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Advanced Attraction

von

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Im April

Jodie schloss die Wohnungstür mit einem Lächeln auf den Lippen. Über die Begegnung mit ihren drei Nachbarn schüttelte sie kurz den Kopf, ging dann aber zurück in den Wohnbereich. „Die drei Nachbarn waren doch echt nett.“

Liam nickte, aber sein Gesichtsausdruck verriet ihr, dass irgendwas im Argen lag. „Und du hast einen Gleichgesinnten hier…“

„Mhm? Was meinst du?“, wollte die junge Frau wissen.

„Der Japaner ist doch der Sohn von MI6 Agenten. Ihr könnt euch über eure Erfahrungen austauschen und Dinge, die eure Kindheit geprägt haben. Außerdem kannst du ihn Fragen, wie er auf die Idee kam in die Fußstapfen seiner Eltern zu treten. Du hast mir doch auch erzählt, dass du früher zum FBI wolltest, um mit deinem Vater zusammen zu arbeiten. Aber irgendwann hat sich dieser Wunsch verändert. Vielleicht gibt er dir einen neuen Anreiz…“

Seine Worte irritierten sie. „Im Vergleich zu mir, tut er allerdings alles um beim MI6 aufgenommen zu werden. Zumindest nehm ich das an. Wenn ich nach dem ersten Eindruck gehe, denke ich, dass er seinen Plan schon länger verfolgt und…warum sollte ich jetzt wieder auf die Idee kommen, beim FBI arbeiten zu wollen? Ich glaube, das wäre sogar dem FBI zu sprunghaft, auch wenn mein Vater sicher ein gutes Wort einlegen würde. Aber lass uns doch bitte über etwas anderes reden, ja?“

Liam ging zu ihr und küsste sie auf die Stirn. „Entschuldige, ich hatte nur das Gefühl, dass sich mit deinem Einzug hier, neue Möglichkeiten für dich ergeben. Du lernst neue Menschen kennen und…vielleicht bin ich deswegen auch ein klein bisschen eifersüchtig…“

Jodie umarmte ihn. „Du musst nicht eifersüchtig sein“, gab sie ruhig von sich. „Selbst wenn ich mich mal mit ihnen treffe, du bist immer noch der, den ich liebe. Ich möchte mich allerdings nicht nur zu Hause verstecken und wenn…es hier nur von Studenten so wimmelt, könnte ich auch etwas über ihre Studiengänge in Erfahrung bringen. Vielleicht finde ich dadurch heraus, was ich später einmal machen will.“ Sie wusste, dass es genau das war, was Liam hören wollte.

„Das ist gut möglich“, murmelte Liam. Er räusperte sich. „Aber eines musst du mir versprechen?“

„Mhm? Ich versprech dir alles was du willst. Was ist es denn?“

„Wenn du das Gefühl hast, dass es in der Gegend gefährlich ist oder du Angst bekommst, rufst du mich an und nicht diesen Akai, ja?“

Jodie lächelte. „Na klar!“
 

Ohne es wirklich zu wollen, hatte sich in Jodies Leben so viel verändert. Seit einigen Wochen ging sie jeden Tag zur Arbeit und danach in ihre Wohnung. Da Liam andere Arbeitszeiten hatte, sahen sie sich nur noch selten. Entweder einer von Beiden arbeitete oder es standen andere Prioritäten auf dem Plan. Anfangs hatte sich Liam nichts dabei gedacht und sich sogar gefreut, dass Jodie Spaß an der Arbeit entwickelte und immer mehr Anschluss zu den Nachbarn fand. Viele von ihnen studierten, aber es gab auch jene, die wie die Jodie, nur einer Arbeit nachgingen und Geld sparten.

Selbst Liam hatte viel zu spät bemerkt, wie sie langsam auseinander drifteten. Die ersten Tage sahen sie sich noch. Jodie kochte für ihn oder räumte sogar seine Wohnung auf. Nach ihrem ersten Arbeitstag hatte er Jodie zu Hause besucht, danach immer seltener. Er vermisste sie, hatte sich aber irgendwann daran gewöhnt, dass sie nicht bei ihm zu Hause war. Jodie durfte ihr eigenes Leben führen und er war froh, dass sie sich nicht nur auf ihn verließ. Damals wusste er allerdings noch nicht, dass dies nur der Anfang war.

