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Four Numbers / Four Letters

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Four Numbers / Four Letters

„Es ist Freitag, Mann, das ist doch ideal!“ Joey gibt mir einen kumpelhaften Stoß mit dem Ellenbogen in die Seite und strahlt mich von seiner eigenen Idee sichtlich begeistert an. „Warum feiern wir nicht in deinen Geburtstag rein?“

Die letzte Unterrichtsstunde des heutigen Tages ist vor wenigen Minuten zu Ende gegangen und wir stehen noch kurz alle gemeinsam auf dem Vorplatz der Schule.

Nachdenklich wiege ich meinen Kopf hin und her. Die Idee hört sich gar nicht mal so schlecht an. Ja, bis 20 Uhr muss ich noch im Laden sein, aber danach noch etwas unternehmen und um die Häuser ziehen … das habe ich mir schon länger nicht mehr gegönnt. Also warum eigentlich nicht?!

Ich öffne gerade den Mund, um zuzustimmen, da unterbricht mich das Vibrieren meines Telefons in der Hosentasche. Unter den ungeduldigen Blicken der anderen, vor allem aber von Joey und Tristan, ziehe ich es schnell hervor, um zu überprüfen, ob es Neuigkeiten aus dem Laden gibt. Einige meiner Mitarbeiter sind krankheitsbedingt ausgefallen, sodass die Personalsituation gerade ziemlich angespannt ist. Zusätzlich gibt es seit zwei Tagen auch noch ein Problem mit der Klimaanlage, das heute eigentlich von einem Handwerker behoben werden sollte, der aber – Stand Mittagspause – anderthalb Stunden nach dem angekündigten Zeitfenster noch immer nicht aufgetaucht ist. Da müssen mir die anderen die ungewohnte Unhöflichkeit einmal verzeihen.

2-8-0-2

Routiniert gebe ich die vier Ziffern meines Passcodes ein, um das Display zu entsperren, und navigiere in die Messenger-App, innerlich schon fest auf neue Hiobsbotschaften eingestellt. Überrascht zucken meine Augenbrauen nach oben. Die rote Eins leuchtet keineswegs im Black Clown-Chat, sondern in einem, der das letzte Mal vor knapp drei Wochen benutzt wurde, das graue Standard-Bild hat und lediglich mit „K.“ überschrieben ist. Mein Herz macht einen kurzen Sprung.

Die Nachricht ist kurz und enthält, wie alle in diesem Verlauf vor ihr, nur die notwendigsten Informationen:
 

Heute 21 Uhr?
 

Ein euphorisches Kribbeln macht sich in meinem Magen breit und meine Finger fliegen wie von selbst über die virtuelle Tastatur:
 

Geht klar, bis dann!
 

„Na, gute Neuigkeiten?“, reißt mich Teas Stimme aus meinen vorfreudigen Gedanken. Schnell stecke ich das Handy zurück in meine Hosentasche und setze ein möglichst neutrales Gesicht auf. Hoffentlich hat man mir meine Emotionen nicht so deutlich angesehen, wie es die Frage befürchten lässt.

„Leider nein.“, antworte ich kopfschüttelnd, „Jetzt ist auch noch Hisoka ausgefallen, sodass ich wohl das ganze Wochenende im Laden ranmuss. Also sorry, das mit dem Reinfeiern wird wohl leider nichts!“

In Momenten wie diesen bin ich mehr als froh, dass sich meine Freunde nur oberflächlich für mein Geschäft und die täglichen Sorgen und Nöte in meiner Funktion als dessen Inhaber interessieren. Umso leichter kommen mir Notlügen wie diese über die Lippen.

Mit einem zuversichtlichen Lächeln klopft mir Tristan wie immer ein wenig zu hart auf die Schulter. „Ach Mann, schade! Naja, dann stellen wir eben nächstes Wochenende was auf die Beine!“

„Oder vielleicht kommen wir einfach morgen mal im Laden vorbei!“, wirft Yugi ein und mir bleibt, ob der begeisterten Zustimmung der anderen, nichts anderes übrig als freundlich und scheinbar enthusiastisch zu nicken.

„Klar, gerne! Ich freu mich immer euch auch mal bei mir zu sehen!“

Nachdem das Vorhaben damit zu meinem Leidwesen offiziell besiegelt wurde, verabschieden wir uns für heute und gehen unserer Wege.

