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Wir sind keine Engel

Oder doch?
von

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Hüttenzauber

Wir sind keine Engel
 

Kapitel 9: Hüttenzauber
 

Einige Tage später hatte Omi bereits alle gestohlenen Daten entschlüsselt und ausgewertet. Birman war persönlich vorbei gekommen, um alles mit ihm durchzugehen und hatte danach sämtliche Unterlagen mitgenommen, damit sie von Kritiker genauestens untersucht werden konnten. Jetzt hatten Weiß erst einmal wieder einige Tage, um sich auszuruhen und sich um den Blumenladen zu kümmern. Yohji, Ken und Aya hatten gemeinsam beschlossen, dass Omi seine Schichten nicht übernehmen musste, sondern dass die Drei sie sich aufteilten, schließlich hatte ihr Jüngster immer noch genug um die Ohren mit Schule und Hausaufgaben. Die Nachsicht der Lehrer für ihn war zwar groß, da er ohne Eltern aufwuchs, aber auch nicht unerschöpflich.

Nachdem der blonde Junge einen weiteren Schultag hinter sich gebracht hatte, kehrte er erst abends wieder nach Hause zurück.

„Ich bin wieder da“, kündigte er sich an und streckte den Kopf in die Küche. „Gibt es was zu essen? Ich hab heute meine Pausenbrote vergessen, ausgerechnet an einem langen Schultag und wenn ich auch noch Fahrstunde hinterher habe. Ich sterbe vor Hunger.“

„Hallo, Omi. Essen ist in spätestens einer halben Stunde fertig“, informierte Ken ihn lächelnd und rührte weiter in der großen Pfanne herum.

„Okay, ich bin in meinem Zimmer. Wir haben mal wieder viel zu viele Hausaufgaben auf.“

„Ist gut“, sagte der braunhaarigen Mann, „ich ruf dich dann, wenn wir essen können.“

Das jüngste Weiß-Mitglied eilte die Treppe hinauf und betrat sein Reich. Die Schultasche ließ er neben seinem Schreibtisch fallen und ging noch einmal zur Tür, um ein Schild mit der Aufschrift ’Bitte nicht stören, ich muss lernen’ anzubringen. Dann schaltete er seinen Computer ein und begann damit, seine Hausaufgaben zu erledigen.
 

Als Weiß gerade gemeinsam in der Küche saßen und sich ihrem Abendessen widmeten, betrat Birman den Raum und lehnte sich an den Türrahmen.

„Hallo Jungs“, begrüßte sie die Assassins mit einem Lächeln. „Was gibt’s zu essen? Das riecht gut.“

Die Vier grüßten sie zurück. Ken erläuterte, was er gekocht hatte und bot der Frau an, sich zu ihnen zu setzen und mitzuessen.

„Eigentlich wollte ich euch nur über eure neue Mission unterrichten“, erklärte sie. „Aber wie könnte ich widerstehen, von meinen vier Lieblingsmännern zum Essen eingeladen zu werden. Vor allem, weil ich dann nicht mehr kochen muss, wenn ich nach Hause komme.“

Birman setzte sich dazu und erntete von Yohji direkt einen vorwurfsvollen Blick. „Deine Lieblingsmänner, ja? Und warum gehst du dann nie mit mir aus?“

„Weil man Privatleben und Beruf trennen soll. Darum.“

Der Playboy überlegte kurz und grinste dann über beide Ohren. „Also würdest du eigentlich schon mit mir ausgehen. Versteh ich das richtig? Also dann würde ich mal sagen muss einer von uns kündigen.“

„Wie kann man nur so hemmungslos notgeil sein?“, fragte Nagi genervt. „Der zieht die Nummer doch ständig ab. Wird dem das nicht langweilig?“

„Du siehst doch, dass er es kann“, antwortete Schuldig grinsend. „Und ganz nebenbei: Die anderen Leute, die er angräbt, sind nicht so stur. Könnte natürlich auch daher kommen, weil die nicht wissen, was er für einen Beruf hat und nicht mit ihm zusammen arbeiten müssen. Außerdem ist Yohji sehr ausdauernd, wie du ja siehst. Was übrigens eigentlich ziemlich vorteilhaft ist, aber dafür bist du noch zu klein.“

„Ich finde, Birman hat Recht“, meinte Brad. „Man sollte nichts mit jemandem anfangen, mit dem man arbeiten muss. Das belastet nur beides, Arbeit und Privatleben.“

Farfarello hatte die ganze Zeit über schweigend zugehört und dachte darüber nach, was Brad gesagt hatte. Er hatte mit Ken eigentlich niemals Probleme in ihrer Beziehung gesehen, außer vielleicht, dass die anderen dahinter kommen könnten. „Meinst du wirklich? Vielleicht kriegt man auch beides unter einen Hut, ohne dass es zu Konflikten kommt.“

Nagi stöhnte gequält auf. „Das ist doch nicht unser Problem, ob er dadurch Ärger kriegt oder nicht.“

„Doch, das ist es“, korrigierte ihn der Deutsche. „Wenn er nämlich Mist baut, dann muss ich ihm den Arsch retten.“

„Könntet ihr vielleicht mal still sein? Man kriegt ja kaum mit, worüber sie reden“, beschwerte der Amerikaner sich nach einer Weile.

Lachend schüttelte die Frau den Kopf. „Nein, ich denke, das werden wir erst recht nicht tun. Du weißt so gut wie ich, dass das Arbeitsverhältnis nur auf eine Weise gelöst werden kann. Und dann hätte keiner von uns mehr etwas davon.“

„Verderb doch nicht immer jedem sofort den Spaß“, seufzte Yohji leise und widmete sich wieder seinem Abendessen.
 

Nachdem alle mit dem Essen fertig und satt waren, folgten sie Birman hinunter in den Missionsraum, der Abwasch konnte warten.

„Wir haben noch einmal alles überprüft und die Informationen mit denen von Kritiker verglichen“, begann die Frau ihre Erklärung. „Wir hatten mit unserer Vermutung Recht und es ist das, was wir gesucht haben.“

Sie legte wie gewohnt ein Videoband in den Rekorder, löschte das Licht und startete die Anweisung des imaginären Persers für die Mission.

„Weiß, wir haben es dieses Mal wieder mit Entführungen zu tun. Der Mann in der Mitte dieses Bildes ist Eiji Yamamoto, die beiden rechts und links von ihm sind seine Handlanger. Yamamoto ist seit einigen Monaten der neue Kinder- und Jugendbeauftragte der Regierung. Diese Position nutzt er für seine schmutzigen Geschäfte, die er bereits seit Jahren betreibt und die ihm jetzt noch leichter gemacht werden, schamlos aus. Er ist der Kopf eines Kinderhändlerringes und muss ausgeschaltet werden, ebenso wie seine Handlanger Jigoku Gohan und Mika Samejima, da sie sonst seine Position in der Organisation ausfüllen würden. Weiße Jäger im Dunkeln, vernichtet die finstere Brut.“

„War der Typ nicht letztens noch im Fernsehen?“, fragte Yohji, als Birman das Licht wieder anschaltete. „Ich bin mir ziemlich sicher den beim Durchzappen bei so einer Tagesthemensendung bei der Eröffnung eines Waisenhauses gesehen zu haben.“

Die Frau nickte. „Da hast du richtig gesehen. Nach außen hin engagiert er sich landesweit für das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen jeden Alters, dafür ist er schließlich Abgeordneter. Aber auf der anderen Seite ist das nur eine Fassade, um einfacher an die Kinder heran zu kommen. Waisen- und Straßenkinder vermisst niemand.“

„Aber was will er denn von den Kindern?“, fragte Omi und nahm die Mappe entgegen, die Birman ihm hinhielt.

„Für ihn sind sie nur Ware, mehr nicht. Die Kinder werden unter dem Vorwand, in ein anderes Waisenhaus überwiesen zu werden, verschleppt. In einem Herrenhaus, einige hundert Kilometer von hier entfernt in den Bergen, werden sie dazu gezwungen an wichtige und gut zahlende Kunden Liebesdienste zu leisten. Diese Leute können so gesehen alles mit ihnen machen, was sie wollen. Die Situation ist in etwa vergleichbar mit dem ehemaligen Lyot-Club hier in Tokyo.“ Sie unterbrach ihre Erklärungen und sah Yohji direkt an. „Wenn du ablehnen willst, ist das okay. Wer von euch macht alles mit?“

Die drei anderen Weiß-Mitglieder stimmten der Mission zu, während der Playboy noch überlegte. Der Name ’Lyot’ weckte eine Menge unangenehmer Erinnerungen in ihm. Dieses Clubs wegen hatte er zwei sehr liebe und wichtige Menschen verloren und das auch noch auf die gleiche Weise durch seine eigene Schuld, weil er zwei Mal den gleichen, dummen Fehler begangen hatte. Andererseits konnte er es nicht ewig verdrängen und davon laufen, außerdem brauchten diese Kinder Hilfe und außer Weiß gab es niemanden, der sie ihnen geben konnte. Zwar zögerte Yohji noch einen Augenblick, stimmte dann aber ebenfalls der Mission zu.

