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Beautiful Behavior

von

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Kein Entkommen

Jodie saß an ihrem Schreibtisch im Büro einer Detektei und versuchte ihre freie Zeit so sinnvoll wie möglich zu verbringen. Da sie gerade an keinem aktiven Auftrag arbeitete, recherchierte sie für ihre Abschlussarbeit. So hatte sie zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: einen Studienabschluss in Literaturwissenschaften und erste Berufserfahrung – auch wenn diese nichts mit ihrem Studium gemeinsam hatte. Dennoch hatte Jodie Kriminalistik als Nebenfach gewählt, was einen gewissen Einfluss auf ihre Abschlussarbeit hatte.

Als ihr Handy klingelte, blickte sie auf dieses. Die Nummer kannten nur wenige und wenn es keine Werbung war, bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass die Nachricht wichtig war. Jodie nahm das Handy und rief die Nachricht auf. Jemand sucht nach dir. Pass auf dich auf. Sie biss sich auf die Unterlippe. Eigentlich hatte sie gehofft, dass James die Suche endlich aufgab, aber er scheinbar hatte er einen weiteren Versuch unternommen. Dabei hatte sie ihm im Brief eindeutig klar gemacht, dass sie nicht gefunden werden wollte. Dass sie ein neues Leben ohne die Spuren der Vergangenheit beginnen wollte. Einerseits verstand sie ihn, seit Jahren war er wie ein Vater für sie, aber manchmal erdrückte sie seine Fürsorge.

Die junge Frau seufzte und legte das Handy wieder zurück auf den Tisch. Sie war dankbar für die Nachricht, denn nun wusste sie, dass sie wieder vorsichtig sein musste. Dabei hatte sie gehofft, dass dieses Leben hinter ihr lag. Aber vielleicht hätte sie nicht wieder nach New York kommen sollen. Erneut zweifelte sie an ihrer Entscheidung von vor zwei Jahren. Doch egal wo sie war, es schien, als wäre ihr kein Glück vergönnt. Weder früher noch jetzt.

Nach dem Mord an ihren Eltern kämpfte sie immer wieder aufs Neue darum und gab die Hoffnung nicht auf. Und immer wenn sie glaubte, dass es endlich bergauf ging, passierte irgendwas Furchtbares. Damals der schreckliche Unfall auf der Studentenfeier, in dessen Anschluss sie das Gespött an der ganzen Universität war. Aber das war belanglos, im Vergleich zum Mord an ihren Eltern.

Seit Jahren versuchte Jodie die Mörderin ihrer Eltern zu finden. Genau so lange tappte sie im Dunkeln. Damals hatte sie dem FBI alles erzählt, was sie wusste. Es begann mit dem Mord an ihrer Mutter im Flur, ging dann dazu über wie sich Jodie im Wohnzimmer wiederfand und mit der Frau sprach und endete damit, wie sie James traf und mit ihm wieder nach Hause fuhr. Erst vor dem brennenden Haus hatte sie das wahre Ausmaß des Abends realisiert. Schlimmer war allerdings, dass das FBI seitdem keine einzige Spur hatte – zumindest kam ihr das so vor. A secret makes a woman woman. Diese Worte wiederholte sie immer wieder. Bei jedem Gespräch achtete sie darauf, ob der Satz fiel. Selbst dem FBI hatte sie diesen Satz genannt und gehofft, dass die Frau gefunden wurde. Da es nicht anders ging, musste sie die Suche auf eigene Faust vornehmen und versuchte an die Ermittlungsakten zu kommen – zwecklos.

