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Beautiful Behavior

von

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Deal

Chris saß zusammen mit Jefferson im Hotelzimmer und tätigte die letzten Vorbereitungen, ehe sie abreisen würde. Selbstverständlich nutzte die Organisation ihre Anwesenheit in New York aus. Nachdem die Beerdigung der falschen Sharon Vineyard geplant und vollzogen wurde, traf sie sich mit alten Bekannten und Freunden. Sie schrieb Dankeskarten und sprach mit Regisseuren, Produzenten, Kameramännern und Schauspielern. Jeder erzählte ihr, wie toll Sharon doch war und welche Lücke sie im Leben aller Personen hinterließ. Es war das typische Verhalten der Menschen. Keiner würde in dieser Zeit sagen, was er wirklich dachte. Sie alle waren verlogen. Doch Chris war es ebenfalls, daher war es auch in Ordnung.

Dennoch freute sie sich, wenn sie wieder zurück nach Japan konnte. Dort fühlte sie sich geborgen, zu Hause und sicherer. Auch wenn sie häufig in Verkleidung nach New York reiste, war es nur noch ihr Geburtsort, aber nicht mehr ihr zu Hause. Sie hatte zu viel verloren und ihr altes Leben aufgegeben – und alles nur wegen der Organisation. Obwohl sie dort einen guten Status besaß und nur die wenigen Mitglieder von ihrer Doppelidentität wussten, war sie auch nur ein Mittel zum Zweck. Der Boss konnte es wohl nicht abwarten, sie irgendwann loszuwerden. Jeder Fehler wurde bestraft und sie war sich sicher, dass einige Mitglieder nur darauf warteten. Und wenn es möglich war, legten sie ihr Steine in den Weg. Aber das gleiche tat sie auch. Sie beobachtete ihre Mitstreiter, suchte nach ihren Fehlern und war immer dazu bereit, sie ans Messer zu liefern oder zu benutzen. Mit der Zeit hatte sie gelernt, dass man auch innerhalb der Organisation dazu bereit sein musste, seine Grenzen zu überschreiten.

„Chris?“

Die Angesprochene schüttelte den Kopf. Sie verbannte ihre Gedanken und blickte zu Jefferson. Sie musste sich auf ihre Arbeit in New York fokussieren, ansonsten würde sie nicht so schnell zurück nach Tokyo dürfen. „Was ist?“

„Hast du mir zugehört?“

„Natürlich“, gab die Schauspielerin von sich. „Sag, was hältst du vom FBI und den Agenten?“

Jefferson sah sie erstaunt an. Sie fragte selten nach seiner Meinung, aber sie tat es nie ohne Hintergedanken. Er musste aufpassen, was er sagte, denn ansonsten würde sie es gegen ihn verwenden. „Sie haben sich darauf eingelassen, die Befragung im Hotelzimmer durchzuführen. Das habe ich nicht erwartet. Allerdings bin ich mir nicht sicher, was ich davon halten soll. Es wäre möglich, dass sie keine Ahnung haben, in welcher Beziehung du tatsächlich zu Sharon stehst. Andererseits waren ihre Fragen sehr gezielt und ich hatte das Gefühl, dass sie dir etwas unterstellen wollten.“

„Das hätten sie so oder so getan“, sprach Chris ruhig. „Egal wie ich mich verhalten hätte, welche Reaktion sie von mir gesehen hätten, sie hätten sich darauf eingeschossen. Hätte ich auf die Tränendrüse gedrückt, würden sie vermutlich meine schauspielerische Leistung loben. Deswegen habe ich mich dazu entschieden, ihnen eine ruhige Art zu zeigen.“

Er nickte verstehend. „Du musst dich mir gegenüber nicht erklären.“

„Ich weiß, aber du wirst doch alles an die Organisation weitertragen“, entgegnete die Schauspielerin. „Keine Sorge, wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich genau so handeln.“ Sie schlug die Beine übereinander. „Ich muss sagen, ich bin nun doch vom FBI überrascht.“

Jefferson runzelte die Stirn. „Seit wann vertrittst du diese Meinung? Vor einigen Tagen hast du dich noch sehr abfällig über das FBI geäußert.“

Chris schmunzelte. „Sie werden früher oder später noch einmal herkommen. Und sie werden Fragen stellen. Ich hoffe, es wird später sein, weswegen wir die Sache hier so schnell wie möglich über die Bühnen bringen müssen.“ Allerdings hatte sie einen Plan, von dem ihr Manager nichts wusste.

