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Under these Scars

Teil Vier der BtB Serie
von

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A yellow note

‚Du wirst herausfinden, wo Dr. Mushi gewesen ist und du wirst uns sofort darüber informieren. Hast du das verstanden?‘

 

Du sagst ‚spring‘ und ich sag…

 

Nichts.

 

Er hatte mit Sicherheit niemals fragen müssen, wie hoch. Er wusste, dass der Himmel das Limit war. Einer der vielen Gründe, warum er es nicht mochte, zu dicht am Boden zu fliegen. Wenn man so darüber nachdachte, dann hätte er einen süßen Chemierausch durchaus vertragen können. Grunzend strich Genma mit dem Daumen über die fuchsienfarbene Pille in seiner Tasche und nahm sich einen weiteren Moment, um auf Stahl zu beißen und Metall zu schmecken. 

 

Steh auf und mach weiter.

 

Und so kam er endlich zur Sache, schob sich von dem Fenster und dem kreischenden Quietschen der Lamellenjalousien weg. Sie schwankten steif in der Brise und Streifen aus Sonnenlicht fielen durch die blassen Schlitze wie der Strahl einer Taschenlampe, um in einen großen Raum zu dringen, der in weiche violette Schatten getaucht war. 

 

Dr. Mushis Büro.

 

Aufmerksam musterte Genma die vertraute Anordnung und bewegte sich halb geduckt um den großen Eichentisch herum, während seine behandschuhten Finger über verzierte Ecken strichen, bevor sie unter die Rillen des Holzes wanderten, um alte elektronische Aufnahmegeräte zu entwurzeln und neue zu pflanzen. 

 

Ein ehrliches Tagwerk. 

 

Was für ein verfickt schlechter Scherz.

 

Als seine Hände ihre Arbeit verrichteten, beschrieb sein Blick eine neue Bahn und suchten das ruhig in Schatten daliegende Büro ab. Ein dunkler Sofatisch, dessen ovales Gesicht wurde von zwei breiten Hufeisenstühlen eingerahmt wurde, nahm den zentralen Platz des Zimmers ein. Genma setzte sich immer auf den Stuhl mit Blick zur Tür, da er sich dachte, es wäre das Beste, vorhersehbar zu sein. Außerdem wusste er es besser, als sich für die niedrige, kaffeebraune Couch zu entscheiden. Vollkommen aus Reflex versteiften sich Genmas Schultern, als er sich daran erinnerte, wie er zum ersten Mal in diese hässliche, dick gepolsterte Monstrosität gesunken war. Die plüschigen wattigen Kissen hatten sich mit der Beruhigung einer Zwangsjacke – oder vier gepolsterten Wänden - um ihn gelegt. Und als man ihn gefragt hatte, ob er es bequem hatte, hätte er am liebsten aus voller Kehle geschrien, bis sich alle Fasern seines Körpers auflösten. Doch offensichtlich hatte er das nicht getan, denn…

 

‚Ich habe nichts, was ich sagen will.‘

 

‚Und das, Genma, sagt dennoch etwas.‘

 

Sofort wurde er sich der erwartungsvollen Stille des Raumes bewusst; als wäre da noch immer ein blinkendes Aufnahmegerät – abgesehen von denen, die er selbst gepflanzt hatte natürlich. Es war nur so, dass sich alter Argwohn nur schwer abschütteln ließ, selbst dann, wenn er nicht in diesem Stuhl saß. Genma wusste, dass Dr. Mushi ihre Sitzungen aufzeichnete; wusste auch, dass der Seelenklempner diese Tonbänder hinter den drei Holzschnitten aufbewahrte, die die linke Seite des Büros einnahmen. 

 

Nicht, wo ich sein muss.

 

Er sah nach rechts. Diese Seite des Büros, die erst kürzlich angebracht worden war, beherbergte eine Reihe von Schiebepaneelen aus Ulmenholz und die glatten lackierten Oberflächen griffen ineinander, um Reihen von Aktenschränken zu verbergen, die in die Wände eingelassen waren. 

 

Die eleganten Schlüssellöcher zwinkerten ihm spöttisch zu. 

 

Super.

 

Rasch spähte Genma auf die antike Uhr an der Wand und rollte sein Senbon bis zum entferntesten Winkel seiner Lippen, während er einschätzte, wie viele Schlösser er innerhalb der nächsten fünf Minuten knacken könnte. Ein zweiter Blick auf die neuen schicken Paneele und er berechnete zusätzlich die Zeit ein, die er brauchen würde, um irgendwelche potentiellen Chakrasiegel zu umgehen. 

 

Das ist doch ein bisschen übertrieben. Nicht jeder ist so paranoid wie du.

 

Ah. Paranoid. Er erinnerte sich an dieses Wort – oder genauer gesagt an die klinische Abkürzung – festgelegt in Großbuchstaben und Diagnosecode auf seiner Akte.

 

SHIRANUI GENMA: Achse II: 301.0 PPS. Paranoide Persönlichkeitsstörung.

 

Ein Fall wie aus dem Lehrbuch, vor allem, da er ‚allgegenwärtiges Misstrauen und Argwohn gegenüber anderen zeigt, sodass deren Motive immer als böswillig interpretiert werden.‘

 

Dr. Mushi hatte es als paranoid bezeichnet. 

 

Genma hatte es als ‚Ninja sein‘ bezeichnet. 

 

Aber auf der anderen Seite glaubte der gute Doktor ja auch, dass Genma eine schizophrene Persönlichkeitsstörung aufwies. Wie beruhigend zu wissen, ein zertifizierter Spinner zu sein, während dein Körper von einer dick gepolsterten Couch aufgefressen wurde und dein Hirn dabei das Frühstück auf einem glänzenden OP-Teller war. 

 

Genma biss die Zähne aufeinander. 

