollte er wenigstens die Zeit, die ihnen noch zusammen blieb auskosten.

Er sah ihr tief in die Augen und nickte langsam: „Ich verstehe es nicht, aber ich werde Dich nicht mehr danach fragen…“ sanft küsste er ihren Mund und strich eine Haarsträhne hinter ihr linkes Ohr: „Ich liebe Dich!“
 

Die Zeit bis zum alles entscheidenden Donnerstag verging wie im Fluge und kam den Star Sheriffs doch beinahe wie eine halbe Ewigkeit vor. Als hätten sie eine schweigende Übereinkunft getroffen, ging jeder seinen eigenen Weg, um sich mit dem auseinander zu setzen, was vor ihnen lag. Selbst das Verhältnis zwischen Fireball und April war nicht mehr dasselbe wie zuvor. Der Rennfahrer verbrachte viel Zeit auf der Rennstrecke und April hatte sich in den Kopf gesetzt, die Umbauarbeiten an Ramrod zu überwachen. In dieser Arbeit sah sie die einzige Möglichkeit, die Jungs zu unterstützen und konnte somit ein wenig das Gefühl verdrängen, ihr Team im Stich gelassen zu haben.

Außerdem konnte sie so viele Stunden im Hangar verbringen, wo sie nicht die bohrenden Blicke des Rennfahrers auf sich ruhen spürte. Fireball hatte Wort gehalten und kein einziges Mal mehr die kommende Mission erwähnt. Wenn sie zusammen waren, hatte man beinahe das Gefühl, dass das Gespräch im Büro ihres Vaters nie stattgefunden hatte. Und doch lastete die Entscheidung, die April getroffen hatte, schwer auf ihnen beiden. Fireball kam grundsätzlich erst weit nach Mitternacht nach Hause, so dass sie nicht gezwungen waren, eine krampfhafte Konversation über belanglose Dinge zu führen. Es tat weh, ihn nachts neben sich zu wissen, seine regelmäßigen Atemzüge zu hören und ihn doch nicht berühren zu können. Der Kuss an jenem frühen Morgen war der letzte zwischen ihnen gewesen und auch sonst hatten sie keine Zärtlichkeiten oder Intimitäten mehr ausgetauscht. Eine Tatsache, die beiden zu schaffen machte, aber auch gleichzeitig beiden half, die gespannte Situation irgendwie zu überstehen.

Früh morgens verließ April die Wohnung in Richtung Raumhafen, und selbst wenn Fireball zu diesem Zeitpunkt schon wach war, stellte er sich doch so lange schlafend, bis die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war. Das enge Band zwischen ihnen war gerissen und keiner wusste, ob es sich je würde flicken lassen.

Colt erging es nicht viel besser. Er hatte sich geschworen, die wenige Zeit, die ihm mit Robin noch blieb, voll und ganz auszukosten. Aber immer wieder gingen ihm Millionen von Gedanken durch den Kopf, die er nur mit einem seiner Teamkollegen hätte teilen können. Er wusste, dass seine Frau versuchte ihn zu verstehen, ihm zur Seite zu stehen, aber das war nicht dasselbe. Besonders schwer hatte er daran zu knabbern, dass April nicht mit ihnen kommen wollte. In seinen Augen hatte sie sie alle verraten und das schmerzte. Er konnte ihre Entscheidung nicht begreifen, auch wenn er sich die Mühe gemacht hätte. Und obwohl er es natürlich niemals zugegeben hätte, machte ihm die Vorstellung Angst, ohne April in die Phantomzone zu gehen. Die kleinen Kabbeleien mit ihr hatten schon in manch schwieriger Situation dazu beigetragen, dass er einen kühlen Kopf bewahrt hatte und er vermisste bereits jetzt ihr freches Mundwerk und das kokette Grinsen.

