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Love against all Reason

Liebe gegen jede Vernunft
von
Koautoren:  Linchen-86  Khaleesi26

Vorwort zu diesem Kapitel:
Wir konnten es nicht lassen… einen letzten Showdown… :o Komplett anzeigen

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Mimi

 

Der Abschied naht und nicht nur für mich ist das Ganze mehr als schwer. Sally verlässt heute Tokyo wieder. Sie war ja nur hergekommen, um mir mit Tai und dem Kampf gegen Haruiko beizustehen, im Anschluss hatte Sally noch ein paar Tage dran gehangen, weil sie sich mit Davis so gut versteht, aber jetzt ist ihr Urlaub wirklich aufgebraucht und Sally muss Montag wieder in ihrem normalen Job als Heilpädadogin arbeiten. Jetzt steht sie vor ihrem gepackten Koffer und schlagartig wird auch mir bewusst, dass ich jetzt wieder mal keine Klamotten mehr habe. “Soll ich dir noch etwas hier lassen?”, fragt sie mich mit einem Lächeln, aber ich merke, wie schwer es ihr fällt, all das hier hinter sich zu lassen. “Nein, es ist ja nicht so, dass ich nichts habe, ich komme da nur nicht dran, aber jetzt … ich werde einfach Frau Kido anrufen und sie bitten mich noch ein letztes Mal in die Villa zu lassen, damit ich meine Klamotten packen kann oder meinetwegen kann sie sie mir auch gegen den Kopf werfen. Hauptsache ich bekomme meine Sachen zurück.” Sie nickt und seufzt schwer.

“Ach Sally.”

“Ich hätte nie gedacht, dass es mir so gut gefällt.”

“Sprichst du von Tokyo oder von Davis?” Mit geröteten Wangen blickt Sally von ihrem Koffer zu mir. “Wohl eher von Davis. Ich meine, ich wusste ja, dass ich wieder zurück muss und es nur eine Urlaubsflirterei ist, aber jetzt wo ich nicht weiß, ob ich ihn je wiedersehe, stimmt es mich traurig.”

“Und wenn du einfach hier bleibst?”

Sally sieht mich mit diesem: Ja-wenn-es-sonst-nichts-ist-Blick an. “Ich spreche nicht mal die Sprache und auch wenn es Spaß gemacht hat, als Kellnerin zu jobben, so sehe ich darin nicht die Erfüllung meines beruflichen Lebens.”

“Ja okay, das verstehe ich.”

Schwere Situation. Berufliche Chance auf der einen Seite, die große Liebe auf der anderen Seite. “Was ist mir dir? Fliegst du zurück?”

“Ich?” Ich schüttel sofort meinen Kopf. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, wie es mit mir und Tai weitergeht und was uns die Zukunft bringt, aber ich weiß, dass wir zusammengehören und ich nicht wieder von Tai getrennt sein will. “Von meinen Bewerbungen habe ich leider noch nichts gehört, aber ich hoffe, dass da noch etwas kommt.” Auch weiß ich nicht, wie sich Tai seine Zukunft vorstellt. Zumindest die Berufliche, ob er wieder als Stuntman arbeiten will? Doch wieso bin ich dagegen? Zu groß die Angst, dass so etwas nochmal passieren könnte? Wahrscheinlich.

“Ich weiß nur, dass ich bei Tai bleiben werde. Alles andere wird sich schon irgendwie finden, aber eines weiß ich und dazu musste ich beinahe die ganze Welt bereisen. Tai, ist meine große Liebe und es wäre verrückt, diese jetzt ziehen zu lassen, jetzt wo wir endlich alles haben können.”

“Ich dachte mir, dass du so etwas sagst und habe großen Respekt davor.”

“Würdest du nicht für die große Liebe hierbleiben?” Sally verkrampft sich. Ich verstehe, dass unsere Situation nicht die gleiche ist. Ich bin Japanerin, Sally ist es nicht. In Tokyo habe auch ich meine Wurzeln. Gut, Tai musste mir helfen, diese wieder zu entdecken, aber ich bin stolz auf meine Herkunft.

“Ich bin durch und durch Amerikanerin. Im ernst, ich darf hier nicht mal niesen und immer dieses Verbeugen, da wird mir ja ganz schwindelig von.” Unwillkürlich muss ich lachen. Ich verstehe schon, dass all das für Sally ein Kulturschock sein muss. So wie es andersherum sicher genauso wäre. “Und ich kann nichts lesen. Nichts. Diese Schriftzeichen, also, als Tattoo finde ich das ja cool, aber ich könnte ja nicht mal irgendwas davon entziffern.”