 

Hör endlich auf, Zeit zu verschwenden. 

 

Er platzierte die letzte elektronische Wanze, richtete sich auf und wollte den Tisch umrunden. Doch dann zog etwas, dem er lange ausgewichen war, seine Aufmerksamkeit auf sich. Ein Schimmern von Licht im Augenwinkel. Er hielt inne, versteifte sich gegen den Impuls und drehte sich dennoch, um es anzusehen. Die lachende Buddha Statue - ein fester Bestandteil der linken Seite von Mushis Tisch – schmunzelte zu ihm auf und ein goldener Strahl prallte von seinem glänzenden bronzenen Bauch ab. Das reflektierte Licht traf auf Genmas Augen und jagte das Aufflackern einer Erinnerung durch seinen Verstand. 

 

‚Lachender Buddha, huh? Über verfickt nochmal was freut der sich denn bitte so sehr?‘

 

‚Reib seinen Bauch.‘

 

‚Bin mir ziemlich sicher, dass das als Entweihung einer Statue zählt, Asuma.‘

 

‚Kommt drauf an, mit was du daran reibst.‘

 

‚Und du schimpfst dich selbst Buddhist.‘

 

‚Gelegentlich. Und außerdem ist das Budai, nicht Buddha.‘

 

‚Was auch immer du sagst.‘

 

‚Ich sage, reib seinen Bauch. Kakashi hat es auch gemacht.‘

 

‚Hat er seine Hände dafür benutzt?‘

 

‚Du verzichtest auf viel Glück, Shiranui.‘

 

‚Achja? Bin mir ziemlich sicher, du hättest gesagt, Glück wäre eine Dame.‘

 

‚Gelegentlich. Und manchmal ist sie ein großer glatzköpfiger Mann mit einem überheblichen Grinsen.‘

 

Ein ernüchterndes Stechen, als sich das Senbon in sein Zahnfleisch schnitt; doch die Wunde war nicht der Ort, an dem er schmerzte. War nicht, wo er blutete. 

 

Scheiß drauf.

 

Knurrend rammte Genma die qualvolle Erinnerung zurück in ihr Grab…bestehend aus rostigen Nägeln und gesplittertem Holz. Doch den Schmerz zu begraben hielt ihn nicht davon ab, nach mehr zu suchen. Sein Körper bewegte sich wie aus einem eigenen sadistischen Antrieb heraus. Langsam streckte er eine Hand über den Tisch und berührte mit zwei Fingern den großen glänzenden Bauch des lachenden Buddhas. Er spürte nichts außer den kalten Lederhandschuh. Kein magischer Funke, kein winziges Kribbeln von Statik. Überhaupt kein Empfinden, mit etwas Höherem in Verbindung zu treten…oder irgendjemandem jenseits davon. 

 

Erbärmlich. Und du verschwendest immer noch Zeit.

 

Grollend schob er seine Finger von der Statue und brachte sie dabei heftig ins Schwanken. Etwas rasselte im breiten hohlen Bauch des Buddha. Sofort erstarrte Genma und stupste ihn erneut an. Ein weiteres Rasseln. Er hob die Statue an, legte den Kopf schief und schielte hinauf in den großen bronzenen Hintern. 

 

Interessanter Ort für ein Versteck. 

 

Es verstörte ihn viel weniger als der Gedanke daran, zwei Finger dort hinein zu schieben, was er aber dennoch tat, nachdem er seinen Handschuh ausgezogen hatte. Und in einem der vielen masochistischen Winkel seines Verstandes fragte er sich, wie viel kosmisches Glück ihn seine Vergewaltigung wohl kosten würde – um all die Chancen, die zu seinen Gunsten standen, kümmerte er sich überhaupt nicht. 

 

Denkst du, du verdienst irgendetwas besseres?

 

Da war sie; die kriechende Stimme der Schande. Eine dieser unverwüstlichen Kakerlaken, die immer noch in seinem verfallenen Gewissen herum schlichen. Und Genma zerquetschte sie wie einen Käfer, als er sich wieder seiner Aufgabe zuwandte. Er drehte das Handgelenk und fischte in der Kurve des Budai-Bauches herum, bis seine Finger über zwei gezackte Zähne strichen, die an einer Kette hingen. Ein Schlüsselbund. Unbeholfen bekam er sie zu fassen und spürte einen leichten Widerstand der Kette, als er daran zog. 

 

Innen magnetisch, hn? Die Kette auch. Clever.

 

Aber keine allzu große Herausforderung. 

 

Er zog die Schlüssel hervor und stellte die Statue zurück an ihren Platz. Aufmerksam studierte Genma die beiden silbrigen Zähne und zog dabei die Schreibtischschubladen in Betracht. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Er wirbelte den Schlüsselring um seinen Finger und probierte den ersten Schlüssel aus, der gegen seine Handfläche klatschte. Das Schloss der Schublade klickte; eine schnalzende Zunge in der Stille. 

 

Rasch warf er einen Blick auf die Tür und lauschte. 

 

Vergebliche Mühe, wenn man bedachte, dass der schweren hölzernen Tür noch eine weitere der gleichen Art folgte. Schalldicht für Privatsphäre hatte Dr. Mushi gesagt. Genma hatte nichts dazu gesagt, ihm war es egal gewesen. Er hatte nur darüber nachgedacht, wie diese Türen gegen ihn arbeiten würden, wenn er seine Wanzen platzierte. Denn ganz sicher konnte er auf dieser Seite der Tür überhaupt nichts hören außer das, was durch das offene Fenster herein getragen wurde. 

 

Mach schnell.

