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Der Edelig-Mord

Magister Magicae 8
von

Vorwort zu diesem Kapitel:
Na schön, Kameraden. Das ist jetzt die 9. Story zu der ganzen Thematik. Lösen wir das große Geheimnis der Chroniken also endlich mal auf. ^^ Komplett anzeigen

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Der Auftrag

Cord und Third Eye saßen in ihrer Deckung und warteten. Cord hatte lose ein Scharfschützengewehr über dem Schoß liegen, machte aber noch nicht den Eindruck, sein Opfer sehr bald zu erwarten. Sein Genius Intimus sah das mit Blick auf die Uhr anders. Durch Akomowarovs Eingreifen hatten sie ihren Einsatz in ziemlicher Eile umplanen müssen. Wenn sie nicht gesehen werden durften, vor allem nicht von dem überlebenden Schutzgeist, dann mussten sie völlig anders agieren als angedacht.

„Das wird schiefgehen“, maulte Third Eye unmotiviert.

„Wieso? Wir haben ihn hier zu irgendeinem abgelegenen Anwesen auf den Orkney-Inseln eingeladen, unter dem Vorwand, es ihm verkaufen zu wollen. Was soll da schiefgehen?“

„Glaubst du, er hat sich vorher nicht schlau gemacht, wem die Bude wirklich gehört?“

„Und wenn schon“, hielt Cord dagegen. „Wir könnten doch beauftragte Immobilienmakler sein. Oder Bevollmächtigte.“

Sein Genius Intimus seufzte hinnehmend. „Wir werden sehen. Was ist eigentlich mit dem tatsächlichen Besitzer von dem Haus?“

„Ist gerade 14 Tage im Urlaub. Wir sind also ganz ungestört. Mach dir lieber Gedanken um Edeligs Schutzgeist. Über den weiß nämlich keiner was.“

„Keine Sorge. Mein Bannkreis hält jede Art von Genius auf. Ich mach mir mehr Gedanken um Akomowarov.“

Cord schaute ihn fragend an. „Wieso?“

„Hast du dich nicht gewundert, wieso er uns bezahlt, statt uns aufzuhalten? Ich kann einfach nicht glauben, dass er diesem Mord einfach tatenlos zusehen wird. Und das war echt ne Menge Holz, das er uns gestern gegeben hat. Er wollte um jeden Preis, dass wir auf seinen Handel eingehen.“

„Er ist doch selber ein Vielfach-Mörder. Wahrscheinlich nehmen wir ihm sogar noch Arbeit ab. Edelig gehörte zur Führungsetage. Würde mich nicht wundern, wenn Akomowarov selber hinter dem her war.“

Der Schutzgeist gab ein zustimmendes Brummen von sich und versank dann in dumpfes Brüten. Eine Weile herrschte Schweigen zwischen den beiden. Über ihnen sang ein Vogel, um sie herum rauschten die Baumwipfel im Wind, es war alles unverschämt friedlich.

"Sag mal", hob Cord irgendwann wieder ein Gespräch an. "Du kannst doch sehen, welche Art Genius du vor dir hast, auch wenn der gerade in menschlicher Gestalt rumläuft."

"Für gewöhnlich", grummelte die Banshee maulfaul, ohne ihn anzusehen.

"Keiner weiß, was Akomowarov wirklich ist. Die ganze Motus hat jahrelang rumgerätselt, aber keiner hat´s rausbekommen. Nichtmal der Boss. Hast du gestern gesehen, was er ist, als er bei uns am Tisch stand?"

Third Eye kratzte sich unbehaglich mit einem Finger an der schlecht rasierten Wange. "Ich bin mir nicht ganz sicher. Ich habe kurz was gesehen, als ich nah genug ran kam, ja."

"Und? Was ist er!?", hakte Cord, sofort Feuer und Flamme, nach.

"Also ICH denke, er ist ein Silant."

"Ein Drachenvogel?"

Third Eye nickte. "Sogar ein doppelköpfiger."

"Du meinst wie das Wappentier Russlands?"

"Jedenfalls sahen Silanten in den Büchern immer ziemlich so aus wie er. Aber ich hab noch nie einen echten gesehen, zum Vergleich."

"Krass, Mann, die sind verdammt selten und mächtig. Kein Wunder, dass er so ein starker Magier ist und ihm keiner was kann."