Ich verstehe Sally. Auch ich habe meine Schwierigkeiten damit und muss vieles auffrischen. Man vergisst eben einiges, wenn man sich nicht täglich damit auseinandersetzt und in den USA wollte ich so schnell wie möglich Englisch lernen, sodass wir auch zuhause bald nur noch Englisch geredet haben. “Daher, werde ich Davis wohl eher nicht mehr Wiedersehen.”

“Oh man, Davis hat irgendwie auch kein Glück in der Liebe.” Irgendwie stimmt es mich traurig, dass aus den beiden wohl doch nichts wird. Es kann wohl nicht immer und für jeden ein Happy End geben.

“Siehst du Davis heute nochmal?”

“Ja, wir gehen nochmal zusammen essen und dann bringt er mich zum Flughafen.”

Das ist wohl ihr Stichwort. Sally erhebt sich und auch ich tue es ihr nach. “Danke. Keine Ahnung, wie ich all das überstanden hätte, wenn du nicht da gewesen wärst.” Sally lächelt mich an und wir umarmen uns. “Immer wieder gerne. Wozu hat man denn eine beste Freundin?”

“Komm gut heim und melde dich, wenn du angekommen bist oder du Liebeskummer hast. Dieser Mist schmerzt ganz schön.”

Sally nickt und löst sich langsam von mir. Wir ziehen uns unsere Jacken und Schuhe an und verlassen Tais Wohnung. Draußen steht bereits Davis und sieht auch nicht glücklicher aus. “Hey”, begrüßt er Sally und auch sie umarmen sich. “Hey, noch ist es nicht so weit”, versucht Sally Davis aufzumuntern, aber es ist doch eher ein schwacher Versuch. “Schon klar.”

Sally dreht sich nochmal zu mir um und ich reiche ihr den Koffer, den ich mit runter genommen habe. “Danke. Ich rufe dich an, wenn ich in New York bin.”

“Mach das. Ich wünsche euch einen schönen letzten Tag zusammen.” Die Beiden nicken und ich sehe ihnen ganz wehmütig hinterher. Ach Mensch, es ist so traurig, dass sie sich verabschieden müssen, obwohl sie offenbar Gefühle füreinander hegen. Allein der Gedanke, dass mir das mit Tai bevorstehen würde, würde mein Herz erneut brechen.

 

Mit klopfendem Herzen stehe ich vor der Kido-Villa. Sofort jagt mir ein kalter Schauer über den Rücken.

Flashbacks.

Ich zittere. Unglaublich, wie mein Körper auf diesen Ort reagiert, als ob er mich versuchen würde zu warnen.

- Geh nicht weiter -

- Dreh dich um -

- Du gehörst nicht hierher -

Keine Sorge, ich habe nicht vor länger zu bleiben, als notwendig. Ich hätte vielleicht anrufen sollen. Aber, ich will doch nur meinen Koffer wieder haben, mehr nicht. Diesbezüglich wird Frau Kido sicher mit sich reden lassen.

Ich nehme mein Handy aus meiner Tasche, um Tai eine WhatsApp zu schicken. Er macht sich ständig Sorgen, dass noch irgendetwas passieren könnte, aber was soll schon geschehen? Haruiko sitzt im Gefängnis. Er ist genau da, wo er hingehört. Joe wohnt wieder in seiner Wohnung und Frau Kido … Sie wird natürlich auch wütend auf mich sein, aber sie wird mir nichts antun oder dergleichen. So ist sie nicht. Und jetzt, wo Sally wieder abreist, ist es der perfekte Moment meine Klamotten zu holen. Ich weiß, ich habe Tai versprochen, das nicht zu tun, aber ich brauche nun mal mein Zeug und hoffe inständig, dass sie meine Sachen nicht schon verbrannt haben.

 

>Hi Liebster, ich bin kurz in der Villa, um meine Klamotten zu holen. Mach dir keine Sorgen. Ich melde mich danach. Kuss.<

 

Ich warte noch einen Moment, aber Tai scheint gerade keine Zeit zu haben, um zu antworten. Also hole ich tief Luft, straffe meine Schultern und klingel.

“Ms. Tachikawa?”

“Hallo Ansgar, wäre es möglich, dass ich meine Klamotten abhole?”

Die Lautsprecherfunktion wird abgebrochen.

Rauschen.

Stille.

Okay. Wollen die mich jetzt einfach Ghoasten?