 

Er zog die Schublade auf und war sowohl von Gewicht als auch Tiefe überrascht. Er musste nicht suchen. Dr. Mushis Terminplaner lag direkt in der Mitte und der schwarze Ledereinband wurde von dem dünnen Strahl aus Sonnenlicht erhellt, der über Genmas Schulter fiel. Bevor er das Buch aufnahm, schlüpfte er wieder in den Handschuh und sein Handgelenk kippte beim Gewicht des Planers leicht nach unten. Mit dem Daumen schob er den Laschenverschluss auf, hob den Deckel und strich mit den Fingern über das kobaltblaue Wildlederfutter. Teuer. 

 

Schmerz zahlt sich aus…

 

Ibiki war eindeutig in der falschen Branche. 

 

Genmas Lippen zuckten und er legte den Buchrücken in seine Handfläche, während er seine andere nutzte, um die Wochenüberblicke zu überfliegen. Papier flatterte gegen seinen Daumen, bis sein Blick auf den aktuellsten Kalender fiel; Mushis Morgentermine waren sowohl vergangene, als auch für die kommende Woche gestrichen. Die Lücken hatte er jedoch nicht mit irgendwelchen anderen persönlichen oder beruflichen Aktivitäten gefüllt. Nur eine Reihe blanker Spalten, die Genma für die Ältesten füllen sollte. 

 

‚Du wirst herausfinden, wo Dr. Mushi gewesen ist und du wirst uns sofort darüber informieren. Hast du das verstanden?‘

 

Mit flackernden Bronzeaugen ließ Genma sein Senbon von Seite zu Seite ticken. Der einzig sichere Weg, Mushi zu folgen, war, ihn zu observieren, oder ihn mit einem Peilsender zu versehen. Letzteres wäre vorzuziehen, was aber bedeutete, dass er nahe genug an den Doktor heran kommen müsste, um eine Wanze platzieren zu können. Genma überprüfte seinen nächsten Termin mit dem Arzt und stellte fest, dass er für den späten Nachmittag in zwei Tagen angesetzt war. 

 

Verdammt, die Woche ist schnell rumgegangen.

 

Zu schnell. Scheiße. Zwei Tage? Er hätte das im Kopf haben müssen. Wahrscheinlich hatte er es auf eine der vielen kleinen Terminkärtchen gekritzelt, die in seiner Wohnung verstreut lagen. Immer wieder händigte ihm die Sprechstundenhilfe neue aus und streichelte jedes Mal, wenn er ging, mit ihren Fingern über seine. 

 

Zeit, das jetzt zu machen.

 

Er schielte auf die Uhr und runzelte die Stirn als er bemerkte, wie die Zeit auf die Acht Uhr Markierung zuraste. Die Sekretärin wäre bald hier und Genma musste noch immer Brotkrumen im Keller aufwischen. Erstaunlich, wie das Vernichten dieser Papierspuren jetzt viel mehr eine Mission war als die ursprüngliche Verschleierung. 

 

‚Und wie viele Versionen der Geschichte gab es, Genma?‘ Kakashis Stimme kroch heran und bohrte sich in Genmas Hirn. ‚Deine? Shikamarus? ...Naokis?‘

 

Angewidert ruckte Genma mit dem Kopf und ließ das Buch mit einem dumpfen Aufprall zurück in die Schublade fallen, der staubige Luft und eine alte gelbliche Klebenotiz ausspuckte – mehr gelblich als klebrig. Sie segelte über den Schreibtisch. 

 

„Shit.“ Genma schnappte sie aus der Luft und streckte die Hand aus, um sie zurück zu stecken – hielt allerdings abrupt mitten in der Bewegung inne. Vollkommen paralysiert von dem Namen, der auf das kleine gelbe Quadrat gekritzelt war. 

 

NARA SHIKAMARU: Diagnosebericht.

 

Für eine blanke Sekunde wurde es überhaupt nicht registriert.

 

Und dann ließ eiskalter Schock den Atem in Genmas Lungen einfrieren. 

 

Als hätte ihn gerade sämtliche Kraft verlassen, stützte er eine Hand gegen den Schreibtisch und hielt die kleine gelbe Notiz in der anderen, während das leise tick-tick-tick der antiken Wanduhr von dem hämmernden dum-dum-dum in seiner Brust ertränkt wurde. 

 

NARA SHIKAMARU: Diagnosebericht.

 

Wie ein Gummiband schnappte die Zeit zurück. 

 

Heftig zusammenzuckend klatschte Genma die Notiz nach unten, stieß seine Hände in die Schublade und grub sich durch leere Mappen und sprödes blankes Papier. Seine Lippen verkrampften sich um das Senbon und sein Atem peitschte in einem abgehackten Keuchen durch seine Nase – ein-aus, ein-aus.

 

Nichts. Nichts. NICHTS.

 

Er rammte die Schublade zu und schob sich von dem Tisch fort, während er sich mit den Händen über seine stoffbedeckte Stirn fuhr, um seine Finger hinter dem Kopf zu verschränken, als sich seine Lider zusammenpressten. Bestürzung überschwemmte sein Hirn wie ein aufgehetzter Bienenschwarm.

 

Stop. Du vermutest. Vermute nicht. Vermute niemals.

 

Ein langsamer Atemzug und seine Augen öffneten sich. Erneut bewegte er sich nach vorn und packte mit einer Hand nach der anderen die Seiten des Tisches, wobei seine Lederhandschuhe unter dem Druck knirschten. Er stierte hinunter auf die Notiz; stierte so verdammt hart, dass sich seine Sicht bei dem Wort Diagnosebericht verdoppelte.

 

Das kann nicht stimmen. 

 

Es war unmöglich, dass Shikamaru Dr. Mushis Patient war. Die Ältesten hatten – auf Anweisung des Sandaime – dem Psychiater strikt verboten, irgendeinen Nara Patienten zu behandeln außer Shikaku. War das auch nicht genau der Grund, aus dem Genma vor zwei Jahren als Spion eingesetzt worden war? Um sich zu vergewissern. Um sicher zu gehen.

