Date Eins - Das Groupie
“Ich kann nicht glauben, dass du das jetzt tatsächlich machst.” Hikari saß auf Taichis Bett und ließ die Füße baumeln, während sie ihren Bruder beobachtete, der vor seinem Kleiderschrank stand und ein Teil nach dem anderen herauszog, es ansah und dann zur Seite warf. Der komplette Boden um ihn herum war mit Kleidung bedeckt und es war nicht mehr zu sagen, welche schon vorher dort gelegen hatte und welche frisch war.
“Ich auch nicht so richtig”, murmelte Taichi und hielt nun ein Hemd hoch. “Aber genauso wenig kann ich es glauben, dass du mir verschwiegen hast, dass du und T.K. ein Paar seid.”
Er sah sie aus zu Schlitzen zusammengekniffenen Augen an.
Sofort zog seine Schwester schuldbewusst ihren Kopf zwischen ihre Schultern.
“Es hat sich halt noch nicht ergeben, es dir zu sagen”, murmelte sie und wich seinem Blick dabei aus.
“Das ist keine Entschuldigung! Ich dachte, wir könnten über alles reden.”
Nun sah die Jüngere noch schuldbewusster aus.
“Ehrlich gesagt”, murmelte und zog mit ihren Fingern Kreise über die Bettdecke, auf der sie saß, “wollten wir es euch an dem Abend erzählen. Wir wollten es dir und Yamato gemeinsam sagen, aber”, ihr Blick verfinsterte sich, “natürlich konnte Yolei nicht widerstehen!”
“Wirklich?” Nun wirkte Taichi erstaunt.
“Ja. Es tut mir leid.” Hikari ließ ihren Kopf sinken, hob diesen aber gleich erstaunt wieder, weil sich eine Hand darauf legte.
“Ich hätte es natürlich gerne anders von dir erfahren als auf diese Art und Weise, aber schlussendlich ist es ja eure Entscheidung und ich muss diese akzeptieren.”
Dass der Blick seiner Schwester sich erhellte, zeigte Taichi, dass das der richtige Satz gewesen war.
“Aber jetzt”, sein Blick richtete sich wieder auf seinen Kleiderschrank, “muss ich erstmal hier durch.”
“Das Hemd dass du gerade rausgeholt hast, das sah gut aus.”
“Wirklich?”
Die Jüngere der beiden nickte. “Ja, das tat es. Zieh das an.”
Taichi hob es vom Boden auf, sah es einen Moment an, ehe er nickte. “Okay.”
~♍~
Eine dreiviertel Stunde später stand Taichi vor dem Restaurant, in dem das Date stattfinden sollte. Er sah auf sein Handy, um noch einmal zu lesen, was Yamato ihm geschrieben hatte.
An: Taichi
Von: Volldepp!!!
Also Alter, dein erstes Date ist mit Natsumi. Sie ist eine echte Schönheit. Wehe du sagst Sora, dass ich das gesagt habe! Dann mache ich dich einen Kopf kürzer. Sora sieht viel besser aus. Wo war ich? Ach ja, Natsumi. Genieße es einfach, das Date und auch das Dessert, wenn du weißt, was ich meine.
An: Taichi
Von: Volldepp!!!
7.8., 19 Uhr bei Miyakis
Sei pünktlich!!! sonst mache ich dich ebenfalls einen Kopf kürzer!!!
An: Taichi
Von: Volldepp!!!
Und denk daran, ich bin dein bester Freund! Du weißt, wer die Wette gewinnen sollte! Ansonsten …
An: Volldepp!!!
Von: Taichi
Alter! Vielleicht sollte ich dich einen Kopf kürzer machen! Dann hätte ich wenigstens Ruhe!!!
Die restlichen Nachrichten sparte er sich, denn sonst würde er eher zu seinem besten Freund fahren und seine Faust mit dessen Gesicht bekannt machen … nicht, dass diese sich nicht schon kennen würden. Erneut sah er das Foto des Mädchens an, das Yamato ihm von dieser Natsumi geschickt hatte. Mit einem hatte sein bester Freund recht, sie war wirklich eine Schönheit. Seufzend steckte Taichi das Handy wieder zurück in seine Hosentasche. Er war pünktlich, fast zumindest, es war immerhin erst 19.07 Uhr. Und für seine Verhältnisse war das doch pünktlich.
