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Sherlock Holmes

das unheilvolle Familienerbstück
von

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Falle

Ein leises, wellenartiges Geräusch waren zu vernehmen, während Sherlock nun anfing, etwas im Wasser umher zu hinken, um die Umgebung um sie herum noch genauer erfassen zu können, wollte feststellen wie groß der Brunnen war, in dem sie sich befanden. John wurde durch diese Tat etwas unsanft mitgezogen, da sie noch immer an jeweils einer Hand mit den Handschellen aneinander gekettet waren. Sein linkes Handgelenk tat ihm mittlerweile von dem ganzen herum Gezerre schon etwas weh, aber er störte sich nicht weiter daran. Es gab schließlich momentan wichtigeres - nämlich hier wieder raus zu kommen. Der Doktor konnte hören wie Sherlock einmal leise fluchte und dachte zuerst, dass dies vor allem der Tatsache geschuldet war, dass der Detektiv diese Sache hier einfach nicht hatte verhindern können. Dass er in seine Stolz und seiner Verbohrtheit immer Recht behalten zu müssen, einen Fehler begannen hatte. Einen, der einfach nicht hätte passieren dürfen. Sherlock schimpfte in der Tat in Gedanken mit sich selbst, ärgerte sich über seine eigene Sturheit, die Falle nicht gewittert zu haben und damit, beinahe sorglos, mitten in sie hinein getappt zu sein. Ein einziger musternder Blick hätte ausgereicht, ihm eine logische Schlussfolgerung mental zuzusenden. Die gewünschte Information wäre angekommen und hätte sie beide wohl höchstwahrscheinlich noch retten können. Hätte, hätte, hätte. … Nun war es zu spät.
 

Diese Tatsache nagte an Sherlock, ließ ihn einen Moment lang nicht los und verstummt inne halten. Sein Freund versuchte derweil sich ebenfalls etwas in ihrem 'Gefängnis' zu orientieren. John war natürlich nicht gerade begeistert über den Verlauf und das Ende ihres Treffens mit Mr. Clapton, allerdings war sich der Doktor voll und ganz darüber im Klaren, dass er nicht Sherlock die Schuld für ihre nun missliche Lage geben durfte und wusste gleichzeitig, dass sein Kollege sich in diesem Augenblick gedanklich damit abquälte, es aber nicht zeigte, geschweige denn zugeben wollte. Typisch. John würde jedoch nie darauf herumreiten, oder dem Detektiv  sprichwörtlich auf die Nase binden, wie tief sie gerade im Schlamassel steckten. Das wusste der Größere mit Sicherheit selbst mehr als genau. Außerdem hätte der Veteran selbst auch ruhig etwas aufmerksamer sein können, hatte sich von George genau so täuschen lassen. Er war jetzt nur froh, nicht mutterseelenallein in diesem Loch gefangen zu sein. Nein, er hatte Sherlock an seiner Seite und dem war noch immer irgendwie ein Ausweg eingefallen, außerdem hatte der Jüngere doch von einer Absicherung im Notfall gesprochen, weshalb sich der Ältere sicher war, dass sie beide schon gerettet werden würden. Die Frage war nur wann?!
 

Das Einzige was sie in der Zwischenzeit tun konnten, war zusammenzuhalten, nichts Unüberlegtes zu tun und trotzdem selbst einen Weg nach Draußen zu suchen. John sah sich um, was aber leider, im Grunde genommen, so gut wie nichts brachte, da um sie herum ein schwarzes Nichts herrschte. “Man sieht aber auch rein gar nichts hier unten…”, sprach der Veteran leise und eher zu sich selbst, tastete sich dabei ebenfalls langsam und vorsichtig an der kühlen Wand entlang. Sherlock hob den Kopf. “Moment…”, kam es antwortend, während er schnell in seine Mantelinnentasche griff und einen kleinen Gegenstand herausholte. Ein kurzes klickendes Geräusch war zu hören und  schon war plötzlich der helle, gelbweiße Stahl einer Taschenlampe an der Innenwand des Brunnens zu sehen. Überrascht ruckte Johns Kopf zu seinem Kollegen, sah ihn erstaunt und erfreut zugleich an. “Gut, dass ich mir die vorsichtshalber noch vor dem Treffen eingesteckt hatte.” Ein kleines Grinsen bildete sich auf Sherlocks Lippen. John lächelte schwach. Im Moment waren beide nicht besonders fröhlich zu Mute, aber das war Mal ein echter 'Licht' Blick und diese, wenn auch  noch so kleine, Hilfe verschaffte Ihnen ein wenig Erleichterung, welche sie schweigend dankend annahmen. Diese Taschenlampe war in der Tat mehr als hilfreich, woraufhin der Größere diese auch gleich für sie beide nutzte, um zu aller erst die Steinwand mit dem Licht abzusuchen, alles genau betrachtete. Ihre beiden Blicke folgten gebannt dem kleinen Lichtkegel.
 

