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Monogatari

Eine Geschichte der Uchiha-Familie
von

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[Itachi] Entwicklungen

September 1991
 

Die Probleme, die durch die Trennung der Sannin und Orochimarus Weggang aus Konoha passiert waren, hatte ich nur am Rande mitbekommen. Ich war nach der Mission im Regenland wieder mehr an der Uni als auf Missionen gewesen, und das Einzige, was ich genauer verfolgt hatte, war die Untersuchung des Briefes aus dem Regenland und die These, dass Madara ihn geschrieben hatte. Wenn ich von der Uni aus die Gelegenheit hatte, ging ich zu Minato und sprach mit ihm über das, was wir dahingehend vermuteten. Ansonsten beschäftigte ich mich mehr mit Sasuke als mit derartiger Arbeit.
 

Mitte September kam dann der Abschlussbericht der Spurenabteilung, die den Brief genauestens untersucht hatte, und Minato beorderte mich und Shisui zu dieser Besprechung dazu.

Das Labor hatte sämtliche Eigenschaften, das Papier, die Schrift, die inneren Energien und den gesamten Text analysiert, und auch mit Madaras noch hier befindlichen Nachlässen abgeglichen, um entweder auszuschließen, dass er den Brief verfasst hatte, oder selbiges zu beweisen.
 

Und sie waren fündig geworden. Abgesehen von dem Pseudonym am Ende des Briefes war auch im Papier etwas entdeckt worden: Und zwar feinster Staub von grüner Jade, die unverkennbar aus dem Vorkommen von Jade im Felsmassiv von Konoha stammte. Die heilige Halskette des Ersten Hokage, die sich im Besitz von Tsunade befand, bestand aus derselben Jade, und jeder im Dorf wusste, dass Madara ebenfalls ein großes Stück dieser Art von Jade besaß, das er immer bei sich trug. Der Staub war so fein, dass er vermutlich dadurch ins Papier gelangt war, dass Madara beim Schreiben des Briefes diesen Jadestein als Papierbeschwerer benutzt hatte.
 

„Und was machen wir jetzt damit? Sollen wir Madara zurückholen?“, fragte der Laborbeamte.

„Nein“, sagte Minato und sah dabei mich an. „Er wird von selbst zurückkommen.“

„Warum sollte er? Warum ist er überhaupt gegangen?“, fragte der Beamte weiter.

„Er kommt wieder“, sagte ich. „Er ist doch nur gegangen, um dort zu helfen. Diese Dorf, was er gründen will, zielt auf eine Entwicklungshilfe für das Regenland ab. Er ist kein Deserteur.“

„Aber wir schicken demnächst ein Team, um herauszufinden, was dort im Regenland eigentlich los ist“, sprach Minato. „Vielleicht kann Konoha auch helfen. Und wir sind diesem Land eine Entschuldigung schuldig. Im letzten Krieg ist dort zu viel Zerstörung passiert.“
 

Nach dieser Besprechung ging ich gleich nach Hause. Ich wollte noch mit Sasuke raus, und es gab in Mamas Praxis auch sicher genug für mich zu tun.

Als ich die Haustür hinter mir zuschob, hörte ich Stimmen in der Küche. Es waren Mama und Kushina. Kushina war inzwischen so hochschwanger, dass sie zwei- oder dreimal pro Woche zu Mama kam und sie um Rat fragte, weil ihr die Schwangerschaft immer mehr Probleme machte.

Ich klopfte an den Türrahmen der offenen Küchentür, Mama bat mich herein und Kushina drehte sich zu mir um. Sie sah müde aus, fast als wäre sie krank. Auf den Tisch stand eine Kanne mit selbstgemachtem Tee, der Sorte, die Mama die ganze Schwangerschaft mit Sasuke hindurch getrunken hatte.
 

„Warum ist das nur so unterschiedlich, Ikue?“, sagte Kushina. „Du hast zwei Kinder und beide Male war es für dich kein Problem, und bei mir geht alles schief …“

„Es geht nicht ‚schief‘, Kushina“, sagte Mama. „Dein Baby ist nur wilder als meine.“ Sie stand auf und umarmte ihre sitzende Freundin, die fing daraufhin an zu weinen.