 

Das habe ich gemacht. Ich hatte diesen Bastard festgenagelt.

 

Und das beinhaltete auch Dr. Mushis Klienten. Genma hatte ganze Listen mit Namen und hunderte Tonbandaufnahmen; hunderte und aberhunderte Tonbandaufnahmen…Tonbandaufnahmen, die wie ein konstanter Radiosender in seiner Wohnung liefen und tief in die langen und einsamen Stunden dröhnten, wenn Schlaflosigkeit zu einer Art verdrehten Wahnsinns wurde. Zwei Jahre. Zwei Jahre, während derer er mit seinen Fersen auf die Trümmer seines zerbrechenden Lebens hochgelegt dagesessen war, eine Flasche in der einen und eine kleine pinke Pille in der anderen Hand, während er das Leben der Menschen abhörte wie ein Codeknacker bei einem Zahlensender – denn das war auch alles, was Mushis Patienten für Genma waren; Nummern und Codes und Fetzen aus Papier. 

 

Es ist nichts Persönliches.

 

Denn nur so konnte er es überhaupt tun; einfach im flackernden Licht von Glühbirnen da zu sitzen, die schon viel zu durchgebrannt waren, um zu funktionieren und Namen zu lesen, Nummern aufzuschreiben, sich Zeile um Zeile von Unterhaltungen anzuhören, bis er viel zu taub für alles außer die Schlüsselwörter wurde…und nicht ein einziges Mal hatte er sie gehört. Keine Erwähnung von Shikamaru oder irgendetwas anderem, das vor zwei Jahren in Kusagakure geschehen war. Was auch nur Sinn machte…denn Shikamaru hatte nach den Ereignissen niemals irgendeine Behandlung erhalten oder verlangt. Er hatte es nicht gebraucht, denn…

 

‚Er wird sich nicht an alles erinnern. Frag ihn nicht danach…niemals…und wenn er anfängt, sich zu erinnern…‘

 

‚Dann wirst du da sein, um es zu richten; jetzt steh endlich auf.‘

 

‚Hör mir zu, Genma. Geh zu den Leuten, von denen ich dir erzählt habe. Er darf sich nicht erinnern. Aber du wirst dich erinnern. Du musst. Denn du musst dich an dein Versprechen an mich erinnern…und an mein Versprechen an den Sandaime. Und jetzt schwöre es.‘

 

Energisch blinzelte sich Genma von der Erinnerung dieser Worte zurück und versuchte, das Gesicht des Mannes zu vergessen, der sie gesprochen hatte. Stattdessen gab er sich Mühe, sich auf die Warnung zu konzentrieren, die er sich nicht zu Herzen genommen hatte. 

 

Herz…

 

Sein Herz…das war damals das Problem gewesen, nicht wahr? Und zwei Jahre mehr auf dem Buckel machten es überhaupt nicht leichter, mit den Lügen und den losen Enden Schritt zu halten…mit den verdrehten Logiken, die alles zusammenhielten.

 

Wann ist das alles auseinander gegangen?

 

Genma kniff sich so hart in den Nasenrücken, dass Schmerz hinter seinen Brauen zu pulsieren begann. 

 

Was habe ich übersehen? Und wie zur Hölle konnte ich es übersehen?

 

Nun, zwischen Saufen und den Drogen war es nicht so schwer vorstellbar, dass er es an irgendeinem Punkt verkackt hatte. An einem lebenswichtigen Punkt. Oder vielleicht war er auch so blind für die Wahrheit geworden, dass er vollkommen darin versagt hatte, sie überhaupt wahrzunehmen. 

 

Also mach die Augen auf und finde es raus.

 

Kalte taube Distanzierung war, was er brauchte. Und er war hervorragend darin. Das war seine Stärke. Zumindest war es das, wenn er nicht gerade versuchte, sich die nächste Dröhnung zu geben…wie viele von diesen kleinen pinken Pillen hatte er überhaupt noch?

 

Konzentrier dich.

 

Seine Miene verhärtete sich und seine scharf werdenden Augen richteten sich auf den gelben Zettel. Herauszufinden, wo Dr. Mushi seine Morgende verbrachte hatte, war nun absolut zweitrangig. Viel wichtiger war, herauszufinden, was dieses Insekt über Nara Shikamaru wusste oder nicht wusste. Und sogar noch viel dringlicher als das war, herauszufinden, was Shikamaru über seine eigene Vergangenheit wusste oder nicht wusste. 

 

Zeit, das rauszukriegen…

 

Entschlossen hob Genma den Kopf und sah hinüber zu den mit Paneelen versperrten Schränken, wo Mushi die Aufzeichnungen zu seinen Patienten unter Schloss und Buddha-Riegel hielt. Wo die rauschenden Tonaufnahmen versagt hatte, würden die schriftlichen Berichte vielleicht etwas Aufschluss bringen. Oder zumindest andeuten, wie schnell Genma rennen musste, um diesem potentiellen Erdrutsch voraus sein zu können. 

 

Beweg dich.

 

Doch die Zeit bewegte sich – wie immer – schneller. 

 

Genma erhielt keine Gelegenheit mehr, die Distanz zu schließen. 

 

Zuverlässig wie ein Uhrwerk hörte er draußen das klack-klack-klack von Absätzen, dem die Melodie einer zwitschernden weiblichen Stimme folgte, die durch das offene Fenster herein schwebte, als Dr. Mushis Sekretärin ihr langwieriges Ritual des Handtasche Durchwühlens durchführte, um sich Zugang zu dem Gebäude zu verschaffen. 

 

Die Uhr schlug Acht und ihr Läuten erscholl wie das Ringen eines Mini Gebetsgongs. 

 

Zischend zuckten Genmas Augen zwischen der Bürotür und den Schränken hin und her. 