Auf einmal öffnet sich das Tor. Ich sehe mich zwar um, kann aber nichts und niemanden erkennen. Mit einem mulmigen Gefühl im Bauch trete ich immer näher an die Villa heran.

 

Nur deine Sachen holen, Mimi, mehr nicht, du schaffst das.

 

Ansgar eilt auf mich zu. Irgendwie sieht er sehr angespannt aus. Falls man das überhaupt sagen kann. “Sie sollten Ihre Kleidung besser zu einem anderen Zeitpunkt abholen.” Ich verstehe nicht, was das Ganze soll, denn offenbar scheint es Frau Kido gerade Recht zu sein.

“Keine Sorge, Ansgar, ich beeile mich. Ich schmeiße alles schnell in den Koffer und werde dann ganz zügig wieder verschwinden.” Ich will das einfach nur hinter mich bringen, wie ein Pflaster abreißen: kurz und schmerzlos. Also los.

 

 

Tai

 

Seit drei Tagen bin ich bereits in der Reha. Ein Fortschritt, immerhin kein Krankenhaus mehr. Ich muss nicht mehr jeden Tag Joe sehen und aktuell ist es besser, wenn etwas Abstand zwischen uns entsteht. Das Gehen mit den Krücken ist zwar immer noch anstrengend, aber in der Reha kann ich endlich wieder etwas für meinen Muskelaufbau machen. Gerade hatte ich meine erste Stunde im Fitnessraum und es ist eine Katastrophe gewesen. Wie viele Jahre meines Lebens habe ich trainiert? Fünfzehn Jahre? Und ein Unfall, eine Woche Koma und drei Wochen Krankenhaus machen aus meinen Muskeln Wackelpudding. Auch meine Kondition lässt stark zu wünschen übrig. Das muss sich dringend wieder ändern. Der Reha-Ablauf ist aber wirklich kein Urlaub. Den ganzen Tag habe ich Programm. Auch Theorie wie Ernährungslehre und sogar Stunden beim Psychotherapeuten stehen auf dem Programm. Um vier Uhr habe ich dann endlich Feierabend. Man sagte mir bereits, dass ich wohl einen Monat hier bleiben werde und auch dann werde ich noch ambulant Krankengymnastik brauchen. Wie lange es wohl im gesamten dauert, bis ich wieder der Alte bin? Werde ich überhaupt wieder dahin kommen? Ich hoffe es. Ich wünsche es mir und ich werde alles dafür tun.

Im Fitnessraum kam tatsächlich eine Sondermeldung im Fernsehen, dass Professor Dr. Haruiko Kido heute auf Kaution das Gefängnis verlassen hat und zunächst unter Hausarrest steht. Das heißt, dieser Dreckskerl darf in die Villa zurück. Tzz. Unglaublich, dieser Kerl ist sowas von schuldig, aber nichts was ein bisschen Geld nicht wieder richten würde. Fassungslos schüttel ich den Kopf, wenn ich an diesen Bericht zurück denke. Warum, hat man sich bei ihm überhaupt auf eine Summe geeinigt? Weiß Kaito davon? Sicher wird er das. Er ist immerhin Staatsanwalt. Ich nehme mir gerade das erste Mal das Handy wieder, als ich sehe, dass Mimi mir geschrieben hat.

Sicher ist ihr der Abschied von Sally schwer gefallen. Sie wird nachher bestimmt Trost brauchen. Doch dann fällt mir fast alles aus dem Gesicht. Sie ist in der Villa. Mimi. Mein Mädchen und Haruiko unter einem Dach? “Scheiße”, schreie ich raus und rufe sofort Mimi an. Keine Verbindung.

Keine Verbindung? Was zum … Erneut schreie ich wütend meinen Frust raus.

Eilig tippe ich eine Nachricht an sie, doch es ist bereits eine halbe Stunde her, dass sie mir geschrieben hat. Eine halbe Stunde. Dreißig Minuten. Viel zu viel Zeit, in der viel zu viel passieren kann. Ich will laufen. Ich will zu ihr, aber mein Körper zwingt mich in die Knie. Ich kann gerade mal zehn Schritte gehen, mit Krücken. “Argh!” Verzweifelt schmettere ich meine Faust gegen die Wand. Ken.

Ich wähle sofort Kens Nummer und zum Glück geht er gleich an. “Tai? Wie läuft die Reha? Ich habe leider noch …”

“Ken! Du musst sofort mit Verstärkung zur Kido Villa.”

“Warum das denn?”

“Mimi ist da.”

“Aber … Haruiko steht doch seit heute unter Hausarrest, weiß Mimi das denn nicht?”