„Ist vielleicht … nur klar, so wie ich bin“, schluchzte sie und lachte zugleich. „Jemand wie ich kann nur ein wildes Baby bekommen …“
 

Ich stand in der Tür und fühlte mich ein wenig befangen. Meine hochsensible Natur reagierte auf Kushinas Schmerz und zugleich konnte ich als Junge nicht viel dazu sagen, weil es um ein Thema ging, was ich niemals selbst erleben würde. Was ich mir aber wieder, wie so oft, sehr bewusst machte, war die große Hochachtung, die ich vor Frauen und Mädchen empfand. Weiblichkeit löste in mir, egal ob es um so etwas wie Schwangerschaft oder einfach nur um weibliche Energien ging, immer so eine Bewunderung und Ehrfurcht aus, und ich schwor mir, dass ich, wenn ich irgendwann selbst eine Ehefrau hatte, sie mit genau dieser Ehrfurcht und Liebe überschütten würde.
 

Ich ging zu Sasukes Bettchen, er lag darin und spielte mit seinem Kissen, und ich zog mir das Babytragetuch an, nahm meinen Bruder aus dem Bett und legte ihn in das Tuch.

„Wir gehen ein bisschen raus“, sagte ich.

Mama nickte, küsste mich und Sasuke und kümmerte sich dann weiter um Kushina, während ich wieder hinaus ging.
 

Ich nahm den Weg mitten durchs Dorf, und dort traf ich auf eins der Mädchen aus meiner Akademieklasse, die mich, als ich fünf gewesen war, so ein bisschen ‚umsorgt‘ hatte. Sie war inzwischen auch Chuunin, aber ja älter und auch immer noch größer als ich.

„Na, wir haben uns ja lang nicht gesehen, Itachi-chan“, begrüßte sie mich. „Wie geht’s dir?“

„Uni läuft gut“, sagte ich. „Und ich bin jetzt auch Chuunin.“

Das Mädchen lachte. „Alles klar, ich bin nur Chuunin, und du gehst zur Uni?!“

Ich zuckte mit den Schultern, es machte mich immer etwas verlegen.

„Und du babysittest deinen kleinen Bruder, ja?“, fragte sie dann und sah Sasuke an. „Er ist aber auch wirklich süß!“ Sasuke reagierte auf sie, streckte seine Hände aus.

„Was studierst du denn?“, fragte sie weiter.

„Medizin und Psychologie.“

Sie lachte wieder. „Passt zu dir. Auch wenn es echt krass ist, dass du das mit zehn machst, aber als Genjutsu-Supergenie ist Psychologie und Medizin sicher nützlich, ne?“

„Ich mags einfach.“

„Wenn du kein Ninja wärst, würdest du damit auch Arzt werden können, oder?“

„Ja …“ sagte ich. „Vielleicht werde ich Feldarzt …“
 

Sie musste dann weiter, und ich setzte meinen Weg fort. Ich hatte Lust auf ein paar Süßigkeiten und nahm darum den Weg zu Oma Yonekos Teehaus. Als ich dort ankam, kam gerade Minato aus der Tür. Er hatte sich offenbar mit Yoneko besprochen, was Madara betraf, und vielleicht auch wegen der unklaren Situation bezüglich des Fuchsgeist-Chakras, das immer wieder in der Umgebung des Dorfes an die Oberfläche trat und langsam wirklich für Befürchtungen sorgte.

Ich ging nur in den Vorflur des Teehauses, wo Urushi, eine entfernte Tante von mir, ihre Süßigkeiten zum Tee anbot, und holte mir eine Packung Dango.

„Na, ihr zwei?“, sprach Urushi mich an. „Geht ihr spazieren?“

Ich nickte, lächelte, und Sasuke streckte sich im Tuch, um Urushi auch anzuschauen.

Sie lachte. „Du bist jetzt schon als ‚Konoha Nii-san‘ bekannt, Itachi. So wie Ikue ‚Konoha-Mama‘ ist.“
 

Ich wurde rot. Natürlich wusste ich, dass man im Dorf über mich redete, ich war immerhin der Clanerbe der Uchiha und mit diesem Gerede aufgewachsen, aber dennoch ließ mich die Begegnung damit immer wieder verlegen werden. Auch wenn ich wirklich sehr stolz darauf war, ein toller großer Bruder zu sein, ich konnte mich nicht erwehren, dass mich die Aufmerksamkeit einfach erröten ließ.

Auch gerade eben hier im Teehaus, wo ich von frühester Kindheit an immer wieder stolz von Oma Yoneko als Wunderkind präsentiert worden war. Ich würde nicht sagen, dass es mich beschädigt oder gar traumatisiert hatte, aber diese rühmende Aufmerksamkeit war etwas, das ich nicht gut aushalten konnte und lieber vermied. Ich war einfach so, eben der, der sich still und unauffällig verhielt und lieber anderen zuhörte als selbst zu reden. Diese Zurückhaltung war etwas an mir, was ich mochte und ich sah Schüchternheit als einen positiven Charakterzug an mir an, war damit im Reinen, weil ich mich damit wohler fühlte.
 

