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Nadira

und das Erbe der Finsternis
von

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Nadira

Dröhnend vibrierte der Bass durch die menschengefüllte Halle. Ausgelassen und vom Alkohol beschwingt feierte die Szene sich selbst im leuchtenden Neonlicht der Neuzeit. Es schien, als wären Lack und Leder nie aus der Mode gekommen. Mancherorts lebten Renaissance oder das viktorianische England nebeneinander wieder auf; alle schienen sich jedoch darin einig, dass noble Blässe und schwarz-untermalte Augen nach wie vor angesagt waren. Schwarz war die Farbe des Abends.

Tief summte der Bass in dem Stahlgerüst in schwindelerregender Höhe wider, wo zwei dunkel gekleidete Gestalten auf die ausgelassene Menschenmasse hinabblickten.

Helles Goldblond wallte dem Hockenden über die breiten Schultern, als seine himmelblauen Augen prüfend die unzähligen Schöpfe überflogen. An dem Dunkelblondhaarigen mit dem Topfschnitt gegenüber der Bar verweilte er eine kurze Weile, ehe er weiter diese entlangglitt, um auf gelocktes Blond zu treffen.

Eine junge Frau, augenscheinlich in den Mittzwanzigern, warf gerade ihre wilde Lockenmähne, die ihr bis knapp unters Kinn ging in ihren Nacken und öffnete ihre verlockenden, blutroten Lippen, die dafür gemacht zu sein schienen, stürmisch erobert zu werden. Ihr feinzügiges Gesicht erstrahlte vor Freude und verlor doch nicht ihre düstere, geheimnisvolle Anmut dabei. Das Farbenspiel der Lichtmaschine spiegelte sich auf ihrer silbrigen Haut. Ihr dunkles Oberteil verstärkte den leblosen Glanz und ließ zugleich tief blicken. Und doch tat dieser neuzeitliche Makel ihrer erotischen Erscheinung keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Wie immer scharrten sie sich um den blonden Engel. Doch er sah, was er wusste und nur noch wenigen vorbehalten war, zu sehen. Kurz verharrte er an ihren spitzen Eckzähnen, ehe er nachdenklich die Traube an Ahnungslosen, die ihr solch diabolisches Vergnügen zu bereiten schien, schweifte. Er war sich sicher, ihre tiefblauen Kulleraugen glitzerten hinter ihren langen Wimpern feurig. Sie amüsierte sich offensichtlich köstlich. Damit lenkte er sein Himmelblau zu dem dunkelblonden Struwwelkopf in einiger Entfernung. Er hatte sich unter das Volk gemischt und tanzte ausgelassen mit einem Südländer.

Von dort war es nur ein kurzer Weg bis zu der Dritten und Jüngsten im Bunde, wie er wusste. Der dunkelhaarige Lockenkopf verschwand gerade mit seinem Opfer an der Hand aus seinem Fokus. Da blickte er auf zu dem Braunhaarigen, der ungerührt an seiner Seite gestanden hatte. Ein knappes Nicken und dieser ließ sich umgehend zurückfallen, mitten hinein in die schützende Dunkelheit der Schatten am Rande der Tanzfläche.
 

„… Und dein Make-up. Wahnsinn. Wie machst du das?“, beorderte gerade das funkelnde Blau auf eine Braunhaarige, deren Gesicht mit weißer Farbe zugekleistert zu sein schien.
 

„Und deine Zähne, hast du die dir machen lassen?“, warf ein Zweiter sogleich ein.

An sich ein recht Hübscher. Sie schätzte ihn auf Mitte zwanzig. Ohne die schwarzen Linien um seine leuchtend grünen Augen, die seine Augenringe noch betonten, könnte er ihr direkt gefallen, schmunzelte sie in sich hinein.