„Gut. Nachdem wir das geklärt hätten, kann die Mission ja starten“, meinte Birman. „Wir haben einen ziemlich genauen Lageplan des Anwesens, einige Fotos, die wir per Hubschrauber aus der Luft geschossen haben und wir konnten vor ein paar Tagen einen unserer Männer dort einschleusen. Als Kunde getarnt hat er uns einiges an Informationen beschaffen können. Es gibt viel Sicherheitspersonal, wahrscheinlich hauptsächlich um dafür zu sorgen, dass die Kinder nicht flüchten, was ihnen angesichts der Lage ihres Gefängnisses sowieso kaum gelingen würde. Andere offensichtliche Sicherheitsmaßnahmen wie Alarmanlagen und Überwachungskameras konnten bislang nicht bestätigt werden, die Existenz setzen wir aber voraus.“

„Ist unser Mann immer noch dort?“, erkundigte sich Aya.

Die Frau schüttelte den Kopf. „Nein, wir konnten ihn nur einen Tag dort lassen ohne weiter unangenehm aufzufallen. Sein Bericht sowie einige hilfreiche Grundrissskizzen des Gebäudeinneren sind ebenfalls in der Mappe.“

„Ich glaube, so viel haben wir noch nie an Informationen bekommen“, sagte Omi fröhlich und grinste. „Da brauche ich ja so gut wie überhaupt nichts mehr zu machen.“

„Das stimmt nicht ganz, Omi“, korrigierte Birman ihn. „Ihr habt die ganze Vorarbeit hierfür sozusagen ja schon mit eurer letzten Mission erledigt. Habt ihr sonst noch Fragen dazu?“

„Ja“, meldete Ken sich jetzt auch zu Wort. „Was ist mit den Kindern? Ich meine, wir können sie doch nicht einfach dort lassen. Wer weiß, was mit ihnen passiert, wenn wir sie nicht dort herausholen.“

„Ken, das soll eine Liquidierung werden und keine Rettungsaktion. Wir sind keine Schutzengel“, sagte Aya kühl.

„Ihr nicht, aber wir“, meinte Schuldig grinsend.

„Ja, aber nur für sie. Nicht für irgendwelche Kinder.“ Farfarello zuckte mit den Schultern.

Nagi hörte sich alles sehr interessiert an. „Aber wenn sie den Kindern helfen können ... Warum sollten sie es dann nicht tun?“ Der Hintergrund dieser Mission erinnerte ihn sehr an sich selbst. „Ich meine, Weiß sind doch die guten Jungs.“

„Aber sie arbeiten auch nur nach Auftrag“, sagte Brad. „Genau so wie wir es getan haben. Wenn es keinen expliziten Auftrag über etwas gibt, dann wird es auch nicht gemacht. Und hast du eigentlich mal darüber nachgedacht, was so eine Rettungsaktion von mindestens zehn bis zwanzig Personen an Aufwand verursachen würde? Da hätten Weiß keine Chance ungesehen hinein und wieder heraus zu kommen. Außerdem liegt ihr Zielort mitten im Nirgendwo, sie bräuchten beträchtliche Ressourcen dafür und geeignete Transportmittel.“

„Vielleicht können sie sich ja später um die entführten Kinder kümmern“, versuchte der Deutsche Nagi ein wenig aufzumuntern. „Wenn sie ihre Mission erfolgreich beendet haben und dieser Kinderhändlerring langsam zerbricht.“

Die Frau nickte zustimmend. „Es tut mir Leid, Ken. Eure Mission lautet nur die drei Zielpersonen zu eliminieren. Ihr werdet wohl kaum die Gelegenheit oder die Zeit haben, die Kinder dort heraus zu holen und zu retten. Alles, was ihr in dieser Richtung unternehmt, könnte die Mission gefährden.“

„Aber wir können sie doch nicht einfach da drinnen ihrem Schicksal überlassen!“, protestierte der Fußballnarr.

Omi legte seinem Freund beruhigend eine Hand auf den Arm. „Ken-kun, wir helfen ihnen doch, indem wir die Verantwortlichen beseitigen. Ohne die wird dieser Laden nicht mehr bestehen können. Außerdem bewahren wir andere Kinder davor, dass sie das gleiche durchmachen müssen.“

„Birman und Omi haben Recht“, warf Yohji ein. „Das Anwesen ist ziemlich weit weg und wir müssten schließlich auch irgendeine Möglichkeit haben die Kids von dort wieder in die Stadt zu bringen. Und eine so große Gruppe wäre ziemlich auffällig.“

„Man kann einfach nicht mal eben so ein Dutzend oder mehr Leute ungesehen aus einem gesicherten Gelände herausbringen“, gab Aya den anderen wiederum Recht. „Es mag hart sein, Ken, aber wir können nicht jedem helfen.“

Die Erklärungen der anderen erschienen Ken zwar einleuchtend, andererseits fand er es aber nicht richtig, dass sie es nicht einmal versuchen wollten. Wenn nicht sie den Unschuldigen und Unterdrückten halfen, wer dann? Schließlich waren sie doch Weiß, Jäger des Dunkeln. Zögerlich nickte er. „Ich verstehe ja, was ihr meint.“

„Wenn wir die Mission erledigt haben, dann können wir ja immer noch schauen, was wir tun können“, versuchte der blonde Junge seinen Freund etwas aufzuheitern. Sie alle fanden es ungerecht, dass die Gesetzlosen ihre Machtspiele immer wieder auf den Rücken der Unschuldigen austrugen und wollten helfen, wenn sie konnten. Aber Aya hatte nun einmal Recht: Sie waren keine Schutzengel und die Mission ging vor.

Yohji nickte jetzt ebenfalls. „Irgendwie kriegen wir das schon hin, Ken.“ Davon war er allerdings nicht wirklich überzeugt, sie würden zuerst einmal genug Probleme mit ihrer eigenen Flucht haben.

Der Weiß-Leader betrachtete die Diskussion damit als beendet und wandte seine Aufmerksamkeit wieder Birman zu. „Haben wir noch mit anderem Widerstand als gewöhnlichem Sicherheitspersonal zu rechnen? Vielleicht Schwarz?“

Die Frau seufzte leise. „Das wissen wir leider nicht genau, aber wir gehen nicht davon aus. Wir haben bereits seit Mitte August keinerlei Aktivitäten mehr von Schwarz verzeichnen können. Niemand hat etwas von ihnen gehört oder gesehen. Entweder sind sie untergetaucht, nachdem ihre Organisation den Bach runter ging oder sie sind nicht einmal mehr in Japan.“

„Weder noch, Schätzchen“, meinte Schuldig spöttisch, „wir sind nur sozusagen in eine andere Abteilung versetzt worden.“

Aya nickte verstehend. „Gut.“ Diese Nachricht schien ihn zu beruhigen.

Bei Ken löste sie allerdings das Gegenteil aus. Sein Farfarello hätte ihn doch nicht einfach so verlassen ohne auch nur das Geringste darüber zu sagen. Oder etwa doch? War das Ganze vielleicht doch nur ein grausames Spiel gewesen? Über diese Gedanken vergaß er beinahe, wo er war und warum. Ein kleiner Stoß von Omi in seine Rippen brachte ihn schnell wieder in die Realität zurück.

„Und was ist mit diesen seltsamen Typen von unserer letzten Mission?“, fragte der Hacker. „Habt ihr etwas über sie herausfinden können?“

Die Frau schüttelte den Kopf. „Nein, tut mir Leid, Omi. Wir haben keine Personen gefunden, die auf eure Beschreibung gepasst haben. Wahrscheinlich waren es nur Leute vom Sicherheitspersonal. Habt ihr sonst noch irgendwelche Fragen zur Mission?“, erkundigte sich Birman abschließend. Da jedoch anscheinend alles geklärt war, verabschiedete sie sich und ließ Weiß allein im Missionsraum zurück.
 

Gemeinsam saßen die vier jungen Männer um den Tisch gescharrt und studierten den Grundrissplan und einige Fotos des Grundstückes, in das sie eindringen mussten. Die Villa ihrer Zielperson war auf einer Art Insel in einem kleinen Bergsee errichtet worden und war auf dem nur wenige Meter breiten Land, das sie umgab, geziert von kunstvoll gestalteten Gärten. Der einzige Weg, der dorthin und zurückführte, war eine lange Brücke, die sich gegenüber der Eingangstüre bis zum anderen Seeufer erstreckte. Insgesamt konnte man das prachtvolle Anwesen als idyllisch bezeichnen, wenn man einmal von den grausamen Ereignissen, die sich hinter dieser Fassade abspielten, absah.

„Und wie kommen wir da hinein?”, fragte Ken und sah die anderen prüfend an.