„Heute Abend haben wir einen Auftritt einer Tänzerin hier im Teehaus. Vielleicht mögt ihr dazu kommen, Ikue und du?“, fragte Urushi.

„Was für eine Tänzerin?“

„Ein junges Mädchen aus der Stadt, mit einem bunten Kimono und traditioneller Ausbildung.“

„Ich frag Mama mal. Vielleicht kommen wir.“
 

Ich nahm die Dango mit und setzte mich mit Sasuke auf eine Bank am Fluss, in der Nähe der Dorfmauer. Dort verbrachten wir ungefähr eine halbe Stunde, dann wurde er ungeduldig, vielleicht hungrig, und so kehrten wir nach Hause zurück, wo Mama ihn gleich zum Stillen übernahm. Ich erzählte ihr von der Tänzerin, die Urushi erwähnt hatte, und Mama sagte, dass sie keine Zeit hätte, es gab zu viel in der Praxis zu tun.

Also beschloss ich, alleine hin zu gehen. Eine Tänzerin aus der Stadt, die nach der Tradition des Landes „Ni“ ausgebildet war, hatten wir nicht oft im Dorf und ich wusste, dass es mir gefallen würde, so einen Auftritt anzuschauen. Solche Tänzerinnen waren berühmt für ihre subtile, zurückhaltende Ausdrucksweise und ihre hübschen Kimonos.
 

Ich zog mir also am Abend meine festlichen Kleider an, einen schwarzen Hakama und dunkelblauen Haori, beides natürlich mit unserem Wappen geschmückt. Ich hatte auch einen kleinen Netsuke in Form eines Wiesels, das jedoch leicht für eine Katze gehalten werden konnte. Und als ich so edel gekleidet vor dem Spiegel stand, beschloss ich spontan, meine Haare zu flechten und mit Mamas Haarnadeln hochzustecken. Ich machte vorn zwei kleine Zöpfe, die ich dann mit den Nadeln festmachte, und band mein Haar hinten zusammen, so gut es ging. Es war noch nicht lang genug für einen richtigen Zopf, und ich würde es weiter wachsen lassen.
 

Als ich die Treppe herunter kam, war Shisui da. Er hatte offenbar denselben Plan wie ich, war ähnlich festlich gekleidet und wollte mich abholen.

„Wow, Itachi!“, rief er aus, als er mich sah. „Du wirst die Tänzerin ja in Schönheit ausstechen!“ Er lachte.

„Eher nicht“, sagte ich.

„Steht dir aber.“

Ich lächelte.
 

Wir machten uns also zu zweit auf den Weg ins Teehaus und ernteten jede Menge bewundernder Blicke. „Im Uchiha-Teehaus ist wohl eine Feier …“, hörte ich jemanden sagen. „Aber natürlich geht nur der Adel hin.“

Oma Yonekos Teehaus war sehr, sehr exklusiv, und viele Leute bezeichneten es als den Ort, wo die wahre Politik des Dorfes gemacht wurde. Homura und Danzo sagten das mit deutlich verächtlichem Tonfall, Koharu mit offener Ablehnung, aber die meisten Leute im Dorf sprachen darüber eher mit Ehrfurcht. So, wie sie mich auch ansahen.
 

Als wir das Teehaus erreichten, sahen wir auch Minato wieder, er trug tatsächlich das Hokage-Gewand samt Hut. „Eine Tänzerin aus der Stadt, das muss man sich anschauen“, sagte er und lächelte, doch er sah müde aus. Kushina ging es nicht gut und es gab derzeit zu viele Dinge, die ihn beunruhigten. Da war eine Feier im Teehaus sicher eine schöne Ablenkung für ihn.
 

Wir gingen hinein, drinnen war es dunkel, es brannten nur Kerzen und eine kleine elektrische Lampe, aber der Raum war festlich geschmückt und vor der kleinen Bühne war der Vorhang herunter gelassen. Hinter dem Vorhang war schon hin und wieder eine Shamisen zu hören, und eine halbe Stunde später, als alle Gäste da waren, wurde deren Spiel lauter, und schließlich hob sich der Vorhang und die Tänzerin war zu sehen. Sie trug einen roten Kimono mit prächtigem Muster aus Blumen, Blättern und einem großen Phönix, und ich erkannte ihren Obi, er gehörte zu Oma Yonekos Jugendkimono, unverkennbar und mehrfach mit dem Wappen unseres Clans geschmückt. Dass die Tänzerin sich genau so für diesen Auftritt gekleidet hatte, war ein deutliches Zeichen für die Bedeutung ihres Auftrittes in unserem Dorf. Blättermuster, einen Phönix, der ja irgendwie schon das Symbol unseres Clans war, und dazu Oma Yonekos Obi, das bedeutete, dass sie sicher nicht zum letzten Mal hier auftreten würde.
 

