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I wanna be your Valentine

von

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1

Für Yami,

als vorträgliches Geburtstagsgeschenk.

Weil du immer so tolle Geschichten schreibst

und mir damit ein Lächeln auf die Lippen zauberst.
 


 

I wanna be your Valentine
 

Kapitel 1
 

Mit angehaltenem Atem stand ich an die Wand neben der Tür zum Proberaum gelehnt und fragte mich zum wiederholten Male, was ich hier eigentlich tat. Belauschte ich gerade wirklich meine Bandkollegen wie eine neugierige Oma ihre Nachbarn? Eine leise Stimme in meinem Hinterkopf schimpfte mich einen Idioten und dennoch konnte ich nicht anders, als gespannt die Ohren zu spitzen, obwohl ich nicht mal ansatzweise verstand, um was es ging. Ich hatte nur meinen Namen gehört – der Auslöser dessen, warum ich hier stand und nicht bereits drinnen.

„Willst du das wirklich durchziehen?“

Aus Toshiyas Stimme war deutliche Skepsis herauszuhören und ich konnte mir bildlich vorstellen, wie er mit zusammengezogenen Augenbrauen auf der Couch saß und Die kritisch beäugte. Zwar war unser Bassist meistens recht positiven Gemüts und gern auch mal etwas übermotiviert, aber er konnte einen besonders mit solch kritischen Blicken, wie er ihn wohl gerade drauf hatte, durchaus ganz schön vom eigentlichen Plan abbringen. Jedenfalls klang Die inzwischen nicht mehr so sicher, wie zu dem Zeitpunkt, als ich mit meinem Lauschangriff begonnen hatte.

Ein resigniertes Seufzen war zu hören.

„Bis vor wenigen Minuten: ja. Aber … Ach, ich weiß es nicht. Klar, möchte ich schon, aber was, wenn er es nicht ernst nimmt?“

„Naja, das sehe ich nicht unbedingt als Problem, er nimmt ja eigentlich immer alles ernst, wenn nicht gar zu ernst. Ich frage mich viel eher, ob Kaoru so etwas überhaupt zu schätzen weiß. Also allgemein und unabhängig von wem.“

Was wusste ich nicht zu schätzen? Ich wusste vieles zu schätzen: gute Musik, ein spannendes Buch – wenn ich denn mal zum Lesen kam, so einmal im Jahr – heißen Kaffee, arbeitsreiche Tage. Die Neugier in mir wurde immer größer, gleichzeitig nahm aber auch mein Unmut mit jedem Wort mehr zu. Ich hasste es, nicht zu wissen, um was es ging. Hey, immerhin war ich der Bandleader, über den gerade gesprochen wurde, und ich sollte immer wissen, was Phase war.

„Oh Mann… Ich hatte mir das irgendwie einfacher vorgestellt. Wenn wir uns nur nicht so lange kennen würden. Das macht mich nervös.“

„Na, ob es das wirklich einfacher machen würde. Außerdem… bist du dir sicher, das richtig verstanden zu haben? Ich weiß ja nicht. Ich kann‘s mir irgendwie nicht recht vorstellen.“

„Doch, doch. Mir gehen seine Worte und sein Gesichtsausdruck seit Monaten deswegen nicht mehr aus dem Kopf. Wie er dort gesessen hat, mit diesem viel zu dünnen Lächeln auf den Lippen, während die anderen in Erinnerungen geschwelgt haben. Ich glaube, ihn hat das schon getroffen. Ich würde ihm so gerne zeigen, dass -“

Das geräuschvolle Zuschlagen einer Tür lenkte mich von Dies Worten ab und ließ mich erschrocken zusammenfahren. Instinktiv ging ich einige Schritte zurück in Richtung meines Büros, um nicht auf frischer Tat beim Lauschen ertappt zu werden. Keine Sekunde zu früh, denn gleich darauf kam Shinya mit Kyo im Schlepptau um die Ecke geschritten. Mit einem knappen Nicken begrüßten sie mich, ehe sie ohne große Umschweife den Proberaum betraten.

Ich brauchte einige Sekunden, bis sich mein erschrocken schlagendes Herz so weit beruhigt hatte, dass ich ihnen folgen konnte. Wie ich vermutet hatte, saßen Toshiya und Die auf dem Sofa und blickten mir erwartungsvoll – und unschuldig, als hätten sie nicht gerade eben über mich geredet – entgegen, während die anderen beiden ihre Sachen im hinteren Teil des Raums abstellten.