Am einsamsten musste sich jedoch Saber gefühlt haben. Als Kopf der Mission war er immer wieder mögliche Szenarien ihres Auftrages durchgegangen, hatte aber nie einen wirklich klaren Gedanken fassen können. Die Verantwortung, die auf ihm lastete, schien ihn förmlich zu erdrücken. Sie würden einen neuen Navigator finden müssen, der April an Fähigkeiten in nichts nachstand. Und selbst wenn man so eine Person auftun konnte, blieb sie ein unkalkulierbares Risiko, denn April war Teil eines eingespielten Teams und somit von unschätzbarem Wert. Eine weitere Unbekannte stellte Fireball dar. Der Turbofreak war normalerweise absolut zuverlässig, doch unter den gegebenen Umständen konnte niemand sagen, wie er sich im Weltall verhalten würde. Er hatte April sein Wort gegeben, auf Fireball Acht zu geben, aber war er damit nicht weit über das Ziel hinausgeschossen? Wie konnte er so sicher sein, dass ihm nichts passieren würde? Und zu guter Letzt war da noch diese nagende Ungewissheit: Cynthia! Ob sie mittlerweile seinen Brief erhalten hatte?

So waren sie insgeheim alle froh, als man sich endlich zum alles entscheidenden Meeting in Commander Eagles Büro einfand, auch wenn die Stimmung versprach sehr frostig zu werden.

April und Fireball trafen als erste der Truppe ein und nahmen gegenüber von König Jared, Roland und Christa Platz, nachdem sie ein knappes „Hallo“ in die Runde geworfen hatten. Eagle bedachte beide mit einem leichten Lächeln: „Ich weiß, dass die letzten Tage nicht einfach für Euch gewesen sind… Ihr hattet eine schwere Entscheidung zu treffen und ich fühle mich schuldig, weil ich derjenige war, der Euch diese Bürde auferlegt hat!“ seine Blicke blieben auf April ruhen, die mit blassem Gesicht ins Leere starrte. Sein Magen krampfte sich schmerzlich bei dem Gedanken zusammen, dass seine Tochter bald auf die gefährlichste Reise ihrer Karriere gehen würde. Denn dass sich alle vier Star Sheriffs dazu entschlossen hatten, dieser Herausforderung entgegen zu treten, stand für ihn völlig außer Frage.

„Sie wissen doch Commander“, Fireball versuchte ein Grinsen aufzusetzen, „einer hat immer das Pech, die schlechten Nachrichten verkünden zu dürfen…“

„Ich wünschte, ich hätte Euch diese Entscheidung abnehmen können“, König Jared sprach mit ruhiger Stimme, auch wenn er innerlich genauso aufgewühlt war, wie der Rest der Anwesenden, „ich würde Euch sofort meine gesamte Flotte zur Unterstützung anbieten…“

„Aber dafür ist die Zeit viel zu knapp!“ Christa ballte die Hände zu Fäusten. Es machte ganz den Anschein, als wäre sie mit dieser Tatsache äußerst unzufrieden und Roland tätschelte beruhigend ihren Arm.

Jared empfand ähnlich wie sein weiblicher Navigator. Fireballs Vater war nicht nur ein Mitglied seiner Streitmacht gewesen, und ein verdammt gutes dazu, sondern auch ein sehr geschätzter Freund, dessen Verlust ihn noch heute beschäftigte. Nun seinen Sohn auf eine ähnlich halsbrecherische Mission zu schicken kam ihm wie Verrat an dem einstigen Freund vor.

„Isch weiß, dass Du Disch am liebsten mit ins Abenteuer stürrzen würrdest, aber Du darfst nischt vergessen, dass es genauso wischtig ist, die Grenzen hier im Grenzland zu sischern. Besonders wenn Ramrod nischt da ist, um diese Aufgabe zu überrnehmen…“ beschwichtigte Roland die rothaarige junge Frau neben ihm, aber Christa wehrte seine Versuche grob ab und rückte ihren Stuhl so zurecht, dass sie ihm nicht mehr ins Gesicht sehen musste.