Es war schon eine Schande, wie manche Menschen sich heutzutage entstellten. Empfanden sie das wirklich als schön? Wie waren sie nur darauf gekommen? Eine wahre Sünde, die sie da dem lebendigen und so rosigen Farbton ihrer Haut antaten. Wer wollte denn schon weiß wie Kalk sein? Eines jedoch verstand sie, wie sonst kein Anderer ihrer Art. Ihre Faszination für den Tod. Sie teilte sie sogar. Schon seitdem sie denken konnte, faszinierte er sie. Es war atemberaubend und zugleich erschreckend; und setzte jedes Mal, heute wie damals, ein elektrisierendes Kribbeln in ihrem Körper frei, wenn sie das Leben aus den Augen weichen sah. Sie verglich es sogar zuweilen mit so manchem prickelnden Vorspiel. Als ob das Leben sich dem Sterbenden noch einmal in seiner vollen Pracht und Blüte eröffnen wollte, sich mit einem großen Paukenschlag verabschieden wollte. So erschien es ihr gelegentlich. Hatte doch der Moment des Todes durchaus etwas Erotisches an sich, zumindest für sie.

Sie lächelte nachgiebig, als sie den vor Wissbegier und Begeisterung strahlenden Augenpaaren um sich begegnete. Menschen waren schon sonderbar.
 

„Nein, meine Zähne sind schon seit meiner Geburt so“, vereinte sich dann ihre wohlklingende Stimme mit den Wogen der Musik, die ihre zarte Brust zum mitschwingen animieren wollten.
 

„Echt schräg“, ereiferte sich ein Weiterer.
 

„Du meinst, seit deinem Tod“, verbesserte derweil ein Anderer.

Im Gegensatz zu dem Ersten schien er sich weitaus besser im Griff zu haben, widerstand er doch ihrem verführerischen Dekollete. Er sah ihr dabei sogar offen in ihre blauen Kulleraugen.
 

Sie lächelte leise, beinahe schon zärtlich, ehe sie von ihrem Getränk nippte. Die erwartungsvolle Spannung damit noch weiter anheizend, meinte nicht nur sie, die Luft knistern zu vernehmen.

Höchst erotisch trieb sie ihr Spiel weiter, ehe sie nüchtern offenbarte: „Ich bin nie gestorben.“
 

Verblüffung spiegelte sich auf den Mienen ihrer Gegenüber wider, als sie sich ihnen abermals zuwandte. Hatte sie doch gerade eben ihren Drink zurück auf den Tresen gestellt. Lässig stützte sie sich erneut auf ihren Ellenbogen gegen das polierte Holz und schmunzelte zuckersüß. Das war einfach immer wieder ein Knaller.

„Wie? Du meinst also…“, stammelte der Hübsche mit den tiefen Augenringen.
 

Man sollte meinen, in ihrer Fantasie seien sie wenigstens toleranter. Aber nein, da waren sie genauso beschränkt und engten sich selbst immer wieder mit ihren oft traditionsbelasteten Moralvorstellungen und ihren viel zu eng gefassten Prinzipien ein.

„Ich wurde geboren.“, beendete sie dann für ihn.
 

Unglauben und Faszination begegneten ihr Hand in Hand. Das leise Schmunzeln setzte sich auf ihren smarten Zügen fest.

„Genauso wie meine Brüder. Ich bin das jüngste Kind meines Vaters. Die Tochter des Mächtigsten unserer Art und einer seiner Geliebten. Sein einziger Bastard. Er machte mich meiner Mutter im Herbst des Jahres 1710 zum Geschenk.“
 

„Dann bist du ja… 322 Jahre alt.“, hauchte ein anderer ehrfürchtig, während anderorts leise geschmunzelt oder ungläubig mit dem Kopf geschüttelt wurde über solch ausgeprägte Fantasie.
 

„321, wenn man es genau nimmt“, korrigierte sie beiläufig.
 

„Und lass mich raten, deine Mutter war demnach auch eine Vampirin?“
 

„Ja, eine Gewandelte, wie wir sie nennen. Mein Vater schenkte ihr ihr zweites Leben und teilte mit ihr seine Kraft, die es ihr dann gestattete, mich zu gebären.“

Sie genoss die erstaunten und begeisterten Gesichter. Menschen, sie waren immer so leicht zu beeindrucken, hatten sie doch keine Ahnung von ihrer Welt.
 

