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Advanced Attraction

von

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Hiobsbotschaft

Wehmütig blätterte Angela in einem alten Fotoalbum der Familie und sah sich die Bilder von Jodie an. Ob man das Fotoalbum tatsächlich als alt bezeichnen konnte, war Ansichtssache. Sie hatten das Album vor etwa zehn Jahren neu begonnen, nachdem ihr gesamtes Hab und Gut zerstört wurde. Aber viel wichtiger war, dass ihre Familie überlebt hatte. Dennoch würde es Angela immer schade finden, dass die Babyfotos von Jodie nicht mehr existierten. Einige Bilder, die sie verschickt hatten, konnten sie zurückbekommen, aber es fehlte noch so viel. Allerdings würde sie sich immer sehr gut an Jodies kleine Fingerchen, die Zehen, ihr Lachen, die vollen Windeln und an jede andere Kleinigkeit, die in dem jungen Leben ihrer Tochter geschehen war, erinnern. Sie wusste, dass ihr keiner diese Erinnerungen je nehmen konnte und da Jodie ihr einziges Kind blieb, hatten sie in kurzer Zeit viele neue Fotos aufgenommen. Es waren so viele Bilder entstanden, dass sie mehrere Fotoalben füllen konnten. Aber auch diese Zeit ging vorbei. Jodie wurde viel zu schnell erwachsen und verhielt sich irgendwann auch wie ein ganz normaler Teenager. Sie wurde bockig, testete ihre Grenzen aus und dachte, dass sich die gesamte Welt gegen sie verschworen hatte. Doch all das gehörte zum Erwachsenwerden dazu und für die Eltern war es am schlimmsten, als sich Jodie für Jungs interessierte. Und die Jungs für sie.

Manchmal vermisste Angela die vergangene, unbeschwerte Zeit und trauerte ihr ein wenig nach. Wie wäre ihr Leben verlaufen, wenn alles ganz anders gekommen war? Aber es war nun einmal nicht zu ändern. Dabei war Angela froh, dass sie die schlimmste Zeit in ihrem Leben überstanden hatten. Es war so schlimm, dass die ganze Familie in Gefahr schwebte und sie zusammen mit Jodie in ein Hotel musste. Zu diesem Zeitpunkt war auch Sharon Vineyard in ihr Leben getreten und es hatte sich vieles verändert. Sie hatten Jodie schon immer nicht viel über die Arbeit ihres Vaters erzählt oder Dinge beschönigt, aber damals mussten sie sie anlügen. Am Ende stellte sich die Lüge aber als eine andere Art der Wahrheit heraus. Während des Einsatzes ihres Mannes wurde ihr Haus in Flammen gesteckt und brannte bis auf die Grundmauern nieder. Danach kam die Familie bei James unter, während sie ihr altes zu Hause neu aufbauten. Es dauerte zwei Jahre, ehe sie dort wieder einziehen und ihr Leben wie gewohnt fortführen konnten. Wäre da nicht Sharon Vineyard.

Sie hatte sich in das Leben der Familie geschlichen, gab sich sogar anfänglich als Kollegin ihres Mannes aus und zeigte ihnen, dass sie am längeren Hebel saß. Die ganze Zeit über hatte Angela Angst gehabt, dass Sharon ihren Mann verführen würde oder dass sie Jodie etwas antat. Deswegen versuchte sie den Kontakt der Beiden so lange wie möglich zu unterbinden. Aber auch das hatte sich irgendwann geändert. Je mehr Zeit vergangen war, desto näher lernten sich Angela und Sharon kennen. Angela verstand sogar, warum Sharon für die Organisation arbeitete und warum sie ihr entkommen wollte. Trotzdem blieb immer ein komisches Gefühl, wenn sie die Schauspielerin traf. Sie redete sich ein, dass es am Talent der Frau lag und irgendwo auch an der Eifersucht die sie verspürte, wenn sich Sharon mit ihrem Mann traf. Sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte, allerdings kannte sie auch Sharons Fähigkeiten. Sie hatte ihre Filme gesehen und machte sich immer mehr Sorgen um ihre kleine Familie. Irgendwann hatte Sharon ihr versichert, dass sie kein Interesse an einem verheirateten Mann hatte und Angela wollte ihr glauben. Mit der Hoffnung, dass die Schauspielerin schon sehr bald aus ihrem Leben verschwinden würde, hatte sie sich sogar auf diese komische Freundschaft eingelassen. Es war ein Fehler, denn dies führte dazu, dass Sharon den Kontakt mit der Familie beibehielt und sich auch mit Jodie anfreundete.