Bei meinem Fahrrad angekommen muss ich mich nicht mehr länger zurückhalten und kann endlich mit den Augen rollen und einmal genervt aufstöhnen. Wunderbar! Jetzt muss ich morgen tatsächlich arbeiten und mir einen nicht vollkommen absurd klingenden Grund einfallen lassen, warum ich Hisoka unter den aktuellen Umständen spontan freigebe …

Aber wenn ich daran denke, was mich heute Abend erwartet, dann das ist schon in Ordnung. Bisher haben sich die Notlügen noch jedes Mal mehr als gelohnt.
 

Wie erwartet herrscht im Laden das absolute Chaos, denn natürlich ist ausgerechnet gestern auch noch die neueste Duel Monsters-Erweiterung erschienen. So müssen Hisoka und ich in einem Fort zwischen den Regalen hin und her hetzen, um ratlosen Kunden zu helfen, die Arenen im Blick behalten, damit keine Gruppe sie zu lange in Beschlag nimmt, und nebenbei noch dafür sorgen, dass die Schlange an der Kasse keine astronomische Länge erreicht. Nicht einmal zu einer winzigen Kaffeepause reicht es, sodass ich – von der eisigen Kälte im Verkaufsraum und den vermutlich horrenden Stromkosten einmal abgesehen – gar nicht so böse bin, dass der Klimaanlagenmonteur sich anscheinend entschlossen hat, heute überhaupt nicht mehr aufzutauchen.

Erst als um kurz vor acht die letzten Kunden das Geschäft verlassen, wird mir bewusst, wie schnell die Zeit vergangen ist. Das Abschließen der Ladentüren übernehme ich noch, die Kasse überlasse ich heute allerdings mit Freuden Hisoka. Immerhin hat er ja morgen frei und ich muss wirklich dringend los, wenn ich es noch rechtzeitig schaffen will.
 

In Rekordgeschwindigkeit radle ich durch die dunklen und bereits stark geleerten Straßen und verfluche jede rote Ampel, die mich zum Anhalten zwingt. Zu Hause angekommen reicht die Zeit gerade noch, um meine Wohnung zumindest einigermaßen in Ordnung zu bringen und mich notdürftig frisch zu machen, bevor es um exakt 21 Uhr an der Tür klingelt.

Obwohl ich damit gerechnet habe, zucke ich kurz zusammen, hechte jedoch sogleich zur Gegensprechanlage, drücke den Knopf und öffne die Wohnungstür einen Spalt. Schritte hallen durch das Treppenhaus und das nervöse Flattern in meiner Magengegend wird mit jeder Sekunde stärker.

Wieder ein Vibrieren in meiner Hosentasche. Leicht genervt ziehe ich mein Telefon hervor, um die Nachricht zu checken, solange ich noch warte. Sie stammt von Hisoka, der vergessen hat, mir zu sagen, dass der Monteur sich doch noch gemeldet hat und morgen Vormittag kommen will.

Hektisch tippe ich noch eine kurzangebundene Antwort, als ich über den Rand des Displays hinweg wahrnehme, wie du hereintrittst. Ich spüre deinen stechenden Blick auf mir ruhen, die Verwunderung und den Tadel, die zweifelsohne darin mitschwingen. Den ersten Moment unseres Wiedersehens hast du dir mit Sicherheit anders vorgestellt; wenn wir zusammen sind, erwartest du (zu recht) auch im Zentrum meiner Aufmerksamkeit zu stehen – zumal wir uns dank deiner ausgedehnten Geschäftsreise, die nicht mehr bis zu den Schulferien warten konnte, gute zwei Wochen nicht gesehen haben.

Als das Telefon wieder in meiner Hosentasche verschwindet, hast du bereits deine Schuhe ausgezogen.

„Wann bist du gelandet?“, erkundige ich mich schuldbewusst, während ich deinen Mantel entgegennehme und in die Garderobe hänge.

„Heute Nachmittag.“, antwortest du vollkommen sachlich und stellst deine Aktentasche neben der Kommode ab.