„Woher weißt Du denn, dass Ramrod nicht da sein wird“, Fireball blickte den Prinzen ernst, ja beinahe herausfordernd an, „noch haben wir den Job nicht angenommen, amigo!“

„Nun, isch…“ Roland war überrascht von dieser Reaktion, „natürrlisch nischt, aber isch glaube, wir alle gehen davon aus, dass Irr…“ der Rest des Satzes blieb ihm im Halse stecken und Commander Eagle musste ihm helfend zur Seite springen: „Wir kennen die Entschlossenheit jedes einzelnen von Euch, Fireball. Ihr habt noch nie gezögert, Euer Leben für die Freiheit des Grenzlandes aufs Spiel zu setzen und auch ich hege keinen Zweifel daran, dass Ihr Eure Tapferkeit ein weiteres Mal unter Beweis stellen werdet!“

„Daddy, ich…“ setze April kläglich an, doch in dem Moment betrat Saber das Büro: „Guten Morgen, Commander, entschuldigen Sie bitte die kleine Verspätung“, er verbeugte sich in Richtung der Gäste, „Euer Majestät, Prinz Roland, Miss McRae…“ er blieb hinter Fireball und April stehen und legte beiden fest eine Hand auf die Schultern.

In dieser kleinen Geste steckte mehr als tausend Worte auszudrücken vermocht hätten. In diesem flüchtigen Moment bildeten die drei eine unüberwindbare Einheit, aus der jeder von ihnen ein bisschen Kraft für das Kommende schöpfte. Es tat gut zu wissen, dass man nicht mehr alleine in diesem Gefühlschaos war – Saber hatte ihnen ein Stückchen ihres Kampfgeistes zurückgegeben. Wie in Trance fuhr Aprils Hand noch oben und legte sich hilfesuchend auf Sabers, dann war der Augenblick vorbei und der Säbelschwinger ließ sich am Kopf des Tisches nieder: „Wo steckt Colt?“

„Findet wahrscheinlich wieder keinen Parkplatz für seinen fliegenden Schrotthaufen!“

„Wähle Deine Worte mit Vorsicht, Matchbox“, Colt betrat selbstbewusst das Büro und warf seinen Cowboyhut mit Schwung in die Mitte des Konferenztisches, „sonst werde ich Dein kleines Spielzeugauto noch zum Duell fordern müssen!“

„Wo wir nun komplett sind, wärst Du bitte so freundlich, die Tür zu schließen, Colt?“ Eagle ging wie immer wohlweißlich über das respektlose Verhalten hinweg das Colt an den Tag legte. Jeder der Anwesenden kannte die Macken des Star Sheriffs und nahm schon lange keine Anstoß mehr daran.

Der Cowboy salutierte halbherzig und zog die Tür des Büros hinter sich zu. Dann stemmte er sich auf den Tisch und lehnte sich zu Fireball hinab: „Alles klar, Kleiner?“ April zeigte er dabei absichtlich die kalte Schulter.

„Könnte nicht besser sein, Nummer eins!“ der Rennfahrer reckte müde den Daumen in die Höhe, was Colt vorerst zufrieden stimmte. Er durchquerte den Raum, bedachte den König und sein Gefolge mit adäquat höflichen Worten und blinzelte dann Saber zu: „Top Sword…“ dann blieb er mit gekreuzten Armen an der Wand stehen und nahm April mit unverhohlener Wut ins Visier.

Der Commander erhob sich; es hatte keinen Sinn, dieses Treffen unnötig in die Länge zu ziehen. Bis zum Abflug der Star Sheriffs waren noch eine Menge Dinge zu regeln und je früher er sich darum kümmern konnte, desto besser: „Colt, bitte setz Dich, damit wir anfangen können!“

Der Cowboy lehnte sich behaglich zurück: „Nichts für Ungut Commanderchen, aber ich stehe lieber, wenn es recht ist…“ dabei ließ er April nicht aus den Augen.

„Colt!“ Sabers Stimme durchschnitt die Stille wie ein Blitz, aber Eagle winkte lächelnd ab: „Schon gut, Saber, lass ihn!“

April rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Die Blicke des Cowboys machten sie nervös und sie betete, dass der Boden sich auftun und sie verschlucken möge.

„Wir wollen es kurz machen. Wir wissen alle, warum wir hier sind. Die Umrüstung von Ramrod ist abgeschlossen“, hier warf er seiner Tochter einen fragenden Blick zu, die ein unsicheres Nicken darauf erwiderte, „und nun fehlt lediglich ein Team, das die gefährliche Aufgabe übernimmt, ihn in die Phantomzone zu fliegen.“

Schweigen folgte, das von Colts ironischer Stimme unterbrochen wurde: „Tja Leute, Ihr habt den Commander gehört. Uns fehlt ein TEAM, mes amis!“

„Sieh an, der Kuhtreiber spricht plötzlich Französisch!“ Fireball wusste genau, worauf sein Freund aus war, und das gefiel ihm ganz und gar nicht. Es war nicht Colts Art, solche gemeinen Spielchen zu spielen und wenn er es verhindern konnte, würde er damit auch nicht weitermachen.