„Morgen.“

„Guten Morgen. Dass du als Letzter hier auftauchst… das ist ja mal was Neues“, grinste mich unser Bassist spitzbübisch an.

„Ich bin schon seit einer Weile da und habe nebenan einige Unterlagen sortiert.“

Sollte ich ein schlechtes Gewissen haben, dass ich, ohne rot zu werden, lügen konnte? Nein. Reiner Selbstschutz, um Fragen zu entgehen.

Mein Blick huschte zu Die, der mich mit einem undefinierbaren Gesichtsausdruck musterte. Nervös wirkte er nicht, eher abwesend, beinahe als würde er durch mich hindurchsehen. Ein irritierendes Flattern in meinem Bauch machte sich bemerkbar. Was hatte er vorhin gemeint? Was hatte mich getroffen, beziehungsweise, warum wusste ich davon nichts? Hätte ich bloß nicht gelauscht, dann wäre ich jetzt nicht so verwirrt. Außerdem… was taten sie so, als wäre nichts gewesen? Sie wirkten wie die reinsten Unschuldslämmer. Also fast.

Irgendwann wurde mir Dies Starren zu viel, weshalb ich unwirsch mit der Hand vor seinem Gesicht hin und her wedelte.

„Die? Aufwachen.“

Blinzelnd klärte sich sein Blick und wie auf Knopfdruck erschien sein typisches Lächeln.

„Hey, entschuldige, Kaoru. War kurz in Gedanken.“

Ich hörte Toshiya schnauben, während ich Die noch einen Moment lang skeptisch betrachtete, der nicht mal mit der Wimper zuckte und mir entgegen strahlte. Nichts schien von der Unsicherheit übrig zu sein, die ich vor wenigen Minuten in seiner Stimme zu hören geglaubt hatte. Von der angeblichen Nervosität ganz zu schweigen. Schlussendlich wandte ich mich schulterzuckend ab, um endlich mit den heutigen Proben zu beginnen, auch wenn sich mein Kopf gerade merkwürdig voll anfühlte.

Verdammt, was hatte Die noch gesagt? Und was wollte er mir zeigen?
 

*
 

Zwei Monate später
 

Ich spürte, wie die Ader an meinem Hals pochte, während ich mich arg zusammennehmen musste, nicht gleich selbst auf die Bühne zu springen und den Technikern die Kabel aus der Hand zu reißen. Es konnte doch wohl nicht so schwer sein, diese blöde Leinwand so mit dem Computer zu verbinden, dass der Hintergrund zum Song passte und nicht irgendetwas anderes abspielte oder gar dunkel blieb. Seit über einer Stunde werkelten sie herum, der Konzertbeginn rückte unaufhaltsam näher und der Soundcheck hatte noch nicht einmal angefangen. Das hatte man nun davon, wenn man einmal nicht mit der üblichen Crew arbeitete, sondern nur mit der Zweitbesetzung. Wer hatte ihnen auch zu Jahresbeginn unbedingt Urlaub geben müssen?

Ich war inzwischen so geladen, dass die meisten der Anwesenden einen großen Bogen um mich machten. Jetzt wäre der perfekte Zeitpunkt für eine Beruhigungszigarette gewesen, hätte ich nicht vor einigen Jahren mit dem Rauchen aufgehört. In solchen Situationen verfluchte ich mich für diese Entscheidung und nur die Erinnerung an die mahnenden Worte meines Kardiologen half, um der Versuchung zu widerstehen. So war nur noch mein zweites Laster übriggeblieben, das leider in diesem vermaledeiten Veranstaltungsort nicht schmecken wollte und seit einer geraumen Weile unbeachtet und lauwarm in der Kaffeetasse darauf wartete, getrunken zu werden.

„Kaoru, wenn du noch fester zudrückst, zerbrichst du die Tasse noch und die kann nun wirklich nichts dafür.“

Kurz hatte ich das Bedürfnis, zu Die herumzufahren, der sich gerade neben mir an das Geländer zum Mischpult lehnte, und ihn anzublaffen, dass hier alles kacke und sehr wohl wert war, zerstört zu werden. Stattdessen atmete ich tief durch und versuchte mich zu beruhigen. Es brachte schließlich nichts, wenn ich meine Kollegen unbegründet zusammenfaltete.

„Hier, vielleicht hilft dir das.“

Eine schmale Schachtel tauchte vor meinem Gesicht auf. Stirnrunzelnd blickte ich zu dem blonden Gitarristen auf, der mich unbeeindruckt anlächelte.