Sherlocks Augen nahmen dabei jedes noch so kleine Detail auf, suchte mit seinen gezielten und schnellen Blicken die ganze Wand, Stück für Stück, ab. Er brauchte allerdings nicht lange um eindeutig sagen zu können, dass sich hier nichts, wirklich rein gar nichts, befand was ihnen weiter helfen könnte. Auch der Doktor konnte nichts erkennen und finden, was nach einem Loch, Ausgang, Erhebung oder Sonstigem aussah. Die komplette Innenwand, die hier ringsherum ging, war zwar aus Stein, jedoch glatt, schmierig, an manchen Stellen moosig, und einfach nur ungeeignet um sich an ihr festzuhalten oder hoch zu klettern. “Und…wenn wir Rücken an Rücken, mit den Beinen hier hoch-” “Nein. Das wird zu nichts führen, glauben Sie mir.”, unterbrach Sherlock sofort seinen Kollegen. “Eine gute Idee, jedoch reine Zeitverschwendung. Wenn wir uns Rücken an Rücken pressen und gegenseitig stützen wollen, gelangen wir, wegen der Entfernung, welche für die genaue Anwendung dieser Technik normalerweise nötig wäre, nicht korrekt mit unseren Füßen an die Wand, dafür ist der Durchmesser des Brunnens etwas zu groß. Jeder einzeln hier hoch würde noch weniger klappen." " Raus spülen lassen können wir uns auch nicht, da der Pegel des Wasserstandes nicht genug steigen würde, selbst wenn es durch Zufall nun sehr heftig zu regnen beginnen würde. Wünschen tue ich mir das übrigens nicht, den die Wahrscheinlichkeit, dass wir hier drin ertrinken würde in diesem Fall exorbitant höher werden."
 

"Beim runter klettern habe ich festgestellt, dass der Brunnen etwa fünf Meter tief sein müsste, also eigentlich nicht besonders tief, aber tief genug, dass jemand, der hier hinein gerät, es ohne fremde Hilfe nicht mehr raus schafft. Sie können den oberen Rand nicht einmal dann erreichen wenn Sie sich auf meine Schultern stellen und selbst wenn Sie es doch irgendwie hinbekämen, das Gitter könnten Sie alleine eh nicht zur Seite schieben. Mr. Clapton hat wirklich an alles gedacht.” John sah es ein. All diese Methoden würden also, wie es ihm gerade ausführlich erklärt worden war, nichts bringen. “John, Ihr Handy haben Sie nicht bei sich, nicht wahr?” Angesprochener sah erst etwas fragend drein, verneinte jene Frage dann aber. Er hatte so gut wir gar nichts bei sich, keine Waffe, kein Handy, auch keine persönlichen Sachen. Gott sei Dank, sonst wäre jetzt alles klitschnass und nicht mehr zu gebrauchen. Sherlock allerdings griff nochmals in eine seiner Manteltaschen, holte diese Mal sein feuchtes Handy heraus. Machte es am oberen, trockenen Teil seines Hemdes schnell sauber, tippte dann prüfend drauf herum und sah darauf hin das Displaylicht aufleuchten. Er nickte nur bestätigend, anstatt erleichtert über die noch verfügbare Funktion, auszuatmen. Sein Handy funktionierte also noch. Er schaltete es vorsorglich aus um keine unnötige Akku Zeit zu vergeuden. Erreichen konnte man hier unten ohnehin niemanden, der Empfang war einfach zu schlecht.
 