„Muss der hochwohlgeborene Einfluss sein…“ Colt machte einen tiefen Kratzfuss in Rolands Richtung.

Bedächtig erhob sich Saber, ohne den Blick von dem Cowboyhut in der Mitte des Tisches zu wenden: „Wenn Du etwas Konstruktives beizusteuern hast, Colt, dann spuck es aus, ja!“ auch ihm schwante Böses.

„Oh, aber nur zu gerne, edler Säbelschwinger“, Colt stieß sich von der Wand ab und wanderte scheinbar völlig ziellos im Raum umher, alle Augen auf sich gerichtet, „nun, eigentlich ist es ja ganz offensichtlich. Wie Commander Eagle gerade so blitzgescheit festgestellt hat, fehlt uns ein Team, das Ramrod in die Phantomzone schippert. Womit wir auch schon beim eigentlichen Problem angelangt wären“, er blieb hinter Aprils Stuhl stehen und legte die Hände auf dessen Rückenlehne, „ein solches Team haben wir nicht, stimmts Prinzessin?“ seine Worte hingen anklagend über der Runde und April glaubte, von einer Übelkeitsattacke übermannt zu werden. So hatte sie es sich selbst in den schlimmsten Träumen nicht vorgestellt. Fireball war enttäuscht und verletzt gewesen, aber er hatte ihre Entscheidung zumindest akzeptiert. Colt hingegen ließ keinen Zweifel daran, dass er ihr Verhalten als Verrat ansah.

Ihr Vater runzelte irritiert die Stirn: „Würdest Du bitte deutlicher werden, Colt? Für derlei Spielchen fehlt uns leider die Zeit!“

„Tja, ich denke, den Stiefel sollte sich wohl jemand anderes anziehen, si?“ ohne Vorwarnung zog er Aprils Stuhl zurück und ließ sie im Mittelpunkt des Geschehens alleine: „Sag es ihnen, Missi! Sag ihnen, warum wir kein Team mehr sind!“

Elend erhob April sich und sah zuerst König Jared und dann ihren Vater entschuldigend an. Warum konnte nicht alles bereits vorbei sein? Sie war sicher, dieses Schauspiel nicht länger durchstehen zu können, doch in dem Moment, als ihre Beine ihr den Dienst zu versagen drohten, griff Fireball nach ihrer Hand und drückte sie fest. Colt schnaubte verächtlich, denn er war der Meinung, dass der Rennfahrer mindestens ebenso sauer auf den weiblichen Star Sheriff hätte sein müssen, wie er selbst. April hingegen gab diese Bekundung von Fireballs ungebrochener Loyalität die Kraft, die sie brauchte: „Es mag für einige in dieser Runde überraschend sein, aber ich werde nicht an dieser Mission teilnehmen!“ und damit war die Katze aus dem Sack.

Commander Eagle blieb vor Überraschung die Luft weg: „Wie meinst Du das, April?“ einerseits war er zutiefst erleichtert, dass sie nicht an dieser gefährlichen Aufgabe beteiligt sein würde, aber andererseits regte sich auch ein gewisser Unmut: war seine Tochter etwa ein Feigling?

April straffte tapfer die Schultern und hielt den Blicken ihres Vaters stand: „So wie ich es gesagt habe, Commander. Ich werde nicht mit in die Phantomzone fliegen.“

Eagle beäugte die anderen Star Sheriffs, die zwar allesamt nicht sonderlich glücklich wirkten, besonders Colt erweckte den Anschein, als würde er jede Sekunde vor Wut überkochen, doch keiner von ihnen schien von Aprils Ankündigung überrascht zu sein: „Ich nehme mal an, Ihr drei habt das bereits gewusst?“

Entschuldigend hob Fireball die Hände: „Ließ sich nicht vermeiden Commander, Ihr Töchterchen kampiert zufällig in der gleichen Wohnung wie ich…“ April war überrascht, wie locker er nach außen hin wirkte.