Der Manager nickte.

„Allerdings muss ich zugeben, dass sie mich überrascht haben. Sie scheinen fähigere Leute zu haben als damals…zumindest jene, die nun an der Sache mitarbeiten. Sie denken mit und nutzen ein Störgerät während ihrer Unterhaltungen. Wir können sie nicht mehr abhören, was auch dazu führt, dass wir ihnen nicht mehr einen Schritt voraus sein können.“

„Du könntest doch wieder das machen, was du schon vor ein paar Wochen gemacht hast und einzelnen Agenten eine Wanze in die Jackentasche stecken.“

„Mhm…ich glaube nicht, dass es ein weiteres Mal funktioniert. Sie wissen nun, worauf sie achten müssen. Bei Roy war es ganz einfach. Ich musste nur in seine Wohnung und Wanzen in seine Kleidung einnähen. Anderen Agenten konnte ich ein Stück zerknülltes Papier mit der Wanze in die Jackentasche stecken. Vermutlich prüfen sie das aber jetzt auch am Eingang. Und diese beiden Agenten vom Meet and Greet abzuhören, hat ihr übriges getan. Sie wissen von der Organisation.“

„Es war nur eine Frage der Zeit, dass sie uns auf die Schliche kamen.“

„In der Detektei haben sie die Wanzen auch schon bemerkt. Sie beäugen jede fremde Person sehr kritisch. Vermutlich prüfen sie nun auch vermehrt die Fingerabdrücke. Deswegen müssen wir auch verhindern, dass sie mich offiziell dorthin bestellen. Ich habe zwar immer aufgepasst und Handschuhe getragen, aber man kann nie sicher genug sein. Wenn sie doch Fingerabdrücke von mir haben, die sie nicht zuordnen können, will ich sie auf keine Übereinstimmung stoßen. Vor zwanzig Jahren habe ich einen Fehler gemacht, weil ich zu sicher war. Wenn sie von damals Beweise haben, könnten sie mich mit der Tat in Verbindung bringen. Allerdings können sie nur schwer erklären, was ein Kind dort machte. Ich könnte behaupten, dass mich meine Mutter mit in das Haus nahm und ich dort gewartet oder sogar mit Jodie gespielt habe. Den Zeitpunkt meiner Anwesenheit können sie ja schlecht überprüfen. Und auch wenn Jodie verneint, sie ist keine gute Zeugin. Jeder Anwalt kann dafür sorgen, dass sie unglaubwürdig ist.“

Jefferson nickte abermals. „Wir haben immer noch die Wanzen von Tripton. Wenn er nicht gerade mit den anderen Agenten im Gespräch ist, können wir ihn immer noch abhören.“

Chris schmunzelte. „Stimmt. Dadurch wissen wir, dass er die Schuld für den Tod von Sharon auf seine Kappe nehmen will. Ich bin gespannt, wie das FBI diesbezüglich weiter agiert. Tripton hat ein Alibi und wenn Black eine Aussage machen muss, wird er sicher nicht lügen. Ehrlich gesagt, habe ich kein Problem damit, das der Staatsanwaltschaft mitzuteilen. Sie haben schon meinen anderen Tipp genutzt, um das FBI unter Druck zu setzen. Andererseits soll es mir recht sein, wenn Tripton die Schuld auf sich nimmt. Dann sind wir ihn los und müssen uns nicht um ihn kümmern. Jodie stellt ebenfalls keine Gefahr für uns dar. Sie hat zwar wieder überlebt, aber jetzt hat sie zwei Menschen auf dem Gewissen. Das wird sie auf ewig verfolgen. Sie wird sich nicht in unsere Angelegenheiten einmischen und wenn doch, kümmern wir uns um sie.“

Jefferson lächelte. „Du hast immer einen Plan B parat.“

„Nicht nur einen Plan B. ich habe meistens auch noch C und D in petto. Und improvisieren ist auch meine Stärke. Wenn sich irgendwas ändert, kann ich mich darauf einstellen. Hauptsache, der Ausgang stimmt.“ Und sie wusste genau, was sie wollte.