 

Keine Zeit. Du kannst es dir nicht leisten, das hier zu vermasseln. 

 

Er würde noch einmal zurück kommen müssen. 

 

Rasch brachte er die Inhalte der Schublade wieder in ihre ursprüngliche Ordnung, verschloss sie und ließ die Schlüssel wieder im Bauch des lachenden Budais verschwinden. Er ließ noch einen flüchtigen Blick durch den Raum wandern und spähte ein letztes Mal zu den Schränken – und dann war er zum Fenster hinaus und auf der anderen Straßenseite, bevor die Sekretärin überhaupt die Tür aufmachte. 

 
 

~❃~
 

 

Das ist ja wie in einem verfickten Kaninchenbau hier drin…

 

Finster stierte Kiba auf das ‚DU BEFINDEST DICH HIER‘ Schild, das neben dem Notausgang angebracht war. Beim zweiten Mal war er immer noch nicht schlauer. Er war ernsthaft einen vollständigen Kreis gelaufen. Seufzend ließ er Wegweiser und Instruktionsschilder sausen und folgte seinen Instinkten. Ein kurzes Schnuppern und er fing Inos Geruch auf; schwach und blumig unter dem durchdringenden Gestank von Chemikalien, Pflanzen, Medikamenten und etwas, das toxisch genug war, um seinen Kopf schwindeln und seinen Magen drehen zu lassen. 

 

Was zur Hölle brauen die hier eigentlich zusammen?

 

Er verzog das Gesicht wegen dieser olfaktorischen Überladung; spürte, wie es höllisch brannte, als es seine Nase hinauf kroch und suchte nach Anzeichen für ein Nasenbluten. Ein Tritt in die Eier wäre netter gewesen. 

 

Oder auch nicht. 

 

Kiba orientierte sich neu und lief die taubengrauen Korridore der botanischen Forschungseinrichtung entlang. Die Augen hielt er dabei auf den blassen Vinylboden gerichtet, der sich in einem langen ausgelatschten Streifen vor ihm erstreckte. Ein paar Abzweigungen und einen kurzen Stop später kam er zu Doppeltüren, die von den Worten BOTANISCHES LABOR gekrönt waren und darunter stand auf einer kleineren Plakette: FLÜGEL A: Abteilung für bryologische und lichenologische Untersuchungen.

 

Bryo- was?

 

Grunzend drückte Kiba mit der Schulter die Schwingtüren auf und wimmerte leise angesichts der Schmerzen. Ein kleiner Empfangsbereich begrüßte ihn. Aber niemand war zuhause. Der Haupttisch war leer und der angrenzende Raum eingenommen von langen Regalen und Gestellen mit botanischen Zeitschriften. 

 

Richtig lustige Sachen. 

 

Kein Wunder, dass der Rezeptionist verduftet war. Kiba spähte mit bebenden Nasenflügeln erst nach rechts und dann nach links die beiden abzweigenden Korridore entlang. Millionen von Geruchsrezeptoren wurden aktiviert und feuerten Signale ab, die er innerhalb eines Herzschlages interpretierte. Ohne zu zögern wandte er sich nach rechts und schlenderte den Gang in Richtung der Labortür ganz am Ende entlang, während er den Parfumwirbeln von Hyazinthe und Lilien folgte und eine leise Melodie vor sich hin pfiff…

 

Ein Bauer hatte einen Hund…

 

Er schob seinen Kopf um die Ecke.

 

Und Bingo war sein Name. B – I – N – G – O und…? 

 

„Bingo“, raunte Kiba mit einem Grinsen und stützte seine Schulter gegen den Türpfosten. 

 

Vollkommen ahnungslos von seiner Anwesenheit stand Ino über eine der Werkbänke gebeugt da und hatte alle Aufmerksamkeit auf irgendeinen bizarr aussehenden Apparat gerichtet, der in etwa so nutzerfreundlich aussah wie eine von Kankurōs Marionetten. Doch Ino schienen diese Mechaniken nicht abzuschrecken. Tatsächlich sah sie äußerst professionell aus; gekleidet in einen fleckigen Laborkittel und komplett mit Handschuhen und Sicherheitsbrille. Sie hatte sogar ihr Haar aus dem Gesicht gekämmt und es mit irgendeinem seltsamen Blumenarrangement auf ihrem Scheitel festgepinnt. Flachsfarbene Strähnen schimmerten leicht, als sie sich bewegte und erinnerten Kiba an das blasse seidige Federgras, in dem er als Kind immer verloren gegangen war. 

 

Jo, ich bin so richtig verloren gegangen.

 

‚Geh und versteck dich, Kiba-kun. Ich zähle bis hundert und dann komme ich und finde dich.‘

 

Dieser lügende Bastard war nie gekommen. 

 

Kibas Kiefer verkrampfte sich zu einem Knurren. Wie Dreck wischte er die Erinnerung beiseite und konzentrierte sich stattdessen auf Inos behandschuhte Finger, die über die Arbeitsfläche geisterten und die Apparatur mit einer Leichtigkeit und Effizienz handhabten, die Kiba so sehr überraschte und beeindruckte, dass er seinen ursprünglichen Plan aufgab, einfach hier herein zu platzen und sie zu triezen.

 

Und gerade arbeitete er an Plan B, als es passierte…

 

Ino begann zu singen. 

 

Vollkommen baff lehnte sich Kiba zurück und hakte die Daumen in den Saum seiner Hose, während sein Kiefer leicht aufklappte. Er kannte das Lied nicht. Irgendwas Mädchenhaftes und Dämliches, doch Ino schwang ihre Hüften und wiegte ihren Körper mit Begeisterung, während sie den Arbeitsplatz mit unkoordinierter, aber auch mit der irgendwie sinnlichen Ungehemmtheit einer Frau entlangspazierte, die tanzte, als würde niemand zusehen und ein Skalpell als Mikrofon benutzte. 