“Nein! Sie wird es rund um den Abschied von Sally nicht mitbekommen haben. Ich habe es ja vorhin selbst zufällig über die Medien erfahren.”

“Verdammt, dann schwebt sie in großer Gefahr.” Ken legt auf. Verdammt, verdammt. Was soll ich nur tun? Ich kann auf keinen Fall hier sitzen und abwarten. Ich greife nach meinen Krücken und verlasse mein Zimmer. Ich rufe mir ein Taxi und fahre ebenfalls zur Kido-Villa. Oh Mimi, bitte, es darf dir nichts passiert sein.

 

 

Mimi

 

Da bin ich wieder, in meinem alten Zimmer oder eher in meinem persönlichen Gefängnis. Ich kann es nicht fassen, wie lange ich es hier ausgehalten habe. Ich bekomme mal wieder eine Gänsehaut und weiß nur, ich will hier so schnell wie möglich wieder raus. Dieses Kapitel ein für alle mal abschließen. Meine Klamotten liegen tatsächlich alle noch an Ort und Stelle. Keiner hat sie angerührt. Ich öffne meinen Koffer, die Schranktüren und werfe alle meine Sachen da rein. Die Klamotten, die mir im Zuge der Verlobung neu gekauft worden sind, lasse ich zurück. Diese komischen Fummel waren sowieso nie meins und ich würde sie eh nie wieder anziehen. Nachdem ich im Schlafzimmer soweit fertig bin, eile ich ins Bad und packe meinen Kulturbeutel. Meinen Föhn, Glätteisen. Einfach alles. Bloß, keine Zeit verlieren. Ich drehe mich um und erschrecke mich, als plötzlich Frau Kido vor mir steht. Ich drücke die Sachen nah an meine Brust, da sie beinahe auf den Boden gefallen wären. “Oh.” Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich sagen soll. Frau Kido sieht nicht, wie ich erwartet habe, sauer aus. Nein, irgendwie eher besorgt?

“Ich …” Sie war immer so gut zu mir und ich wollte ihr auch niemals schaden oder weh tun, aber wie hätte ich ihr wieder unter die Augen treten sollen, nachdem was alles war?

“Mimi. Du hättest nicht einfach herkommen sollen.”

“Ich bin ganz schnell wieder weg und werde euch dann nie wieder belästigen.”

“Das meine ich nicht. Jetzt kann ich nichts mehr für dich tun.”

“Für mich tun?” Frau Kido verschwindet und ist genauso schnell wieder weg, wie sie gekommen ist. Was war das denn? Erst ist Ansgar so komisch gewesen und jetzt Frau Kido. Ich schüttel meinen Kopf. Alles muss irgendwie in diesen Koffer passen und dann verlasse ich diese verdammte Villa. Ich setze mich auf den Koffer und schließe den Reißverschluss mit aller Kraft zu. Fertig. Super. Den Blick zurück kann ich mir sparen. Ich laufe aus dem Zimmer und renne geradewegs in und ich kann kaum glauben, dass das geschieht, in den Professor rein. Sofort gehe ich ein paar Schritte zurück. Wie kann das sein? Warum ist Haruiko hier und nicht im Gefängnis? “Du hier? Dass du es wagst”, knurrt er und sieht mich feindselig an.

Nein, ich habe keine Angst mehr vor ihm. Nie wieder. Diese Zeiten sind vorbei.

“Ich weiß nicht, warum Sie hier sind, aber gehen Sie mir aus dem Weg. Ich habe nur meine Sachen geholt. Alles andere habe ich da gelassen.”

“Du gehst ganz sicher nirgends hin. Es muss wohl eine Fügung des Schicksals sein, dass du heute hier in der Villa aufgetaucht bist.”

“Sie wissen, dass Sie schuldig sind. Was versuchen Sie hier?”

Er grinst. Dieser Teufel. Wie kann er nur so selbstgefällig grinsen? Ihm sollte doch schon lange das Lachen vergangen sein. Doch wieso bekomme ich das Gefühl, als würde ich gleich nichts mehr zu lachen haben?

“Ich hatte nur einen Wunsch, als ich im Gefängnis saß: noch einmal die Gelegenheit zu bekommen, auf dich zu treffen. Dir alles heimzuzahlen.”