„Die Zufahrt können wir, denke ich, abhaken“, meinte Aya und deutete auf die entsprechende Stelle auf dem Plan. „Das Tor an sich wäre vielleicht weniger das Problem, aber wir werden es dort unter Garantie mit einigen Wachposten zu tun haben. Und dann wissen direkt alle, dass wir da sind.“

Omi nickte zustimmend. „Wir sollten uns die Sache vorher genau ansehen, bevor wir zuschlagen. Das ganze Grundstück ist eingezäunt und wir wissen nicht, ob der Zaun unter Strom steht. Wenn wir Glück haben, ist der See zugefroren und wir können auf der entgegengesetzten Seite der Zufahrt einfach darüber spazieren. Dort ist das Risiko geringer, gesehen zu werden.“

„Dann würde ich mal sagen, wird unsere Einsatzkleidung in diesem Fall so wie unser Name: Weiß“, meinte Yohji grinsend. „Und auch wenn der Zaun unter Spannung steht, sollte das doch wohl kein Problem sein. Wir schalten den Strom aus und schneiden ein Loch in den Zaun.“

„Der Zaun ist wirklich das kleinste Problem. Die Frage ist, ob der See wirklich zugefroren und das Eis dick genug ist, um uns zu tragen“, erklärte der Hacker. „Es ist mittlerweile kalt genug und außerdem liegt unser Zielort weiter oben in den Bergen. Dort liegt auch schon Schnee, von daher sollte es da keine Probleme geben. Ich will mich vorher trotzdem noch davon überzeugen.“

„Wenn wir von hier aus dort hin fahren, brauchen wir bestimmt um die drei Stunden für einen Weg“, warf Ken ein.

Aya nickte. „Das ist zu weit weg, um von hier aus zu operieren. Benutzen wir die Villa Weiß als Basis, die liegt wesentlich näher dran.“

„Wann fahren wir uns das Gelände denn ansehen?“, fragte der Playboy. „Am Wochenende? Du hast schließlich Schule, Omi.“

„Ja, am Wochenende, wenn du das denn mit deinen Dates auf die Reihe kriegst“, meinte Omi stichelnd.

„Natürlich kriege ich so etwas auf die Reihe. Sagt mir bloß, wie unsere Planung steht und ich versuche meine Termine entsprechend zu legen.“
 

„Glaubt ihr eigentlich, sie haben angebissen?“, fragte Phuong und lümmelte sich auf einem bequemen Sofa in der Empfangshalle zusammen.

„Natürlich haben sie das“, meinte Yukio und warf ihrem Jüngsten ebenso wie Xen, der es ihm gleich tat und es sich gemütlich gemacht hatte, einen missbilligenden Blick zu. „Sie werden alles fressen, was wir ihnen vorwerfen. Und jetzt könntet ihr mal eure Hintern aus den Polstern bequemen, wir haben schließlich einen Termin.“

„Ich hab ja nur gefragt. Schließlich haben sie bis jetzt nichts unternommen.“

„Sie haben eben eine etwas längere Leitung“, meinte der Grünhaarige grinsend und stand auf, um gleich darauf seinen Kollegen ebenfalls vom Sofa hoch zu ziehen.

Mißgunst brauchten nicht mehr lange zu warten, da sich bereits nach einigen Minuten eine große Flügeltür zu ihrer Rechten öffnete.

„Sie werden jetzt empfangen“, teilte ihnen ein kräftiger Mann mittleren Alters in einem schwarzen Anzug mit. Sie kannten diesen Mann mittlerweile recht gut und was sie über ihn wussten, gefiel weder ihnen noch ihrem Auftraggeber.

„Vielen Dank, Samejima-san. Bringen Sie uns bitte zu ihr“, entgegnete Yukio, woraufhin die kleine Gruppe das Büro einer älteren Frau betrat.

„Danke, Samejima-san“, sagte sie mit einer rauen und kehligen Stimme, offensichtlich rauchte die Dame zu viel. „Lassen Sie uns jetzt bitte allein. Wir wünschen nicht gestört zu werden.“

Der Mann verneigte sich höflich und verließ dann den Raum, die Türen schloss er hinter sich.

Die Frau hinter ihrem Schreibtisch wartete noch einen Augenblick und lauschte den sich entfernenden Schritten. Als sie sicher war, dass er auch wirklich verschwunden war, richtete sie das Wort an ihre Besucher. „Also? Ich hoffe, es hat alles wie geplant funktioniert.“ Von Höflichkeitsfloskeln hielt diese Person offenbar nicht viel, wenn sie nicht von Nöten waren.

Der Mißgunst-Leader nickte knapp. „Ja, bisher läuft alles nach Plan. Weiß haben sich Zugang zu Ihrem Forschungsgelände verschafft und dort die vorgesehenen Dateien entwendet. Unseen hat die Daten wie besprochen manipuliert und unsere und Ihren Namen aus allen Dokumenten entfernt. Dafür haben wir ihr Augenmerk auf Yamamoto, Gohan und Samejima gelenkt. Kritiker haben es ebenso geschluckt und sie als die nächsten Zielpersonen für Weiß deklariert. Niemandem ist etwas aufgefallen.“

„Gute Arbeit. Hoffen wir in Ihrem Sinne, dass es auch so bleibt.“

„Dafür sorgen wir“, versicherte Yukio ihr. „Spirit kontrolliert in regelmäßigen Abständen ihre Gedanken und schlägt sofort Alarm, wenn sich dort etwas befinden sollte, was wir nicht dort haben wollen.“

Die Frau nickte zufrieden. „Gut. Ich denke, das sollte ein Exempel statuieren und jedem anderen zeigen, dass es besser ist, sich nicht mit uns anzulegen oder sich uns in den Weg zu stellen. Diese drei Gentlemen werden noch bereuen aus unserem Unternehmen ihren eigenen Profit geschlagen zu haben. Sofern Weiß ihnen da überhaupt noch ein paar Minuten für Zeit lässt, ehe sie überhaupt gewahr werden, was sie eigentlich erwischt hat.“

„Wir werden schon dafür sorgen, dass sie es mitkriegen“, meinte Xen grinsend. „Und wir werden dafür sorgen, dass Weiß es nicht all zu einfach haben. Wir wollen doch nicht, dass sie misstrauisch werden.“

„Ja, lasst sie ruhig wissen, dass sie dieses Spiel nicht alleine spielen“, sagte sie. „Außerdem sollen sie und Kritiker nicht wissen, dass sie manipuliert werden.“

„Wissen sie eigentlich überhaupt schon, dass Schwarz nicht mehr existieren?“, fragte Spirit.

„Ist doch vollkommen egal“, meinte der grünhaarige Mann. „Aber vielleicht sollten wir es ihnen sagen, damit sie mehr Angst vor uns haben.“

„Nein, ich glaube, da werden sie auch alleine noch hinter kommen. Seitens Kritiker gibt es bereits einige Spekulationen und Vermutungen. Es kann für euch nur von Vorteil sein, wenn sie unwissend bleiben. Dann ist es wahrscheinlicher, dass sie den Fehler begehen euch zu unterschätzen“, meinte die Frau und wurde vom Klingeln des Telefons unterbrochen. „Das wäre dann alles, ihr könnt wieder gehen.“

Sie wartete, bis die vier Männer ihr Büro verlassen hatten und hob dann den Telefonhörer ab.
 

Am darauffolgenden Wochenende machten sich Weiß auf in die kleine Berghütte. Auf Omis Bitten hin hatte Aya sich breitschlagen lassen, die Zeit nicht bloß zur Observierung, sondern auch für einen kleinen Kurzurlaub zu nutzen. Die anderen Beiden waren sofort mit dem Vorschlag einverstanden gewesen. Ken verbrachte einfach gerne Zeit mit seinen Freunden und fand die Idee einfach schön und Yohji hatte sowieso all seine Verabredungen sausen lassen und somit nichts Besseres vor.

„Da machen die einfach so Urlaub, obwohl sie mitten in einer Mission stecken“; meinte Brad fassungslos. „Ja ist denn das die Möglichkeit?“

„Wenn es nach dir ginge, was es ja glücklicherweise nicht mehr tut, dann würden die Vier wohl einfach nur arbeiten, arbeiten und nochmals arbeiten“, meinte Schuldig spöttelnd. „Hey, das sind auch bloß Menschen, die mal ihre Ruhe brauchen. So ganz nebenbei bemerkt, hätte es uns bestimmt auch nicht geschadet, wenn wir einfach mal so ein Wochenende weggefahren wären.“

„Und außerdem verbinden sie doch schließlich die Arbeit mit dem Vergnügen“, warf Farfarello ein. „Sieh es doch auch mal so: Ein Urlaub ist ganz ungefährlich, weniger Arbeit für uns und hinterher gehen sie mit neuer Energie frisch motiviert an die Mission heran.“

„Ja, weniger Arbeit für uns“, meckerte Nagi verdrießlich, „und unendlich viel Langeweile.“

„Schade, dass wir uns nicht bemerkbar machen dürfen“, ergänzte der Deutsche mit einem leisen Seufzen, woraufhin auch der Ire zustimmend nickte.

Der Schwarz-Leader verdrehte ein wenig die Augen, die Drei waren einfach unverbesserlich.

In der Berghütte angekommen verstauten Weiß zunächst ihre Reisetaschen in den Schlafzimmern und die Vorräte in dem Kühlschrank. Yohji machte sich gleich daran, den Kamin im Wohnzimmer zu entzünden und die Heizungen in den anderen Räumen aufzudrehen.

„Wenn es dunkel ist, fahren wir runter zu unserem Zielort“, verkündete Aya und setzte sich zu den anderen, die es sich bereits vor dem offenen Feuer gemütlich gemacht hatten.

