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23:59 Uhr

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23:59 Uhr

Immer wenn Jodie eine neue Idee ausbrütete, bestand eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sie es nicht ohne Hilfe schaffte. Und dann rief sie immer Shuichi an. Nur war es dieses Mal schlimmer. Sie wollte backen. Kekse zum Weihnachtsfest. Es wäre ein weitaus geringeres Problem, würde Jodie backen können. Andererseits war es auch nur seine Annahme, dass sie es nicht konnte, denn ihre Kochkünste sagten bereits genug aus.

Shuichi blickte an der Fassade ihres Wohnhauses entlang. Obwohl es bereits 22:30 Uhr war, brannte bei ihr noch Licht. Es schien auch so, als hätte sie die Wohnung bisweilen noch nicht in Brand gesetzt zu haben und ein Notarzt war auch nicht in der Nähe. Dennoch hatte er ein ungutes Gefühl, weswegen er überhaupt erst vor Jodies Wohnung stand. Und da sie sich bislang nicht meldete, war er erst recht verunsichert gewesen. Die Haustür stand offen, weswegen er direkt durchgehen konnte und mit dem Fahrstuhl in die siebte Etage fuhr. Als er vor Jodies Wohnungstür stand, betätigte er die Klingel und wartete. Es dauerte einen Augenblick, ehe sie die Tür öffnete. Sogleich konnte der Agent das Dilemma erblicken. Auf Jodies Oberteil befanden sich zahlreiche Teigreste, in ihren Haaren sowie auf der Nase und den Wagen hatte sie Mehl und sie sah aus, als käme sie von einem langen Einsatz. Shuichi musterte sie. „Du siehst fertig aus…“

Jodie seufzte leise auf. „Shu, es ist so viel schief gegangen. Zuerst stellte ich fest, dass mir eine Zutat fehlt, dann flog das ganze Mehl beim Mixen durch die Gegend, später dann der Teig. Danach hab ich vergessen den Herd vorzuheizen und als ich die Kekse auf das Backblech legen wollte, klebte alles am Tisch fest. Und obwohl ich mich an die Angabe im Rezept gehalten habe, ist mein erstes Bleck mit den Keksen schwarz geworden. Ich hab keine Lust mehr…ich will ins Bett und schlafen.“

„Dich zwingt keiner zum Backen“, warf der Agent ein.

„Aber es ist Weihnachten und Kekse gehören nun einmal dazu. Vor allem wenn wir in Japan sind.“

„Kauf doch einfach welche“, entgegnete er.

„Shu! Das will ich nicht gehört haben. Selbstgebackene Kekse gehören halt zu Weihnachten. Außerdem hab ich es euch doch versprochen. Jeder Agent bekommt morgen von mir ein paar Kekse.“

Gerade als er etwas erwidern wollte, hörte er die Eieruhr und wurde von Jodie in die Wohnung gezogen. Sie selbst machte sich sofort auf den Weg in die Küche. Shuichi zog seine Jacke und Schuhe aus. „Das darf doch nicht wahr sein“, hörte er Jodie meckern und folgte ihr in die Küche. „Was ist?“

„Einige Kekse sind zerbröselt, als ich sie auf den Teller gehievt habe.“ Sie seufzte ein weiteres Mal. „Auch mit Glasur kann ich sie nicht zusammen kleben.“

„Normalerweise lässt man sie vorher abkühlen.“

„Das steht so aber nicht im Rezept und beim vorherigen Blech ist das nicht passiert.“

Akai ließ seinen Blick durch die Küche schweifen. Auf dem Tisch standen drei Teller mit Keksen, die einigermaßen gut aussahen, auf dem Boden lagen die Teller mit den aussortierten Keksen und neben ihrem Mülleimer stapelten sich die Reste. „Glasier die Kekse die du hast und verteil die unter den Kollegen.“

„Das reicht nie im Leben“, warf Jodie ein. „Aber zum Glück hab ich noch einen Plan B und du bist ja auch noch da. Also kannst du mir auch helfen.“

„Ist das dann nicht schummeln?“

„Mhm? Warum denn? Ich hab die Kekse ja selbst gebacken und ein wenig Hilfe ist doch kein Problem. Außerdem machst du ja nicht den Großteil der Arbeit. Die Zutaten für die Glasur hab ich oben rechts im Schrank. Du kannst doch alles vorbereiten und ich kümmer mich um Teig 2.“

Shuichi musterte sie. „Teig 2? Und wann hast du mit dem Backen angefangen, dass du jetzt immer noch daran sitzt?“

„Ich hab erst um 18 Uhr angefangen, weil ich es mir viel einfacher vorgestellt habe“, entgegnete die Agentin. „Plan B sind Zimtsterne. Da ich viel zu spät bemerkt habe, dass der Teig einige Stunden kühl stehen muss, hab ich mit dem anderen Rezept weitergemacht. Aber die Zimtsterne werden auch lecker, sie bestehen aus einem Teig aus Eiweiß, Puderzucker und Mandeln. Mit einem Teelöffel Zimt hab ich ihn noch verfeinert“, erklärte sie und holte den Teig aus dem Kühlschrank.