„Sie ist wirklich, wirklich hübsch“, flüsterte Shisui neben mir. „Aber ganz sicher nicht erreichbar.“

„Magst du sie?“, fragte ich.

„Wer mag so eine Tänzerin nicht? Aber ich glaube, ich brauche nicht mal dran zu denken, ob sie mich kennen lernen würde …“, antwortete er. „Du hättest vielleicht Chancen, so als Clanerbe. Wenn du älter wärst.“

„Ich will aber nicht.“

„Warum nicht?“

„Du sagst ja schon, ich bin zu jung“, sagte ich. „Und ich hab genug anderes zu tun, ich will jetzt noch keine Freundin.“

„Vielleicht bekommt sie ja einen Vertrag? Dann tritt sie öfter auf …“

„Frag du sie doch.“
 

Aber Shisui hatte Recht: Diese Tänzerin war wirklich sehr hübsch. Wie sie lächelte, mit ihrem weiß geschminkten Gesicht und den roten Lippen, und wie sanft und elegant sie sich zur Musik bewegte … Ich fühlte wieder diese Ehrfurcht vor dem Weiblichen.
 

Nach dem Auftritt kam sie von der Bühne, bedankte sich sehr förmlich bei Yoneko für die Ehre des Auftritts hier und das Ausleihen des Obi, und dann kam sie auf mich und Shisui zu.

„Guten Abend“, sagte sie auf Nigo, wechselte dann aber zu Dogo: „Sie sind Itachi, stimmts? Der Clanerbe?“ Sie verbeugte sich leicht.

Ich wurde wieder einmal rot, verbeugte mich ebenso. Und Shisui neben mir konnte seine Bewunderung für sie kaum verbergen.

„Sie haben schön getanzt“, sagte ich. „Sehr schön.“

Sie lächelte. „Vielen Dank.“

„Maiko-san!“, rief Yoneko hinter ihr, „Kommen Sie, der Hokage möchte sich bedanken!“

Sie lächelte noch einmal, verbeugte sich vor mir und wandte sich dann um, ging zu Yoneko und Minato hin.
 

„Wow, ist die süß“, flüsterte Shisui.

„Sprich sie doch an“, sagte ich. „Du bist mein Cousin, du darfst das.“

„Meinst du?“

„Ja. Und wenn es nur für eine Tasse Tee ist. Wenn du sie süß findest, lade sie ein.“

„Als wenn ich sie aufreißen würde …!“

„Das hab ich auch gar nicht gemeint.“

Wir beobachteten also, wie sich die Tänzerin, die man auf Nigo „Maiko“ nannte, förmlich mit Minato unterhielt, und als sie dann wieder kam, bedeutete ich Shisui mit einem Stups in die Seite, sie noch mal anzusprechen. Aber er war wie paralysiert von ihrem Makeup und brachte kein Wort heraus.
 

„Maiko-san?“, sprach ich sie also an. „Darf ich Ihnen meinen Cousin Shisui vorstellen?“

Sie lächelte, nickte. „Gern.“

Shisui riss sich zusammen, verbeugte sich, um das zu überspielen, und sagte dann: „Würden Sie mir die Ehre einer Tasse Tee erweisen?“

Die Tänzerin lächelte strahlend, lachte fast. „Sehr gern.“

„Siehst du“, flüsterte ich Shisui zu. „Und jetzt sei nett zu ihr, ja?“

„Alles klar, Bruder“, flüsterte er zurück und begab sich dann mit der Tänzerin gemeinsam zu einem Tisch, wo schon eine Kanne Tee stand.

Während Shisui sich also mit der Maiko unterhielt, machte ich meinen Anstandsauftritt bei Oma Yoneko. Minato war gerade gegangen und Yoneko hatte sich mit ihrer Gruppe an Freundinnen an den Stammtisch hinten im Raum gesetzt. Ich ging hin und wie immer leuchtete Yonekos Gesicht vor Stolz, als ich mich dazu setzte.
 

„Itachi, wie hat dir der Auftritt der Tänzerin gefallen?“, fragte sie.

„Sie ist sehr gut und sehr hübsch“, antwortete ich. „Shisui lernt sie gerade näher kennen.“

„Wäre sie nicht etwas für dich?“, fragte eine von Omas Freundinnen.