Jodie mochte die Arbeit in der Buchhandlung. Die ersten Tage machte sie sich mit dem Inventar vertraut und räumte die Bücher ein. Später durfte sie sogar die Bestellungen verwalten und als sie sich im Laden gut genug auskannte, war es sogar möglich, dass sie sich um die Verkäufe kümmerte. Nach langer Zeit hatte Jodie das Gefühl, dass sie endlich in London angekommen war und wenn es so weiter ging, konnte sie vielleicht bald ihren eigenen Weg finden.

Jodie wusste, dass es einige gab, die sie für ihre kurze Arbeitszeit beneideten und andere verstanden nicht, dass sie trotz allem auch abends von der Müdigkeit heimgesucht wurde oder sich einfach nur entspannen wollte. Den ganzen Tag auf den Beinen zu sein und hin und her zu laufen, war anstrengender als man dachte. Trotzdem hatte sich Jodie immer wieder dazu aufgerafft und im Internet nach möglichen Berufschancen gesucht.

Als es an Jodies Tür klingelte, stand sie auf und ging in den Flur. Sie schaute durch das Guckloch und öffnete die Tür mit einem Lächeln. „Hey Elena, was gibt es?“

Seit Jodie in die Wohnung gezogen war, kam Elena häufig vorbei und integrierte sie so gut wie es ging, in die kleine Gemeinschaft. Hin und wieder aßen sie auch zusammen, wobei bei Elena scheinbar ein reger Durchgangsverkehr herrschte. Immer wieder waren auch andere Nachbarn dort und mittlerweile freute sich Jodie sogar auf diese Treffen. Sie fühlte sich nicht mehr alleine, wenn Liam nicht da war. In nur wenigen Wochen wurde Elena zu einer guten Freundin, sie brachte ihr sogar Informationsmaterial aus der Uni mit und ging es mit Jodie durch. Wie immer konnte sie ihre Fröhlichkeit nicht verbergen. „Ein paar Nachbarn gehen heute ins April. Kommst du mit?“

„Ins April?“

„Das ist eine kleine Bar, die nur ein paar U-Bahn Stationen von hier entfernt ist. Shuichi spielt dort heute mit seiner Band und wir kriegen die erste Runde der Getränke aufs Haus.“

Jodie erinnerte sich noch sehr gut an Shuichi Akai. Sie hatte ihn bisher nur einmal getroffen und dennoch hatte er einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Allerdings wusste sie nicht, was sie von dem jungen Mann halten sollte. „Er spielt in einer Band?“

„Ja, man glaubt es kaum“, kicherte Elena. „Er spielt Akkordeon, manchmal begleitet er auch andere Künstler beim Spiel. Außerdem arbeitet er auch in der Bar. Damit finanziert er einen Teil seiner Studiengebühren.“ Sie zwinkerte ihr zu. „Und man kann ihn auch sehr gut aufziehen, wenn man das vom Akkordeon weiß.“

„Dann sollte ich alleine deswegen mitgehen“, sagte Jodie ruhig und schnappte sich ihre Handtasche. Sie ging aus der Wohnung, schloss die Tür und ging mit Elena nach unten. Unten wurden sie von Ben, Warren und Cho – zwei weiteren Nachbarn begrüßt.

„Da wir jetzt vollzählig sind, können wir starten.“ Elena griff nach Jodies Hand und marschierte los. Wie sie es angekündigt hatte, dauerte die Fahrt mit der U-Bahn nicht lange und als sie in der Bar ankamen, setzten sie an einen freien Tisch,

„Können wir wirklich den Platz für uns beanspruchen?“ Jodie blickte auf das kleine Schild mit dem Wort reserviert.

„Natürlich, der ist ja für uns reserviert“, schmunzelte sie. „Unser Stammtisch wenn wir hier sind.“ Elena schob ihr die Karte mit den Getränken rüber. „Such dir was aus.“

„Ach so.“ Jodie blätterte in der Karte und als sie sich einen Cocktail ausgesucht hatte, ließ sie ihren Blick durch die Bar schweifen. Es war gemütlich und man konnte sogar tagsüber bereits herkommen. Für Studenten gab es ein besonderes Mittagsangebot, aber auch ohne das Angebot schien das Essen relativ günstig zu sein. Jodie nahm sich vor, auch nach den Abend die Bar zu besuchen.

„Ich glaub, sie fangen bald an“, murmelte Elena.