„Du sprachst von deinen Brüdern, wie viele hast du denn? Und wie alt sind die dann? Ich meine, wenn du schon…“

Sie schmunzelte. Die üblichen Verdächtigen.
 

„Ich habe drei Brüder. Wie alt die beiden Ältesten sind, weiß ich selbst nicht so genau. Aber mein jüngster Bruder…“, sie deutete in die Menge auf den Dunkelblonden, der gerade mit seinem Tanzpartner eng umschlungen Speichel austauschte.
 

„… Er ist mindestens 5 Jahrhunderte älter als ich. Irgendwann relativiert sich das“, beorderte sie dann aller Augen wieder von dem gegelten Stachelkopf hin zu sich.
 

„Und dein Vater?“, hielt sie dann davon ab, abermals genüsslich an ihrem Cocktail zu nippen.

Grüblerisch schürzte sie ihre Lippen. Das war eine schwierige Frage. Bei ihm hatte sich das Mitzählen vermutlich schon irgendwo zwischen ihren beiden ältesten Brüdern relativiert, oder vielleicht schon lange davor? Sie wusste es nicht. Es hatte sie auch nie sonderlich interessiert. Sie hatte gelernt, dass es sie nicht interessierte.
 

„Das weiß niemand so genau. Ich kenne zumindest keinen, der behauptet, es zu wissen. Zeit spielt für uns eine untergeordnete Rolle.“, warf sie dann noch in den Raum.

Nachdenklich legte sie ihre blasse Stirn in Falten, während sie ihren Bruder mit dem heißblütigen Schönling beobachtete. Von all ihren Geschwistern war sie zwangsläufig diejenige, die am meisten von ihrem gemeinsamen Vater mitbekommen hatte. War sie doch von ihm genährt worden, nach dem Tod ihrer Mutter. Eventuell kam ihre sonderliche Verbundenheit ja auch daher? Ihr merkwürdiges Verhältnis, sein Interesse. Sie hatte eigentlich schon vor langer Zeit beschlossen, sich nicht mehr damit zu befassen. Es war sinnlos. Selbst sie, die sie sein Blut so oft mit ihm geteilt hatte, das Reinste, das ihre Art kannte, hinterblickte ihn nicht. Den Bau der Pyramiden hatte sie in seinem Blut gesehen. Unzählige Städte und Metropolen hatte sie brennen sehen unter den Feuern der Zerstörung, Kriege um Reiche, die die Menschen schon lange vergessen hatten. Länder und Völker, die schon so lange verloren waren, dass sie längst zu Mythen und Sagen geworden waren. Wie lange es wohl brauchte, bis aus Geschichte Mythos wurde? Wie alt musste man sein um selbst unter Unsterblichen zu einem Mythos zu werden? Sie schmunzelte undeutbar. Unter all ihren Geschwistern war sie von Anfang an herausgestochen. Schon allein, weil sie ein Bastard war. Sein erster und bis jetzt einziger. Es war, wie es war. Sinnlos also, darüber nachzudenken.

Das Getuschel um sie herum ging an ihr vorbei. Sie schaltete auf Durchzug, während sie über das herausgeputzte Antlitz des Älteren fuhr.

Sein schlanker Körperbau ließ die zierlichen und doch gut ausgeprägten Muskelstränge erahnen, die sich unter dem hellblauen Stoff seines Hemdes verbargen. Er hatte es bis zum Brustansatz aufgeknöpft und in den Armkehlen gekrempelt. Um seinen schlanken Hals baumelte eine zarte Lederkette mit einem ungewöhnlichen Zahn als Anhänger. Seine langen Beine waren modisch in eine gutsitzende Jeans gekleidet, sein dunkelblonder Igel zu einer trendigen „Out-of-Bed“ Stachelfrisur gegelt.