„Ich bin doch erst zehn“, sagte ich nur. „Und Shisui findet sie wirklich gut.“

„Also lässt du ihm den Vortritt, ja? Sehr edel von dir.“ Yoneko grinste ein wenig, nicht zu sehr, doch wer sie gut kannte, wusste, dass sie das lustig fand.

„Ich bin doch viel zu beschäftigt mit Sasuke und der Uni“, erklärte ich.

„Und du bist ja auch jetzt aktiver Chuunin“, sagte Yoneko.

In dem Moment kam vorn jemand herein, Yoneko drehte sich um und ich sah, dass es Oma Mino war, meine Großmutter mütterlicherseits.

„Mino, Schatz“, begrüßte Yoneko ihre Tochter. „Lässt du dich auch mal wieder sehen …“

„Ich war bei Neko draußen im Wald“, sagte Mino und lächelte.

Neko war ein altes Tantchen in Yonekos Alter, das deswegen „Neko“ genannt wurde, weil sie unglaublich viele Katzen besaß. Sie lebte außerhalb des Dorfes im Wald und Mino ging manchmal zu ihr und verbrachte dort eine Zeit.
 

Mino war deutlich mehr eine liebevolle Großmutter, als es Yoneko für mich war. Sie war ebenso hochsensibel wie Mama, aber auch genau so stark, und sie hatte Mama als ihrer Tochter dieselbe sanfte Kraft vererbt und gelehrt, mit der Mama dann auch mich erzogen hatte.

Wenn man Yoneko kannte und erlebte und dann Mino kennen lernte, wurde ganz klar, dass Mino in ihrer Jugend schwer hatte kämpfen müssen, weil ihre sensible, sanfte Art von ihrer Mutter nicht besonders wertgeschätzt wurde. Yoneko war eben eine offen starke, dominante Person, die ja auch für mich mit meiner sensiblen Art oft wenig Verständnis hatte.

Dass Mino oft zu Neko in den Wald ging, wirkte auf mich so, als sei Neko, die deutlich herzlicher war als Yoneko, so etwas wie Minos Mutterfigur.
 

Mino hatte eine große Tasche dabei, und als sie sich setzte, zog sie einen Pullover aus dieser Tasche, dem man sofort ansah, dass sie ihn nach allen Regeln der Kunst selbst gestrickt hatte. Sie strickte gern und viel, und auf diesem Pullover hatte sie zudem das Wappen unseres Clans auf den Rücken und beide Ärmel aufgenäht.

„Hier, der ist für dich, Itachi“, sagte sie. „Falls du mal in einem kalten Land eine Mission hast, kannst du den anziehen.“

„Vielen Dank, Oma Mino!“ Ich lächelte und umarmte sie dann.

„Wo ist Ikue heute Abend?“, fragte Yoneko.

„Sie hat zu viel in der Praxis zu tun“, sagte ich. „Und Sasuke ist ja auch noch zu klein, um ihn hier her mitzunehmen.“
 

Während Mino, Yoneko und die anderen Alten sich dann weiter unterhielten, beobachtete ich Shisui, wie er mit der Tänzerin Tee trank. Er war sichtlich angetan von ihr, doch sich auch erkennbar bewusst darüber, dass eine Maiko eine ganz andere Hausnummer war als ein Mädchen wie Izumi oder andere Freundinnen, die er sonst so gehabt hatte.

Eine Maiko erforderte sehr viel Fingerspitzengefühl und Etikette, und ich sah meinem Cousin an, wie er versuchte, mich und meine Zurückhaltung zu imitieren und gleichzeitig sein Interesse an ihr zu zeigen. Als Sharingan-Nutzer war er gut darin, andere nachzuahmen, auch ohne es direkt zu aktivieren. Und ich beherrschte das ebenfalls so gut, dass ich genau sah, wie er meine Körpersprache kopierte, um seine Aufregung zu überdecken und nicht aufdringlich zu wirken.

Und er hatte damit offenbar Erfolg, denn sie ließ allmählich ihre Etikette etwas fallen und einmal lachte sie über irgendetwas, was er sagte, so befreit auf, dass es das Eis zwischen den beiden wirksam brach.
 

Ich entschuldigte mich bei Yoneko und ging zu den beiden hinüber, setzte mich dazu. Zum einen, weil ich als Clanerbe in dieser Situation quasi über Shisui stand und von mir erwartet wurde, dass ich auf sein Benehmen achtete, aber auch deshalb, weil ich gern dabei sein wollte.

Die Maiko lächelte, als ich herüber kam, und bot mir einen Sitzplatz an. Ich setzte mich und schenkte ihr einen Tee ein.