Colt wollte gerade seine eigene Interpretation der Lage zum Besten geben, aber Saber brachte ihn mit einem knappen Wink zum Schweigen: „Ja, Commander, wir haben es alle gewusst!“

Grummelnd ließ Eagle sich in seinen Bürostuhl zurückfallen: „Und dürfte ich vielleicht auch den Grund für Deine Entscheidung erfahren, April?“

„Ganz meine Meinung, verehrtester Commander“, konnte Colt sich nun doch nicht beherrschen, „ich denke, diese Frage brennt uns allen unter den Zehennägeln!“ seine Stimme troff vor Sarkasmus.

Auch Jared hatte endlich seine Stimme wiedergefunden: „Ich denke, Du bist uns eine Erklärung schuldig, April!“

Der weibliche Star Sheriff räusperte sich und fuhr sich unsicher durch die Haare. Was sollte sie nun sagen? Sie hatte sich stundenlang den Kopf darüber zerbrochen, wie sie in genau dieser Situation reagieren würde. Doch all die schönen Worte und Erklärungen, die sie sich fein säuberlich zurechtgelegt hatte, waren mit einem Mal wie ausradiert. Kein Ton kam über ihre bebenden Lippen.

In Fireballs Innerem tobte bei ihrem Anblick ein erbitterter Kampf. Einerseits brannte er nach wie vor darauf, den Grund für Aprils Verhalten herauszufinden, andererseits sah er, wie sehr sie litt und wie sehr sie seine Unterstützung brauchte. Mission und Vertrauen hin oder her, er liebte diese Frau einfach zu sehr, als dass er diese Demütigung noch länger ertragen konnte.

Entschieden stemmte er sich aus seinem Stuhl auf und legte schützend einen Arm um ihre Schultern: „Das denke ich nicht, Euer Hoheit…“ er biss sich kurz auf die Lippe, aber für die Einhaltung der Etikette war im Moment keine Zeit, „Commander, Sie haben uns die Wahl überlassen, ob wir diese Mission annehmen oder nicht. April hat ihre Entscheidung getroffen und ich glaube, dass niemand von uns ein Recht auf eine Erklärung hat!“

„Oh verdammt, Kleiner, das kann doch nicht Dein Ernst sein“, wütend stampfte Colt mit dem rechten Fuß auf, „wie kannst Du immer noch zu ihr halten, wo sie Dich doch genauso im Dunkeln tappen lässt, wie uns alle hier.“

„Das machen Freunde nun mal so, Cowboy“, Fireball lehnte sich mit einem gefährlichen Glitzern in den Augen zu ihm hinüber, „so was hast Du in dem Stall, in dem man Dich gefunden hat wohl nie gelernt, wie?“

„Dafür kann ich Dir gerne in paar andere Sachen zeigen, die ich da gelernt habe, Du Greenhorn!“ knurrte der Cowboy angriffslustig zurück.

„Ach ja?“

„Ja!“

„Schluss jetzt damit, verflucht noch mal“, Saber war aufgesprungen und hatte die Fäuste auf den Tisch krachen lassen, „Euer kindisches Verhalten bringt uns keinen Deut weiter!“

Gebannt beäugten Eagle und die anderen Anwesenden, wie sich der ganze aufgestaute Frust und die verzweifelte Wut der letzten Tage in diesem Streit der Star Sheriffs entluden. Keiner wagte es, sich in die Schusslinie des Gefechtes zu werfen.

„Ach nein, und kannst Du mir auch mal verraten, oh großer Anführer, wie wir überhaupt ohne sie weiterkommen wollen?“ Colt schäumte über vor Entrüstung.

„Jedenfalls bringt es überhaupt nichts, wenn wir uns gegenseitig anbrüllen!“ konterte Saber nur mit mäßigem Erfolg.