“Ich bin nicht für ihre Sünden verantwortlich.” Er alleine ist der Grund warum er heute am Ende ist. Tai und ich haben ihn nur gestürzt und zu Fall gebracht, aber die Straftaten hat er allein begangen. Sein Blick ändert sich. Sein Grinsen verschwindet. “Wenn du nicht gewesen wärst, wäre all das niemals passiert.” Er kommt näher auf mich zu, ich taumle weiter zurück. Er will ernst machen. Mit was? Mich zur Strecke zu bringen? “Wie läuft eigentlich Taichis Reha? Muss schwer für ihn sein.”

“Sie …” Wie kann er es wagen? Ihn erst umbringen wollen und ihn dann noch auslachen. So ein Mistkerl. Doch wie soll ich mich im direkten Kampf gegen Haruiko behaupten? Ich habe doch keine Chance.

“Aber jetzt kümmern wir uns erst einmal um dich.” Was meint er damit? Ich habe das Ende des Flurs erreicht und spüre die Wand hinter meinem Rücken. Haruiko steht direkt vor mir und ich stehe hier, wie das Kaninchen vor der Schlange. “Du elende …”

“Argh.” Er ist so Feige. Wieder packt er mich am Hals und fängt an, mich zu würgen. Ich bekomme kaum Luft. Mein Körper wird schlaffer, kann sich immer weniger gegen den Angriff wehren und Panik steigt unwillkürlich in mir auf.

“Stopp, das reicht”, höre ich Frau Kidos Stimme. Haruiko lässt jedoch nicht von mir ab. Er ignoriert seine Ehefrau, aber wundern tut es mich nicht. Als würde ihn je interessieren, was seine Frau oder überhaupt eine Frau zu sagen hat. Die Luft wird dünner, aber ich werde ihm nicht diese Genugtuung geben und ihn anflehen. “Haruiko, lass das.” Er drückt noch fester zu, aber lässt dann doch von mir ab. Ich japse nach Luft. Ich weiß, er hat mich nicht wegen seiner Ehefrau losgelassen. Nein, er will, dass ich leide, sonst wäre es ja viel zu schnell vorbei und wo wäre dann der Spaß? “Weißt du, vielleicht hast du Recht und ich lande für den Rest meines Lebens im Gefängnis, aber weißt du, was das Gute daran ist?” Seine Stimme klingt bedrohlich wie ein Schwert. Ich wische mir die Tränen aus den Augenwinkeln und versuche seinem Blick standzuhalten. Auch wenn ich nicht weiß, wo ich die Kraft dafür hernehme.

“Ich habe nichts mehr zu verlieren, aber zu wissen, ich ziehe dich mit runter, treffe somit auch Taichi, ist Genugtuung pur für mich. Ich gehe vielleicht unter, aber ich nehme euch mit.”

Ich bin noch immer dabei, Luft in meine Lungen zu saugen, als ich diese wieder anhalte.

Der Professor holt aus einer hinteren Gesäßtasche ein Messer hervor. Ein Messer mit einer scharfen Klingel. Jetzt werden meine Augen doch größer. Okay, er meint es Ernst. Jetzt erledigt er seine Drecksarbeit zumindest selbst.

Ich will nicht so zu Ende gehen. Das darf einfach nicht passieren. Ich bin angespannt, aber ich werde kämpfen.

“Du hättest dich nicht mit mir anlegen sollen. Ich hatte dich gewarnt, aber offenbar willst du es unbedingt auf die harte Tour lernen.”

“Haruiko …”, höre ich die flehende Stimme von Frau Kido, aber nichts wird ihn von seiner Tat abbringen. Ausweichen kann ich nicht so gut, wehren, ein Versuch, vielleicht der Einzige. Wieder schellt seine Hand in meine Richtung, ich gehe in Deckung. Er grinst. “Es fängt an mir richtig Spaß zu machen.” Er schlägt mit dem Messer nach unten, ich springe zur Seite. Hilfe. Haruiko steht wieder vor mir und ich hocke in der Ecke. Wie komme ich hier nur aus der Situation raus? So kann und darf ich nicht draufgehen. Tai hat so viel riskiert. Ich habe so viel riskiert. Wir sind zu weit gekommen, um jetzt alles zu verlieren. Sagt man nicht: Angriff ist die beste Verteidigung? Ich muss wahnsinnig sein oder es schießt zuviel Adrenalin durch meinen Körper, egal was, aber ich gebe nicht auf. Ich greife mit meinen Händen an seine Waden, packe meine langen Fingernägel ins Fleisch und schaffe es zwar nicht, ihn umzuwerfen, aber zumindest, dass er strauchelt. Das reicht, ich stemme mich nach oben und laufe an ihm vorbei. Haruiko fängt sich aber schnell wieder und schlägt mit dem Messer nach mir aus. Er streift damit meinen linken Arm. Ich blute sofort. Es brennt, es schmerzt. Ich versuche mit der anderen Hand die Blutung zu stoppen, aber der Schnitt ist zu tief. Egal, ich muss hier weg. Ich darf nicht darüber nachdenken, was hier passiert, denn sonst würde mich die Erkenntnis lähmen und ich könnte nicht mehr kämpfen. “Du Schlampe.” Haruiko nimmt natürlich die Verfolgung auf, aber Frau Kido stellt sich ihm in den Weg. Ich drehe mich um.