Nicht Wenige sagten ihnen eine gewisse Ähnlichkeit nach, viel mehr als die zu den älteren Beiden. Ob das daran lag, dass sie sich so gut verstanden? Sie wusste es nicht. Vielleicht lag es aber auch nur an der banalen Tatsache, dass sich einzig bei ihnen beiden das helle Haar ihres Vaters ansatzweise durchgesetzt hatte.
 

„… Und Dracula?“, schnappte sie gerade noch neben sich auf.

Sie ertränkte ihre aufkommende Belustigung in dem süßlichen Alkohol in ihrer zarten Hand. Auf diese Frage hatte sie gewartet. Das kam immer irgendwann. Mal früher, mal später.
 

„Gibt es ihn wirklich? Wie ist er so? Kann er wirklich fliegen? Und wie ist das mit seiner Verwandlung?“, überschüttete man sie dann regelrecht, sodass sie sich gezwungen sah, einzugreifen.
 

„Er kann nicht fliegen. Niemand kann das.“

Das stimmte nicht ganz, wie sie sehr wohl wusste. Sie kannte nur einen, dem ihre aller Urmutter die schwarzen Schwingen vermacht hatte.
 

„Wir bewegen uns einzig zu schnell für eure menschlich schwachen Augen, sodass ihr nur einen Bruchteil unserer Bewegungen tatsächlich erfassen könnt. Das mit dem Wände hinaufklettern und so, das stimmt allerdings“, gestand sie dann wahrheitsgetreu und verbarg ihr Schmunzeln in ihrem eleganten Glas.
 

„Und das Verwandeln?“
 

„Hollywood“, tat sie es lapidar ab.
 

„Und wie er so ist? Nun, er ist ein machtbesessener, kleiner, nichtsnutziger Halsaufschneider, dessen Welt sich einzig um ihn selbst zu drehen hat“, urteilte sie hart.
 

„Und seine Frauengeschichten?“, das musste von einem Mann kommen.
 

„Das hätte er gerne“, lächelte sie ehrlich.

Dieser verabscheuungswürdige Schwächling.
 

„Natürlich nutzt er seine Wirkung auf die menschlichen Frauen aus. Aber seine Kraft ist bei Weitem nicht ausreichend um sie ewig an sich zu binden. Also schuf er kurzerhand seinen eigenen Mythos“, nach einem ganz bestimmten Vorbild, fügte sie gedanklich noch hinzu.

Den Groll verbat sie sich dabei aber umgehend. Das war er nun wirklich nicht wert, zumal er ja schon erhalten hatte, was er verdiente. Obwohl sie immer noch darauf wartete, bis der ungeduldige und narzisstische Dummkopf seine Füße nicht mehr still hallten konnte.
 

„Also seid ihr gar nicht ewig an euren Partner gebunden?“, trat dann die Romantikerfraktion in Aktion.
 

Ehe die altbewährte und so lästige Diskussion, ob denn nun der Vampirbiss reine Erotik oder doch eher dem romantischen Gefühl der Liebe zuzuschreiben sei, entbrennen konnte, erläuterte sie entnervt: „Nein. Das wäre auf die Dauer wohl ziemlich langweilig.“
 

Und auf die enttäuschten Mienen mancher Mädels gestand sie dann doch noch zähneknirschend: „Es kann aber durchaus aus einem Gefühl tiefer Zuneigung entstehen. Doch das muss es nicht zwangsläufig. Fakt ist aber, gewandelt wird nur, was gefällt.“

Menschen, sie wollten immer alles einfach und geradlinig. Wann begriffen sie endlich, dass ihre Welt so ganz und gar nicht monoton, sondern quietschbunt war?
 

„Du hast ja wirklich eine ausgefuchste Fantasie“, lachte dann ein Anderer.

Sie lächelte geheimnisvoll. Oh ja, die hatte sie. Nur bis jetzt hatte sie sie noch nicht einmal bemühen müssen.