Jeder FBI Agent mit dem sie sprach, verwies sie auf James Black. Aber James wollte ihr die Unterlagen nicht zur Verfügung stellen. Vor viereinhalb Jahren traf sie dann auf Roy. Zu jenem Zeitpunkt saß Jodie auf den Treppenstufen vor dem FBI Gebäude und weinte. Sie war enttäuscht und verletzt, da sie keinen Schritt weiter kam und ihr keiner helfen wollte. Nicht einmal James, der ihr versprach, immer an ihrer Seite zu sein und sie zu unterstützen. Dann kam Roy, setzte sich zu ihr und hörte ihr einfach nur zu. Es war lange her, dass sie sich wieder geborgen fühlte und sie war sogar ein klein wenig verliebt, in diesen netten Mann. Er war genau das, was sie gebraucht hatte. Und auch wenn er ihr nichts zu den Ermittlungen sagen durfte, die Gespräche mit ihm taten ihr einfach gut.

Selbst dann, als das mit dem Studenten war. Er war für sie da, doch den ganzen Schmerz konnte er nicht von ihr nehmen. Nicht einmal dann, als sie von ihren Kommilitonen gemieden und das Gesprächsthema Nummer eins an der Universität war. Alles fühlte sich surreal an und dann schlug ihr Roy vor, die Stadt zu verlassen - gemeinsam ein neues Leben beginnen und die Vergangenheit ruhen zu lassen. Es war eine schöne Vorstellung, aber dennoch gab es Menschen, die sie nicht einfach so ziehen lassen würden. Deswegen hatten sie sich einen Ausstiegsplan überlegt und gehofft, dass James es verstehen und nicht nach ihr suchen würde. Im Nachhinein war es ein kindischer Plan. Sie sollte sich verstecken, um nicht mehr an die Vergangenheit erinnert zu werden. Und da ihre Verbindung zu Roy bereits durch die Besuche im Büro bekannt war, mussten sie erst einmal getrennt leben und es so aussehen lassen, als hätte er auch keine Ahnung wo sie war.

Ein Jahr lebte sie in Ohio unter falschem Namen und erstaunlicherweise ging es ihr gut dabei. Sie hatte sich eine ganz andere Identität aufgebaut, nette Menschen kennengelernt und geglaubt, Frieden gefunden zu haben. Sie war nicht mehr wie früher. Selbst die Arbeit in dem kleinen Diner in Wilmington mochte sie. Ihr Studium hatte sie zwischenzeitlich pausiert. Gegen ihre Wohnung konnte sie auch nichts sagen, auch wenn es natürlich besser ging. Aber alles hatte seinen Preis, genau wie ihre äußerliche Veränderung. Jodie musste immer auf die Pflege ihrer Perücke, aber auch die Kontaktlinsen achten. Außerdem hatte sie ihren Kleiderstil verändert und sich den Bewohnern angepasst. Mit Roy hielt sie ein Jahr Kontakt, telefonisch, per Nachrichten und besonders dann wenn er sie besuchen kam. Sie liebte seine Besuche und genoss die Zeit mit ihm. Auch wenn ihr James leid tat, konnte sie sich nicht bei ihm melden. Nur ein vollständiger Schnitt würde Beiden helfen.

Aber es gab trotzdem jemanden, der es nicht gut mit ihr meinte. Der neue Vermieter war…alles andere als ein Sonnenschein. Allein bei dem Gedanken an diese Zeit, jagte ihr einen Schauder über den Rücken.

Jodie hatte sich nichts dabei gedacht, als sie ein Paket für ihren Vermieter annahm. Er wohnte nur zwei Etagen unter ihr und hatte sie immer gegrüßt, ihr die Tür geöffnet und ihr manchmal sogar Kleinigkeiten aus dem Supermarkt mitgebracht. Brokkoli als Blumenstrauß war allerdings ein sehr perfider Scherz, zumal sie Brokkoli nur aß, wenn es unbedingt sein musste.

Als er am Abend sein Paket abholen wollte, hatte sie sich nichts Böses dabei gedacht. Während sie sein Paket holte, betrat er ihre Wohnung und schloss die Tür.

„Hier haben wir es ja schon, Mr. Clyde“, sagte Jodie und reichte ihm den Gegenstand.