Ja, George Clapton hatte offenbar wirklich im Vorfeld alles sehr genau geplant. Hatte einen ruhigen, menschenleeren Ort in diesem Park gesucht, diesen alten verschütteten Brunnen nahe eines neuerbauten Springbrunnens gefunden und aus diesem kurzum eine Falle gebaut. Extra hergerichtet für sie beide. Sherlocks verächtliches Schnaufen ließ seinen, an ihn angeketteten, Kollegen aufschauen. John war momentan ebenfalls damit beschäftigt , sich alle möglichen Befreiungsmethoden durch den Kopf gehen zu lassen, versuchte dabei auch sich seine Zeit in Afghanistan ins  Gedächtnis zu rufen. Dennoch half es alles nichts. Seine Ideen gingen ihm von Minute zu Minute mehr aus, gab sich letzten Endes doch geschlagen und ließ es sein. Hoffte nur noch darauf, dass dem Größeren vielleicht doch noch etwas einfallen würde. Während sich in der Zwischenzeit der Detektiv weiter umsah und nochmals die glitschige Wand abtastete, ging sein Blick irgendwann auch nach unten, näherte sich der Wasseroberfläche. Zugegebenermaßen angewidert zog Sherlock nun den rechten Schuh, indem er mit dem linken etwas nachhalf, aus und tastete dann mit seinem besocketen Fuß den Boden ab. Leider konnte er auch hier nur den glatten Stein erspüren, es gab kein Gitter oder anderweitige Öffnungen im Boden. Also war es nun amtlich. Es gab tatsächlich, außer der Öffnung, durch die sie zuvor zum hinunterklettern gezwungen worden waren, keine weiteren Ein- bzw. Ausgänge.
 

Sie standen frierend in eiskaltem Wasser, welches dem Veteran bis zur Talie reichte. Saßen kurzum in einem stockdunklen, stinkenden ca. dreieinhalb Meter breiten und fünf Meter tiefen alten Brunnen fest, den höchstwahrscheinlich kein Mensch mehr kannte oder den jeder nach all der Zeit einfach wieder vergessen hatte. Hinzu kam noch erschwerend, dass sie beide an einem Handgelenk angekettet waren, Sherlock zwar an fast alles, aber natürlich nicht daran gedacht hatte, einen Dietrich einzustecken, es hier immer stickiger und kälter wurde und sie die ganze Zeit mit ihren nassen schweren Klamotten die Zeit absitzen mussten. Durch das verschlossen Loch dort oben, mussten sie aufpassen wegen Sauerstoffmangel, durften sich nicht all zu sehr körperlich verausgaben sondern musste, wie schon erwähnt, versuchen ruhig zu bleiben. Zumindest mussten sie, Dank Sherlocks nützlichem Mantelinhalt, nicht in völliger Dunkelheit ausharren, zumindest so lange die Batterie hielt. Erneut blickte der Veteran rauf zu seinem Gegenüber, sah seinen Kollegen besorgt an. …Irgendetwas stimmte doch mit diesem nicht, mal abgesehen von dem Offensichtlichen, meinte er.
 

Zeitgleich wollte der Consulting Detective noch ein letztes Mal eine ganze Runde gehen, zog dabei den blonden Mann einfach mit sich und lief stillschweigend die ganze Wand entlang, bis sie wieder am Startpunkt angekommen sein müssten. Nachdenklich holte der Consulting Detektive tief Luft, versucht sich auch weiterhin nicht im Geringsten etwas anmerken zu lassen, wollte dem Kleineren nicht zu deutlich machen, in was für einer misslichen Lage sie sich befanden. Obwohl die Antwort eigentlich auf der Hand lag, stellte Watson seine Frage zu dieser trotzdem. “Was meinen Sie, wie lange wir hier unten noch gefangen sein werden?” Sein Gegenüber wandte sich langsam zu ihm um, lockerte plötzlich seine Haltung und lehnte sich etwas an die Steinwand. Zu Johns Verwunderung sah der junge Detektiv noch kurz auf seine Armbanduhr, ehe er seine Augen schloss und nun auch seinen Kopf nach hinten lehnte. “Nicht lange. Höchstens noch 30 bis 45 Minuten.” Mit dieser Aussage hätte der Doktor nun wirklich nicht gerechnet. Woher zum Teufel-… Er kam einen Schritt näher, musterte den anderen Mann ungläubig und wagte es noch einmal nachzufragen. “Woher wollen Sie das so genau wissen?….Moment. War das etwa Ihr Plan? Diese ‘Absicherung’ von der Sie vorhin in der Wohnung noch gesprochen hatten?”
 