„Kommt gleich einer mit mir nach draußen ein bisschen Ski fahren?“, fragte Omi hoffnungsvoll in die Runde und blieb mit dem Blick bei dem Rotschopf hängen. „Wo wir schon mal hier sind, will ich das auch ausnutzen.“

Yohji überlegte kurz und nickte dann. „Ich komme mit, Skiausrüstungen haben wir ja hier.“

Auch Ken wollte gerade zustimmen, als Aya ihm bereits das Wort abschnitt. „Niemand wird Ski fahren gehen. Ich weiß zwar, dass ihr das alle könnt, aber ich will kein Risiko eingehen. Ein gebrochenes Bein nützt niemandem etwas.“

Der blonde Junge sah den Älteren mit seinen großen, blauen Augen traurig an. „Aber Aya-kun ...“

„Ja, ich weiß, Omi. Du würdest es gerne machen.“

„Dann lass uns doch. Bitte, Aya-kun. Wir passen ja auch auf. Außerdem kannst du ja auch mitkommen, wenn du Angst hast, dass wir uns blöde anstellen“, schlug Omi vor und sah seinen Freund bittend an.

Der Rotschopf blickte direkt in das bettelnde Gesicht ihres Jüngsten. Er konnte diesem Hundeblick kaum widerstehen und ihm einfach keine Bitte abschlagen. So kühl und reserviert er sich auch jetzt noch nach außen hin gab, dieser Junge brachte Eisberge zum schmelzen. Langsam fing Aya an zu nicken. „Na gut, ausnahmsweise gebe ich euch mal nach. Geht ruhig Ski fahren, aber nur so lange es hell ist. Im Dunkeln ist es zu gefährlich und außerdem haben wir dann unsere Arbeit zu erledigen.“ Die Ausnahmen häuften sich zu seinem Bedauern in letzter Zeit allerdings etwas zu sehr. Er befürchtete, dass die anderen den Respekt vor ihm verlieren könnten und nicht mehr auf ihn als Leader hörten.

Stürmisch schlang der Jüngere dem Älteren die Arme um den Hals und umarmte ihn dankbar und voller Freude. „Danke, Aya-kun! Danke!“

Zögerlich legte auch Aya die Arme um seinen Freund und drückte ihn zaghaft an sich. Für einen Augenblick verharrten sie so, bis der Jüngere sich wieder löste. „Kommst du denn auch mit, Aya-kun?“, fragte er hoffnungsvoll.

„Nein“, antwortete er knapp und schüttelte den Kopf. Dann setzte er jedoch noch hinzu: „Ich habe noch ein paar Dinge zu tun. Auch wenn wir heute nur observieren, will ich trotzdem gut vorbereitet sein.“ Selbst die kleinsten Fehler konnten katastrophale Auswirkungen haben und wie man so schön sagte, konnte schon ein Reiskorn die Waage zum Kippen bringen. Und genau das war es, was er verhindern wollte: Fehler, die sie alle in Gefahr bringen und das Leben kosten konnten.

„Dann kriegen wir ja doch schon viel zu tun“, meinte Schuldig und seufzte. „Ich hab mich auf ein entspanntes Wochenende vor dem Kamin und dem Fernseher gefreut. Und jetzt müssen wir doch arbeiten.“

„Hast du eigentlich an allem etwas auszusetzen?“, fragte Nagi. „Ihr könnt Ski fahren gehen und ich muss hier drinnen hocken, ganz alleine und kann mich mit niemandem unterhalten.“

Farfarello nickte zustimmend. „Wir können uns mit auf die Bretter stellen und so auch fahren. Und es kann uns nicht einmal etwas dabei passieren, ich kann das nämlich überhaupt nicht.“

Manchmal fragte Brad sich, warum er ausgerechnet mit diesen drei Männern als Kollegen gestraft war. Schon allein diese Tatsache sollte ihm mehr als nur zu Gute kommen, damit er nicht in der Hölle schmoren musste. War er wirklich ein so schlechter Mensch, dass er so etwas verdient hatte? Andererseits musste er zugeben, dass er sie doch mittlerweile irgendwie in sein Herz geschlossen hatte, sofern er so etwas überhaupt besaß.

„Sei doch froh darüber, Nagi“, sagte der Amerikaner dann. „Du hast doch am Anfang gehofft, dass Aya immer noch so ein Stubenhocker ist wie früher. Und genau das ist er doch geblieben, kein Stress, keine Aufregung und für dich nicht all zu viel Arbeit.“

„Ja, schon. Ich weiß, dass ich das am Anfang gesagt habe“, meinte der kleine Japaner und fügte kleinlaut hinzu: „Aber da wusste ich noch nicht, was das für ein langweiliger Job ist. Mittlerweile wäre ich über ein bisschen Abwechslung ehrlich gesagt ganz froh.“

„Da wirst du wohl bis heute Abend warten müssen, Kleiner“, sagte Schuldig und grinste schadenfroh. „Wir gehen mal die Gegend unsicher machen. Vielleicht können wir ja nebenbei auch noch ein paar Skihäschen aufreißen, was ich allerdings eher bezweifele.“

Während Yohji, Ken und Omi ihre Skiausrüstung zusammensuchten, nahm Aya sich nochmals den Hefter, der sämtliches Informationsmaterial über ihre Mission enthielt, zur Hand. Omi warf noch einen letzten, hoffnungsvollen Blick zu dem Rotschopf, bevor er mit den anderen Beiden die Hütte verließ.

„Willst du wirklich nicht mitkommen? Das macht bestimmt Spaß.“

Ihr Leader schüttelte jedoch nur den Kopf. „Nein, Omi. Tut mir Leid, aber für mich hat eben immer noch unsere Mission Vorrang vor dem Spaß. Wenn heute Abend alles gut läuft, komme ich vielleicht morgen mit, wenn ihr dann noch mal Ski fahren wollt.“

Der Jüngere nickte. „Na gut, Aya-kun. Aber dann kommst du auch wirklich morgen mit. Versprochen?“

„Versprochen.“

Dieses eine Wort zauberte bereits wieder ein glückliches Lächeln auf Omis Gesicht. Schnell beeilte er sich, hinter Yohji und Ken her zu kommen, die bereits draußen ihre Skier angeschnallt hatten.
 

Bei Einbruch der Dunkelheit kehrten die jungen Männer wieder zu der Berghütte zurück, wo ihr Anführer bereits auf sie wartete. Sie entledigten sich ihrer Skianzüge, tauchten diese gegen ihre gewöhnliche Einsatzkleidung und verstauten die Skiausrüstungen wieder ordentlich an ihrem vorgesehenen Platz.

Mit zwei Schneemobilen brachten sie die wenigen Kilometer, die sie noch von ihrem Zielort trennten, hinter sich. Als das Herrenhaus am Fuße eines Hangs in Sicht kam, ließen sie ihre Fahrzeuge zurück und tasteten sich im Schutze einiger Bäume weiter heran.

Omi blickte immer wieder durch ein Fernglas, konnte allerdings zu ihrem Glück keine Aktivitäten feststellen, die verrieten, dass man Weiß entdeckt hatte. „Bisher ist alles ruhig“, teilte er seinen Freunden mit. „Ich denke, wir können noch näher heran. Hat irgendjemand am Zaun schon einen Sicherungskasten entdeckt?“

„Negativ. Bisher nicht“, gab Aya zur Antwort, der ebenfalls mir einem Fernglas das Grundstück beobachtete.

„Also ich hab ihn schon gefunden“, redete Schuldig dazwischen, was Weiß sowieso nicht störte.

„Wo ist er denn?“, fragte Nagi neugierig und schaute sich ebenfalls weiter suchend um.

„Was krieg ich denn, wenn ich es dir sage?“, feixte der Deutsche.

„Sagen wir mal, wenn du es mir nicht sagst, dann petze ich bei Michael, was du in Yohjis Träumen gemacht hast“, entgegnete der kleine Japaner.

Der orangehaarige Mann verzog den Mund zu einer Schmollschnute. „Elender Giftzwerg. Okay, ich zeig ihn dir, er ist dort hinten. Außerdem glaube ich, dass dieses Federviech das sowieso bereits weiß.“

„Dann hättest du es mir ja gar nicht sagen müssen.“

Schuldig nickte grinsend. „Nein, hätte ich nicht. Aber ich bin nun mal ein sehr liebenswerter Mensch. Ähm Schutzengel.“

Nagi verkniff sich seinen bissigen Kommentar auf die letzte Bemerkung und lenkte Ayas Aufmerksamkeit auf den Sicherungskasten, indem er das Fernglas mittels seiner telekinetischen Fähigkeiten Stück für Stück langsam in die entsprechende Richtung lenkte.