„Verstehe“, murmelte Shuichi. Er ging an den Schrank und holte die Zutaten für die Glasur; Streusel, Puderzucker und kleine Kugeln heraus. „Wo hast du die her?“

„Ich hab einen amerikanischen Supermarkt entdeckt. Die hatten Zutaten, die man sonst nicht so einfach in Japan bekommt“, antwortete Jodie und regulierte den Backofen auf 100 Grad herunter. Anschließend begann sie damit den Teig für die Zimtsterne auszurollen und die Sterne auszustechen. Als wäre diese Tätigkeit anstrengend, wischte sie sich über die Stirn. Danach holte sie ein Ei aus dem Kühlschrank und trennte das Eigelb vom Eiweiß. Das Eiweiß schlug sie mit Puderzucker zu einem Guss auf. „Fast fertig.“

„Mhm?“ Akai beobachtete sie und setzte die Glasur für Jodies andere Kekse an. Während er diese anschließend auftrug, schob seine Kollegin das erste Backblech mit den Zimtsternen in den Ofen. Sie stellte die Eieruhr auf 15 Minuten ein und half ihm beim Dekorieren. „Ich hätte nie gedacht, dass Kekse backen so anstrengend sein kann.“

„Mhm?“, kam es nur von Akai.

„Naja man hält sich ans Rezept, muss dauernd Teig ausrollen, was auf die Arme geht, sticht Kekse aus, hievt die dauernd hin und her und wenn man zum Ende der Backzeit die Kekse aus dem Ofen holt, darf man hoffen. Ich glaube, ich werde nie wieder so leichtfertig Gebäck versprechen.“

„Wenn man sich an das Rezept hält, ist der Schwierigkeitsgrad der gleiche wie beim Kochen“, gab er von sich.

„Das wollte ich nicht hören, Shu…“, entgegnete sie. „Im Kochen bist du mir noch meilenweit voraus.“

Shuichi zuckte mit den Schultern, als die Eieruhr klingelte. Sogleich stürme Jodie auf den Ofen zu und holte das erste Blech mit den Zimtsternen heraus. „Die sehen gut aus“, sagte sie ungläubig.

Erleichtert nickte ihr Kollege. Einen neuen Teig anzurühren wäre zwar nicht das Problem, doch zu der späten Stunde hätten die Nachbarn bestimmt auch eine Meinung.

„Dann kann ich gleich die zweite Fuhre backen“, meinte Jodie und begann damit das zweite Blech vorzubereiten. Während der Backzeit holte sie durchsichtige Tüten aus dem Wohnzimmer.

„Ist das nicht noch zu früh?“, wollte Akai wissen. „Die Glasur ist noch nicht ganz trocken.“

Jodie sah zu den Keksen. „Wir haben die Glasur doch recht dünn aufgetragen, dann sollte sie bald fest werden. Wir warten einfach noch etwas und wenn die Zimtsterne erkaltet sind, fangen wir an einzupacken.“

„Wir?“ Irgendwie hatte er es geahnt.

„Natürlich wir.“ Jodie warf einen Blick auf die Uhr. „Mein Ziel ist es, dass wir heute noch fertig werden und viel Zeit bleibt nicht mehr.“

Shuichi wusste, dass es keinen Sinn machte, mit ihr zu diskutieren. „Was soll ich machen?“

„Das wollte ich hören“, schmunzelte die Agentin. „Du kannst schon mal schauen, welche Kekse fertig getrocknet sind und diese in die Tüten füllen. Ich dachte mir, dass pro Tüte fünf bis acht Kekse in Ordnung wären und dazu vier bis sechs Zimtsterne.“

Akai nickte. „Ich geh vorher eine Rauchen“, sagte er und ging aus der Küche.

Irritiert sah ihm Jodie nach. Aber sie hinterfragte es auch nicht. Stattdessen kümmerte sie sich um das zweite Blech mit den Zimtsternen. Nachdem sie dieses aus dem Ofen holte, betrachtete sie ihre fertigen Kekse. Nach und nach begann sie die Tüten zu befüllen und als Shuichi zurückkam, half er ihr.

Als Jodie mit dem Ergebnis zufrieden war, lächelte sie. „Geschafft. Und sogar noch heute.“

Akai blickte zur Uhr. „23:59 Uhr, gerade noch so.“



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