„Ihr Cousin ist wirklich nett, Itachi-san“, sagte sie zu mir. „Danke für Ihre Vorstellung.“

„Du, bitte“, sagte ich. „Ich bin erst zehn.“

„Alles klar.“ Sie lachte. „Dann sind wir jetzt per Du.“

„Du wirst sicher wieder hier auftreten, oder?“, fragte ich.

Sie lächelte. „Ja, sicher. Yoneko-sama hat mir einen Vertrag angeboten und ich habe ihn schon unterschrieben.“ Sie sprach Dogo mit einem leichten Nigo-Akzent und benutzte die förmlichen Sprachelemente des Landes Ni, was sie besonders vornehm wirken ließ. Für uns Konoha-Ninjas, die meist nur Dogo oder Senningo sprachen und hörten, war eine Nigo-sprechende Maiko-Tänzerin eine wirklich besondere, edle Angelegenheit. Es war noch mal eine andere Vornehmheit als die, die selbst dieses edle, sehr exklusive Teehaus kannte.
 

Ich fragte mich, wie es in anderen Ländern war, wo mehr Nigo gesprochen wurde, so wie in Iwa Gakure.

„Warst du schon mal im Erdreich?“, fragte ich.

Die Maiko nickte. „Ja. Dort bin ich auch schon aufgetreten. Aber hier im Feuerreich gefällt es mir besser.“

„Warum?“, wollte Shisui wissen.

„Es ist wärmer hier, und mir gefällt der Wald. Und die Menschen in Iwa Gakure sprechen zwar Nigo, aber mit einem anderen Akzent, der irgendwie so … rau klingt. Da mag ich Senningo ehrlich gesagt sogar lieber“, antwortete die Maiko. „Und euer Wald ist wirklich schön.“

Ich lächelte. „Ja. Und wir lieben unseren Wald.“

„Das sieht man. Ihr habt überall Bilder von Blättern, selbst auf eurem Dorfwappen, oder? Das sieht auch aus wie ein Blatt.“

„Das stimmt, das soll ein Blatt darstellen“, antwortete ich. „Ein Blatt und eine spiralförmige Flamme.“

„Warum eine Flamme?“, fragte sie weiter. „Feuer ist doch nicht gut für einen Wald …“

„Es ist aber nun mal da, weißt du?“, sagte Shisui. „Unser Clan arbeitet mit Feuer und wir sind eine der Gründungsfamilien des Dorfes. Es gehört dazu und wir kontrollieren es. Damit beschützen wir das Dorf, das ist von jeher unsere Aufgabe.“

„Ach, so ist das.“ Die Maiko lächelte wieder. „Deswegen seid ihr so mächtig?“

Shisui nickte stolz und ich sah, wie er unbewusst kurz mit der Hand an seinem Oberarm war, wo unter dem Haori das Flammensymbol der Anbu in seine Haut tätowiert war.
 

Es wurde spät an diesem Abend, jedenfalls für Shisui. Für mich nicht, ich verabschiedete mich nach diesem Gespräch bald und ging nach Hause. Ich hatte eine lange Liste mit Aufgaben für morgen und würde wie üblich um vier aufstehen und zur Uni gehen. Als ich nach Hause kam, schlief Mama schon, ich hörte nur noch Papa in seinem Büro, es klang nach seiner Schreibmaschine. Ich zog mich aus, öffnete meine Haare und wusch mich, und dann ging ich ins Bett.
 

Aber es dauerte eine Weile, bis ich einschlief. Ich dachte an die Maiko und an Shisui, und weil ich meinen Cousin gut kannte, wusste ich, er war romantisch interessiert an ihr. Und zum ersten Mal dachte ich jetzt daran, dass ich auch nicht mehr allzu weit von der Pubertät entfernt war, in der sich Shisui schon längst befand. Ich dachte über meinen Körper nach, und wie es für mich sein würde, wenn dieser sich entwickelte und ich langsam zum Mann werden würde.

Es war ein wenig unheimlich, weil ich zum ersten Mal wirklich darüber nachdachte. Bisher hatte ich mich mit so vielen anderen Dingen beschäftigt, dass in meinen Gedanken wenig Platz für dieses Thema gewesen war.

Ich war immer so auf meine geistige, mentale Reife konzentriert, dass ich bisher nicht genauer darüber nachgedacht hatte, was so etwas wie Pubertät und Körperentwicklung eigentlich bedeuteten. Mein Geist fühlte sich schon so erwachsen an, und wenn ich dem ein Alter geben müsste, hätte ich gesagt, er sei mindestens 20 Jahre alt. Aber meinen Körper beachtete ich im Grunde meist nur dann mehr, wenn ich ihn trainierte, weil ich nun mal ein Shinobi war. Über meine kommende Entwicklung zum Mann hatte ich nur damals einmal nachgedacht, als Shisui mich über Sexualität aufgeklärt hatte.