“Stopp, Haruiko, es reicht.”

“Geh mir aus dem Weg.” Er packt seine Frau grob an den Schultern und schubst sie gegen die Wand. Frau Kido fällt. Ich brauche ein paar Sekunden, um zu realisieren, was ich da gesehen habe. Dann stürmt Haruiko los und ich auch. Die Treppenstufen kommen mir ewig lang vor und ich bin froh, als ich irgendwie das Foyer erreiche. Die Haustür, sie ist nicht mehr weit weg. Das werde ich sicher schaffen. Gleich bin ich draußen und dann kann der Professor mir nichts mehr anhaben. Die Fußfessel über seinem Knöchel habe ich eben gesehen. Ich drücke die Haustür auf, aber es tut sich nichts. Abgeschlossen. Was? Die war noch nie abgeschlossen. Ich drehe mich um. Haruiko ist gleich wieder bei mir. “Du wirst hier nicht raus kommen. Alle Türen und Fenster sind verschlossen. Die Mühe kannst du dir also sparen.”

Ich schlucke. Wo soll ich jetzt hin? Wieder nach oben laufen und mich in meinem alten Zimmer einschließen? Nein, ins Wohnzimmer? In die Küche? Oh man, mir gehen die Möglichkeiten aus. Denk nach, Mimi, denk nach. “Und gibst du auf?”

“Niemals.” Wieder steht er so feige da. Mit einem Messer in der Hand und bereit, es gegen mich einzusetzen. Er kommt vor mir zum Stehen und schon wieder bin ich in die Ecke gedrängt worden. Okay, ich wollte keine Angst mehr haben, aber jetzt habe ich sie. Wieso musste ich auch nur diese Villa aufsuchen. Ich hätte einfach auf Tai hören sollen. “Das ist besser als erwartet.” Er schlägt wieder nach mir mit seinem Messer aus und wieder versuche ich auszuweichen. Er hat jedoch damit gerechnet und streift nun meinen anderen Arm. Dann schleudert er mich herum, packt mich am Hals und hebt mich an, als wäre es nichts für ihn. Er würgt und zwar direkt ganz fest. Ich habe Schmerzen, an meinen Armen, an meinem Hals, aber am meisten in meinem Herzen. Die Klinge des Messers streicht über meinen Hals. Mein Herz schlägt wie wild gegen meine Brust. Ich bekomme keine Luft mehr.

Ich habe Angst.

Er könnte es jetzt wirklich beenden. Ein wenig tiefer der Schnitt und das wäre es. Ich spüre einen brennenden und beißenden Schmerz an meinem Hals und bekomme erneut Panik. So hilf mir doch jemand. Tai, es tut mir leid. So, so leid. “Noch ein paar letzte Worte?“

“Fahr zur Hölle.”

Denn da gehört er hin. Er grinst und als ich denke, dass es das gewesen ist, höre ich einen dumpfen Knall. Der Professor hält inne, fällt schließlich auf die Knie und dann zu Boden. Hinter ihm steht Frau Kido mit einer großen Vase, die jetzt zerbrochen ist.

Ich starre sie mit großen Augen an. Sie hat mich gerettet und sich gegen ihren Mann gestellt. Sie lässt die Vase fallen und bückt sich zu ihrem Mann hinunter. Ich weiß gar nicht, was ich denken soll. Ist er …?