„Schokolade? Wie soll die helfen, wenn die Technik nicht funktioniert?“

„Die soll ja auch nicht der Technik helfen, sondern deiner überaus reizenden Laune. Schließlich setzt Schokolade bekanntlich Glückshormone frei.“

„Da müsste sie aber schon eine Menge freisetzen, damit ich irgendwo Licht am Horizont sehe.“

Oder eben auf der Leinwand.

„Ach, Kaoru, jetzt überdramatisiere mal nicht alles. Das wird schon. Bisher haben wir es immer hinbekommen, die Show zu rocken.“

Ich sah ihn einige Sekunden schweigend an, überlegte ernsthaft, ob ich ihn daran erinnern sollte, wie Kyo das letzte Mal reagiert hatte, als die Übertragung nicht klappte und damit seine Performance störte. Aber gut, er musste sich dann auch nicht mit den Schimpftiraden unseres Sängers auseinandersetzen.

Statt ihm das alles an den Kopf zu werfen, atmete ich abermals tief durch, ehe ich in die dargebotene Schachtel langte und eine kleine, in Goldfolie verpackte Kugel daraus zutage förderte.

„Oh, ihr habt Schokolade?“

Schneller als einer von uns reagieren konnte, tauchte eine weitere Hand in meinem Gesichtsfeld auf und griff in die Packung. Wo kam Toshiya denn plötzlich her? Scheinbar tauchte die Hälfte meiner Kollegen neuerdings gerne mal aus dem Nichts auf.

„Ey, die ist für Kaorus Blutzucker und nicht für deinen. Der ist eh schon zu hoch, bei den ganzen Süßigkeiten, die du immer in deiner Tasche mit dir herumschleppst.“

Spielerisch schlug Die nach der vorwitzigen Hand, um ihn zu vertreiben. Doch selbst nach all den Jahren konnte niemand dem schmollenden Ausdruck und den großen, bettelnden Augen des Bassisten standhalten, weshalb sich Toshiya wenig später eine der Kugeln glücklich lächelnd in den Mund stopfte, während ich meine noch immer in der Hand hielt.

„Kaoru, wenn du deine nicht willst, nehm ich die auch.“

„Nichts da. Kaoru hat die viel nötiger als du.“
 

So ging es eine Weile hin und her und mündete schließlich in eine Diskussion über die unschlagbaren Vorteile von Schokolade, der ich widerwillig schmunzelnd lauschte. Es wirkte fast so, als wollten sie Werbung dafür machen. Bei Toshiya überraschte mich das wenig, er hatte sehr oft süße Nervennahrung, wie er es nannte, bei sich. Bei Die dagegen schon. Seit er sich gesunder Ernährung und einem sehr straffen Fitnessprogramm verschrieben hatte, hätte ich schwören können, dass es in seiner greifbaren Umgebung nichts mehr mit so vielen Kalorien gab.

Ich drehte die kleine Kugel noch einige Male zwischen den Fingern, bevor ich sie von der Folie befreite. Vollmilch, soweit ich das auf den ersten Blick beurteilen konnte.

„Hm… Eigentlich mag ich ja gar keine Schokolade.“

Ich war wirklich kein großer Schokoladenfreund, viel eher griff ich zu Gummibärchen, sollte Unterzuckerung drohen, oder meinem heißgeliebten Kaffee. Oder allerhöchstens Zartbitterschokolade. Dass ich die Worte laut ausgesprochen hatte, fiel mir erst auf, als die Stille zwischen uns beinahe in den Ohren zu schmerzen begann. Toshiya starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an. Huch…

„Bitte? Jeder mag doch Schokolade.“

Er klang so schockiert, dass meine Mundwinkel unwillkürlich zuckten.

„Nein, ich nicht. Ist mir einfach zu süß.“

„Aber, aber… Was machst du denn dann mit der Schokolade, die du geschenkt bekommst?“

„Welche?“

„Na, die zum Geburtstag, Weihnachten? Valentinstag, White Day? Schmeißt du die etwa weg?“

Schnaubend sah ich erneut auf die kleine Kugel zwischen meinen Fingern, die allmählich anfing zu schmelzen und hellbraune Flecken auf meiner Haut hinterließ.

„Wie gut, dass ich keine geschenkt bekomme.“

„Nicht dein Ernst?“

Toshiya wirkte wie ein Fisch auf dem Trocknen, während Die mich nur schweigend und mit zusammengepressten Lippen ansah.