Als er aufsah, konnte er vor dem Eingang des Restaurants ein Mädchen erkennen, das sehr aufgetakelt wirkte. Taichi zog sein Handy erneut heraus und öffnete das von Yamato geschickte Foto erneut. Doch, das müsste … könnte sie sein. Nachdenklich musterte er das Mädchen, das sich gerade in ihrem Handy betrachtete und sich durch die langen braunen Haare strich.
Taichis Handy wanderte wieder zurück in seine Hosentasche, dann ging er auf sein vermeintliches Date zu.
“Ähm, hallo”, sagte er und blieb stehen.
Das Mädchen sah auf und ließ ihren Blick mit gehobenen Augenbrauen über ihn gleiten.
“Ja?”, fragte sie mit gedehnter Stimme und sah ihn abschätzig an.
Sofort runzelte ihr Gegenüber seine Stirn. “Ähm, ich bin Tai. Bist du Natsumi?”
Nun erhellte sich ihr Gesicht und sie strahlte ihn an. “Ah, ja, ich bin Natsumi. Und du bist … Tei?”
“Eigentlich Tai, Taichi.”
“Ah, Tai, okay.” Sie sah an ihm vorbei, ihr Blick wirkte suchend. “Kommt Matt nicht? Ich dachte, dass er dich vielleicht begleitet.”
Wieder runzelte sich Taichis Stirn. “Nein, eigentlich nicht. Das ist ja das Date zwischen dir und mir, da würde er nur stören, oder?”
“Äh …” Ihr Blick änderte sich einen Augenblick, dann lachte sie gekünstelt auf. “Ja, vermutlich. Dann … lass uns halt reingehen und … unser Date haben.” Sie drehte sich herum und ging zur Eingangstüre des Restaurants.
Taichi sah ihr verwirrt hinterher. Sehr begeistert hatte sich diese Natsumi nicht angehört, zumindest war ihre Stimmung ab dem Moment den Berg hinab gegangen, als er gesagt hatte, dass Yamato nicht zu dem Date dazu stoßen würde. Dann folgte er dem Mädchen seufzend. Das würde ja etwas werden.
~♍~
Yamato saß in seinem Zimmer auf seinem Bett, seine Gitarre auf seinem Schoß, vor ihm auf der Bettdecke ein Zettel mit Notenlinien, auf denen er schon einige Noten und Buchstaben notiert hatte, daneben ein Zettel, auf dem ein von ihm geschriebener Text stand. Und trotz dessen, dass er sich hier gerade seiner liebsten Beschäftigung nach ging, sein Blick wanderte zu einem Bilderrahmen auf dem Schreibtisch, in dem das Bild einer rothaarigen Schönheit zu erkennen war, okay, er ging gerade seiner zweitliebsten Beschäftigung nach, in die er sich stundenlang verlieren konnte und trotzdem wanderte sein Blick immer wieder zu seinem Handy. Gerade fand Taichis erstes Date statt. Die erste von zwei Chancen, die er hatte, diese Wette gegen Mimi zu gewinnen. Sie hatten einen Münze geworfen, wer das erste, beziehungsweise das letzte Date bekommen würde. Und in dem Fall hatte er verloren, so dass er das erste und das dritte Date für Taichi organisieren würde. Mimi hatte damit das zweite und vierte und damit letzte Date beziehungsweise würde sie organisieren. Doch er hoffte stark, dass Taichi es gar nicht so weit kommen lassen würde. Wer weiß, vielleicht war Natsumi heute schon die perfekte Kandidatin und vielleicht wälzten die beiden sich ja gerade in diesem Moment schon über die Bettlaken …
Und wie als ob sein bester Freund es gemerkt hätte, dass er an ihn dachte, verdammt aber auch, klingelte sein Handy und dessen Name, ähm, eingespeicherter Name erschien auf dem Display: Vollhorst!!! Beschweren konnte sich Taichi bei ihm jedoch nicht darüber, denn dieser hatte ihn unter Volldepp im Handy hinterlegt.
“Tai, und, wie war sie? Bist du etwa schon fertig? Nun gut, beim ersten Mal kann es eben schnell gehen, aber keine Sorge, du wirst dazu lernen und …”
“Ishida, du bist so ein Arsch!”
“Äh, was? Hast du sie noch alle? Du bist der Arsch, Yagami!” Yamato biss wütend seine Zähne zusammen.
“Weißt du eigentlich, was du mir da heute angetan hast?”