Third Eye änderte unwohl seine Sitzhaltung. "Hör zu, er hatte sich gut mit Magie abgeschirmt. Er wollte definitiv nicht, dass ich sehe, was er ist. Ich weiß, dass viele ein Interesse daran haben, aber du solltest mit dieser Information trotzdem nicht hausieren gehen. Wenn ich mit meiner Vermutung richtig liege, dass er ein Silant ist, und du das rumerzählst, wird er uns umbringen. Und selbst wenn ich falsch liege, wird er das nicht witzig finden. Wenn Akomowarov so ein Geheimnis drum macht, was für eine Art Genius er ist, dann hat er sicher Gründe dafür."

"Ein Doppelkopf, Mann", fantasierte Cord begeistert weiter. "Die haben zwei Köpfe, also zwei Gehirne. Schon das allein macht sie übermächtig. Man sagt sogar, dass jeder Kopf andere Fähigkeiten hat. Ist dir klar, dass das erklären könnte, warum der Kerl so viele verschiedene Magie-Arten beherrscht? Es kann gar nicht anders sein. Er MUSS ein doppelköpfiger Silant sein."

Third Eye merkte spürbar auf. „Hörst du das Auto? Ich glaube, sie kommen", wechselte er das Thema.
 

Cord brachte sein Scharfschützengewehr in Anschlag und bezog Position. Vor ihm erstreckte sich ein Waldweg, links und rechts von Bäumen flankiert, den er von seiner Deckung aus gut überblicken konnte. Der Waldweg machte eine Biegung. Dahinter lag der Parkplatz, und eine Schranke sorgte dafür, dass man diesen Parkplatz auch benutzte. Von dort aus ging es nur zu Fuß weiter. Edelig und sein Schutzgeist mussten um die Ecke gelaufen kommen, anders ging es gar nicht. Angespannt hörte sie zu, wie ein Automotor ausging. Wie eine Autotür zugeschlagen wurde. Dann kam ein älterer, dicklicher Mann im grauen Anzug um die Ecke gelaufen. Mit einer Aktentasche in der Hand.

Die Banshee ging ebenfalls in Lauerhaltung. "Hast du schonmal jemanden erschossen?"

"Nein."

"Soll ich?"

"Nein!"

"Kriegst du das hin?"

"Klappe, du Nuss!"

Gespannt verfolgten sie Ruppert Edeligs Weg.

Third Eye wurde in seiner Deckung unruhig. „Er ist alleine“, raunte er überrascht. „Cord, er ist alleine! Was machen wir jetzt?“

Ruppert Edelig marschierte ungerührt und zielsicher den Waldweg zum Anwesen hinauf. Er kam immer näher.

Cord nahm das Auge vom Zielfernrohr. „Er kann doch nicht alleine sein!? Magier sind NIE ohne ihren Schutzgeist unterwegs!“

„Na siehst du ihn denn irgendwo?“, zischte Third Eye fahrig zurück und begann sich rundherum umzusehen. „Er muss hier irgendwo in der Umgebung sein. Vielleicht haben die uns nen Hinterhalt gestellt?“

In diesem Moment glühte hinter Ruppert Edelig ein bläulich leuchtender Bannkreis auf dem Boden auf. Mit einem gepressten Laut manifestierte sich darin ein zweiter Mann in schwarzer Lederjacke und ging dann übergangslos ohnmächtig zu Boden. Sie sahen, wie Ruppert Edelig erschrocken herumfuhr und die zwei Schritte zu dem Bannkreis zurückeilte.

Third Eye zog eine Augenbraue hoch. „Okay, Thema geklärt“, meinte er nüchtern. „Der Schutzgeist war einfach nur unsichtbar. Wahrscheinlich auf der Astralebene versteckt. Also denn, Cord, dein großer Auftritt. Du hast freie Schussbahn.“
 

Cord betrachtete sein Opfer noch einen Moment durch das Zielfernrohr. Er hatte Ruppert Edelig mit einem präzisen Schuss direkt ins Herz umgelegt. Toter ging es nicht. Und Third Eyes Bannkreis hielt ebenfalls, was er versprach. Der Genius Intimus lag drinnen und rührte sich nicht mehr.

„Sauber“, kommentierte Third Eye diese gelungene Arbeit von der Seite.

Mit einem Durchatmen nahm Cord das Gewehr beiseite, schaute sich suchend in der Umgebung um und musterte auch kurz die Wolken über sich.

"Was hast du?"

„Schon komisch. Ich dachte wirklich, Akomowarov würde es doch noch verhindern. ... Na schön. Richten wir uns hier ein und warten“, entschied er mit einer Ruhe, die einem soeben begangenen Mord in keinster Weise angemessen schien.