Auf einmal sehe ich Blaulicht. Die Polizei bricht die Tür auf. Zwei Streifenwagen und ein Krankenwagen stehen vor der Einfahrt. “Mimi?” Ken steht vor mir. “Sie ist verletzt”, ruft er nach hinten. Ich starre immer noch auf den Boden, während Blutspritzer den ganzen Boden bedecken. Was ist mit Haruiko? Ein Sanitäter geht zu dem liegenden Professor. Ein anderer kommt zu mir. Der Sanitäter zieht mich nach draußen. Er setzt mich auf eine Liege und legt ein steriles Tuch auf meine offene Wunde am Hals. Ich starre noch immer in den Flur. Er darf nicht tot sein. Er muss doch noch für all seine Sünden bestraft werden, denn das wäre die schlimmste Strafe für ihn. “Geht es Ihnen gut?” Ich kann mich kaum auf den Sanitäter konzentrieren, alles verschwimmt vor meinen Augen. Das Adrenalin in meinem Körper lässt nach. Ich sehe an mir herab, überall Blut. Blut, welches an meinen Armen runterläuft. Blut, welches meine Kleidung einnässt. Blut, welches meine Haarspitzen rot verfärbt und dann wird mir schwummrig. Es fällt mir schwer, meine Augen aufzuhalten. “Legen Sie sich vorsichtig hin.”

“Haru …?” Ist er? Ich muss es wissen. Dann höre ich ein Jaulen, er ist wach. Welch eine Erleichterung, ich schließe meine Augen. Ich habe einfach keine Kraft mehr.

 

 

Tai

 

Das Rehazentrum ist am Stadtrand und natürlich muss ich einfach ans andere Ende der verdammten Stadt. Wie sehr würde ich mir wünschen, ich könnte fliegen oder mich beamen. Nach fast einer Stunde erreiche ich das Kido Anwesen. Die längsten sechzig Minuten meines Lebens. Wenn Mimi sich nur ansatzweise so gefühlt hat, als ich im Koma lag, weiß ich annähernd, welche Höllenqualen sie durchlitten haben muss. Ich habe noch unzählige Male versucht, sie anzurufen, aber natürlich ging nie jemand ran. Selbst Ken hat sich noch nicht gemeldet. Er muss doch wissen, dass ich hier vor Sorge umkomme. Doch dann bin ich endlich da. Ich sehe Blaulicht, unendlich viele Menschen. Polizei, einen Haruiko der gerade wieder in einen Streifenwagen verfrachtet wird und Frau Kido die weinend auf dem Boden liegt. Aber wo ist Mimi?

“Mimi?”, rufe ich schließlich nach ihr. Ken eilt auf mich zu. “Tai, Mimi ist im Krankenwagen. Sie wird behandelt. Es …” Ich höre Ken gar nicht weiter zu. Sofort sprinte ich mit meinen Krücken los und mein Herz setzt für den Bruchteil einer Sekunde aus, als ich Mimi verletzt auf der Liege liegen sehe. Überall ist Blut. Schnittwunden. Mimi trägt einen Verband um ihren Hals. “Mimi?” Ihre müden Augen finden mich und sie fängt an zu weinen. Mein Herz bricht. Ich stemme mich die zwei Stufen nach oben und setze mich zu ihr. Ich nehme sie in meine Arme und weine mit. Das halte ich fast nicht aus. Dieser Anblick und der Gedanke, was alles hätte passieren können, ist schlimmer als die Zeit nach dem Koma. Ich halte sie so lange fest, bis Mimi sich einigermaßen beruhigt hat. “Es tut mir leid, dass ich hierher gekommen bin. Ich wollte doch nur meine Sachen wieder haben.”

“Ach Prinzessin.” Ich tröste sie erneut, streichle über ihren Kopf. Gerade bin ich einfach nur froh, dass mein Mädchen noch lebt. Auch wenn ich noch nicht weiß, was hier passiert ist und wie knapp wohl alles gewesen sein muss. Sie lebt. Ich lebe. Er hat uns beide versucht zu töten. Er wollte uns beide loswerden und doch sind wir Überlebende.

Denn wir haben die Hoffnung nie aufgegeben. Hoffnung ist ein starkes Gefühl, aber auch Hoffnung kann zerstört werden und in Verzweiflung und Hass übergehen. Haruiko war fast auf dem Weg zu gewinnen, weil er so blind vor Wut auf uns war, aber wir haben nicht aufgegeben.

Wir gegen den Rest der Welt. Das sind wir. Das ist unsere Stärke und Haruiko wird niemals eine Chance dagegen haben.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Hallostern2014
2024-04-20T12:56:02+00:00 20.04.2024 14:56
Huhu ihr Lieben, da bin ich wieder 😍