„Ich glaube, noch näher ran können wir nicht“, meinte Ken. „Sonst fallen wir bestimmt auf.“

„Aber wir müssen schauen, ob das Eis uns trägt“, entgegnete Omi, setzte das Fernglas ab und sah seinen Freund an. „Irgendwie müssen wir einen Weg da rein finden.“

Auch Yohji prägte sich das Gelände ein. „Auf dem See liegen bestimmt fünf Zentimeter Schnee und die Eisdecke darunter dürfte bei diesen Minustemperaturen auch sehr beachtlich sein. Also ich denke schon, dass wir da drüber könnten.“

„Ich will aber kein Risiko eingehen, wenn es sich vermeiden oder einkalkulieren lässt.“

Der Rotschopf unterbrach die Beiden zunächst. „Ich habe den Sicherungskasten für die Stromversorgung des Zaunes gefunden. Schlechte Nachrichten fürchte ich. Sie liegt direkt an der Zufahrt, an der Rückseite des Wachhauses. Wenn wir uns da heran schleichen wollen, um den Strom zu unterbrechen, dürfte das nicht unbemerkt bleiben.“

„Eventuell könnte ich mich noch einmal ins Elektrizitätswerk hacken und von dort aus den Strom lahm legen. Ich fürchte bloß, das funktioniert nur für das gesamte Grundstück“, sagte Omi.

„Vielleicht müssen wir den Strom gar nicht ausschalten“, warf der Playboy ein.

„Willst du etwa gegrillt werden?“, fragte Ken und beäugte den anderen Mann skeptisch.

Der schüttelte jedoch den Kopf. „Nein. Ich meine nur, dass wir den Zaun vielleicht komplett umgehen können und uns mit diesem Problem gar nicht auseinander setzen müssen.“

„Dann rück raus mit der Sprache“, forderte ihr Leader ihn auf. „Was hast du für eine Idee?“

„Wir können doch oben drüber gehen. Die Bäume hier sind doch hoch genug, damit wir ein Seil oder einen Draht oder was auch immer von einem Baum zum Haus hinüber spannen können. Omi könnte einen Pfeil oder einen Bolzen mit Bogen oder Armbrust dort hinüber schießen. Dann können wir ganz einfach mit einer Schlaufe daran herunter rutschen. Viel Neigung brauchen wir da ja nicht.“

„Ja, das ginge“, stimmte Omi ihm zu. „Warum bin ich da bloß nicht selbst drauf gekommen?“

Der ehemalige Torwart lächelte seinen Freund an. „Mach dir doch nichts aus, Omi. Du kannst nicht immer an alles denken, du übernimmst immer die Planung für alles. Gönne uns doch auch mal eine Sternstunde. Außerdem ist es selten genug, dass Yohji mal einen brauchbaren Einfall hat, lass ihm doch das Erfolgserlebnis.“ Mit letzteren Worten schenkte er dem Angesprochenen ein höhnisches Lächeln. Er zog ihn auch oft genug auf, so dass er diese kleine Retourkutsche einmal verdient hatte.

„Na, wenigstens habe ich im Gegensatz zu dir zwischendurch auch mal meine Highlights und geniale Einfälle, Ken-Ken“, erwiderte der Playboy mit einem zuckersüßen Lächeln. Diese kleine Spitze gegen ihn würde er Ken zum gegebenen Zeitpunkt noch einmal richtig zurückgeben, sich mit dem anderen Mann zu streiten war mittlerweile zur Gewohnheit geworden und fast schon so etwas wie ein Hobby.

„Könntet ihr vielleicht damit aufhören euch gegenseitig aufzuziehen?“, ging Aya dazwischen, bevor die beiden noch richtig in Fahrt kamen und einen handfesten Streit wegen nichts und wieder nichts vom Zaun brachen.

„Aber das tun wir doch überhaupt nicht“, meinte Ken.

Yohji schüttelte leicht den Kopf. „Nein, ganz und gar nicht.“

Der Rotschopf verengte die Augen und warf den Beiden bitterböse Blicke zu. „Gebt einfach bloß Ruhe. Ist das so schwer?“

„Aya, ich fühle mit dir“, sagte Brad und seufzte leise. „Du bist mit genau solchen Idioten geschlagen wie ich. Warum sollte es dir wohl auch nur einen Deut besser gehen?“

„Wie meinst du das denn bitte?“, fragte Schuldig leicht gereizt. „Wen nennst du hier einen Idioten?“

„Niemand spezielles, aber du hättest gute Chancen in diese Auswahl zu kommen“, meinte der Amerikaner trocken. „Manchmal verhaltet ihr euch auch ziemlich kindisch. Irgendwie sind Weiß uns gar nicht mal so unähnlich vom Wesen her.“

Schuldig verschränkte die Arme vor der Brust und begnügte sich damit, seinem Leader keine Antwort zu geben. Es hätte sowieso keinen Sinn gehabt, weiter zu widersprechen, das hätte Brad nur noch mehr Recht gegeben. Sicherlich war der Deutsche jemand, der meistens alles herunterspielte und seine Witze riss, aber er war auch durchaus ernsthaft, gewissenhaft und verantwortungsvoll, wenn es um etwas Wichtiges ging. In letzterem Punkt hatte der Ältere allerdings Recht, es hatte sich in der Zeit, die sie nun mit ihrem ehemaligen Erzfeinden verbracht hatten, mehr und mehr herausgestellt.

Ken und Yohji verloren vorläufig kein Wort mehr über ihre Sticheleien, um Aya nicht unnötig weiter zu verärgern.

Omi machte sich noch einige Notizen über die Umgebung und meinte dann: „Also ich denke wir wissen jetzt alles, was wir wissen müssen, um weiter planen zu können. Wir werden sowieso nicht darum herum kommen, im Inneren des Gebäudes alles nach unseren Zielpersonen abzusuchen.“

Da die anderen Drei keine Einwände erhoben und der gleichen Ansicht waren, wie der blonde Junge, machten sie sich gemeinsam wieder auf den Rückweg zu Ihrer Unterkunft.
 

In der Berghütte verstauten Weiß erst einmal wieder ihre Ausrüstung. Aya bereitete für alle Tee zu, damit sie sich wieder aufwärmen konnten, da sie mittlerweile doch sehr durchgefroren waren. Yohji machte sich daran ein Feuer in dem Kamin im Wohnzimmer zu entfachen und verzog sich dann ebenfalls in die Küche, um endlich wieder eine Zigarette zu rauchen.

„Du solltest dir das endlich abgewöhnen“, bemerkte Aya, während er den Tee aufgoss.

Der Playboy schüttelte den Kopf. „So leicht wird man ein Laster nicht los. Vor allem, weil das echt abhängig macht. Und außerdem ist es ja wohl ziemlich egal, ob ich an Lungenkrebs sterbe oder auf einer Mission. Letzteres ist nämlich sowieso viel wahrscheinlicher.“

„Sag doch so etwas nicht. Du wirst bestimmt uralt und dann wirst du dich ärgern, dass du nicht mit dem Rauchen aufgehört hast“, entgegnete der Rotschopf.

„Genau, wir passen nämlich auf, dass euch bei Missionen nichts passiert“, stimmte Schuldig zu. „So lange wir da sind, werdet ihr nicht sterben.“

Auch Nagi nickte und seufzte leise. „Wobei die Vorstellung noch fünfzig Jahre und länger auf euch aufzupassen nicht gerade berauschend ist.“

„Denk einfach nicht daran“, riet ihm der Deutsche. „Ich glaube, je mehr du darüber nachdenkst, umso schlimmer kommt es dir vor.“

„Ja, aber man hat doch die meiste Zeit über leider nichts anderes zu tun als nachdenken. Vor allem nachts“, meinte der kleine Japaner. „Mittlerweile habe ich fast alle Bücher, die Aya in seinem Zimmer hat, durchgelesen. Und auch ein paar Sachen, die er selbst geschrieben hat. Wusstest du, dass Aya schreibt? Und das nicht einmal schlecht, aber er versteckt es immer.“

Der Mann mit dem flammend orange Haar schüttelte den Kopf. „Nein, wusste ich nicht. Der werte Herr Fujimiya Junior schien mir bisher irgendwie immer zu langweilig, um länger als nötig in seinem Kopf herumzuspuken.“

Aya holte vier Teetassen aus dem Schrank und sah noch einmal fragend zu dem Älteren. „Willst du auch Tee? Oder lieber Kaffee?“

„Nein, Tee ist in Ordnung.“

Gemeinsam gingen die beiden wieder ins Wohnzimmer zurück und stellten die Teekanne und die Tassen auf den Tisch. Ken hatte für jeden eine Decke zurecht gelegt und beschlagnahmte das kleine Sofa. Omi hatte sich bereits auf das große Sofa gekuschelt, setzte sich aber auf, um ihrem Leader Platz zu machen, der sich auch sofort zu ihm setzte. So blieb für Yohji nur noch der Sessel übrig, was diesem allerdings nichts ausmachte. Er rückte das Möbelstück dichter zum Kamin hinüber und kuschelte sich dann ebenfalls in seine Decke.

Schweigsam tranken die Vier ihren Tee, starrten ins Feuer und hingen ihren Gedanken nach. Abgeschnitten von der Welt, in beinahe vollkommener Einsamkeit, breitete eine solche Berghütte ihren eigenen, angenehmen Zauber aus. Während die heimelige Atmosphäre gemächlich den schweren Unterton von Melancholie zu verbreiten schien, war das Knistern des Feuers das einzige Geräusch, was diese Ruhe störte.