„Warten?“, gab Third Eye ungläubig zurück. „Du willst am Tatort bleiben? Worauf warten wir denn?“

„Weiß ich noch nicht. Aber was glaubst du, was Akomowarov mit uns macht, wenn der Schutzgeist von den falschen Leuten gefunden wird?“

„Das ist mir doch egal, von wem der gefunden wird! Unser Deal war lediglich, ihn am Leben zu lassen!“

„Möglich“, nickte Cord stoisch. „Aber wenn die falschen Leute ihn finden – sagen wir mal, die Bullen zum Beispiel – wird Akomowarov nicht mehr an seine Infos kommen. Oder auch wenn er GAR NICHT gefunden wird und da drin verhungert und verdurstet.“

„Cord!“

„Nicht meine Schuld." Er legte sich das Gewehr wieder quer über den Schoß und lehnte sich bequem zurück. "Hättest du den Bannkreis eben so entworfen, dass er sich nach ein, zwei Stunden von selber wieder auflöst.“

„Das ging nicht. Das hab ich dir doch erklärt! Ich musste ihn so konstruieren, dass er erst aktiviert wird, wenn ein Genius hineintritt, sonst hätte der Schutzgeist ihn schon von weitem gespürt. Das geht nicht zusammen mit einem automatischen Ausschalter.“

„Dann geh ich kein Risiko ein und bleibe hier. Akomowarov ist nicht sehr nachsichtig. Und wenn er uns einmal gefunden hat, dann wird er uns auch wieder finden. Das nächste Mal lässt er uns wahrscheinlich nicht mehr laufen, wenn wir´s verbocken.“

Die Banshee verschränkte mürrisch die Arme, diskutierte aber nicht mehr weiter. Er sah sich förmlich die nächsten drei oder vier Tage hier sitzen.
 

Lange mussten sie aber gar nicht warten. Nach einer reichlichen Stunde kreiste plötzlich ein Greif am Himmel und ging schließlich auf dem Waldweg zu Boden. Nur wenige Meter neben der Stelle, wo sich Ruppert Edeligs Blut verteilte. Der Greif nahm eine menschliche Gestalt an. Ein kleingeratener, zierlicher Mann mit schwarzem Ledermantel und schwarzen Haaren.

Verwundert brachte Cord sein Gewehr wieder in Stellung, um durch das Vergrößerungs-Zielfernrohr zu schauen. „Sieh mal an. Da ist er.“

„Hätte nicht gedacht, dass der persönlich herkommt“, merkte Third Eye halb irritiert, halb erleichtert, an. Also zum Glück kein ungewollter Zeuge, der ebenfalls noch abgeschossen werden musste, weil er zuviel gesehen hatte. Er spähte ebenfalls gebannt aus der Deckung, ob der schmächtige Hänfling im Ledermantel auch ganz sicher kein Double war. „Alter, knall ihn ab! Freie Schussbahn, Mann!“

„Nein.“

„Warum nicht? Der Boss wäre begeistert.“

„Mit Sicherheit. Aber siehst du den grünen Schimmer, der ihn umgibt?“

„Nein!?“, erwiderte der Genius und kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen, um vielleicht etwas besser erkennen zu können, was da passierte.

„Er hat sich gerade mit einem Bann umgeben, der Kugeln an ihm vorbeileitet. Er kann im Moment nicht erschossen werden. Der Versuch würde ihn nur auf uns aufmerksam machen.“

Third Eye gab bloß einen unzufriedenen Laut von sich.

„Ein nützlicher Bann. Sehr schwierig, und leider sehr kurzlebig. Er hält nur zirka 15 Minuten und lässt sich auch nicht mehr so schnell auffrischen. Aber in diesen 15 Minuten …“ Cord ließ den Satz hängen und überließ es der Fantasie seines Genius, sich vorzustellen, was man alles tun konnte, solange man kugelsicher war.
 

Victor ging mehrere Male um den Bannkreis herum, der Urnue gefangen hielt. Er war simpel und funktional. Nicht dermaßen primitiv, dass Victor eine Falle dahinter vermuten musste, aber doch trivial genug für sein Niveau. Das Werk eines pragmatisch denkenden Praktikers. Trotzdem studierte er jedes Zeichen und jede Linie genau, um eventuell versteckte Überraschungen nicht zu übersehen. Er fand keine. Also getraute er sich letztlich, den Bannkreis aufzuheben.