„Also kurz bevor du mir geschrieben hast, ja?“

Das freche Grinsen, das sich beinahe automatisch auf meine Lippen gestohlen hat, ist dir keineswegs entgangen, und ich sehe genau, wie du versuchst, gegen den Impuls anzukämpfen, es mit einem leichten Schmunzeln zu erwidern. „Komm bloß nicht auf die Idee, dir etwas darauf einzubilden!“

„Niemals!“ Ich gebe mir erst gar keine Mühe die Ironie in meiner Stimme zu unterdrücken und trete endlich auf dich zu. Wie du so vor mir stehst, in deinem blütenweißen Hemd, den obersten Knopf geöffnet, kann ich mich unmöglich noch länger zurückhalten. Begierig schlinge ich meine Hände um deine Taille und stelle mich ganz leicht auf die Zehenspitzen, um deine Lippen zu erreichen, die sich augenblicklich zu einem schmalen, aber erwartungsvollen Lächeln kräuseln.

Das Funkeln in deinen blauen Augen verrät mir, dass du dasselbe denkst wie ich: Gespräche können warten.

Unsere Lippen treffen sich, erst sanft, dann immer fester, fordernder. Deine Hand wandert meinen Rücken hinauf und als sie in meinem Nacken angekommen ist, ziehst du mich noch enger an dich. Deine Wärme und dein Duft betäuben mich und lassen mich augenblicklich alles andere vergessen. So schnell wie sie können machen sich meine Finger an den Knöpfen deines Hemdes zu schaffen, während wir schwer atmend quer durch die Wohnung in Richtung des Schlafzimmers stolpern. Bei zwei kleinen Zwischenstopps im Wohnzimmer und an der Schlafzimmertür entledigst du mich erst meines Pullovers, dann meines Haarbands und Zopfgummis, und kurz vor dem Bett auch noch meines T-Shirts. Das letzte Mal ist viel zu lange her, da müssen die Spielereien erst einmal warten.

Deine schlanken Finger gleiten durch mein offenes Haar, weiter nach unten über meine Schultern und meine Brust und hinterlassen überall eine leichte Gänsehaut. Schon sind sie am Gürtel meiner Hose angekommen und bevor noch etwas schiefgeht, ziehe ich mein Telefon aus der Tasche und manövriere es an dir vorbei auf meinen Nachttisch. Du lässt dich rücklings auf das Bett fallen und ziehst mich mit dir, geradewegs in einen erneuten, heißen und ausdauernden Kuss.

Ein halblautes Brummen lässt meine Augen unwillkürlich nach links huschen. Das Handy-Display leuchtet auf: eine neue Nachricht. Ich versuche den Gedanken daran abzuschütteln, mich wieder voll darauf zu konzentrieren, deinen nackten Oberkörper zu erkunden, mit meiner Zunge eine feuchte Spur über deine Bauchmuskeln bis nach unten zum Bund deiner Hose zu ziehen, doch die nagende Sorge in meinem Hinterkopf will sich einfach nicht vertreiben lassen. Eine Sekunde lang halte ich inne und presse meine Augen fest zusammen.

Was auch immer es ist, kann warten. Vor morgen kann ich ohnehin nichts tun …

Aber was, wenn … Ach, fuck!

Mit einem leisen Seufzen richte ich mich auf und greife nach dem Telefon.

„Sorry, bei mir geht es gerade drunter und dr-“, will ich gerade zu einer Entschuldigung ansetzen, doch du bist schneller.

„Schluss jetzt!“ In einer blitzartigen Bewegung setzt du dich ebenfalls auf, reißt mir das Telefon aus der Hand, ziehst die Schublade meines Nachttischs auf und wirfst es hinein. „Ich bin nicht extra heute noch hier hergekommen, um dir den ganzen Abend beim Nachrichtenschreiben zuzusehen!“

Die ungewohnte Schärfe in deiner Stimme jagt mir einen (nicht gänzlich unangenehmen) Schauer über den Rücken. Unweigerlich zucke ich zusammen, als du die Schublade absichtlich hart zuknallen lässt, und mir so noch eindeutiger zu verstehen gibst, dass du eine weitere Verzögerung nicht dulden wirst. Also verschiebe ich das weitere Nachdenken darüber, warum mich das eigentlich gerade so unglaublich anmacht, auf später, schlinge meine Beine um deine Hüften, vergrabe meine Hände in deinen Nackenhaaren und presse meine Lippen umso härter und verlangender auf deine.

Für die nächsten Stunden werde ich keinen einzigen Gedanken mehr an mein Telefon oder den Laden verschwenden, so viel ist sicher.
 