“Sie haben es erfasst.”, bestätigte Sherlock trocken, rieb sich dabei noch einmal Nase rümpfend über den Nasenrücken. “Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich Sie ohne Ihre Waffe mit mir mitgehen lasse, mir nur das dümmliche Geschwafel von diesem George antue, blauäugig ohne Vorbereitung für eine offensichtliche Falle?” Selbstverständlich hatte der Arzt das nicht geglaubt. Deshalb war er zuerst auch verwundert gewesen, dass dem neben ihm auch dem Anderen diese Art von Falle wohl wirklich nicht aufgefallen war. “Zu meinem ärgerlichen Bedauern muss ich zugeben,…dass ich nicht von einer Grube, einem Loch oder eben einem Brunnen ausgegangen war. Mein Verstand wollte von all möglichen Tricks und hinterhältigen Vorgehensweisen ausgehen, blendete dabei aber fatalerweise leider die einfachste Sache aus. Dass George ein angeberischer Idiot ist, bleibt bestehen. Doch seine Einfälle hätte man wohl nicht unterschätzen dürfen. Ein genialer Schachzug …”
 

“Ein Brunnen.”, meinte der Veteran zum Schluss noch hinzufügend und seufzte leise. Er musste unweigerlich zugeben, dass er es wirklich erstaunlich fand, wie Sherlock seine eigene innerliche Niederlage, diesen kleinen dummen Fehler, selbst und freiwillig preisgab, erläuterte und es John mitteilte. Sonst war es, zumindest bisher immer so gewesen, dass der Meisterdetektiv sich seinen Teil dazu nur dachte und diesen damit für sich behielt. Doch hier und jetzt,… die plötzliche Offenheit des Jüngeren brachte Johns schlechtes Gewissen vom heutigen Morgen unweigerlich in dessen Fokus zurück. Deshalb blieb er still, stellte sich wortlos neben seinen Kollegen an die Wand, atmete erst einmal tief ein und wieder aus. Trotz des Gestankes. “Unter Platzangst scheinen wir beide nicht zu leiden, Müdigkeit und Hunger wären auch kein Problem, also sollte unsere Wartezeit reibungslos verlaufen.” Das vielleicht schon. Trotzdem munterte diese Erkenntnis den Arzt nicht sonderlich auf.

Schließlich war es immer noch kalt. Eiskalt. Auch wenn sich der Körper bis zu einem gewissen Grad nach und nach an die Kälte gewöhnte, hatte er längst unweigerlich zu frieren und dadurch ein leichtes Zittern begonnen. Als Sherlock so Gedanken versunken mit der kleinen Taschenlampe umher leuchtete, fiel John wieder ein, was er noch unbedingt von dem Größeren wissen wollte. Jetzt hatte er endlich die Chance deswegen nachzufragen. Er musste es einfach wissen. Zudem war es momentan eine willkommen Ablenkung. “Ok Sherlock, wie haben Sie das angestellt? Und Bitte, lassen Sie keine Details aus. Wir haben, wie es aussieht, ja genug Zeit für Ihre Erklärungen.” Etwas verwundert sah der Angesprochene kurz zu seinem Nebenmann, hatte aber im Grunde genommen eigentlich schon auf solch eine Frage gewartet, wusste auch genau auf was sich diese bezog und konnte sich nun ein kleines Grinsen nicht verkneifen. “Es ist ganz simpel.”, fing er schließlich an zu erzählen.
 