Und jetzt, auf einmal, war dieses Thema in meinem Kopf. Vielleicht, weil ich Shisui und die Maiko beobachtet hatte, aber vielleicht auch, weil ich jetzt alt genug war. Mit zehn Jahren konnte das ja schon langsam beginnen, und es konnte ja gut sein, dass mein Körper jetzt gerade begann, die ersten Hormone loszuschicken.
 

Am nächsten Morgen wachte ich früh auf, zog mich an und ging gleich zur Uni. Ich hatte eine Verabredung mit einem Professor für medizinisches Ninjutsu und vorher noch ein wenig Zeit, die ich nutzen wollte, um weiter an dem Jutsu zu arbeiten, mit dem man seine Macht in den Dienst einer guten Sache stellen und so beherrschen konnte.

Ich hatte beschlossen, den Namen „Shiawase no Jutsu“ beizubehalten, und weil die Vorlage und die Beschreibungen sehr lose waren, musste ich erst mal herausfinden, wie man dieses Jutsu überhaupt anwandte. Es hatte keinerlei Bezug zu den Fingerzeichen und ich fand auch keinen Ansatz dafür. Das Einzige, was ich sicher sagen konnte, war, dass es sich um eine entfernte Unterart des Medizinischen Ninjutsu handelte, ein wenig ähnlich dem bekannten „Ewige Jugend“-Jutsu von Tsunade Senjuu.
 

Ich fand nur wenige brauchbare Quellen darüber, wie man Shiawase-no-Jutsu, das Jutsu des Glücks, überhaupt startete und es gab keine Informationen, wie man es wieder brach oder beendete. Alles, was ich hatte, war das, was es bewirkte, wenn es aktiv war: Es setzte sowohl Chakra als auch Lebensenergie des Anwenders unter die Kontrolle von bestimmten Kriterien, die man quasi in das Chakra-Netz hineinschrieb und an den Inneren Toren befestigte.

Diese Kriterien bezogen sich auf das Verhalten des Anwenders, wenn er sich also entsprechend verhielt und die Resonanz der Umgebung positiv und passend war, entstand daraus Energie und Chakra, das ihn sehr stark machte. Wenn er jedoch die Kriterien brach, würde sich das Jutsu gegen ihn wenden, sein Chakra blockieren und seine Energie reduzieren.

Es war ein radikales System, und ich fühlte, wie es mich zugleich ängstigte und andererseits aber entspannte. Der Gedanke von gestern Abend mischte sich hinein, ich würde ja auch durch meine Entwicklung zum Mann stärker und mächtiger werden und das machte mir genug Angst, damit mir die Aussicht auf ein Jutsu, das diese Macht beschränkte, gefiel.
 

Ich vergaß die Zeit und der Medizin-Professor fand mich in der Bibliothek, wie ich beinahe fieberhaft alles aufschrieb, was ich über dieses Jutsu bisher herausgefunden hatte.

„Itachi?“, sprach er mich an und ich schreckte hoch. „Wir waren verabredet?“

Ich sprang auf. „Entschuldigung, ich …“

Er lächelte. „Alles gut. Forschst du gerade so sehr?“

„Ja …“

„An was arbeitest du?“, fragte er und setzte sich mit an den Tisch, auf dem ich die ganzen Unterlagen ausgebreitet hatte.

„Ich hab ein Jutsu gefunden, das ich gern lernen möchte“, sagte ich und setzte mich wieder. „Es heißt Shiawase-no-Jutsu.“

Der Professor sah sich meine Aufschriebe an. „Hm … das scheint ein wenig erforschtes Jutsu zu sein. Wo hast du es gefunden?“

Ich deutete auf das Buch, in dem ich die erste Beschreibung entdeckt hatte.

„Willst du es lernen?“

„Vielleicht …“, sagte ich.

Er sah es sich noch mal genauer an und sagte dann: „Ist das nicht ein bisschen … radikal?“

Ich nickte. „Ja, schon. Aber … es interessiert mich. Ich möchte etwas haben, was meine Fähigkeiten kontrolliert. Ich habe sonst immer Angst, dass … ich verrückt werde.“

„Zu mächtig?“

„Ja …“, sagte ich.