„Doch und es ist auch nicht so wichtig. Zum Geburtstag bekomme ich, wenn überhaupt, praktische Dinge. Und Valentinstag und Co. waren für mich noch nie relevant. Wer hätte mir da schon etwas schenken sollen?“

Ich verstand sowieso nicht, warum die Leute so viel Geld an diesen Tagen ausgaben. War es nicht schöner für den Beschenkten, etwas an einem Tag zu bekommen, an dem man nicht damit rechnete? Nicht, dass mir das bisher passiert war, aber mal so rein theoretisch.

„Aber früher…? In unseren Anfangsjahren oder in der Schule?“

Toshiya sah wirklich so aus, als hätte ich ihn in seinen Grundfesten erschüttert, was meine Laune wiederum leicht hob. Sein Blick huschte immer wieder zu Die, als wollte er sich von ihm die Bestätigung holen, dass es nichts Schlimmeres gab. Dieser schwieg glücklicherweise weiterhin und sah unseren Bassisten seinerseits schmunzelnd an. Und er zuckte leicht mit den Schultern. Was sollte das denn bedeuten?

„So wichtig und begehrt, um von Fans Schokolade zu bekommen, war ich nie und während der Schulzeit hat meine Mutter mir welche geschenkt. War okay und nett gemeint, aber sie hätte meinetwegen keinen einzigen Yen dafür ausgeben müssen. Das muss nun wirklich nicht sein.“

Dass ich als Kind durchaus traurig gewesen war, wenn die anderen mit Schokolade nach Hause gingen und ich nicht, mussten die Beiden ja nicht wissen. Da hatten mich die kleinen Aufmerksamkeiten meiner Mutter wieder aufgemuntert. Heutzutage brauchte ich keinen Trost mehr und mittlerweile nervte das ganze Tamtam darum eher.
 

Ich glaubte, Die etwas murmeln zu hören, doch als ich erneut fragend zu ihm sah, schüttelte er nur sachte mit dem Kopf und deutete stattdessen nach unten.

„Sie schmilzt.“

„Oh.“ Vergessen hatte die Kugel in meiner Hand gelegen, die Finger deutlich von der braunen Masse verschmiert, so stopfte ich mir den Rest in den Mund. Es war wirklich Vollmilch mit einem überraschend cremigen Kern.

„Nicht schlecht.“

Auf die skeptischen Blicke meiner Bandkollegen hin, nickte ich noch einmal bekräftigend.

„Ja, wirklich gut. Und das will was heißen, da ich sonst höchstens dunkle Schokolade esse, wenn es denn welche sein muss.“

Die sah mich mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an, den ich gar nicht von ihm kannte und der mich dezent irritierte. Generell irritierte er mich in letzter Zeit. Auch mit etwas Abstand betrachtet, war ich aus dem heimlich belauschten Gespräch vor einigen Wochen nicht schlauer geworden. Kein Wort war in diese Richtung gefallen, als hätte ich mir das Ganze nur eingebildet. Nur war meine Neugierde immer noch präsent, was dazu führte, dass ich ihn öfter unauffällig beobachtete, als ich sollte. Ich wollte einfach wissen, was er mir zeigen wollte und was ich denn gesagt hatte, dass ihn anscheinend so beschäftigte. Wobei… ob es jetzt noch so war, wusste ich auch nicht. Aber nachzuhaken verbot mir mein Stolz.
 

Mit einem Mal wurden Rufe von der Bühne aus laut und bevor einer von uns etwas sagen konnte, wurde es hell in der Halle, sodass wir für einen Moment geblendet die Augen zukneifen mussten.

„Die Leinwand funktioniert!“

Na, endlich. Ging doch.

In der allgemeinen Freude der anderen griff ich ein weiteres Mal in die Schachtel, die Die unverändert in den Händen hielt und gönnte mir eine weitere Kugel.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  yamo-chan
2023-02-14T18:58:37+00:00 14.02.2023 19:58
Waaaas? Wie kann das denn sein, dass Kao keine Schokolade bekommt? O_ô
Das geht doch nicht.
Das muss sich (/Die) ändern!

Einen schönen Valentinstag <3
🍫🍫🍫
Antwort von:  QueenLuna
19.02.2023 15:09
haha ja der arme Kerl hat das letztes Jahr mal in seinem Podcast erzählt xD

danke dir ^^


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