Jodie sah zur Bühne. Die Instrumente waren bereits aufgebaut gewesen und die Mitglieder der Band begaben sich auf die Bühne. Shuichi schnallte sich das Akkordeon um und nachdem seine Kollegen anfingen, haute auch er in die Tasten. Jodie war überrascht, dass das Spiel mit dem Akkordeon so gut zu den anderen Instrumenten passte. Ton und Klang waren im gleichen Takt. Jodie schloss die Augen um die Atmosphäre noch besser auf sich wirken zu lassen und stellte fest, dass sie diese Art der Musik mochte.

„Nicht schlecht oder?“, wollte Elena wissen und nahm ihren Cocktail entgegen. Sie nippte daran.

Jodie öffnete die Augen und nahm ebenfalls ihr Getränk entgegen. „Ja, ich hätte gar nicht gedacht, dass das Akkordeon so gut mit den anderen Instrumenten harmonisiert. Und schon gar nicht hätte ich gedacht, dass er ausgerechnet so ein Instrument spielt. Er kommt mir gar nicht so gesellig vor.“

Elena lachte heiter. „Er ist auch ein Einzelgänger. Du hättest ihn mal sehen sollen, als er gerade erst im Haus eingezogen war. Ich glaube, er hat das Akkordeon-Spiel von seinem Vater beigebracht bekommen. Aber frag mich nicht, wie es dazu kam dass er nun in einer richtigen Band spielt. Er erzählt ja kaum was und das meiste muss man ihm aus der Nase ziehen.“

„Er wird sicher seine Gründe haben“, erwiderte Jodie ruhig.

„Ja, vermutlich…irgendwann wird er sicher schon auftauen und uns mehr erzählen. Oder du nutzt die Tricks des FBIs und holst die Antworten für uns aus ihm heraus“, gab sie von sich.

„Ach ja, falls du irgendwann mal Lust hast, herzukommen, die Bar hat täglich ab 11 Uhr geöffnet. Unter der Woche schließen sie allerdings schon um 21 Uhr, am Wochenende ist aber bis mindestens 1 Uhr geöffnet. Wenn Shuichi arbeitet, kannst du das Glück haben, dass es ein Getränk aufs Haus gibt. Seine Schichten ändern sich aber monatlich. Daher hoffen wir immer auf seine Gutmütigkeit, um Freigetränke abzugreifen.“

„Das klingt ja fast so, als würdet ihr nur deswegen mit ihm befreundet sein“, warf Jodie ein.

„Ach was, der kennt das von uns. Würden wir das nicht machen, würde er sich fragen, was wir vor haben. Also mach dir darüber keine Gedanken.“

Jodie nickte nur.

Eine dreiviertel Stunde später machte die Band eine Pause und Shuichi legte das Akkordeon wieder ab. Anschließend gesellte er sich an den Tisch der Nachbarn. „Seid ihr es nicht langsam leid, andauernd herzukommen und mich aufzuziehen?“

„Nein“, antwortete Elena und streckte ihm die Zunge raus. „Du machst es uns ja nicht einfach. Kannst du nicht wenigstens so tun, als würde es dich stören? Außerdem mussten wir heute kommen, damit Jodie von deinem Geheimnis erfährt.“

Akai blickte zu ihr. „Mein Geheimnis, verstehe, wenn ihr das so nennen wollt…“

„Mir hat das Spiel gut gefallen“, fing die Blonde an. „Anfangs war ich überrascht, dass du in einer Band spielst und das Akkordeon hätte ich bei dir auch nie gedacht. Es sah aus, als hättest du viel Spaß.“

„Mhm? Dabei kennst du mich doch gar nicht…“

„Eh…“, murmelte Jodie. „Ja, das…also…ich hab bei unserem…ersten Treffen einen Eindruck von dir gewonnen. Und mir wurde immer gesagt, dass ich eine gute Menschenkenntnis besitze.“

„Mhm…wenn du meinst.“

Jodie wusste nicht, was sie von ihm halten sollte. Er war ruhig und ließ sich nicht in die Karten schauen. Außerdem schien es so, als hätte er kein Interesse an Menschen und war vor allem bei ihr nicht gerade mitteilsam. Jodie legte den Kopf zur Seite und beobachtete ihren Nachbarn. Lag es etwa an ihr, dass er sich so verhielt? Oder gab es noch etwas anderes?