 

Oh Mann, wo ist diese Kamera?

 

Es war ein flüchtiger Gedanke und auch schon verflogen, bevor er überhaupt keimen konnte. Nichts Spöttisches oder Gemeines schlug in Kibas Hirn Wurzeln…tatsächlich mangelte es ihm vollkommen an hinterhältigen Ideen, als er Ino so dabei zusah, wie sie dem leeren Raum etwas vorführte und mit theatralischer Leidenschaft am Revers ihres Laborkittels zerrte, während sie sich nach hinten beugte und eine unverständliche Zeile in ein Becherglas plärrte, bevor sie über die spontane Akustik kicherte. 

 

Kiba blinzelte nicht, atmete nicht und ein sprachloses Schmunzeln zierte seine Lippen. 

 

Der Gedanke, dass keine ihrer Bewegungen dazu kalkuliert war zu beeindrucken, zu verführen oder Aufmerksamkeit zu erhaschen; und dennoch war Kiba faszinierter, als er es bei Shikamarus Geburtstagsfeier gewesen war – und damals hatte Ino ihn als Tanzfläche benutzt. Doch da war etwas – ein Gefühl – an der Ungeschütztheit dieses Moments, das ihn fesselte, wie es ihr betrunkenes Flirten nicht geschafft hatte. 

 

Ino posierte nicht, hatte sich nicht herausgeputzt oder war eine gehässige kleine Prinzessin…

 

Sie spielte einfach nur…

 

Völlig versunken lehnte sich Kiba in die Tür und seine Brauen flogen belustigt nach oben, als Ino ein Tablett über ihren Kopf hielt und eine niedliche kleine Pirouette hinüber zur anderen Bank vollführte. Sie sang noch immer, nur leiser und ihre Stimme war süß wie ein Traum. 

 

Doch jeder Zauber musste durchbrochen werden. 

 

Als sie das Tablett absetzte und nach einem Stapel leerer Fläschchen griff, erhaschte sie aus dem Augenwinkel einen Blick auf Kibas Gestalt und stieß ein erschrecktes Quietschen aus, während eine Hand die Theke packte und sie sich die andere gegen ihr donnerndes Herz drückte. 

 

Jawoll!

 

Erfreut über ihr Entsetzen stieß Kiba im Geiste siegreich die Fäuste aneinander.

 

„Oh mein Gott…“, wisperte Ino keuchend. 

 

Grinsend zuckte Kiba mit den Brauen. „Schon wacklige Knie, huh?“

 

Rasch erholte sich Ino und richtete sich auf, während sie all ihre Empörung zu einem vaporisierenden Starren zusammenfasste, das wahrscheinlich auch angsteinflößend gewesen wäre, wenn da nicht die Sicherheitsbrille gewesen wäre. 

 

Hah. Süß.

 

Süß? Dieser Gedanke ließ Kiba würgen und er schnitt eine Grimasse, während er sich an die Schläfe tippte, um auf die Brille hinzuweisen. „Shinos dunkle ist heißer. Und das sagt einiges.“

 

Eine gedemütigte Pause und dann explodierte Ino. „Kiba, du Dreckskerl!“, fauchte sie und riss sich die Schutzbrille so heftig vom Gesicht, dass sich ihr Haar auf einer Seite in einem Wirrwarr blonder Strähnen löste. Mit einem behandschuhten Finger stach sie in seine Richtung. „Was zur Hölle willst du hier und warum schleichst du so in den Schatten rum?“

 

Und jetzt, konfrontiert mit einer dämlichen Frage, die Ino weit offen für einen schweren verbalen Beschuss hinsichtlich ihrer kleinen Tanzaufführung ließ, war Kiba bis an die Zähne bewaffnet und nur zu bereit, alles von der Leine zu lassen. Nur tat er es nicht. Die Kommentare steckten ihm wie Kanonenkugeln in der Kehle; geladen, aber nicht in der Lage, abgefeuert zu werden. 

 

Was zum?

 

Es war die perfekte Gelegenheit. Mann, sie wurde ihm geradezu wie eine erstklassige Scheibe Kobe-Steak auf einem seltenen Silbertablett serviert. Er konnte sie mit dieser Scheiße so richtig fertig machen. Verdammt, wahrscheinlich würde er niemals wieder eine solche Chance bekommen. 

 

Und dennoch…

 

„Und?“, wollte Ino mit grimmigen Augen und einem Gestrüpp wilder Haare an der Seite ihres Kopfes wissen. Doch selbst so erschüttert und vom Thron gestoßen, reckte sie ihr Kinn zu einem königlichen Winkel, als würde sie ihn eindringlich davor warnen, das Thema anzusprechen. Durch und durch auf hart machend im Angesicht ihrer imminenten Demütigung. 

 

Und dennoch…

 

Kiba sah, wie ihre geballte Faust an ihrer Seite zitterte. 

 

Und er ließ es – einfach so – auf sich beruhen, auch wenn ihn ein Teil seiner Psyche fuchsteufelswild anheulte, während sich der andere nur auf den Rücken rollte und totstellte, weil er nicht weiter erkunden wollte, warum er diese hundertprozentige Chance aufgab, auf immer und ewig über die Yamanaka Prinzessin zu herrschen. 

 

Ino beäugte ihn wachsam und erwartete seine Attacke mit jeder verstreichenden Sekunde. 

 

Tieraugen funkelten amüsiert. „Ich hab die Probe von dieser Wurzel, die du wolltest.“

 

Angesichts dieser unerwarteten Umlenkung zuckte Ino ein wenig zurück; ganz so, als hätte er eine Hand ausgestreckt und sie geschubst. Sie schwankte wie ein Vogel auf einem sehr sehr dünnen Stolperdraht. Und als Kiba keinerlei Anstalten machte, noch irgendetwas hinzuzufügen, plusterte sie sich an Ort und Stelle auf. Alles heiße Luft und aufsteigender Dampf mit absolut keiner Möglichkeit, ihn abzulassen. 