„Das ist typisch für dich, Itachi“, sagte er. „Also … ja, wenn du magst, helfe ich dir. Wenigstens dabei, dieses Jutsu zu erforschen.“ Wieder sah er sich die ausgebreiteten Bücher an. „Es scheint ja noch keine Informationen zu geben, wie man es anwendet.“

„Vielleicht ist es ein Programmjutsu …“, sagte ich. „So wie das von Tsunade …“

Der Professor wusste natürlich, was ich meinte, was ein Programmjutsu war. Es war diese Art von Jutsu, die man einmal ansetzte und installierte, und die dann im Hintergrund immer aktiv war. Man brauchte keine Fingerzeichen zu machen und nicht immer dran zu denken, konnte es aber auch nicht ohne weiteres wieder deaktivieren, wenn es einmal lief.

Mich erinnerte das an Tsukuyomi, zumindest so, wie es für mich war. Auch Tsukuyomi existierte permanent und lief mit meinem Leben mit, nur für jemanden, den ich mit hineinnahm, sah es dann aus, als sei es einfach ein angewandtes Genjutsu. Ich selbst erlebte Tsukuyomi als etwas, das ständig wach war und nur wartete, dass ich hineinging.
 

Nachdem der Professor sich alles genau angesehen hatte, sagte er: „Das wird eine ganze Weile dauern, bis du dieses Jutsu aktivieren kannst. Es ist direkt im Chakranetz angebunden, und du bist noch zu jung, um es zu nutzen.“

„Wie lange wird es ungefähr dauern?“, fragte ich.

„Fünf Jahre vielleicht“, antwortete er. „Und vorher musst du dein Chakra wirklich komplett unter Kontrolle haben, in allen Bereichen, allein dafür brauchst du die Zeit. Und außerdem musst du auch deinem Körper Zeit geben. Du bist jetzt zehn Jahre alt, und bevor du dieses Jutsu anwenden kannst, muss erst mal deine körperliche Entwicklung passieren, dass du wächst und reifer wirst.“
 

„Ich muss erst mal in die Pubertät kommen, richtig?“

Er nickte. „Genau. Da wird sich ja nicht nur dein Geschlechtliches entwickeln, du wirst auch wachsen und an Kraft zulegen. Und für dieses Jutsu brauchst du mehr als nur einen reifen Geist, den du schon hast.“ Er sah mich an, mit einem kleinen Lächeln, das ich als Anerkennung für meine geistige Reife erkannte. „Ich würde sagen, wenn du so alt bist wie Shisui jetzt, dann wirst du soweit sein.“

„Also fünfzehn oder sechzehn Jahre …“, sagte ich. „Das ist noch lange hin …“ Ich dachte an die Anbu, dass ich in dem Alter dann dort arbeiten würde. Und genau für so eine Arbeit würde ich dieses Jutsu brauchen. Ein Jutsu, mit dem sich mein moralischer Kompass über meine Macht stellte, in einer Arbeit, die eigentlich zu kriegerisch für mein Wesen war …
 

„Gut. Wenn du dazu im Laufe der Zeit Fragen hast, kannst du immer zu mir kommen, Itachi. Aber jetzt gehen wir runter in den Hörsaal, ich hab dort etwas für dich vorbereitet.“

„Alles klar.“

Wir brachten die Bücher gemeinsam zurück an ihre Plätze und gingen dann aus der Bibliothek in den Hörsaal. Es war halb sechs und der Saal war für die ganze nächste Stunde frei. Unten vor der Tafel lagen auf einem großen Tisch jede Menge Präparate aus dem Labor, und ich freute mich, es sah nach viel zum Lernen aus. Ich liebte Lernen einfach.
 

Eine Woche später, ich war wieder auf dem Weg zur Uni, wurde ich auf der Straße von einem Anbu angesprochen und in Minatos Büro beordert. Es ging um Madara, die Anbu sollte jetzt im Regenland nach Hinweisen suchen, was genau Madara dort tat und ob Konoha ihn vielleicht sogar unterstützen konnte.

Minato glaubte auch, dass Madara nicht einfach desertiert war, und hatte auch die „Gefallen“-Meldung, die Sarutobi damals vermerkt hatte, wieder aufgehoben. Das Labor hatte den Brief und die Jadespuren noch einmal abgeglichen und es galt nun als bewiesen, dass dieser Brief von Madara stammte und er somit nicht im Kampf um Ame Gakure gefallen sein konnte. Und weil das Feuerreich dem Regenland sowieso noch eine Menge Entschädigung schuldig war, wurde jetzt eine Anbu-Einheit losgeschickt, um die Lage zu sondieren und herauszufinden, wie Konoha Ame würde helfen können, und wo Madara sich genau herumtrieb.



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