Zwei Stunden später haben wir den ersten Hunger gestillt und liegen beide außer Atem und ein wenig verschwitzt nebeneinander unter meiner Decke.

Ein gedämpftes Pling lässt den ganz und gar entspannten Ausdruck auf deinem Gesicht, den bisher vermutlich nur ich jemals zu Gesicht bekommen habe, verschwinden. Du beugst dich halb aus dem Bett, streckst dich nach deinem Jackett, und ziehst dein Telefon aus der Innentasche. Ich mache mich schon bereit, um dich mit einem extra vorwurfsvollen Blick auf die Doppelmoral hinzuweisen, die hier offenbar herrscht, doch aus dem Augenwinkel kann ich sehen, wer dir geschrieben hat und lasse mich daher unverrichteter Dinge auf mein Kissen zurücksinken.

Vermutlich antwortest du Mokuba gerade wie so oft, dass er nicht auf dich warten und ruhig schon ins Bett gehen soll.

Dein kleiner Bruder weiß nichts von uns – niemand tut das – und wir, du noch wesentlich mehr als ich, achten auch peinlich genau darauf, dass das so bleibt. Du hast damals sogar darauf bestanden, dass ich deinen Namen im Adressbuch meines Telefons nicht ausschreibe, da es sich erstens um deine wirklich private(!) Telefonnummer handelt und man zweitens „bei den nervigen und viel zu neugierigen Anhängseln, die du Freunde nennst, nie weiß, wer gerade zusieht.“

Gleich danach habe ich dir auch meine Nummer gegeben, und die Erinnerung daran lässt meine Mundwinkel noch immer verlässlich nach oben zucken.
 


 

~°~
 

Dieses Handy bekommt also nie jemand anderes zu Gesicht, ja?“, frage ich, während ich meine Nummer selbst in das dafür vorgesehene Feld des Adressbucheintrages eintippe.

„Niemals.“ Diese Betätigung hätte ich eigentlich gar nicht gebraucht; so wie du mit Argusaugen jede Bewegung meiner Daumen verfolgst, glaube ich dir das sofort.

Kaum bin ich fertig willst du schon nach deinem Telefon greifen, doch ich bin schneller und drehe mich weg. „Moment, eine Sache fehlt noch!“

Ich mustere dich aus dem Augenwinkel und als ich sichergehen kann, dass du mir das Gerät nicht doch noch aus der Hand schnappst, setze ich den Cursor nach oben und lösche Buchstabe für Buchstabe aus dem Feld, in das du vorhin schon meinen Namen eingegeben hast:
 

n-i-l-v-e-D
 

Unter deinem strengen Blick trage ich stattdessen neue Buchstaben ein:
 

D-u-k-e
 

„Mhm.“ Es ist nicht viel mehr als ein kurzes Ausatmen, aber ich habe es dennoch gehört. Das und dein dezentes Nicken sagen mir, dass du genau verstanden hast, dass in diesen vier Buchstaben die explizite Erlaubnis, ja Aufforderung liegt, sie ruhig auch außerhalb unserer Textnachrichten zu benutzen.

Schon streckst du die Hand aus, um endlich dein Telefon zurückzubekommen, doch wieder ziehe ich es schnell zur Seite weg. „Ah-ah, ich bin noch nicht fertig!“

Tatenlos musst du weiter zusehen, wie ich auf das runde Kontakt-Bild tippe und die Kamera auswähle. Ich halte das Smartphone von mir weg und ein Stück nach oben, mache das bescheuertste Gesicht, das mir einfallen will, und drücke den Auslöser. Ein letzter, prüfender Blick, dann speichere ich das Bild und drücke dir mit einem mehr als zufriedenen Lächeln dein Telefon in die Hand.

„Fertig, Devlin?!“, fragst du mit ziemlich genervtem Unterton und betrachtest mit hochgezogenen Augenbrauen den Rest meines Werkes.

Ich schüttele nur grinsend den Kopf und deute auf den Namen auf dem Display. „Versuch’s nochmal!“

Du rollst mit den Augen und atmest einmal gedehnt aus. „Fertig, … Duke?“

„Fertig!“, nicke ich und schenke dir das wärmste Lächeln, zu dem ich imstande bin. Auch wenn dein Tonfall noch zu wünschen übrig lässt: Meinen Vornamen aus deinem Mund zu hören, fühlt sich gut an, eben einfach richtig, nach allem, was sich in den letzten Tagen zwischen uns entwickelt hat.