„Mr. Clyde war mein Vater“, gab er von sich und verzog das Gesicht. „Nennen Sie mich John und ich nenn Sie von nun an Maria. Deal?“

„Ja, in Ordnung“, antwortete sie überrascht und ging zu Tür. Maria war in diesem Jahr ihr offizieller Rufname. Anfangs hatte es gedauert, bis sie sich daran gewöhnte, aber nun war es kein Problem mehr. „Sie müssen jetzt leider gehen, ich hab morgen die Frühschicht und sollte heute Abend nicht zu lange wach sein.“

Er versperrte ihr den Weg und lächelte. „Keine Sorge, ich bring Sie ins Bett.“ Ehe Jodie reagieren konnte, drückte er sie gegen die Wand. „Du willst es doch auch, ich seh es an deinen Blicken.“ Er leckte sich über die Lippen.

Mit einem Mal verengte Jodie die Augen und stieß ihr Knie gegen seinen Schritt. Anschließen drückte sie ihn von sich weg und zwang ihn auf die Knie. Bereits als kleines Kind war sie in Kampfsport und Selbstverteidigung unterrichtet worden und hatte auch in Ohio nicht damit aufgehört. „Fassen Sie mich nie wieder an. Nie wieder. Haben Sie das verstanden?“

„Du kleines Miststück“, entgegnete der Mann.

„Ich rufe jetzt die Polizei.“ Auch wenn Jodie wusste, dass sie dadurch für James leicht zu finden wäre, konnte sie ihren Vermieter nicht ungeschoren davonkommen lassen. Wer wusste, wem er sonst noch etwas antat.

„Das wirst du nicht tun“, gab er von sich und stürzte sich auf Jodie. Prompt war ein Zweikampf daraus geworden. Gegenstände auf den Möbeln fielen zu Boden, andere Gegenstände krachten gegen die Wand, laute Geräusche hallten durch die Wohnung. Schließlich war John Clyde mit einem Schuh auf Jodie losgegangen. Ihr Kopf dröhnte nach dem Schlag und sie wurde zu Boden gerissen.

„Du kleine Schlampe. Glaub ja nicht, dass du so einfach davon kommst.“ John setzte sich auf sie und begann sie zu würgen. „Wer nicht hören will, muss fühlen.“

Jodie rang nach Luft, zappelte und versuchte wieder die Oberhand zu gewinnen. Doch dann wurde ihre Wohnungstür aufgestoßen und ein älterer Mann riss ihren Vermieter von ihr. Jodie hustete und setzte sich auf. Automatisch kroch sie nach hinten, bis sie an die Wand stieß.

„Du lässt die Finger von dem Mädchen“, raunte der Mann und schlug John ins Gesicht. Er taumelte nach hinten und blieb liegen. „Braver Junge.“

Jodie schluckte und verzog das Gesicht. Ihr Hals schmerzte, trotzdem sagte ihr Instinkt, dass sie nicht mehr in der Wohnung bleiben konnte. Langsam kam sie wieder auf die Beine. Als sie den ersten Schritt Richtung Tür machte, sah der Mann zu ihr. „Bitte…tun Sie mir…nichts…“, wisperte sie.

Beschwichtigend hob er die Hände. „Ich tu dir nichts“, fing er an. „Du bist Jodie, Jodie Starling, nicht wahr?“

Jodie sah ihn entsetzt an. Woher wusste er das? Hatte Roy ihn geschickt? Hatte James sie wieder suchen lassen?

„Ich hätte dich fast nicht erkannt. Äußerlich hast du ziemlich verändert, aber nach dieser…Rangelei sieht man den Ansatz deiner Perücke.“ Er lächelte.

„Sie…sind der Mann, der…im Diner…war“, murmelte sie leise und zog die Perücke gänzlich vom Kopf. In den letzten Tagen hatte sie ihn häufiger im Diner in Wilmington gesehen und bedient. War er ihr tatsächlich über 70 Kilometer bis nach Hause gefolgt?