Hätten die Menschen auch nur einen Bruchteil einer Ahnung davon, wie wenig Fantasie es in ihrer Welt tatsächlich brauchte, sie wären, ebenso wie ihre Vorfahren, schreiend davongelaufen, anstatt hier ihrer Art zu huldigen. Auf solch billige und vorurteillastige Art und Weise. Und das alles nur, weil ein gewisser Jemand seinen Mund nicht halten hatte können und so diese ganze Hysterie ausgelöst hatte. Niemand, auch nicht die Weisesten ihrer Art hatten auch nur im Entferntesten erahnt, wie sehr sich das letztlich zu ihrem Vorteil entwickeln würde.

Niemand glaubte seit Hollywoods etlichen Draculaadaptionen mehr an ihre Art, nicht wirklich. Hatte es der gute, alte Vladi doch ein wenig übertrieben mit seinem Drang nach Aufmerksamkeit und Ehrfurcht.

Schmunzelnd drehte sie ihr Glas in ihrer kleinen Frauenhand und besah es sich dabei eingehend.
 

„Du hast ja keine Ahnung“, blickte sie dann auf und stach in sein überraschtes Augenpaar.

Der amüsierte Glanz war einem weitaus gefährlicheren Glitzern gewichen. Instinktiv erkannte die Beute seinen Räuber, wie seine schwitzigen Hände verrieten, als er sich unwillkürlich durch seinen schwarzen Vorhang strich.

Sein Kehlkopf zuckte aufgeregt an seinem dünnen Hals, während ihre Augen kurz die intensiv pulsierende Halsschlagader fokussierten.

Sie lächelte in böswilligem Vergnügen, ließ dann aber gelangweilt von ihm ab. Das war unter ihrem Niveau. Aber zum Spielen durchaus annehmbar. Ungerührt schickte sie ihren Blick über die tanzende Masse und prüfte kundig das Angebot. Ein leises Lächeln, mehr verriet dem Beobachter nicht, dass sie gefunden hatte, was sie suchte, als sie einen Braunhaarigen ins Visier nahm.
 

„Also kennst du Dracula persönlich?“, lenkte dann wieder ein junges naives Ding die Aufmerksamkeit auf ihr wohl von Hollywoods Schönlingen geprägtes Idealbild eines Vampirs.
 

„Ja, dafür hat er mit seiner Egokampagne gesorgt“, entgegnete sie abwesend.

Ihr tiefes Blau glitt derweil abschätzend über die stolze Erscheinung desjenigen, der ihr Interesse unbewusst geweckt hatte.
 

„Welche…?“, zwang sie dann dazu, von ihm abzulassen; vorerst.

Sie wandte sich wieder ihren Zuhörern zu. Es war Zeit das zu beenden. Es begann zu langweilen.
 

„Nun, dachtet ihr ernsthaft, Bram Stocker habe sich das alles allein aus den Fingern gesaugt? Ich würde ja eher annehmen, er wurde, sagen wir mal, inspiriert. Wodurch er dann natürlich auch zwangsläufig auf uns andere aufmerksam gemacht wurde. Damit brach dann dieser Wahn aus. Zugegeben Unerwarteterweise. Wir wurden zu emotional labilen Wesen, die den Romantikern und Dramatikern für ihre schmierigen Inszenierungen dienten, während jemand ganz Bestimmtes sich in seinem kurzzeitigen Ruhm badete.“

Ein hämisches Grinsen huschte über ihre Züge, als sie ihr leeres Glas abstellte und mit leuchtenden Iriden berichtete: „Ich glaube, er hatte tatsächlich erwartet, sich darin noch ein wenig länger suhlen zu können.“

Sie schüttelte leise den Kopf. Wie blöd konnte man sein?
 

„Aber er ist doch immer noch berühmt“, wurde da auch gleich nach einem Logikfehler in ihrer angeblich fantasievollen Geschichte gesucht.
 