Du schüttelst ein letztes Mal den Kopf, doch machst keine Anstalten etwas an dem Eintrag in deinem Adressbuch zu ändern. Stattdessen verschwindet das Handy sang- und klanglos wieder in der Innentasche deines Jacketts.
 

~°~
 

Der Anblick des Telefons in deiner Hand erinnert mich an die Nachricht, die ich vorhin dank deiner vehementen Intervention nicht mehr lesen konnte. Ich rolle mich ein Stück nach rechts, um an die Schublade zu kommen und mein Telefon daraus zu befreien. Schon die Vorschau der Nachricht lässt mich erleichtert aufatmen. Einer meiner anderen Mitarbeiter schreibt, dass es ihm schon viel besser geht und er morgen doch zur Arbeit kommen kann. So sind wir immerhin insgesamt zu dritt und der Tag wird hoffentlich nicht ganz so wahnsinnig wie heute … oder vielmehr ‚gestern‘, denn es ist bereits nach zwölf, wie ich zu meiner Überraschung feststelle.

Wieder spüre ich deinen Blick auf mir ruhen, darum entsperre ich nur schnell das Display und reagiere mit einem Daumen nach oben, bevor ich das Telefon zurück auf den Nachttisch lege und mich zu dir drehe. Noch einmal lasse ich meine Finger durch deine Haare gleiten, kraule kurz zärtlich deinen Nacken und lächle dich an. „Wann willst du los?“

„Gleich.“, antwortest du leise und mit einem kaum merklichen Seufzen, „Ich sollte wenigstens zum Frühstück da sein.“

„Okay, also willst du zuerst ins Bad?“

Für einen Moment siehst du irgendwie gedankenverloren durch mich hindurch, doch schließlich schüttelst du den Kopf. „Nein, geh du ruhig zuerst.“

Ich beschließe, es nicht weiter zu hinterfragen (du würdest mir ja doch nichts sagen), zucke nur mit den Schultern und stehe auf. „Wie du meinst.“
 

Als du eine knappe halbe Stunde später deinen Mantel vom Garderobenhaken nimmst und mit einem letzten stummen Nicken aus der Tür trittst, meine ich, ein kurzes Aufblitzen in deinen Augen wahrzunehmen. Einen Augenblick lang wundere ich mich darüber, während ich die Tür hinter dir schließe, aber die Müdigkeit lässt den Gedanken schnell wieder verschwinden. Gähnend tappe ich zurück ins Schlafzimmer und husche zurück unter meine Decke, um mit den letzten Resten deiner Wärme und deines Duftes in meiner Nase einzuschlafen.
 

Gerade habe ich die Augen geschlossen, da durchbricht ein Brummen neben mir auf dem Nachttisch die Stille; gleich darauf gefolgt von einem zweiten. Mit einem leisen Stöhnen taste ich in der Dunkelheit nach dem Telefon. Sicherlich sind Joey und Tristan noch gemeinsam unterwegs und haben sich einen Wettbewerb geliefert, wer mir als erstes gratuliert – wäre jedenfalls nicht das erste Mal. Schlaftrunken und mit halb geschlossenen Augen tippe ich auf die Mitteilung im Sperrbildschirm und stelle überrascht fest, dass ich einmal mehr in einem anderen Chat lande als gedacht.
 

Alles Gute.
 

Und gleich darunter in einer zweiten Sprechblase:
 

P.S.: Passcode = Geburtstag?! Ich hätte dich für kreativer gehalten!
 

Meine erste Reaktion ist ein erstauntes Kopfschütteln. Hast du allen Ernstes meinen Passcode gesehen und daraus geschlussfolgert, dass heute mein Geburtstag ist? Es muss so sein, denn darüber gesprochen haben wir ganz sicher nie. Noch einmal fliegen meine Augen über den Text und ich muss unweigerlich kichern. Ein derart „herzlicher“ Glückwunsch, trotz Handytastatur in grammatikalisch und orthographisch perfekter Schreibweise, kann auch wirklich nur von di-…

Jetzt erst fällt mir auf, dass etwas anders ist als sonst.