 

Ha. Schätze, das zählt auch irgendwie. 

 

„Hast du mich gehört, Tippelfüßchen?“, fragte Kiba, da er einfach nicht widerstehen konnte. 

 

Der spielerische Stich schob sich wie eine Nadel in einen prallen Ballon. Farbe explodierte heiß und rosa auf Inos Wangen und ein Strom angehaltener Luft zischte durch ihre Nase. Mit vernichtender Miene schnappte sie: „Na dann zeig schon her.“

 

Schmunzelnd griff Kiba in seine Tasche und zog eine große Plastiktüte hervor, um besagte Wurzel zu zeigen. Es war ein langes rotes, wurmartiges Ding mit seltsamen spindeldürren Trieben. Irgendwie kam einem bei dem Anblick ein aufgeblähter Tausendfüßler in den Sinn. „Kann’s echt immer noch nicht fassen, dass ich mich mit einer fleischfressenden Pflanze gutstellen musste. Das Ding stinkt nach Arsch.“

 

„Du musst es wissen“, biss Ino zurück. „Finden Hunde nicht auf diese Weise Freunde?“

 

Kiba warf ihr den Beutel zu. 

 

Mit einer Hand fing Ino ihn auf und drehte sich, während sie das Tablett mit den Fläschchen auf der Hüfte balancierte. Als Kiba spöttisch durch die Zähne pfiff, streckte sie ihm die Zunge heraus und musterte das Exemplar, während sie sich gleichzeitig mit einem Schnauben das Haar aus dem Gesicht pustete. „Ich bin überrascht, dass du überhaupt wusstest, wonach du suchen musst.“

 

„Neji hat den Stock aus seinem Arsch gezogen und mir damit ein Bild in den Dreck gemalt.“

 

Ino warf ihm einen missbilligenden Blick zu. 

 

Doch Kiba ließ seinen Kopf nur gegen den Türrahmen kippen und grinste sie an. 

 

Und die Wirkung dieses Grinsens war überhaupt nicht die, die er erwartet hatte. Denn statt herum zu plärren oder mit den Augen zu rollen, ergriff eine seltsame Anspannung von Inos Miene Besitz und ihr Körper versteifte sich. Sie sah aus wie jemand, der am Rand zwischen einer natürlichen Reaktion und einer kontrollierten Erwiderung schwankte. 

 

Scheiß drauf. 

 

Kibas Verärgerung kam unmittelbar. 

 

Sein Schmunzeln verwandelte sich in ein Zähne geblecktes Knurren. Er hatte bereits vorhin genug von Nejis kontrolliertem Bullshit gehabt. Wenn es überhaupt noch irgendjemanden gab, auf den er – abgesehen von Naruto – zählen konnte, wenn es um eine gute verbale Rauferei ging, dann war es Ino. Doch bevor Kiba sie vollends aus dem Gleichgewicht bringen und zurück in das Gebiet der Beleidigungen schubsen konnte, schossen ihre Worte kühl und knapp aus ihrem Mund. 

 

„Ich hab zu tun, Kiba.“

 

Doch diese Aussage zeigte in etwa so viel Wirkung, wie einem Bluthund mit der Fliegenklatsche auf die Nase zu klopfen. Kiba rührte sich keinen Millimeter. Und Ino schien nicht zu atmen. Sie starrte ihn nur schweigend und mit kühlen Augen an. Nicht das kleinste Anzeichen des blauen Feuers, das er noch wenige Sekunden zuvor gesehen hatte. 

 

Kiba fühlte sich unbehaglich, aber er wollte verdammt sein, wenn er das auch zeigte. Stattdessen hob er seine Brauen und kicherte freudlos mit einem tiefen Rumpeln in seiner Kehle. „Was denn? Gar kein Fauchen und Spucken heute?“

 

Ino reckte schon wieder das Kinn. „Du bist es schlicht und einfach nicht wert, Kiba.“

 

Au. Das traf. Das traf heftig. Das traf verfickt nochmal mitten ins Schwarze. Zorn brannte sich unter das spielerische Funkeln in Kibas Augen und seine Stimme wurde hart und leise, trotz der beabsichtigten Leichtigkeit seiner Worte. „Jo. Zumindest nicht, wenn du nüchtern bist.“

 

Hitze flutete über Inos Gesicht; röter und heißer als die Tattoostreifen auf den schlanken Wangen des Inuzuka. Doch es schlug das Eis aus ihren Augen und blaue Flammen stiegen auf. Ihm blieb überhaupt keine Zeit, sich an dieser Reaktion zu erfreuen. Bebend wirbelte Ino herum und setzte das Tablett mit genug Wucht ab, um die Fläschchen klirren zu lassen. 

 

Glas zitterte. 

 

Sie sagte nichts. 

 

Und das leise Ticken einer Uhr brüllte die langen unangenehmen Sekunden heraus. 

 

Eier. 

 

Was für ein Schuss nach hinten. Kiba wusste genug über das Schweigen von Frauen, um zu wissen, dass er hätte aufhören sollen, wenn es alles noch spielerisches Bellen und kein Beißen war. Mit diesen Worten hatte er ein bisschen zu tief gebissen. Vielleicht hatte er sogar ein wenig Blut vergossen.

 

Eiiiiieeer…

 

Er fuhr sich mit der Zunge über die Zähne, fing den bitteren Nachgeschmack seiner Worte auf und presste die Lippen aufeinander, während er sich mit einer Hand über den Mund strich. 

 

Ich werde mich nicht entschuldigen.