„Nenn mich Ed“, entgegnete er. „Ich bin Privatdetektiv und wurde von James Black engagiert um dich ausfindig zu machen. Es war wirklich nicht leicht deinen Spuren zu folgen. Ich bin froh, dass ich dich gefunden habe.“

„Sie sind von James beauftragt worden mich zu finden?“, fragte Jodie leise.

„Das bin ich. Einen Moment.“ Er griff in seine Jackentasche und holte eine Karte heraus. Diese reichte er Jodie. „Siehst du, ich habe nicht gelogen.“

Edward Sherman - Privatdetektiv

„Dann haben…Sie mich jetzt ja gefunden. Und…jetzt?“

Er nickte. „Bitte entschuldige, dass ich dir vom Diner aus hierher gefolgt bin, aber nachdem ich dich in Wilmington und Umgebung nicht mehr finden konnte, hatte ich keine andere Wahl.“

„Woher wussten Sie, dass das…hier…?“

„Ich habe draußen im Wagen gewartet und wollte dir ein paar Minuten zum frisch machen geben, ehe ich hochkomme. Dann habe ich den Lärm gehört.“

„Und…was haben Sie jetzt vor? Rufen Sie…James an?“

Ed blickte zu ihrem Vermieter. „Mach dir um ihn keine Sorgen, ich werde ihn der Polizei übergeben. Bestimmt bist du nicht die erste Frau der er so etwas antun wollte. Ich zweifel nicht daran, dass ich schnell fündig werde. In der Zwischenzeit möchte ich dich bitten hier in der Wohnung zu bleiben und danach mit mir wieder nach New York zu kommen. James hat sich Sorgen um dich gemacht.“

Jodie schluckte. „Ich..“ Sie schaute zur Tür.

„Bitte lauf nicht wieder weg“, sagte Ed ruhig. „Ich kann dir helfen.“

Sie schüttelte den Kopf. „Mir kann keiner helfen. New York war…“ Jodie fehlte die weitere Kraft zum Stehen. Daher ließ sie sich zu Boden gleiten. „Ich hab dort nur schlimme Erfahrungen gemacht.“

„Ich weiß. Deine Eltern sind vor vielen Jahren gestorben. Ich kannte deinen Vater. Wir haben früher oft zusammengearbeitet. Er war ein echt netter Kerl und ist ein guter Freund geworden. Immer wenn wir uns getroffen haben, hat er von seinem kleinen Mädchen erzählt.“

„Sie kannten meinen…Dad?“

„Ja und ich war über seinen Tod sehr bestürzt. Deswegen war es mir auch eine Herzensangelegenheit dich zu finden und wieder nach Hause zu bringen.“

„Nach Hause…“ Jodie kamen die Tränen. „Ich weiß nicht, ob es noch mein zu Hause ist. Meine Eltern sind…tot und das FBI tut nichts um ihre Mörderin zu finden…und sie geben mir keine Information, damit ich…mich auf die Suche machen kann. Ich weiß nicht, ob ich…wieder zurück gehen kann…ich kann nicht wieder in mein altes Leben. Ich bin nicht mehr die, die ich damals war. Ich…ich habe kein zu Hause mehr…“

Ed kniete sich zu ihr und strich ihr über die Wange. „Natürlich hast du noch ein zu Hause. Es ist bei den Menschen die dich lieben. Dich vor ihnen zu verstecken, ist keine Lösung. Damit sorgst du nur bei diesen Menschen für Schmerz. Ich versteh dich ja, es ist nie einfach mit einem so immensen Verlust umzugehen, aber glaub mir, irgendwann wird es leichter. Und wenn du möchtest, unterstütze ich dich in New York. Wir können gemeinsam nach der Mörderin deiner Eltern suchen. Ich versprech es dir.“ Er reichte ihr seine Hand. „Was sagst du?“

Jodie schluchzte, ehe sie sich gänzlich in den Tränen verlor. Obwohl ihr Kopf ihr sagte, dass sie es nicht tun sollte, sprach ihr Herz eine andere Sprache. Ihre zittrige Hand nahm seine. „Bitte…helfen Sie mir…“



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