“Was willst du damit sagen? Natsumi sieht doch gut aus! Und dumm ist sie auch nicht!”
“Naja, gut aussehen, okay. Nicht dumm sein kann ich nicht so richtig beurteilen, aber sie hat einen an der Waffel! Eindeutig!”
“Was willst du damit sagen?”
“Ach, mein bester Freund, weißt du, was an einem Date das Allerbeste ist? Was einem eindeutig jede Lust an jedem bisschen Sex nimmt?”
Taichis Gesprächspartner hob verwundert seine Augenbrauen. “Was meinst du?”
“Wenn der eigene, beste - eigentlich beste Freund das Gesprächsthema ist. Und nicht nur eines der Gesprächsthemen, das einzige Gesprächsthema! Matt hier, Matt da. Matt sieht so toll aus, Matt kann so toll singen, Matt würg!”
“Was?”, fragte dieser besonders intelligent nach.
“Muss ich es dir nochmal sagen? Ich hatte heute eigentlich kein Date mit einer Tussi sondern ein Date mit dir! Und ganz ehrlich, nein! Nein, einfach nur nein!”
“Ich kapiere gerade gar nichts mehr.”
“Was gibt es daran nicht zu kapieren, Alter? Die Tussi war hinter dir her! Die hat gedacht, dass sie über mich an dich rankommt! Der beste Freund ist da nur eine Stufe, über die man zu dir gelangen kann, dem ach so tollen Rockstar.”
Yamato schwieg, seine Gedanken drehten in seinem Kopf durch. Er wusste nicht, was er nun sagen sollte, außer: “Sorry, das war mir nicht klar.”
Und diese Entschuldigung schien das Richtige gewesen zu sein, denn als Taichi wieder sprach, war die Wut aus seiner Stimme verschwunden.
“Mensch Alter, wenn ich Zeit mit dir verbringen will, brauche ich da wirklich kein Tussi dazu. Und mit dir könnte ich wenigstens zocken, ein Bierchen trinken und müsste nicht wirklich über dich reden, nur mit dir. Das ist schon besser.”
“Fände ich auch besser. Schade. Na gut, damit hat sich mein erster Beitrag als Niete erwiesen.”
Nun erklang ein Lachen auf Yamatos Aussage.
“Die einzige Niete hier bist du, Ishida.”
“Alter …”
“Ebenso.”
“Aber jetzt im ernst, wo hast du die aufgetrieben? So gut sie auch aussah, ne, die hatte echt einen Knall, so ein richtiger Groupie.”
Yamato lehnte sich auf seinem Bett zurück. “Ich habe sie die letzten Monate immer mal wieder nach einem unserer Auftritte gesehen und die Gespräche waren meist ganz nett.”
“Ist mir schon klar, dass du Gespräche, die sich nur um dich drehen, ganz nett findest”, feixte Taichi am anderen Ende der Leitung.
“Tja, mit dem richtigen Gesprächsthema sind Gespräche immer toll. Also mich wundert es nun wirklich, dass du nicht direkt mit ihr im Bett gelandet bist, sie hat das Thema sicherlich ganz wuschig gemacht.”
“Gott, mir wird gerade so schlecht, ich glaube ich muss gleich kotzen!” Taichis Stimme klang mehr als angeekelt. “Weil ich auch mit einer Tussi mein erstes Mal verbringen möchte, die dabei nur an dich denkt!”
“Hey, immerhin kommt sie dann auch schnell, was für dich ja ganz gelegen kommt. Bei deinem ersten Mal bist du wahrscheinlich nach dreißig Sekunden fertig. Und wenn du willst, dass die Frau auch was davon hat, warum dann nicht?”
“Ich muss immer noch kotzen!”
Ein lautes Lachen entkam Yamato auf diese Aussage. “Nun gut, schade. Erste Frau: Fail. Ich habe ja nochmal eine Chance.”
“Eine noch! Und ähm, Natsumi sah gut, aus, aber das war auch schon alles. Vorne rum darf sie auch gerne noch ein wenig mehr haben und …”
“Sag mal, sind wir hier bei: wünsch dir was? Du hast die zu nehmen, die ich dir bringe!”
“Willst du gewinnen? Dann sollte die Frau mir gefallen, oder?”
…
“Na siehst du, Matt? Es geht eben doch um mich. Also, mach es das nächste Mal besser.”
“Alter …”
~♍~