Es klopfte an der Tür. „Erwartest du jemanden?“

„Nein.“

Der Manager stand auf und ging zur Tür. Dann blickte er zu ihr. „Bereit?“

Chris nickte und er öffnete. Als er Agent Decker und Agent Akai sah, runzelte er die Stirn. Er grüßte die beiden Männer. „Was verschafft uns das Vergnügen?“

„Guten Tag. Ich hoffe, wir stören nicht“, begann Decker. „Wir haben unser Gespräch von gestern Morgen ausgewertet und müssten noch einmal mit Miss Vineyard sprechen. Hätte sie für uns Zeit?“

Chris blickte zur Tür und stand auf. Das Gespräch kam zu früh. Sie konnte sich nicht vorbereiten, aber das FBI wegzuschicken war auch keine Option. Wenigstens konnte sie auf ihre Schauspielkunst zurückgreifen. Und sie war nicht alleine. Im Notfall würde sie die gesamte Schuld auf den Manager ihrer Mutter schieben oder gleich auf ihre Mutter. Sharon war ein guter Sündenbock. Sie war eine Person des öffentlichen Lebens und im Nachgang kamen solche Nachrichten bei den Fans nicht gut aus. Außerdem müsste das FBI die Zusammenhänge zwischen Sharon und der Organisation andeuten, weswegen sie lieber schweigen würden.

„Nun, eigentlich müssen wir noch ein paar Dinge erledigen“, begann Jefferson.

„Aber ein paar Minuten haben wir doch, nicht wahr?“, kam es von Chris.

Er blickte überrascht zur Schauspielerin. „Natürlich. Kommen Sie doch bitte rein. Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“

Decker und Akai betraten das Hotelzimmer. „Danke, wir brauchen nichts.“

Jefferson schloss die Tür und sah zu den Männern. „Setzen Sie sich doch.“ Er hatte keine Ahnung, was Chris vorhatte. Und das bereitete ihm die meiste Sorge.

„Danke.“ Agent Decker nahm Platz. Akai hingegen blieb stehen und beobachtete den Raum. „Miss Vineyard, ich möchte Sie erneut darauf hinweisen, dass Sie jederzeit einen Anwalt dazu holen können. Sie müssen nichts sagen, was Sie selbst belastet.“

Chris setzte sich wieder und runzelte nachdenklich die Stirn. „Ich denke, Sie sollten mir sagen, was Sie zu sagen haben. Wenn ich Ihre Fragen nicht beantworten möchte, werde ich schweigen. Und wenn Sie doch eine Antwort haben wollen, müssen Sie mich offiziell vorladen.“

„Sie haben Ihre Hausaufgaben gemacht“, warf Akai ein.

„Auch wenn ich in Japan lebe, kenne ich mich mit dem amerikanischen Rechtssystem aus. Ich habe das Recht eine Aussage zu verweigern, allerdings handelt es sich hier um keine offizielle Befragung. Deswegen kann ich auch nur zuhören. Selbst wenn ich irgendwas sage, dürfen Sie es nicht verwenden, außer ich bekenne mich zu einer Straftat.“

„Wenn das so ist, sollten wir ehrlich zu Ihnen sein. Agent Akai beginnen Sie bitte?“

Der Agent nickte. „Ich habe gestern Ihr Glas gegen ein anderes getauscht und mitgenommen.“

Chris warf Jefferson einen Blick zu. Das würde noch ein Nachspiel haben. Der Manager war schließlich dafür zuständig, dass so etwas nicht passierte. Aber scheinbar war das FBI schneller als gedacht. „Aja? Und was kam dabei raus?“, wollte sie überrascht wissen. „Bin ich eine Schwerverbrecherin?“

„Es gab tatsächlich einen Treffer“, begann Akai. „Ihre Fingerabdrücke stimmen mit den Fingerabdrücken überein, die auf der Tatwaffe waren, mit der Ihre Mutter erschossen wurde.“

„Und jetzt möchten Sie wissen, wie das sein kann?“, kam es von Chris. Sie hatte tatsächlich eine Erklärung dafür, denn es gehörte zu ihrem Plan. Sie wollte das FBI sogar auf ihre Fährte lenken.