“Vorgestern Nacht bekam ich einen überraschenden Anruf von unserem Vertrauten Butler. Verzweifelt teilte er mir mit, dass er im Anwesen heimlich eines der Gespräche des Maklers belauscht hat. Wie zuvor von mir schon vermutet und sich nun wohl als sicher herausgestellt hat, ist dieser schmierige Typ einer von Georges Leuten. In dem Gespräch ging es wohl in etwa darum, Charlys Familie zu entführen und an einen ihm unbekannten Ort zu bringen, wahrscheinlich um ihn noch mehr unter Druck setzen zu können. Mehr brauchte ich gar nicht um mich dieser Sache annehmen zu können. Ich befahl Charlie, dass er wie bisher weiter arbeiten sollte, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Dadurch konnte ich noch in der selben Nacht, Dank des bekannten Obdachlosen-Netzwerkes und einer kleinen Bezahlung, seine Familie ausfindig machen und das Scotland Yard benachrichtigen. Lestrade sollte sich persönlich um diese Angelegenheit kümmern, was er auch getan hat.” So war das also. Charlie hatte persönlich und aus Angst um seine Familie letztendlich bei Sherlock angerufen. “Und der Butler?” “Der befindet sich mittlerweile schon bei seiner Familie. Lestrade weiß wie immer nur so viel, wie ich für notwendig gehalten habe und das ist, dass die Familie des Thomson Butlers wichtig für den Fall sind. Von dem Makler sollte er sich bis auf weiteres auf meinen Rat hin fern halten, da es uns nicht weiter bringen, einen so kleinen Fisch zu fangen, da er damit sicherlich nur die Haie aufscheuchen würde. Zu riskant. Und bevor Sie fragen - ja, Lestrade ist unter anderem auch derjenige der uns hier raus helfen wird.”
 

Erstaunt darüber, dass Sherlock mal wieder schon zuvor gewusst zu haben schien, was er gedacht hatte, starrte John stumm geradeaus, ließ sich das eben Gesagte nochmals durch den Kopf gehen. Dabei kam er nicht umhin, erneut an dieses mysteriöse Familienerbstück zu denken, wüsste doch nun noch zu gerne, um was es sich denn nun letztendlich genau handelte und warum es so absolut unbezahlbar und wertvoll sein sollte. Ein kurzer Blick des Detektiven genügte um abermals zu erkennen, was der Doktor als nächstes wissen wollte. “Da es Ihnen anscheinend auf der Zunge liegt danach zu fragen, werde ich einmal gnädig sein.” Überrascht sah John auf. “Die Geschichte mit diesem Erbstück, als ich George erklärte, dass es sich nicht mehr im Anwesen befindet und er anfing zu glauben, ich wüsste wo es sei - alles nur Bluff. Beziehungsweise - dass sich dieser Wertgegenstand eindeutig nicht mehr dort befinden kann, erscheint mir auf Grund meines jetzigen Wissensstandes vollkommen klar. Aber wo es jetzt gerade anstatt dessen befindet, dass weiß ich bedauerlicherweise tatsächlich, zumindest noch, nicht. Ich bin kurz davor auch dieses Rätsel zu lösen, das weiß ich, dafür fehlt mir aber schlichtweg zum jetzigen Zeitpunkt noch das letzte Puzzlestück.”
 

Sah da mal einer an. Sonst wusste der selbsternannte Consulting Detective doch auch immer alles. Nur würde John diesen hämischen Satz niemals aussprechen. Jedenfalls nicht jetzt in dieser ungünstigen Lage. Er seufzte leise, lächelte innerlich und verfolgte weiterhin mit den Augen den Lichtschein der Taschenlampe. “Eine Frage hätte ich aber noch.”, fügte der Doktor schließlich noch an: “Was haben Sie Lestrade genau gesagt? Woher will er wissen wo wir sind und wann er seine Leute zu uns schicken soll?”
 