Offenbar hast du meinen Passcode vorhin nicht nur gesehen, sondern auch benutzt. Eigentlich sollte ich darüber sauer sein (Was würdest du sagen, wenn du entdecken würdest, dass ich einfach so in deinem Telefon herumgeschnüffelt habe?!), doch was ich sehe, lässt mich den kurzen Anflug von Ärger sofort wieder vergessen.

Statt dem Buchstaben K vor dem einfarbigen grauen Hintergrund leuchten mir deine blauen Augen aus dem kleinen, runden Bildausschnitt in der Titelzeile entgegen. Ungläubig tippe ich auf das Foto, um es zu vergrößern, und schüttele einmal mehr den Kopf.

Das alles muss in den wenigen Minuten geschehen sein, als ich im Bad war. Deine Haare sind noch zerzaust, im Hintergrund kann ich mein Kissen erahnen und am unteren Bildrand deutet sich leicht dein nackter Oberkörper an. Unverwandt schaust du in die Kamera, geradewegs in mich hinein, dein Gesichtsausdruck neutral, irgendwo zwischen kühl und gelangweilt schwankend. Wieder muss ich lachen. Das mit den Selfies sollten wir bei Gelegenheit nochmal üben …

Als ich das Foto wieder schließe, bleibt mir für einen Moment die Luft weg. Noch etwas hat sich geändert.

Aus dem „K.“ in der Chat-Überschrift sind mehr Buchstaben geworden.

Vier, um genau zu sein.

Vier Buchstaben, die ich in den nächsten Minuten immer und immer wieder lesen muss – zusammen, einzeln, mehrmals hintereinander – um mich davon zu überzeugen, dass ich mir das nicht nur einbilde. Ich schließe die Augen und öffne sie wieder. Die Buchstaben sind noch immer da.
 

Seto
 

Ein unfassbar warmes, flatteriges Gefühl breitet sich von meinem Herzen in meinen gesamten Körper aus.

Ich weiß zwar nicht, was mich heute noch erwartet, aber diese vier Buchstaben sind schon jetzt das beste Geschenk des Tages.


Nachwort zu diesem Kapitel:
So, ich hoffe, es hat euch gefallen und einigermaßen den Ton der anderen FluBezOS getroffen. Im Moment fühle ich mich nämlich die meiste Zeit noch immer gewissermaßen „emotional eingeschränkt“ und tue mich wesentlich schwerer als sonst mit dem Schreiben der beiden Gefühlschaoten 🙈
Aber das wird auch wieder – die Ideen sind auf jeden Fall schon wieder da und ich habe konkrete Pläne sowohl für das Ende von Common Ground als auch für das von Hand Overs. Jetzt muss ich sie nur noch ordentlich schreiben 🙃
Drückt mir die Daumen!

Bis spätestens dahin und bleibt gesund!
Eure DuchessOfBoredom Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von: Karma
2023-02-28T23:12:36+00:00 01.03.2023 00:12
Aaaawww, das war wirklich ein tolles Geburtstagsgeschenk.
🥰🎁
Und da ich noch vor Mitternacht mit dem Lesen angefangen hab, war ich auch noch rechtzeitig zum Gratulieren, sozusagen.

Hach ja, eigentlich hatte ich gehofft, zu Dukes Geburtstag auch was zu veröffentlichen, aber das ist leider nach hinten losgegangen. In den letzten Wochen war bei uns so dermaßen Land unter - und das im Wortsinne, wir hatten einen Wasserschaden in der Küche und mussten alles ausräumen -, dass ich einfach keine Energie mehr für irgendwas anderes hatte. Ich hoffe, es geht jetzt langsam endlich wieder bergauf - nicht nur bei uns, auch bei dir. Ich wünsche dir jedenfalls alles Gute und viel Kraft (von der ich mir auch ein Scheibchen abschneide 😉) und hoffe, wir lesen uns bald wieder - ganz egal wo.
😘
Antwort von:  DuchessOfBoredom
01.03.2023 21:01
Oh nein, sowas kann man ja echt gar nicht gebrauchen! Und wie schade, dass es deine Geburtstagsstory verhindert hat! Wann auch immer du dazu kommst, sie zu schreiben und zu veröffentlichen (dann halt gewissermaßen als nachträglichen Geburtstagsgruß), ich freue mich jetzt schon drauf! ❤️

Ich drücke auf jeden Fall ganz fest die Daumen, dass es jetzt wieder ruhiger zugeht und du die Muße findest! :)

Und vielen Dank für die lieben Wünsche! 🥰


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