„Das is doch alles nur ein ganz mieser Scherz, isses! Die wollen uns auf große Pfadfindertour schicken, aber leider is der Kompass im Eimer, so sieht es aus!“

„Himmel Kuhtreiber, jetzt komm mal wieder runter, ja!“

„Ach, Du sei doch ganz still, Du Seifenkistenpilot“, anprangernd stieß Colt dem jüngsten Mitglied der Star Sheriffs den Finger entgegen, „wer ist denn wieder heulend bei mir angekrochen gekommen, weil Madame hier neuerdings den Spielverderber gibt?“

Fireballs Blut rauschte in seinen Ohren: „Ich bin überhaupt nicht heulend angekrochen gekommen…“

„Hör schon auf, das tust Du doch ständig. Immer muss ich mir die Nächte um die Ohren schlagen, nur weil Du nicht Manns genug bist, der Prinzessin endlich mal zu zeigen, wie man dem Pferd die Sporen gibt!“

„Na, das sagt ja der Richtige. Robin hat Dir doch sicherlich die Hölle heiß gemacht, weil Du mal wieder auf Ballertour gehen willst und Du warst die ganze Zeit so klein mit Hut, Du Pantoffelheld!“ provozierend hielt Fireball Daumen und Zeigefinger der rechten Hand in die Höhe und ließ zwischen den beiden Fingern gerade noch soviel Platz, dass ein Bierdeckel dazwischen gepasst hätte.

„Sag das noch mal, gringo“, mit einem Satz schwang Colt sich über den Tisch und Christa schrie vor Überraschung auf, „willst ja wohl nicht allen Ernstes behaupten, dass Du mehr Mumm in den Knochen als ich hättest, Du, Du, Du…“ er hatte Fireball grob an dessen T-Shirt gepackt und zu sich herangezogen.

„Hört auf mit dem Blödsinn, verdammt!“ April hatte sich die Seele aus dem Leib gebrüllt und damit offenbar einen Treffer gelandet. Die beiden Streithähne hielten einander zwar noch immer fest, sahen jetzt aber eher verdutzt zu ihr hinüber.

„Ich habe sicherlich nicht stundenlang an Ramrod gearbeitet, nur damit Ihr zwei Dickschädel die ganze Mission mit Eurem affigen Verhalten in Gefahr bringt!“

Colt erwachte langsam aus seiner Trance: „Hey, jetzt schieb mal nicht uns die Schuld in die Schuhe, Mädel! Wenn Du einfach nur pflichtbewusst Deinen Job machen würdest, dann könnten wir uns dieses ganze Theater hier sparen!“

Plötzlich griff Saber den Cowboy fest am Arm und zog ihn ruckartig von Fireball weg: „Das können wir so oder so“, das Verhalten seiner Teamkollegen, besonders in Anwesenheit von so hochrangigen Staatsgästen, war ihm mehr als unangenehm und er erachtete es als seine Pflicht, die anderen endlich zur Raison zu bringen, „find Dich damit ab, Cowboy, April wird nicht mitkommen und damit basta!“

„Ist das wirklich Dein Ernst, April?“ Eagle warf seiner Tochter einen eindringlichen Blick zu, weil er immer noch nicht ganz fassen konnte, was er gerade von ihr gehört hatte: „Wenn Du Dich wirklich entschieden hast, kannst Du es nicht mehr rückgängig machen. Die Mission ist mit der höchsten Priorität eingestuft und der Rat hat entschieden, dass Ramrod morgen aufbrechen soll!“

„Schon morgen“, bei dem Gedanken, Fireball und ihre Freunde morgen schon in den Weltraum aufbrechen lassen zu müssen, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht; trotzdem konnte das nichts an ihrer Entscheidung ändern, „ja, Daddy, ich bleibe dabei…“

„Caramba, was für ein Mäusedreck“, Colt schien der Gedanke wohl auch nicht ganz zu behagen, schon am nächsten Tag auf großes Abenteuer zu gehen, „kann mir auch einer verraten, wer Ramrod navigieren soll?“ betretenes Schweigen war die einzige Antwort.

„Hab ich mir doch gedacht“, triumphierte der Cowboy, „niemand sonst ist in der Lage, sich in so kurzer Zeit mit der Maverick-Navigation vertraut zu machen. Sieht wohl so aus, als würdest Du doch die ganze Aktion zum kentern bringen, Baby!“

„Es tut mir leid…“ kleinlaut nahm April wieder Platz und senkte betreten den Kopf.