Omi rutschte ein wenig näher zu Aya hinüber, so dass er auf der anderen Seite seine Beine auf das Sofa ziehen konnte. Dann senkte er seinen Oberkörper und bettete seinen Kopf einfach auf Ayas Oberschenkel. Mit gedrehtem Kopf sah er nach oben, direkt in zwei verwundert wirkende, amethystfarbene Augen und fragte dann leise: „Hast du etwas dagegen?“

Der Rothaarige schüttelte den Kopf und Omi meinte für den Bruchteil einer Sekunde ein beinahe liebevolles Lächeln über das Gesicht des anderen huschen zu sehen, ohne dass jemand anderes es auch nur bemerkt hätte. Mit einem zufriedenen Lächeln im Gesicht drehte der Junge seinen Kopf wieder zum Feuer und sah den Flammen bei ihrem hypnotischen Tanz zu. Die Decke bis zum Kinn gezogen versuchte er sich unauffällig näher an ihren Leader zu kuscheln. Nach einigen Minuten spürte er eine Hand an seinem Kopf, deren Finger sich ganz allmählich daran machten, sachte durch das kurze Haar zu streichen. Omi schloss die Augen und genoss die angenehme Berührung.

Ken warf zwischendurch immer wieder einen sehnsüchtigen Blick zu seinen beiden eng aneinander gekuschelten Freunden und wurde dabei ein wenig wehmütig. Er zog die Decke fester um sich und schaute wieder in den Kamin. Zwar war es angenehm mit den anderen einen gemütlichen Abend zu verbringen, aber es machte ihm schmerzlich bewusst, wie sehr Farfarello ihm fehlte. Er fühlte sich trotz der Gesellschaft seiner Freunde einsam und hätte es nicht für möglich gehalten, wie viel der einäugige Mann ihm bedeutete. Vielleicht sollte er einfach schlafen gehen, bevor er noch depressiv wurde und er mit unangenehmen Fragen gelöchert wurde. Am nächsten Morgen sah die Welt schließlich immer gleich ganz anders aus.

Auch Yohji betrachtete Aya und Omi zwischendurch. Fast beneidete er sie ein wenig, da er selbst ebenfalls gerne jemanden zum kuscheln oder einfach zum anlehnen gehabt hätte. Aber so jemanden hatte er schon seit Jahren nicht mehr in sein Leben gelassen. In solchen Augenblick wie in diesem, bereute er es, wusste aber auch, dass er nicht anders konnte.

„Sind sie nicht niedlich“, meinte Schuldig irgendwann und seufzte leise. Diese Stimmung brachte sogar ihn dazu, ein wenig melancholisch zu werden.

Nagi nickte und stimmte leicht betrübt zu. „Ja, irgendwie schon.“ Auch er hätte gerne jemanden gehabt, an den er sich einfach anlehnen konnte. Ein wenig Eifersucht machte sich in seinem Inneren breit. Schade, dass wir uns nie so nahe waren, dachte er und setzte sich auf den Boden neben dem Sofa, um sich gegen die Seite zu lehnen.

Brad bemerkte den Stimmungswandel und setzte sich einfach neben ihren Jüngsten. Irgendwie spürte er, dass dieser jetzt jemanden an seiner Seite brauchte. Der Amerikaner legte einen Arm um Nagis Schultern und lächelte ihn freundschaftlich an. „Tut mir Leid, dass wir früher nie so für dich da waren“, sagte er leise und drückte ihn leicht an sich.

Der junge Japaner sah kurz etwas verwundert auf, lächelte dann jedoch dankbar. Dann lehnte er sich an die Schulter des Älteren und flüsterte leise: „Danke, Brad. Wenigstens bist du jetzt da.“

Farfarello beteiligte sich nicht an dem Gespräch. Stattdessen hockte er vor seinem Schützling und betrachtete diesen eingehend. Er wusste genau, was in Ken vorging. Zum einen spürte er es und zum anderen konnte er es genau in seinem Gesicht und vor allem in seinen Augen sehen. Gerne hätte er ihm seine Sorgen und Sehnsüchte von den Schultern genommen, indem er ihm sagte und zeigte, dass er die ganze Zeit bei ihm war. Aber das durfte der Ire schließlich nicht, wenn es nicht überlebensnotwendig war.
 

„Du, Aya-kun?“, brach Omis leise Stimme nach einiger Zeit die behagliche Stille. Er drehte den Kopf und der Rotschopf blickte direkt in zwei fragende, blaue Augen. „Was hältst du davon, wenn wir dieses Jahr Weihnachten einmal im westlichen Stil feiern? Ungefähr so wie in Amerika oder England, mit Weihnachtsbaum und Geschenke auspacken am Weihnachtsmorgen?“

Farfarello kam nicht umhin seine Aufmerksamkeit für einen Augenblick von Ken zu lösen und zum Sofa hinüber zu blicken. Dieser junge Weiß wollte wirklich einen der unnützesten Feiertage, der jemals von der Menschheit oder besser gesagt von Gott ins Leben gerufen wurden, huldigen? Was kam dann als nächstes? Ostern? Eier suchen konnte man schließlich zu jeder Zeit und wenn es jemanden gab, bei dem man an einer bestimmten Stelle suchen konnte, dann hatte das sogar für Farfarello seinen Reiz. Aber mit dem Christentum an sich konnte der Ire nichts mehr anfangen, auch wenn er jetzt wusste, dass das Meiste wohl wahr war. Zu enttäuscht war er von der falschen Scheinheiligkeit, die ihm in seiner Kindheit begegnet war.

Aya wunderte sich über diese Frage, mit so etwas hatte er nun wirklich nicht gerechnet. Wahrscheinlich lag es am Schnee draußen, dem Kaminfeuer und der allgemeinen winterlichen Atmosphäre. „Warum sollten wir denn Weihnachten feiern? Wir feiern doch Neujahr ausgiebig.“

Der Einäugige nickte zustimmend. „Bleibt bei euren Feiertagen. Das ist besser.“

„Wir können das doch bestimmt irgendwie verbinden.“ Der Ausdruck in Omis Augen wechselte langsam von fragend zu bittend.

„Also, ich finde, das ist eine gute Idee“, warf Ken ein. „Warum sollten wir das denn nicht auch mal machen? Schaden kann es doch bestimmt nicht.“

Yohji schüttelte den Kopf. „Ich denke nicht, dass man das unbedingt feiern muss. Ich glaube, da bin ich ausnahmsweise mal Ayas Meinung. Das ist ein christlicher Feiertag.“

„Und ihr seid keine Christen, soweit ich weiß“, meinte Farfarello. „Christen machen in ganz Japan sowieso nur etwa ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Also ist das ziemlich unbedeutend und ihr solltet eure Aufmerksamkeit lieber euren Nationalfeiertagen widmen.“

Schuldig warf einen fragenden Blick auf den Mann mit der Augenklappe. „Ist das nicht ziemlich egal? Wenn sie einen Vorwand zum Feiern brauchen, dann lass sie doch. Wobei mich allerdings schon etwas wundert, warum Yohji dagegen ist. Sonst ist er doch für jede Feier zu haben.“

„Der wird irgendeinen banalen Grund dafür haben“, warf Nagi gleichgültig ein und lehnte sich immer noch an Brad, der sich zunächst einmal aus dem Gespräch heraus hielt. Er konnte sich gut vorstellen, dass Farfarello die Vorstellung Jesus Geburt feiern zu müssen nicht gerade gefiel, in Anbetracht seiner sonstigen Verhaltensmuster und seiner Vergangenheit war das schließlich auch in gewisser Weise verständlich. Dass er im Augenblick sogar für Gott arbeiten musste, schien er bisher zumindest zu akzeptieren, vielleicht ignorierte er es aber auch gekonnt. Für den Einäugigen war die jetzige Situation zwar hauptsächlich Mittel zum Zweck, andererseits war er aber auch froh darüber einfach in Kens Nähe sein zu können, ohne dass ihn jemand dafür behelligte.

Der blonde Junge zog eine Augenbraue nach oben. Er kaufte dem Älteren nicht wirklich ab, dass er nur aus religiösen Gründen dagegen war. Das wäre etwas vollkommen Neues für ihn und obendrein noch absolut untypisch. „Kann deine Abneigung nicht vielleicht eher darin begründet liegen, dass du dann den Abend vorher vielleicht etwas früher nach Hause kommen solltest und daher ein oder zwei deiner sorgfältig geplanten Verabredungen sausen lassen müsstest?“

Der Playboy konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Erwischt! Aber es bedarf viel Organisationstalent so einen Abend mit drei Verabredungen zu planen und entsprechend termingerecht irgendwo etwas zu reservieren. Und ich habe halt schon fast alles arrangiert, es wäre eine Schande, wenn ich das jetzt einfach über den Haufen werfe.“

„Hab ich es nicht gesagt?“, meinte das jüngste Schwarz-Mitglied und schüttelte verständnislos den Kopf. „Dieser Mann wird sich auch nie ändern.“

„Das soll er ja auch gar nicht“, warf der Deutsche ein. „Er ist gut so wie er ist. Außerdem weißt du nicht was alles in seinem Kopf vorgeht. Im Gegensatz zur gängigen Meinung hat er da noch einiges mehr drin als bloß Alkohol, Zigaretten und Sex.“

„Ich glaube, das ist im Augenblick hier nicht der Punkt, Schuldig“, sagte Brad. „Wenn er nicht Weihnachten feiern will, dann muss er das doch nicht. Keiner kann ihn zwingen.“ Dabei blickte er zu Farfarello hinüber. „Und du musst das auch nicht. Wir können ja sowieso nicht richtig an irgendetwas teilnehmen, also ist es für uns doch vollkommen belanglos, was Weiß feiern oder nicht feiern, glauben oder nicht glauben.“

„Dann frage ich mich, wie gerade du das hinbekommst“, neckte der braunhaarige Mann ihn.