Sharons Interesse an der Familie wurde immer größer und schon sehr bald ging sie dort ein und aus. Als sie Jodie das erste Mal traf, hatte sich das kleine Mädchen sehr gefreut und sofort in der Schule mit der bekannten Schauspielerin geprahlt. Es wunderte Angela, da Jodie vorher immer nur von ihrem Vater und seiner Arbeit – besonders von den Geschichten über die Rettung der Welt – erzählte. Erst viel später erfuhr sie von den Lehrern, dann von Jodie, dass es Probleme in der Schule gab. Je älter Jodie und ihre Mitschüler wurden, desto häufiger wurde das Mädchen von den gemeinsamen Aktivitäten ausgeschlossen. Angela und ihr Mann waren schon immer darüber besorgt, schließlich hatten FBI Agenten in Amerika einen gewissen Ruf. Natürlich würde er alle illegalen Aktivitäten erkennen und verhindern oder Partys auflösen lassen. Auch Alkohol und Zigaretten würde er von den Minderjährigen fernhalten. Und genau das war es, was dazu führte, dass sich Jodie von ihren Mitschülern immer weiter entfernte. Jeder glaubte, dass das Mädchen sofort zu ihrem Vater ging, ihm alles erzählte und dieser für Ärger sorgen würde. Allerdings wusste keiner außerhalb der Familie, dass der Agent sämtliche Klassenkameraden, andere Schüler, Lehrer, die Eltern und andere Verwandten überprüfen ließ, nur um sicher zu gehen, dass Jodie nichts passierte. FBI Agenten hatten immer Feinde und waren stets in Gefahr. Um einen Agenten am meisten zu verletzen, verletzte man seine Familie. Deswegen war Agent Starling immer auf der Hut und um die Sicherheit seiner Familie besorgt.

Die Bekanntschaft zu Sharon machte es nicht einfacher. Als Person der Öffentlichkeit musste auch die Schauspielerin geschützt werden. Dennoch wollte sie Jodie helfen und kam zu den Treffen mit den Klassenkameraden. Während Jodie die Hoffnung hatte, dass sich alles zum Guten wenden würde und sie bald wieder Spielkameraden haben würde, sah es bei ihren Mitschülern anders aus. Sie nutzten Jodie aus und wollten nur der Schauspielerin näher kommen. Einige erhofften sich sogar, für Rollen in Filmen entdeckt zu werden. Erst als Sharon angab, dass sie keine Vetternwirtschaft betreiben würde, war Jodie wieder alleine. Fast. Ihre beste Freundin war ihr geblieben und stand immer an ihrer Seite. Beste Freundinnen waren etwas Besonderes und Angela hoffte, dass diese Freundschaft auch in Zukunft hielt. Aber sie wusste wie schwer es werden würde, wenn ihnen die Liebe dazwischen kam oder wenn beide Mädchen einen anderen Lebensweg beschritten würden.

„Was machst du da?“

Die Angesprochene sah nach oben. „Ich schau mir alte Fotos an“, begann sie. „Von Jodie, von uns beiden und von uns dreien.“

Agent Starling nickte verstehend. „Es ist schon so viel Zeit vergangen.“

„Das kannst du laut sagen“, entgegnete sie ruhig. „Unser Leben war ein auf und ab. Als ich dich kennenlernte, hatte ich nie gedacht, dass ich mir irgendwann solche Sorgen machen würde, wie damals. Ich bin froh, dass wir diese schwere Zeit überstanden haben und immer noch zusammen sind.“

Starling setzte sich auf das Sofa. „Hast du gedacht, wir würden uns trennen?“

„Nein, aber…ich hatte immer Angst, dass du im Dienst schwer verletzt wirst und stirbst.“ Sie lehnte sich an ihn. „Ich bin froh, dass es das Schicksal so gut mit uns meint.“

Er strich ihr über den Rücken. „Ich auch.“ Der Agent warf einen Blick in das Album. „Das sind die Bilder vom Shooting, oder? Ich bin heilfroh, dass Jodie weder Model noch Schauspielerin werden will.“ Er seufzte erleichtert auf. Jodie hatte in ihrer Kindheit bereits in das Modelleben schnuppern dürfen, auch wenn er sich dieses Leben nicht für seine Tochter wünschte. Doch Sharon hatte sie damals dazu überredet. Eines Tages stand sie aufgelöst vor der Tür der Familie. Das Agentenpaar hatte zu der damaligen Zeit bereits geahnt, dass etwas im Argen lag. Sie erzählte auf theatralische Art und Weise, dass sie für einen Werbeclip gebucht wurde, das Kind, welches ihre Tochter spielen sollte, aber krankheitsbedingt ausfiel und es keinen Ersatz gab. Sharon hatte Jodie vorgeschlagen und die Eltern stimmten schließlich zu. Wie hätten sie auch nicht, immerhin war Jodie im Zimmer und freute sich bereits. Nach Jodies kleinem Werbeclip folgten einige Fotoaufnahmen und Gespräche mit verschiedenen Agenturen. Da Jodie jeden Job mit einem großen Lächeln durchführte, sich immer freute, stimmten ihre Eltern schließlich zu. Außerdem versprach Sharon, dass sie immer an Jodies Seite bleiben würde. Es gab viele Menschen die glaubten, dass Jodie eine große Karriere vor sich hatte, doch ihre Eltern wollten nur, dass sie ihr kindliches Leben beibehielt. Jodie sollte nicht hungern, nur um irgendwelchen Idealen zu entsprechen. Sie sollte nicht ihre Haltung verändern oder Dinge lernen, die ein Mädchen nicht wissen musste, stattdessen sollte sie spielen und unbeschwert sein. Als sich Jodie dann aus freien Stücken entschied, nicht mehr als Kindermodel tätig zu sein, war ihnen ein Stein vom Herzen gefallen. Sharon hingegen war enttäuscht und hatte dies Jodie auch gezeigt. Immer wieder versuchte sie das Mädchen zu der Arbeit zu überreden, hörte aber auf, nachdem der Agent ein Machtwort sprach.