Sherlock verdrehte, von John unbemerkt, der banalen Frage wegen kurz leicht genervt die Augen. “Ganz einfach. Wir vereinbarten einen Zeitpunkt. Ich sagte ihm, dass er sich sofort auf den Weg machen soll, wenn ich mich nicht nach einer halben Stunde, ab Beginn des Treffens, bei ihm per SMS melden sollte. 16:15Uhr wollten wir uns mit George treffen. Ungefähr eine Viertelstunde lang unterhielten wir uns, bevor wir schließlich hier runter gebeten wurden. Als ich eben noch auf die Uhr schaute war es 16:35Uhr, er würde also noch ca. eine halbe Stunde brauchen um hierher zu fahren und uns zu finden, da wir uns jetzt etwas abseits befinden, nicht zu vergessen unter der Erdoberfläche. Ich gab Lestrade zuvor natürlich den genauen Ort des Treffpunktes. Er wird uns demnach schon finden.” Wie sein Doktor bemerkte schien der Detektiv sich durchaus keine Sorgen deswegen zu machen. Gelassen und mit, soweit im schwachen Licht der Taschenlampe erkennbar, steinerner Miene behielt er die Kontrolle und hatte dabei anscheinend die Ruhe weg. Eben noch nach einem Ausgang gesucht und nun einfach nur noch die Zeit absitzen. Nicht gerade abenteuerlich. Doch war es vielleicht auch besser so, wie John fand. Er gab zu, dass er nicht unbedingt scharf darauf gewesen wäre, wenn er anstatt dessen zum Beispiel, an den anderen Mann gekettet, in dieser Brühe durch enge unterirdische Gänge herum tauchen hätte müssen, auf der Suche nach einem zweiten Durchgang.
 

“Und trotzdem suchten Sie hektisch nach einem Ausgang?”, hakte John nun doch einmal neckend nach. Plötzlich schien darauf hin allerdings das grelle Licht der Taschenlampe direkt in das Gesicht des blonden Mannes, welcher darauf hin nur erschrocken einatmend seine freie Hand hob um damit seine Augen davor abzuschirmen. “Sehen Sie sich doch an. Sie frieren, verkühlen sich momentan Ihren ganzen Unterkörper, haben sich bei meinem Versuch die Strickleiter festzuhalten, am Handrücken verletzt und Ihnen fällt das Atmen zunehmend schwerer. Mir geht es nicht anders und wenn es irgendwie möglich gewesen wäre, hätten wir uns schon alleine wieder aus diesem Schlamassel befreit. Ich persönlich kann mir zumindest Schöneres vorstellen, als hier untätig ewig auf Lestrade und seine Leute zu warten, schlimmsten Falls zu erfrieren oder mich vorher noch zu Tode zu langweilen, ehe sie uns gefunden haben.” Die zynischen und beinahe heraus gepressten Worte Sherlocks heiterten den Doktor nun nicht gerade auf, bewirkten in diesem Augenblick eher das Gegenteil. Noch immer leuchtete Sherlock ihn an, was John nun aber einfach nicht mehr aushielt und die Taschenlampe deshalb mit seiner Hand etwas zur Seite schob.
 

“Ist ja gut, beruhigen Sie sich wieder.”, meinte er kühl, fast schon eingeschnappt, versuchte in der Dunkelheit im Rückschein des Lichtkegels, welcher jetzt wieder zur Wand gerichtet war, die Augen des Größeren zu erkennen und sah ihn anschließend einfach nur leicht verärgert an. Dabei rieb er sich unbewusst das angekettete Handgelenk, spürte an dieser Stelle wieder diesen ziehenden Schmerz… Gut, somit war dieses Thema dann wohl auch erledigt und nun hieß es also einfach nur noch auf Lestrade und seine Leute warten… der Detektiv wandte seinen Blick langsam von seinem Doktor ab, in Richtung der gegenüberliegenden Brunnen Wand. John während dessen beobachtete Sherlock einfach nur, wünschte sich gerade wirklich dessen Gedanken lesen zu können. Dieser bekam davon bewusst nichts mit, sah einfach nur, in Gedanken versunken, stur geradeaus. Der blonde Mann ertappte sich plötzlich dabei, wie sich das schlechte Gewissen, dass er heute morgen dem Größeren gegenüber empfunden hatte, nun langsam wieder auf seine Schultern schlich und ihn erneut zu erdrücken drohte. John schluckte. Warum gerade jetzt? Konnte das nicht warten, bis sie beide wieder sauber in ihrer warmen Wohnung saßen? Wahrscheinlich lag es am Sauerstoffmangel, der Dunkelheit oder dieser eiskalten, übelriechenden Brühe, in der sie standen… Während dieser Suche nach Ausreden war sich der Veteran allerdings gleichzeitig sehr genau darüber bewusst, was für einen Unsinn er sich einredete, nur um der Last dieses eigentlich, zumindest seiner Meinung nach, so unbegründeten Gefühls zu entkommen.
 