„Ich bin eben ein verkanntes Genie“, erwiderte Yohji nur mit einem süffisanten Lächeln.

Omi räusperte sich. „Ich störe euch ja wirklich nur ungern, aber das war eine durchaus ernst gemeinte Frage von mir. Ich würde wirklich gerne mal Weihnachten feiern, um zu sehen wie es ist.“

Aya seufzte leise. „Reicht dir Neujahr denn nicht? Und am dreiundzwanzigsten ist auch noch ein Feiertag, Kaisers Geburtstag. Außerdem hat Ken da schließlich ebenfalls Geburtstag.“

„Ja, aber das ist doch zwei ganze Tage vorher. Das überschneidet sich ja nicht.“ Das jüngste Weiß-Mitglied setzte sich jetzt richtig hin und sah seinen Leader schon beinahe bettelnd an. „Bitte, Aya-kun. Sag doch Ja. Es tut doch keinem weh.“

„Ich habe aber Nein gesagt und das solltest du dann auch so akzeptieren.“ Der Rotschopf wollte sich diese Mal nicht von seinem Standpunkt abbringen lassen und ausnahmsweise hatte er ja sogar jemanden auf seiner Seite. Allerdings verstand Omi sich nur all zu gut darauf, seine unschuldige Art als Waffe gegen ihn einzusetzen und so seinen Willen durchzusetzen.

„Aber, Aya-kun ... Was ist denn so schlimm daran? Wie wäre es denn, wenn wir es nur so ein bisschen feiern? Also, ich meine, wegen der Atmosphäre so mit Weihnachtsbaum und Dekoration und so. Wir brauchen ja nicht sofort deswegen in eine christliche Kirche gehen, wenn es das ist, was dich daran stört.“

Ken nickt wiederum zustimmend. „Es wird uns nicht umbringen, wenn wir mal einen Tag besinnlich und festlich angehen.“

Aya schüttelte den Kopf. „Ich habe Nein gesagt. Es geht mir nicht darum, dass es ein christlicher Feiertag ist. Wenn er nur das wäre, dann hätte ich, denke ich, nicht wirklich etwas dagegen. Ich bin bestimmt der Letzte, der irgendjemandem in seine Glaubensfragen hineinredet, das muss jeder selber wissen. Aber seht es euch doch mal richtig an. Was ist den Weihnachten mittlerweile für ein Fest? Es geht doch nur noch um Geschenke und Kommerz. Und deswegen finde ich es ziemlich überflüssig.“

„Da hat er sogar irgendwie Recht mit“, schaltete sich Schuldig wieder ein. „Eigentlich ist es nur eine Gelegenheit sehr schnell sehr viel Geld los zu werden und für Dinge auszugeben, welche die Leute, denen man sie schenkt, sowieso nicht haben wollen.“

„Genau“, stimmte Nagi mit einem zaghaften Lächeln zu. Zwar hatte er selbst noch nie Weihnachten gefeiert, aber es gab genügend Seiten im Internet, Filme und Serien im Fernsehen, um dieses Verhalten heraus zu kristallisieren.

Der Amerikaner schüttelte den Kopf. „Ganz so schlimm ist es, glaube ich, auch nicht.“

Mit vehementem Kopfschütteln begegnete der blonde Junge dieser Aussage. „Mir geht es überhaupt nicht um Geschenke. Man sagt doch, Weihnachten ist das Fest der Liebe. Darum geht es mir, mehr Zeit mit den Menschen zu verbringen die ich mag, mit meiner Familie. Und das seid ihr. Sicher machen wir viel zusammen, aber das beschränkt sich eigentlich fast nur auf unsere Arbeit oder auf Sachen, die nun einmal geregelt werden müssen, wie der Haushalt. Wir wohnen zwar zusammen, aber privat haben wir alle eher weniger miteinander zu tun, das finde ich schade.“

„Und dafür brauchst du Weihnachten?“ Der Rotschopf zog fragend eine Augenbraue nach oben. „Und einen geschmückten Baum und kitschige Dekoration?“

„Ähm, nein, eigentlich nicht. So wie es jetzt ist, finde ich es auch schön, dass wir einfach so mal zusammen sind und nichts Bestimmtes machen. Aber es wäre doch hübsch.“

„Wenn du mehr Zeit mit uns verbringen willst, warum hast du das nicht schon früher gesagt?“, fragte Ken und lächelte milde, während der Älteste zustimmend nickte.

„Ich dachte, ihr wollt das vielleicht nicht“, bemerkte Omi kleinlaut. „Also können wir jetzt alle zusammen Weihnachten feiern? Wir brauchen uns nichts zu schenken. Aber können wir einen Weihnachtsbaum kaufen?“

Yohji seufzte leise. Eigentlich hatte er nichts dagegen, Zeit mit den anderen drei Männern zu verbringen, schließlich mochte er sie und sie waren mittlerweile eine Familie. Andererseits hatte er jetzt schon ein paar Verabredungen geplant. Jetzt galt es abzuwiegen, was ihm wichtiger war. Diese Entscheidung fiel ihm allerdings leichter, als er dachte. Omi zuliebe würde er sogar eine Verabredung absagen. „Meinetwegen könnten wir vielleicht doch Weihnachten feiern. Aber du könntest doch auch sonst Zeit mit uns verbringen. Das tun wir doch jetzt auch.“

Auch Aya war mittlerweile bereit einzuwilligen, schließlich hatte ihr Jüngster auch irgendwie Recht. Langsam nickte er. „Also gut, kaufen wir einen Weihnachtsbaum und feiern zusammen. Geschenke gibt es aber nicht.“

Omi strahlte über das ganze Gesicht. Er hatte schon beinahe Angst gehabt, dass ihr Leader es dieses Mal auf seinen Entschluss beharrte. Zum Glück konnte er sich bei den anderen aber jedes Mal Schützenhilfe holen und war schließlich nicht auf den Mund gefallen, so dass er immer überzeugende Argumente fand. „Danke, Aya-kun!“ Vor Freude umarmte er den rothaarigen Mann.

„Siehst du, Farfarello? Hier geht es nicht um den biblischen Hintergrund von Weihnachten, sondern um das Zusammensein“, meinte Brad. „Das sollte es dir doch zumindest ein bisschen sympathischer machen.“
 

Am nächsten Morgen saßen alle gemeinsam am Küchentisch und widmeten sich einem ausgiebigen Frühstück. Die Vorräte hierfür hatten sie aus Tokyo mitgebracht und das reichlich. Sogar Yohji war rechtzeitig aufgestanden, um noch etwas abzubekommen, schließlich war er ja auch ebenso zeitig wie seine Freunde zu Bett gegangen.

„Gehen wir jetzt noch mal Ski fahren, bevor wir uns wieder auf den Heimweg machen?“, fragte Omi, nachdem er den letzten Löffel seiner Cornflakes hinuntergeschluckt hatte.

„Aber klar“, antwortete Ken sofort. „Das Wetter ist herrlich und wie gemacht dafür. So lange wir hier sind, sollten wie das ausnutzen.“

Auch Yohji nickte. „Natürlich. Das ist gut für die Figur. Nur schade, dass es hier kein standesgemäßes Après-Ski gibt.“

„Yohji!“, erklang es aus drei Mündern beinahe gleichzeitig.

„Aber er hat doch Recht“, meinte Schuldig. „Das hier ist kein Ski-Gebiet und darum gibt es kein richtiges Après-Ski. Es gibt Leute, die gehen nur allein deswegen auf die Piste.“

„Ja, Leute wie du und Yohji zum Beispiel“, warf Nagi grinsend ein.

„Warum auch nicht?“, antwortete der Deutsche und lächelte selbstgefällig. „Schließlich macht das ja auch Spaß.“

Der Playboy setzte sein übliches Lächeln auf. „Ich sag ja schon nichts mehr.“

„Das ist auch besser so“, sagte Aya kühl und trank seinen Kaffee aus.

Omi wandte sich an den Rotschopf. „Das heißt, du kommst gleich auch mit raus ein wenig Ski fahren. Du hast es gestern versprochen, Aya-kun.“ Er heftete seine großen, blauen Augen auf den Älteren und sah ihn erwartungsvoll an.