Urnue blinzelte mit einem müden Seufzen die Augen einen Spalt breit auf. Es fiel ihm schwer, ins Hier und Jetzt zurückzufinden. Das erste, was er bewusst erkannte, war das Gesicht, das über ihm schwebte. „Dragomir?“, murmelte er verwundert. „Was tust du hier? Ist was passiert?“

„Ich hab dich gerade aus einem Bannkreis gezogen“, meinte der Russe und zog dabei ein unerklärlich elendes Gesicht.

„Bannkreis?“ Urnue brauchte noch ein paar Momente, um seine Gedanken zu sortieren. Dann zuckte seine Hand plötzlich zur Herzgegend und seine Augen weiteten sich erschrocken. „Was stimmt hier nicht!?“, keuchte er, schlagartig hellwach. „Ruppert!“ Mit suchendem Blick fuhr er hoch und herum.

„Urnue, bleib hier!“ Victor versuchte den Wiesel-Genius in eine Umarmung zu ziehen, um ihn aufzuhalten, aber es war zu spät. Der hatte seinen im Blut schwimmenden Schützling bereits entdeckt.

„Ruppert!“, rief Urnue nochmals panisch.

„Sieh nicht hin, U.!“

„Lass mich los!“, verlangte Urnue und begann wild zu strampeln.

„Er ist tot. Du kannst nichts mehr tun“, versuchte Victor ihm in betont ruhigem, tröstendem Tonfall klar zu machen. Aber es half nichts. Er musste den sich wehrenden Urnue kurzzeitig freigeben, weil ihm die körperliche Überlegenheit fehlte, um ihn weiter festzuhalten.

„Nein!“, schrie Urnue immer wieder.

„Du darfst nichts anfassen, U.! Das hier ist ein Tatort! Du darfst die Leiche nicht bewegen!“ Victor versuchte Urnue am Jackensaum wieder wegzuzerren. „Wir müssen hier weg, hörst du? Überlass Rupperts Körper der Polizei, komm schon.“

Urnues Gestammel, wenn es überhaupt noch Sinn ergab, war so in Tränen erstickt, dass man es ohnehin nicht mehr verstand.

„Komm schon. Lass uns verschwinden!“, bat Victor nochmals eindringlich.

„Ruppert! Warum!?“

Der Russe zog Urnue nachdrücklich am Ellenbogen auf die Beine, aber der sackte einfach stur wieder in sich zusammen.

„Wieso konnte ich es nicht verhindern?“

„Weil du bewusstlos in einem Bannkreis lagst, darum! Und jetzt komm!“

„Lass mich los!“, verlangte Urnue verzweifelt.

Victor nahm seine Greifengestalt an, schnappte Urnue einfach kompromisslos um die Mitte und hob mit ihm ab, um davonzufliegen.
 

„Na schön, Akomowarov hat, was er wollte. Können wir dann jetzt verschwinden?“, murrte Third Eye gelangweilt in seiner Deckung.

„Nein.“

„Wieso denn immer noch nicht?“

„Wir können die Leiche nicht einfach da liegenlassen. Was glaubst du, was hier losgeht, wenn die Cops den finden!?“

"Wenn dieser Schutzgeist da jemals wieder auf der Bildfläche auftaucht, dann hab ich vor dem Boss mehr Angst als vor den Cops. Ich hoffe, Akomowarov hält sein Versprechen, dass man von dem nichts mehr hören wird", gab die Banshee mürrisch zurück und warf sich die langen, verfilzten, blonden Haare über die Schultern nach hinten. "Findest du, wir hätten Akomowarov sagen sollen, dass der Boss höchstpersönlich unser 'anonymer Auftraggeber' war? Das hätte ihn bestimmt interessiert."

"Bist du bescheuert? Wenn der auch nur den leisesten Verdacht schöpft, dass wir mit Vladislav noch in Kontakt stehen, sind wir geliefert!", jaulte Cord hysterisch auf.

Sein Genius zuckte gleichgültig mit den Schultern. "Der Boss sitzt im Knast. Akomowarov weiß das. Er weiß selber, wo er den Boss findet. Dafür braucht er unsere Hilfe nicht."

"Nein, aber zufällig exekutiert er alle Leute, denen er immer noch einen ausreichenden Bezug zur Motus andichtet, du Spatzenhirn. Offensichtlich hält er uns für ungefährlich, und nicht für Vladislavs verlängerte Augen und Arme außerhalb der Gefängniszelle, sonst hätte er uns wohl kaum am Leben gelassen! In diesem Glauben sollten wir ihn verdammt nochmal lassen!"



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