Agent Decker beobachtete sie. „Bitte erzählen Sie uns, was an jenem Abend passiert ist.“

Chris verschränkte die Arme vor der Brust. „Tja, Sie haben meine Fingerabdrücke rechtswidrig entnommen. Das Ergebnis ist anfechtbar.“

Akai verengte die Augen. „Dann überlassen Sie uns Ihre Fingerabdrücke offiziell und wir wiederholen die Abfrage.“

„Was passiert, wenn das gleiche Ergebnis dabei herauskommt?“, wollte Jefferson wissen.

„Dann raten wir Ihnen, einen Anwalt zu kontaktieren.“

Chris lachte.

„Chris!“, mahnte Jefferson.

Sie beruhigte sich wieder. „Entschuldigung, das war nur lustig.“

„Miss Vineyard, ich glaube nicht, dass Sie das Ausmaß von dem verstanden haben, was hier vorgeht.“

Chris schlug die Beine übereinander. „Ich verstehe sehr wohl. Ich weiß viel mehr, als sie denken.“ Ihr Tonfall hatte sich verändert.

Shuichis Hand glitt in seine Jackentasche zu seiner Dienstwaffe. Er würde bereit sein.

„Ich weiß, zum Beispiel, dass Sie Agent Tripton als Sündenbock benutzen wollen. Aber ob die Staatsanwaltschaft da mitspielen wird? Und da ist doch noch Jodie Starling, die ebenfalls in der Wohnung war. Ich weiß, was sie getan hat, damals wie auch jetzt.“

„Chris!“, kam es erneut von Jefferson.

„Was denn? Wenn sie meine Fingerabdrücke nehmen, werden sie doch eh darauf kommen“, sprach die Schauspielerin und wandte sich wieder an Decker. „Ich weiß, dass ich nicht Ihr eigentliches Ziel bin. Sie wollen mehr und Sie wollen nicht, dass Jodies Leben zerstört wird.“

„Was soll das heißen?“

„Chris!“

„Ich habe ein paar Beweise gegen die kleine Starling. Lassen Sie mich in Ruhe, lasse ich sie in Ruhe. Wie ist das? Haben wir einen Deal?“

„Sie wollen einen Deal?“ Agent Decker blickte kurz zu Shuichi. „Dann müssen Sie uns mehr anbieten.“

„Sie wollen mehr?“ Chris schmunzelte. „Und was?“

Decker beugte sich nach vorne. „Wir wissen, dass Ihre Mutter für jemanden gearbeitet hat, und wir möchten an diese Männer kommen. Und wenn Sie auch für sie arbeiten…“

„Ich verstehe. Sie möchten von mir Informationen.“

„Chris!“

„Sei still“, zischte die Schauspielerin. Dann wandte sie sich wieder an die Agenten. „Ich möchte ein offizielles Schreiben. Das FBI lässt mich hier und in Japan in Ruhe - auf Lebzeiten. Im Austausch lasse ich Jodie in Ruhe und übergebe Ihnen Informationen, die meine Mutter gesammelt hat.“

Jefferson biss sich auf die Unterlippe. Dafür würde Chris büßen.

„Einverstanden.“ Agent Decker hatte sich im Vorfeld die Befugnis für eine Verhandlung mit Chris von der Staatsanwaltschaft geholt. Er wusste, wie weit er gehen durfte und was das Limit war.

Chris sah auf die Uhr. „Mein Angebot gilt eine Stunde. Wenn Sie mir bis dahin kein Schreiben vorlegen, steht der Deal nicht mehr.“

Agent Decker stand auf. „Agent Akai, Sie bleiben hier.“

Shuichi nickte.

„Was haben Sie vor?“, wollte Jefferson wissen.

„Agent Akai bleibt hier und passt auf. Sie können auch gerne auf japanisch sprechen. Das stellt kein Problem dar.“ Er lächelte. „Ich begebe mich nach unten und werde mit einem Kollegen von der Staatsanwaltschaft das Schreiben für den Deal aufsetzen. In spätestens 55 Minuten bin ich wieder da.“

Chris lächelte. „Beeilen Sie sich. Die Uhr läuft. Tick. Tack.“

Es lief alles nach Plan. Für beide Seite.



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