„Na, super, davon können wir uns auch nichts kaufen…“

„Colt jetzt halt endlich Deine verfluchte Klappe“, die Streiterei ging ihm zunehmend auf den Geist und eigentlich hatte Fireball nur noch den Wunsch, diese Runde so schnell wie möglich zu verlassen, „wir werden eine Lösung finden. Es bringt jedenfalls nichts, weiter auf ihr herum zu hacken!“

„Unser junger Freund hat recht“, zum ersten Mal seit Ausbruch des hitzigen Wortgefechtes schaltete sich nun auch wieder König Jared ein, „natürlich wird das Team ohne April empfindlich geschwächt sein, aber wir werden alles daran setzen, schnellstens einen würdigen Ersatz für sie zu finden. Nicht wahr, Commander?“

„Pf, würdiger Ersatz…“ der Cowboy konnte und wollte sich einfach noch nicht abregen. Ihm lagen noch so viele Beschimpfungen und Vorwürfe auf der Zunge, dass er bis zum nächsten Tag hätte durchquasseln können. Doch dieses Mal wurde er nicht von einem seiner Teamkollegen unterbrochen, sondern von Christa, die bislang gebannt und mit großen Augen der Auseinandersetzung gelauscht hatte. Nun räusperte sie sich bedächtig, während sie sich von ihrem Stuhl erhob: „Wenn der Einwurf gestattet ist, Euer Hoheit…“ sie holte tief Luft, um ihre Stimme zu beruhigen, „ich könnte diese Aufgabe übernehmen.“

„Non, auf garr keinen Fall“, Roland war aufgesprungen, „das erlaube isch nischt!“

Christa funkelte ihn böse an: „Ich glaube kaum, dass Du das zu entscheiden hast, Lando, n’est pas?“ flehend wandte sie sich an Commander Eagle: „Bitte Commander, denken Sie darüber nach. Als Navigator der Monarch Supreme habe ich Erfahrung mit Schiffen dieser Kategorie. Kein Kreuzer kommt sonst annähernd an die Technologie von Ramrod heran. Ich bin sicher, wenn April mir eine kurze Einweisung gibt, werden wir wie geplant morgen starten können…“

Eine unangenehme Stille entstand, während der sich der Commander und König Jared lange und intensiv ansahen. Dann, kaum merklich, schloss Jared die Augen und nickte leicht: „Wenn das tatsächlich ihr Wunsch ist…“

„Dann ist es entschieden“, Eagle streckte Christa zuversichtlich die Hand entgegen, „Lieutenant McRae, ab sofort unterstehen Sie der Befehlsgewalt des Kavallerie Oberkommandos… willkommen im Team.“

„Merde!“ mit einem wütenden Aufschrei stürmte Prinz Roland aus dem Zimmer und schmiss die Tür krachend hinter sich zu. König Jared konnte diese Reaktion nur zu gut verstehen, denn er wusste um das Verhältnis zwischen seinem Sohn und dem weiblichen Lieutenant. Aber allem voran war Christa Soldat, auch wenn Roland das nicht einsehen wollte.

Entschuldigend hob Christa die Schultern: „Ich werde nachher mit ihm reden, der kriegt sich schon wieder ein!“

Saber versuchte sich in diesem ganzen Durcheinander zu sammeln. Die halsbrecherische Geschwindigkeit, mit der sich die Dinge in den letzten Minuten entwickelten, drohten ihn zu überfordern. Ein kurzer Blick zu seinen Freunden bestätigte ihm, dass er mit seiner Verwirrung nicht alleine dastand. April war noch tiefer in ihren Sitz gesunken, die Augen starr vor Schreck ins Leere gerichtet. Fireballs Gesichtsfarbe machte seinem Spitznamen alle Ehre und Colt sah aus, als wäre er gerade aus einem bösen Traum erwacht und wüsste noch nicht so recht, wo er sich befand.

„Tja, Christa, ich kann mich den Worten des Commanders nur anschließen, willkommen im Team. Es ist gut, Dich an Bord zu wissen…“

„Ja, willkommen im Wolkenkuckucksheim“, Colt griff quer über den Tisch, griff sich seinen Hut und setzte ihn mit Grabesmiene auf, „Ihr entschuldigt, amigos, aber ich muss an die frische Luft. Ist doch alles ein Haufen Bullshit!“

Rums, fiel die Tür erneut ins Schloss und alle Anwesenden zuckten kurz zusammen.