„Oh, ja. Das wird er auch vermutlich noch für eine lange Weile bleiben. Nur fragt ihr euch nicht, warum der ach so mächtige Urvampir sich gerade im verkommenen und alten Rumänien auf seinem Ruhm ausruht, anstatt mal nach Hollywood zu den Reichen und Schönen zu fliegen, wo er doch so auf schöne Frauen abfährt?“

Wie erwartet sah sie sich neugierigen Gesichtern gegenüber. Sie schmunzelte zufrieden.
 

„Ganz einfach. Er fürchtet seine ewige Existenz endgültig zu verwirken, wenn er sich aus seiner Verbannung begibt.“

Erstauntes Schweigen. Nur die Musik brummte in ihren Ohren.
 

„Und warum sollte er bitte…?“
 

„Habt ihr euch nie gewundert, warum keine Beweise existieren? Nein? Dabei liefert Hollywood doch so nette Erklärungen. Wir leben im Verborgenen. Es ist uns nicht gestattet, unsere Welt preiszugeben. Einzig unseren Opfern erlauben wir einen kurzen Einblick“, lächelte sie.

Noch hielt sich die Unruhe in Grenzen, vom Unglauben und der Faszination überlagert.
 

„Und warum erzählst du uns dann so freizügig davon?“, kam es dann endlich neunmalklug.

Gar nicht mal so schlecht. Ab und an dauerte es viel länger, bis der Groschen an diesem Punkt fiel.
 

„Wer weiß? Vielleicht war mir gerade danach, ehe ich mich auf euch stürze“, konnte sie sich dann doch nicht verkneifen.

Und tatsächlich schlug ihr mancherorts die instinktive Furcht entgegen, während sich auf ausnahmslos allen Gesichtern ein ungläubiges Lächeln spannte, mal mehr, mal weniger ausgeprägt. Ja, ja. Der Unglaube und sein tückisches, zweites Gesicht, trällerte sie in Gedanken. Alles, was sie ihnen verraten hatte, war natürlich in keiner Weise noch gefährlich, dank Dracula. Einzig ihre Daten würden ihren Vater verstimmen. Doch sie konnte sich keine Möglichkeit erdenken, wie dieser je davon erfahren sollte. Er ging nicht mehr unter Menschen. Ob er das je getan hatte? Sie konnte es sich nicht wirklich vorstellen, aber sein Blut sprach eine andere Sprache.

Sie kostete die Anspannung regelrecht aus, die sich unter der versammelten Mannschaft ihres Auditoriums ausbreitete, wie ein Virus. Ungeniert blickten sie wie gebannt auf sie. Warteten nur zu offensichtlich auf eine auflösende Regung in ihrem Gesicht, konnten sie doch den leisen Urinstinkt nicht ganz außer Acht lassen. Sie gönnte sich noch einen kurzen Augenblick, badete in der unterschwelligen Urangst, die ihnen allen innewohnte. Dann erlaubte sie sich ein hauchzartes Lächeln und mit einem Mal brach das amüsierte Gelächter auch schon los. Es befreite so manch geschundene Seele von der nagenden Unsicherheit und Furcht; und erlaubte eine wohlige, aber vor allem trügerische Sicherheit.
 

„Gute Geschichte.“
 

„Du solltest wirklich damit zu einem Verlag oder am besten gleich nach Hollywood.“

Luzifer bewahre, lächelte sie in Gedanken. Dann würde sie ernsthafte Konsequenzen riskieren. Nein, so war das viel angenehmer.
 

Mit einem wissenden Lächeln stieß sie sich vom Tresen ab und verabschiedete sich von den ahnungslosen Glückskindern geheimnisvoll: „Man kann nie wissen und jetzt entschuldigt, mein Instinkt ruft.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Danke für die Aufmerksamkeit und das Interesse.
Danke für die Favorisierung.

Mein spezieller Dank gilt Morgi, dafür, dass du dir die Zeit genommen hast, deinen Eindruck zu hinterlassen. Danke dafür von Herzen! Komplett anzeigen

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