Oh man mir tun die beiden Leid, für Sally ist es ja auch nicht gerade einfach. Sie dachte bestimmt nicht daran das wenn sie Mimi besucht und sie unterstützen tut, dass sie sich dabei in Davis verliebt. Schade das ihr Urlaub vorbei ist. Das Mimi wieder in die Villa möchte finde ich nicht gut, hoffentlich sagt Frau Kido nein. Aber naja sie braucht ja auch was zum anziehen deswegen kann ich verstehen das sie gerne ihr Sachen wieder haben möchte.
Vielleicht kommt ja Sally doch irgendwann zurück und bleibt dann in Japan. sie könnte ja die Sprache lernen Oder Davis zieht zu Sally, aber das wird die Zeit bestimmt schon zeigen.
Das MImi nicht zurück möchte war mir auch klar, Tai kann noch nicht so wie er möchte und gerade sind beide wieder sicher in Japan. Was die Jobsuche angeht, da glaube ich schon das MImi in Japan was finden wird. Mimi angst das Tai wieder als Stuntman arbeiten wird kann ich verstehen. Ich bin gespannt wie er entscheiden wird. Aber egal für was Mimi ist es egal Hauptsache beide sind zusammen. Hehe, ich glaube wenn Sally länger in Japan leben würde das alles von alleine und unbewusst kommt. Aber ich kann sie auch verstehen das es für ihr schwer ist. Armer Davis und arme Sally, beide werden solchen LIebeskummer haben.

Mimi ist verrückt, warum nimmt sie keinen mit zu der Villa, wer weiß wie Frau KIdo auf sie reagieren wird. Aber zum glück sagt sie Tai bescheid, er wird nicht begeistert davon sein. Wird sie aber verstehen können. Ich finde das Verhalten von Ansgar komisch, als wäre er in Panik, zum glück habt ihr da nicht aufgehört.

ich glaube so wie Tai die letzten Tagen an sich gearbeitet hat das er schnell wieder wie der Alte sein wird, er macht so schnelle Fortschritte.
o Nein der Teufel ist draußen und Mimi ist gerade in der Villa, scheiße deswegen war auch Ansgar so komisch. Hoffe Mimi kann schnell entkommen und läuft ihn in die Arme des Teufel. Tais Angst und MImi sind deutlich zu spüren. zUm glück hat er schnell Ken angerufen. Mimi ist in großer Gefahr. Das Tai auch hin möchte kann ich verstehen.

Wenn MImi gerade jetzt wüsste in Welcher gefahr sie ist, dann würde sie sofort weg laufen. Aber leider ist es nicht so. O nein Frau Kido lässt den Teufel zu MImi, sie hat wohl viel zu viel Angst was mit ohr passieren wird wenn sie sich vor MImi stellt. Und nun weiß Mimi was los ist, warum alle so komisch sind. MImi soll bitte ganz schnell weg laufen, der Teufel ist verrückt, alleine das er schon daran gedacht hatte wie er sich an Tai und Mimi rächen kann zeigt wie Krank er ist. Kann da niemand dazwischen gehen, der Typ macht mir Angst, ich hoffe das bald Ken auftaucht. Jetzt hat er Mimi, aber zum glück hat Frau Kido versucht zu helfen, nur der Teufel lässt sich nichts sagen er ist so in seinen Wahn gefangen das alles und jeden ignoriert vor allem seine Frau. Man, warum lässt ihr Mimi so leiden 😭. Jetzt geht er mit einem Messer auf ihr los. Es ist so schrecklich, Mimi Angst spürt man immer mehr. Aber MImi kämpft zum Glück. Er hat aber dann schnell vorsorgt wenn er alles abschließt und Mimi somit nicht raus kann. Ich hasse ihn so sehr. ein Glück kamen Ken und seine Kollegen rechtzeitig. Auch das er vorher von seiner Frau K.o geschlagen wurde ist gut, sie hätte bestimmt nicht damit leben können wenn sie zugelassen hätte das der Teufel es zu ende bringt, obwohl sie vorher nicht wirklich alles getan hat um Mimi zu schützen so war sie gerade da. Ich hoffe insgeheim das der Teufel tot ist, aber leider wird es nicht so kommen. Zu schade.

Tai merkt nun langsam mehr was Mimi damals durch machen musste. Ich musste mit beiden mit weinen, man merkte von beiden die Erleichterung an. Beide sind jetzt überlebene des Teufels und haben gezeigt was man erreichen kann wenn man nie aufgibt und den Mut an sich den größten Gegener zu stellen.

ich hoffe Mimi kann es mit Hilfe von Tai alles verarbeiten.

ich bin gespannt was mich gleich noch erwartet❤️

Von:  Tasha88
2024-04-10T16:08:37+00:00 10.04.2024 18:08
Oh wow, Showdown trifft es!
So. Was von!
Antwort von:  Ukiyo1
14.04.2024 10:49
Da ist nichts hinzuzufügen :D


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