Das Stirnrunzeln des Doktors führte dazu, dass dieser keinen Augenblick später wieder die volle Aufmerksamkeit des Detektivs auf sich zog, welcher ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue von der Seite her stutzig anblickte. Doch nicht für lange, denn schon kümmerte er sich nicht weiter um das Verhalten seines kleineren Kollegen, ging lieber ein paar Schritte, den inzwischen, durch das aufgenommene Wasser, ziemlich schwer gewordenen Mantel innerlich verfluchend. Zudem ärgerte er sich auch noch maßlos darüber, dass er sein Dietrich Set in der Baker Street gelassen hatte, aber wer hätte auch schon ahnen könne, dass dieses nötig werden würde, um unliebsame Partnerarmreifen zu entfernen. Unvermittelt knickte der Detektiv dann plötzlich beim Gehen etwas ein, kniff dabei für einen kurzen Augenblick unmerklich die Augen zusammen. Ohne zu seinem John zu sehen, steuerte er darauf hin sofort die Wand an, um sich mit dem Rücken dagegen lehnen zu können. Sherlock musste gar nicht erst zu John schauen um zu wissen, dass er nun dessen volle Aufmerksamkeit hatte. Genervt grummelnd kam von ihm nur leise zischend “Es ist nichts.” “Das sieht in meinen Augen aber ganz anders aus.” Er hatte es schon geahnt oder viel mehr sicher gewusst, dass John sich ja doch nicht so einfach abwimmeln lassen würde, woraufhin der Größere von beiden nur missmutig seufzte.
 

Also doch! Dem Arzt war doch gleich etwas Merkwürdiges an Sherlock aufgefallen. Dieser musste sich offensichtlich ebenfalls irgendwo verletzt haben. Skeptisch fing er von Neuem an den anderen Mann zu mustern, kam dabei gleich etwas näher. Und ohne dabei den ernsten Ton in der Stimme zu verlieren oder anderweitige Gegenwehr-Versuche erst zuzulassen, platzierte John seine freie Hand auf Sherlocks Brust, drückte ihn beim Reden näher an die Wand. “Heben Sie Ihr linkes Bein.” “John, ich sagte doch, dass-” “Das war keine Bitte!”, unterbrach der Arzt, im Nachdruck verleihenden Befehlston, Sherlocks Versuch sich wie immer zu drücken. Dem Consulting Detective waren seine eigenen Verletzungen vielleicht egal, oder mehr zweitrangig. Aber nicht John. Wenn sie hier unten schon so lange auskommen mussten, konnte er wenigstens mal ein Auge darauf werfen, auch ohne Hilfsmittel und ärztliches Werkzeug. Nicht nur der Arzt allein sprach in diesem Augenblick aus ihm. Auch jene Sorge, die John für seinen Freund und Kollegen empfand. Ob nun größere oder kleinere Verletzung, spielte in diesem Fall keine Rolle. Kurzerhand schnappte er sich ungefragt die kleine Taschenlampe aus dessen Hand, woraufhin der Bestohlene nur missbilligend schnaufte, wusste dieser doch genau, dass sich der Veteran jetzt ganz und gar nicht mehr davon abhalten lassen würde, ihn untersuchen zu wollen.
 