„Tja, da waren es nur noch sieben!“

Saber warf Fireball einen warnenden Blick zu, den dieser sofort richtig einzuschätzen wusste: „Tschuldigung, Boss!“

„Ich möchte mich für das unmögliche Verhalten von Colt entschuldigen, Euer Majestät. Sie wissen ja, wie aufbrausend er sein kann, aber was er heute an den Tag gelegt hat, ist absolut nicht zu entschuldigen! Ich…“

„Lass gut sein, Junge“, König Jared warf Saber ein freundliches Lächeln zu, „ich muss mich genauso für das Verhalten meines liebeskranken Sohnes entschuldigen“, hierbei warf er Christa einen verschmitzen Blick zu, „aber ich denke, dass wir unter den gegebenen Umständen Milde mit den beiden Hitzköpfen walten lassen sollten.“

„Ach, das ist alles allein meine Schuld…“ April verbarg reumütig das Gesicht hinter den Händen und unterdrückte ein Schluchzen. Niemals hätte sie erwartet, dass es so schlimm werden würde. Ihr Vater war enttäuscht von ihr, das sah sie ihm an der Nasenspitze an, Colt war stocksauer und würde sicherlich kein Sterbenswörtchen mehr mit ihr reden und in Rolands Augen war sie dafür verantwortlich, dass dessen geliebte Christa sich auf einen waghalsigen Auftrag eingelassen hatte. Das Schicksal konnte so verdammt ungerecht sein.

„Bevor Du Dich auch noch entschließen solltest, diesen beiden Heißspornen hinterher zu jagen, sollten wir vielleicht endlich wieder zum Wesentlichen zurückkehren, oder?“

Eagle räusperte sich vernehmlich und faltete die Hände: „Du hast Recht, Saber. Es gibt noch eine Menge zu besprechen. Der Start ist für morgen Abend 1900 angesetzt und bis dahin müssen alle Vorbereitungen abgeschlossen sein!“



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Von:  Adame
2006-10-26T06:19:00+00:00 26.10.2006 08:19
ich habs dir ja schon geschrieben^^ endlich gehts weiter! nach so langer zeit werde ich endlich erfahren wie es ausgehen wird! ich hoffe doch gut!!!^^

jetzt aber der kommi
das kapi war wie immer genial! ich finde man hat ihm die pause nicht angemerkt was oft der fall ist, wenn längere zeit nicht weiter geschrieben wird. meist wirken sich solche Änderungen im schreibstil oder Ausdruck negativ auf die geschichte aus. aber du hast es absolut super gemacht!!! jedem chara sind seine reaktionen völlig nachvollziehbar. und selbst colt, der am ende doch ein ziemliches ekel ist, ist absolut zu verstehen.
ich hoffe, es geht bald weiter! bitte lass uns nicht noch mal jahre auf eine vortsetzung warten. dazu ist es einfach zu toll geschrieben. und ich will doch wissen, wie fire reagiert, wenn er den grund erfährt!!!!^^
glg ada^^
Von: abgemeldet
2006-10-25T20:41:53+00:00 25.10.2006 22:41
Wow, die FF ist fantastisch! Du schreibst sehr gut, man kann gar nicht mehr aufhören zu lesen, wenn man mal begonnen hat. Ich finde du hast die Charakter klasse getroffen! Vor allem die Ausdrucksweise von Colt, find ich nicht leicht die so rüber zu bringen, aber du schaffst das super. Freu mich auf jede weitere Kapitel, auch wenn es etwas länger dauert.
Bye Rowan ;)
Von:  Turbofreak
2006-10-25T17:44:46+00:00 25.10.2006 19:44
Jipiie! Meine Inspiration, weshalb ich überhaupt mit dem FF schreiben angefangen habe, ist wieder da!! Super toll geschrieben, konnts gar nicht weglegen und hungere natürlich schon nach mehr.

Ich wünsch dir weiterhin viel Spaß beim Schreiben und gute Ideen.

Niki


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