Der Weiß-Leader erwiderte den Blick und nickte kurz darauf. „Ja, das habe ich. Und was ich verspreche, das halte ich auch. Wenn wir mit unserem Frühstück fertig sind und all unsere Sachen wieder zusammen gepackt haben, gehen wir Ski fahren.“

„Auch noch vorher aufräumen“, stöhnte Yohji gespielt gequält. „Du Sklaventreiber.“
 

Die Stunden bis zu ihrer Abfahrt am Nachmittag vergingen wie im Fluge. Sie suchten sich ihre Wege durch die nähere Umgebung und fuhren zumeist nur kleinere und nicht so steile Hänge hinunter, schließlich gab es keinen Lift, mit dem sie die Anhöhen wieder hinter sich bringen konnten und sie mussten zu Fuß gehen. Als sie zwischendurch eine Pause einlegten, schafften Omi und Ken es sogar eine Schneeballschlacht anzuzetteln und die beiden anderen darin zu verwickeln. Nicht einmal Aya konnte leugnen, dass ihm dieser Tag nicht doch noch Spaß gemacht hätte, auch wenn er wie immer versuchte, es zu verbergen.

Die ganze Heimfahrt über umspielte ein unbeschwertes Lächeln Omis Lippen, keines seiner aufgesetzten fröhlichen Gesichter. Obwohl sie hauptsächlich ihrer Mission wegen hier heraus gefahren waren, hatte der Junge es sehr genossen die Zeit nur mit seinen Freunden zu verbringen und er hoffte inständig, dass sie alle noch etwas davon mit nach Hause nahmen. Vielleicht hatte sie es wieder ein wenig näher aneinander herangeführt und das Gespräch vor dem Kamin war nicht umsonst gewesen, so dass sie auch in Zukunft mehr für einander da waren.

„Dieser Ausflug hatte doch etwas für sich“, stellte auch Farfarello fest. „Ich glaube, er hat Weiß noch etwas enger zusammen geschweißt.“

„Good Vibrations, was?“, fragte Schuldig mit einem zufriedenen Lächeln. „Ja, so etwas empfange ich da im Moment auch.“

Nagi sah ebenso wie sein Schützling aus dem Fenster und hing seinen Gedanken nach. Auch er hatte etwas Angenehmes von diesem Wochenende gehabt. Er hätte sich nur gewünscht, dass Brad oder einer der anderen sich mal etwas früher mit ihm beschäftigt hätte. Aber wie sagte man so schön? Besser spät, als nie. Schließlich hatten sie jetzt, wo es für ihr Leben bereits zu spät war, auch noch die Gelegenheit ihre Einstellung für die Ewigkeit zum Besseren zu wenden.


Nachwort zu diesem Kapitel:
Omi in der Fahrschule: Einzelheiten entnehmt bitte der FF "Fahrschule" von Kaos
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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von: abgemeldet
2004-09-01T08:56:39+00:00 01.09.2004 10:56
Hehe...deine Kapitelaufteilung erinnert mich an manche TV-Serie: auf eine actiongeladene Episode kommt eine, in der es etwas ruhiger zugeht. Schöne Sache eigentlich, es kann ja nicht dauernd nur knallen. (außerdem können sich die Jungs ruhig mal erholen!!)
Die vielen Anspielungen auf eventuelle Pairings sind prima eingestreut und machen Appetit auf mehr. ^^
Von: abgemeldet
2004-06-15T14:51:08+00:00 15.06.2004 16:51
Oh wieder ein sehr süsses kapitel mit süssen anspielungen *_*
soll ich dir mal was sagen? *_*
wenn du die story zuende hast.......bin ich ganz traurig *_*
*sucht*
Von:  Ai_no_Hikari
2004-05-28T15:00:53+00:00 28.05.2004 17:00
Ähm, ja, die Anderen haben eigentlich schon so ziemlich alles gesagt was zu sagen wäre. *tropf*
Na ja, auf jeden Fall wäre ich dir sehr verbunden wenn du über die Pairings nochmal nach denkst. *verneig*
Ich les dann auch so bald wie möglich das nächste Kapitel und kommentier es. *mein Bestes versuch* ^^"

aino *knuddel* ^.^
Von:  Furia
2004-05-16T16:23:07+00:00 16.05.2004 18:23
Aloha! *wink*
Jahaa, ich hab den neuen Teil entdeckt, als ich im Infounterricht aus lauter Langeweile mal ins Netz geschaut habe. Und hier kommt postwendend mein Kommentar.

Ziemlich nichtssagend diesmal. Ein bissl' Smalltalk.

Tja... Frage: Warum müssen alle Auftragskiller immer männlich sein? Ich hab keinen Schimmer wieso, aber Pay war für mich halt 'ne Frau. *dich wieder aufrichte und dir den Staub von den Klamotten klopf* Das lag ja nicht an deinem Geschreibsel, sondern an meiner verdrehten Denkweise. Lass dich von meinen abstrusen Phantasien nicht umhauen!^^°°°

Bei mir kam diesmal richtig Winterstimmung auf und das, wo sich hier gerade die Sonne entschieden hat, doch mal wieder lang zu kommen.
Endlich! Der Sommer kommt! T_T *die Hoffnung fast schon aufgegeben hatte*

Schneeballschlacht musste ja sein... ^-^ Ich hätte mich beschwert, wenn nicht. Haben die Engelchen auch fleißig mitgemacht? Die haben gar nichts erwähnt.
*mir einen angesäuerten Brad vorstelle, durch den die Schneebälle durchfliegen*
*giggle*
Diesmal war auch ausreichend Nagi enthalten. (Seine Kommentare! *lach*) Meiner Meinung nach, könnte er ja ruhig noch etwas mehr agieren, aber die anderen sollen deshalb ja auch nicht zu kurz kommen. Diesmal war das Verhältnis der Auftritte richtig schön ausgewogen! *lob*
Ken und Farf sind ja echt süß hier. *Mitleid mit Kenken bekomm*
Dauert es noch lange bis Weiß von Schwarz erfährt?

Gegen Weihnachten kann ich eigentlich nichts sagen, wir haben an Feiertagen immer gaaanz feste Familientraditionen. Manchmal nervt es, aber manchmal kann es auch ganz schön sein. Und der Geschenkerummel... Na ja, die Konsumpropaganda ist doch eh allgegenwärtig, warum sollte Weihnachten eine Ausnahme sein?
Ich finds aber schön, dass sie sich entschieden haben zu feiern.
...
Omi ist aber auch manipulativ!^^ Hätte mich gewundert, wenn Aya eine Chance gehabt hätte ,nein' zu sagen.

Deine FF gefällt mir so gut, dass ich in diesem Teil angefangen habe Yohji sympathisch zu finden.
... Wunder geschehen.

Ich bin gespannt auf die Fortsetzung.
Bye, Furia.
Von:  SarahLondon
2004-05-13T15:24:05+00:00 13.05.2004 17:24
Aya und Omi sind ja sooooooooooooooo süß! *___*
*schmacht*
Das da vorm Kamin ist einfach... °° ...so süß!
Armer Yohji XD Muss seine Verabredung(en) sausen lasse - aber der Gedanke an ein schönes Weihnachten hat echt was für sich. Und du hast recht, es geht wirklich nur noch um Geschenke... *sigh* *es zwar liebt Geschenke zu bekommen aber Weihnachten ohne dieses "magische" Gefühl öde ist*
Wai wai und Mißgunst wieder! oO Die gefallen mir immer besser...besonders ER! *-* Yukio! Mon chéri! *Yukio knuddel* Den habsch lüp! V^.^V
Hab mich übrigens wie immer schlapp gelacht, wenn Nagi so seine Kommentare von sich gibt... XD Schwarz' Gespräche sind echt sehr gelungen! ^.^
Hach ja...verzeih mir übrigens, dass ich das Kapitel jetzt erst gelesen habe... >.<
Hab's gestern vergessen! Gomen nasai! ;_______________;
Aber jetzt hab ich es nachgeholt. Gut oder? oò"
Na ja ich freu mich jetzt auf das nächste Kapitel - hau rein! ^.^
Beeil dich bloß! ò_____ó *mit Messer droh*
<.<
*wink*
*weghüpfel*
Von:  Kaos
2004-05-10T12:18:41+00:00 10.05.2004 14:18
Wuiii ^^
Mal wieder ein neues Kapitel ^^... Dann muss doch das Kaos gleich mal Kommentieren kommen ^^...Erst mal gucken, was gab es denn alles in diesem Kapitel anzumerken...
Und danke für die tolle Schleichwerbung *gggg*
Also, ich kann nur sagen, dass meine Lieblingsszene ja ganz eindeutig die Hüttenszene ist... Nach der Mission, vor dem Feuer, Aya und Omi... *seufz* *schwärm*
Und ich find das Gespräch über Weihnachten ist auch sehr gelungen, regt einen doch direkt mal zum Nachdenken an ^^
Wenigstens nehmen Weiß Omi jetzt etwas Arbeit ab, mein armer, kleiner Chibi ^^
Und das arme Yohji ^^... Schon wieder ein Korb von Birman ^^
Ich find das übrigens SEHR lustig, wenn sich Schwarz über Weiß so unterhalten ^^... Erheitert mich doch immer wieder, vor allen Dingen Nagi-chan mit seinen Kommentaren ^^... Und immer muss der arme Yohji herhalten ^^
Du verstrickst dich auch immer mehr im Myterium Mißgunst, was?!? Na ja, ich mag die vier, aber das hab ich ja schon mehrmals erwähnt ^^...
Also, hau rein und beende endlich das zehnte Kapitel ^^
Kaos

P.S. Hach ja, ich find's übrigens auch niedlich, dass Aya dem Chibi nix abschlagen kann ^^


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