Das einzig Gute an ihrer misslichen Lage war, dass keiner von beiden, besonders Sherlock, mehr wegrennen oder flüchten konnte - wie John nebenbei auffiel. Ohne länger zu warten griff Letztgenannter runter ins Wasser, direkt unter Sherlocks, schon leicht angehobenes, Bein und zog es etwas weiter nach oben. Da das Wasser auch Sherlock bis zum Hüfte ging, wollte John dessen Bein nicht all zu weit anheben, ließ es noch unter Wasser und lenkte das Licht der Taschenlampe so gut es ging nach unten, um sich nun ein Bild von dem Ganzen zu verschaffen. Durch diese plötzliche Tat hatte sich der Detektiv etwas überrascht mit einer Hand an der Wand festgehalten, blickte stillschweigend und weiterhin emotionslos geradeaus. Derweil begutachtete John mit fachmännischem Blick sein Bein, sah es sich genau an, murmelte einmal irgendetwas Unverständliches und atmete schließlich tief und langsam aus. Das grelle Licht wieder auf die Wand neben Sherlock gerichtet, da er diesen nicht unbedingt blenden wollte, sah er nicht gerade erfreut aus, während er das Bein in seiner Hand wieder langsam abließ.
 

“Und, wie lautet die Diagnose, Doktor?” Der desinteressierte Ton der hierbei mitschwang gefiel John noch weniger, sah seinen Gegenüber ernst und eindringlich in die Augen. “Sie können froh sein, dass es sich hierbei ‘nur’ um zwei mittelgroße Verletzungen handelt. Eine aufgeschürfte Wunde am Knie und eine Art Riss an ihrem Unterschenkel. Beide werden nur spärlich von dem Stoff Ihrer Hose bedeckt und wie es aussieht bluten Sie noch immer.”
 

Er machte eine kurze Pause. Versuchte auch nur irgendeine noch so kleine Regung im Gesicht des Meisterdetektivs zu erkennen. Doch Fehlanzeige. “Sherlock, wenn Sie keine Blutvergiftung oder anderweitige Krankheiten durch diese Wunden bekommen wollen, müssen wir die Blutung schnellst möglich stoppen.” Erst jetzt blickte Sherlock auf seinen kleineren Partner herab, wusste doch selbst schon längst um seine Verletzungen und die eigentlich nötige Versorgung dieser. Hatte bis dato seine Interesse dennoch lieber ihrem Versuch hier wieder raus zu kommen gewidmet, was ihm derzeitig einfach wichtiger erschien. Doch hatte er bei seinen Überlegungen nicht mit dem Doktor gerechnet, der bei solchen Sachen niemals locker lassen würde. So auch die nächste Reaktion des blonden Mannes. “Auch wenn Sie nichts sagen, es wird sich nichts daran ändern. Dann werde ich mich eben alleine darum kümmern, denn verbluten lassen werde ich Sie hier ganz bestimmt nicht.” “Es sind nur zwei kleine-” “Nein Sherlock, so etwas fangen wir gar nicht erst an.”
 

Entschlossen klemmte der Arzt die kleine Taschenlampe schnell zwischen die Zähne und fing dann auch sogleich, wenn auch etwas umständlich, damit an erst seinen rechten freien Arm aus dem Jackenärmel zu befreien. Sherlock sah dem Ganzen nur leicht verblüfft zu. Dass dieser Doktor aber auch so hartnäckig sein musste. Im Grunde genommen genauso eigensinnig wie er selbst… Ein dezentes Schmunzeln stahl sich auf Sherlocks Mund. Dieser bestimmte und deutlich hörbare Befehlston seines Kollegen, war neu, etwas anders als sonst, doch missfiel er ihm in keinster Weise. Sherlock störte sich nicht im geringsten daran. Viel mehr…musste er momentan aufpassen mit seinen Gedankengängen nicht wieder vom gewohnten Weg abzukommen. Musste sein hoch funktionelles Gehirn am Laufen halten. So nah… wie sie beide sich schon wieder waren… das Pokerface musste wieder herhalten. Er musste sich zusammen reisen, all den anderen gefühlsduseligen Kram nicht neu aufkeimen lassen. Nicht hier. Nicht jetzt… Der Detektiv schluckte hart.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  White-Orchidee
2023-12-16T14:08:36+00:00 16.12.2023 15:08
DAS, lieber Sherlock sieht nach etwas aus das unvermeidlich ist. 🤤


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