„Geht mir auch so. Wäre es wirklich ihr Traum, würde ich sie selbstverständlich unterstützen.“ Angela schloss ihre Augen. „Wie können wir Jodie nur helfen?“

„Ich weiß es nicht“, antwortete der Agent ehrlich. Jodie hatte ihr Ziel im Leben verloren oder anders gesagt, sie hatte keines mehr. Früher war sie ein offenes Mädchen. Als kleines Kind war Jodie oft mit ihrer Mutter im Krankenhaus und sah ihr und den anderen Krankenschwestern bei der Arbeit zu. Danach wollte sie in die Fußstapfen ihrer Mutter treten, hatte sich aber dagegen entschieden, als sie realisierte, wie viel man für die Arbeit lernen und wissen musste. Außerdem hatte sie sich in den Kopf gesetzt zum FBI zu gehen und zusammen mit ihrem Vater zu arbeiten – die Welt zu retten. Das Elternpaar war nicht begeistert, da die Arbeit beim FBI gefährlich war. Glücklicherweise hatte Jodie viel Zeit und es gab auch gewisse Anforderungen, die sie noch erfüllen musste. Sie würde zwar immer bessere Chancen haben, da sie die Tochter eines Agenten war, aber dennoch musste sie sich Mühe geben. Und Angela wusste, dass ihr Mann ein klein wenig stolz auf Jodies Berufswunsch war. Die Bekanntschaft zu Sharon Vineyard hatte Jodies Berufswunsch allerdings geändert. Auf einmal wollte sie Schauspielerin werden und stellte diverse Fragen zu diesem Beruf. Sharon hingegen sah sie eher als Model und verhalf ihr zu vielen Kampagnen. Je mehr Aufträge Jodie bekam, desto stressiger wurde ihr Leben. Am Anfang machte sie kleinere Fehler, dann häuften sie sich und schließlich wurde sie von den Regisseuren oder Fotografen angeschrien. Sie nahmen Jodie die Lust an der Arbeit und nachdem Jodie aufhörte, stand sie ohne Perspektive da. Es fehlte ihr an der Begeisterung für eine andere Arbeit und Jodie wusste nicht, was sie aus ihrem Leben machen wollte. Sie lebte nur noch in den Tag hinein und glaubte, dass sich eines Tages alles ergeben würde. Während ihre Mitschüler ihrem Plan fürs Leben folgten, genauso wie ihre beste Freundin, hatte Jodie immer noch keine Ahnung, was ihr Traum war.

Agent Starling sah wieder zum Fotoalbum. „Ich wünschte, ich könnte unserer Kleinen helfen.“

„Du hast ihr doch geholfen“, warf Angela ein. „Du bist mit ihr zu jedem Berufsvorbereitungskurs gegangen, bist das Vorlesungsverzeichnis mit ihr durchgegangen und hast versucht sie für bestimmte Berufe zu begeistern. Früher oder später wird sie wissen, was sie machen will. Sie braucht nur etwas mehr Zeit.“

„Sie hat jetzt ihren Schulabschluss gemacht und sich weder für ein Studium beworben noch für eine Arbeitsstelle. Ihre beste Freundin studiert und…“ Er brach ab. „Bevor Jodie den ganzen Tag nur zu Hause herumsitzt, könnte sie ein paar Kurse besuchen.“ Er hatte auch an Work and Travel gedacht, doch es würde ihm schwer fallen, seine kleine Tochter ziehen zu lassen. „Sie könnte auch ein Praktikum machen.“

„Ich kann im Krankenhaus nachfragen. Sie muss keine Krankenschwester werden, es gibt auch genügend andere Tätigkeiten und wenn sie mit Menschen arbeitet, begeistert sie sich vielleicht wieder für etwas.“

Die Haustür wurde zugeschlagen und Jodie kam aufgeregt in das Wohnzimmer gelaufen. „Mom! Dad!“

Angela schlug das Fotoalbum zu und legte es auf den Tisch. „Jodie? Was ist passiert? Ist irgendwas vorgefallen?“

Jodie rang nach Atem.

Agent Starling verengte die Augen. Im Kopf ging er jede Option durch was passiert war. „Du kannst uns alles sagen, Schatz.“

Jodie kramte ein Ticket aus ihrer Tasche hervor, ehe sie diese auf den Boden fallen ließ. „Hier, schaut mal.“ Sie lächelte. „Das ist mein Flugticket.“

„Dein Flug…ticket?“, fragte der Agent verwundert. Nie hätte er damit gerechnet.

„Ich fliege nach London. Übermorgen schon“, entgegnete das Mädchen. „Ich fliege zu Liam. Wir ziehen zusammen.“



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