Das Klingeln von ihrem Handy riss sie aus den Gedanken. Sie holte es aus der Tasche und ging ran. „Jodie hier.“

„Ich bins, Liam“, sagte der junge Mann. „Ich steh vor deiner Wohnungstür und…du bist machst nicht auf.“

Eigentlich hatte Jodie ihm einen Schlüssel geben wollen, doch bislang hatte sich keine Situation hierzu ergeben. „Ich bin mit den Nachbarn ins April gegangen. Einer der Nachbarn spielt hier in der Band. Komm doch auch vorbei, es ist nicht weit.“

„Liam?“

„Entschuldige, ich hatte einfach nur auf einen ruhigen Abend mit dir gehofft“, antwortete er.

„Den können wir immer noch haben.“ Sie sah sich um. „Die Band macht gerade eine Pause, danach geht es noch eine Stunde weiter. Ich glaube, dann wollten die anderen auch gehen. Aber wenn du nicht herkommen willst, mach ich mich gleich auf den Weg nach Hause.“

„Nein, schon gut, bleib wo du bist“, sagte er. „Ich will nicht, dass du zu dieser späten Stunde noch allein unterwegs bist. Ich komm dich abholen.“

„Bis gleich“, entgegnete Jodie und legte auf.

„Dein Freund?“

Sie sah wieder zu Akai. „Ja, er kommt gleich vorbei und holt mich ab.“

„Verstehe.“

Jodie seufzte innerlich. Die nächste Möglichkeit für ein Gespräch mit Akai war damit auch gescheitert.

„Liam ist ja verrückt nach dir“, entgegnete Elena.

Die Blonde nickte fröhlich. „Er liebt mich ja auch.“

„Hach ist Liebe schön“, schwärmte Elena und lehnte sich an Ben.

„Ja, das stimmt“, antwortete Jodie. „Ich bin froh, dass ich Liam getroffen habe.“

„Ach stimmt ja, du bist wegen Liam nach London gekommen…“

„Wirklich?“ Akai blickte zu ihr.

„Ja, wir waren schon in New York zusammen und dann kam Liam zum Studium hier her. Nachdem ich meinen Abschluss gemacht hab, bin ich ihm gefolgt“, entgegnete Jodie. „Und ich bereue es keineswegs.“

„Hab ich nicht behauptet“, kam es von dem Japaner. „Du musst selbst wissen, was du aus deinem Leben machst.“

„Ganz genau“, meinte Jodie. „Ich muss meinen eigenen Weg gehen und auch mal Fehler machen. Nur so wird man erwachsen und findet sein Glück.“

„Wenn man vom Teufel spricht…“

„Mhm?“

„Da.“ Elena wies mit dem Finger auf die Tür. „Das ging ja schnell.“

Jodie lächelte und stand auf. „Liam.“

Der Angesprochene kam sofort auf Jodie zu und küsste sie. „Da bin ich. Hast du mich vermisst?“

„Natürlich“, nickte sie. „Ich vermiss dich immer, wenn du nicht bei mir bist.“

„Das wollte ich hören“, schmunzelte Liam. „Wollen wir nach Hause gehen?“

„Wenn du das möchtest“, gab Jodie von sich. Sie nahm ihr Glas und trank den Rest in einem Rutsch aus.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Nickay
2022-03-29T11:53:32+00:00 29.03.2022 13:53
Mir gefällt die Geschichte.
Irgendwie ist Liam ja selbst schuld, dass sie so auseinander drifften, schließlich hat er Jodie quasi aus der Wohnung geschmissen.
Aber eine Stelle im letzten Kapitel irritiert mich.
Hat Jodie Shuichis Namen ausgesprochen, ehe er vorgestellt wurde?

Antwort von:  Varlet
29.03.2022 18:34
Vielen lieben Dank für deinen Kommentar. Ich habe mich sehr darüber gefreut.

Oh ja, Liam ist selbst Schuld, wobei ich ihn ja auch verstehen kann. Man führt "nur" kurz eine Beziehung, danach wirds zur Fernbeziehung und dann will Jodie direkt bei ihm einziehen. Würde mir auch etwas zu schnell gehen, außer ich wäre mir ziemlich sicher mit der Person.
Elena sagt im Absatz vorher „Und Shuichi studiert Ingenieurwesen.“ Danach murmelt Jodie erst seinen Namen *erleichtert seufz* puh, ich hatte schon einen Hauch von Panik, dass ich mich vertan hab :D


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