 

Auf keinen Fall. Kiba entschloss sich dazu, die Anspannung zu überwinden, statt sich mit ihr anzulegen und stieß sich von der Tür ab, um mit dem arroganten Selbstvertrauen eines Wolfes in eigenem Revier in das Labor zu schlendern. Nichts könnte weiter von der Wahrheit entfernt sein. Kontrollierte Umgebungen wie Laboratorien oder Klassenräume waren die schlimmste Art von Käfigen. Witzig. Vielleicht hätte das einiges über sein Schulschwänzerverhalten während der Akadamie erklärt – was war es noch, was Iruka-sensei gesagt hatte? Etwas darüber, dass Kiba ein kinästhetischer Lerner war? Besser mit den praktischen Sachen? Auf jeden Fall hatte sich seine Mutter diesen Ratschlag zu Herzen genommen und ihm hin und wieder die Scheiße aus dem Leib geprügelt. Jo, das war mal so richtig praktisches Lernen gewesen; Inuzuka-Stil. Er hatte aufgehört, Stunden zu schwänzen. Naja…zumindest hatte er aufgehört, sich erwischen zu lassen. 

 

Ein lautes Plop zog seine Aufmerksamkeit auf sich. 

 

Ino hatte damit angefangen, mit scharfem Rucken die Stöpsel aus den Fläschchen zu ziehen.

 

Da er nicht gerade scharf darauf war, einen Ellbogen ins Gesicht zu bekommen, machte Kiba einen großen Bogen um sie und schnupperte an einem Regal, in dem Pflanzenexemplare aufgereiht waren, bevor er den Kopf wegen des toxischen Geruches von Nachtschatten zurückzog. „Dein Gegengift hat übrigens funktioniert.“

 

Ino sah nicht auf. 

 

Während er sich in eine Hocke niederließ, spähte Kiba zu ihr hinüber und tat so, als würde er die unteren Regalbretter examinieren. „Ziemlich cooles Zeug, was du da zusammengebraut hast. Machst du das hier drin?“

 

Ino sagte nichts. 

 

Verdammt, sie ließ ihn wirklich hart arbeiten. Grunzend klatschte der Hundeninja auf seine Schenkel, bevor er sich aufrichtete und die Hände in die Taschen schob. Neugierig beäugte er das Labor und mäanderte sich seinen Weg die Reihen aus Laborbänken entlang, wobei er sich für eine lange, gewundene Strecke entschied. Er ließ zu, dass die Spannung noch etwas zunahm und beendete seinen Rundgang schließlich auf der anderen Seite von Inos Arbeitsplatz. 

 

Sie ignorierte ihn. 

 

Grinsend zog sich Kiba einen hohen Stuhl heran und ließ die Beine dabei in einem widerlichen Kreischen über den Boden kratzen. 

 

Ino biss die Zähne zusammen. 

 

Ah ja, unmittelbar und erfreulich. Schon allein diese kleine Reaktion war genug Ermunterung. Der Hundeninja ließ sich auf den Stuhl fallen, schnappte sich eins der Fläschchen und schnippte den Stöpsel mit dem Daumen heraus, um ihn mit der Handfläche aufzufangen, bevor er von der Werkbank hüpfen konnte. 

 

Finster und mit gerunzelter Stirn stierte Ino auf seine Hände. 

 

Beschwichtigend hob Kiba die Arme und stellte das Fläschchen mit übertriebener Vorsicht ab, bevor er nach einem anderen griff, nur um den Vorgang zu wiederholen: Plop, fangen. Plop, fangen. Plop, fangen. 

 

Schnaubend rollte Ino mit den Augen. 

 

Kiba schmunzelte und machte auf seinem mentalen Punktebrett einen Strich für sich. 

 

Zufrieden damit, dass er nichts kaputt machte, ließ Ino ihn einfach machen und begann damit, die Wurzelprobe unter einem langhalsigen Vergrößerungsglas zu untersuchen, das nicht wirklich wie eine Linse, sondern eher wie eine dieser Schwanenhalslampen aussah. 

 

Langsam verlor die Stille etwas von ihrem Frost. 

 

Kiba vertiefte sich voll und ganz in die Aufgabe, die Phiolen zu öffnen, da sie eine vollkommen gedankenlose Ablenkung boten. Nicht dass er irgendetwas Unterhaltsameres zu tun gehabt hätte. Es ging nur darum, Zeit totzuschlagen, bis er Akamaru aus der Quarantäne holen und ein Loch in Nejis Geldbeutel brennen konnte. Oh, und vielleicht ließ er noch seine Schulter untersuchen. Er legte leicht den Kopf schief und linste zu Ino, während er einen Gummistöpsel in seiner Hand hüpfen ließ. Zu blöd, dass sie um Hilfe zu bitten bedeuten würde, dass er falsch gelegen und sie recht gehabt hatte, was dieses dämliche Schultergurt-Ding anging. War es eine gerichtete Schulter wert, sich eine Gardinenpredigt aus ‚Ich hab’s dir ja gesagt‘ anhören zu müssen?

 

Scheiße nein.

 

Nachdem er mit den Fläschchen fertig war, stellte Kiba die Ellbogen auf der Werkbank ab und ließ eine Glasröhre zwischen seinen Fingern baumeln, um sie träge hin und her schwingen zu lassen. „Hat dir dein Dad das alles beigebracht?“

 

„Das meiste davon“, erwiderte Ino ohne aufzusehen. Sie griff nach ein paar Stecknadeln und befestigte die Wurzel auf einem Objektträger. „Ich habe mir aber auch vieles selbst beigebracht.“

 

Kiba war neugierig, wollte aber auch nicht zu interessiert wirken und so ließ er seinen Stuhl auf die Hinterbeine kippen, während er durch das Glasröhrchen zu Ino spähte und das verzerrte Bild drehte. Er wartete einen kurzen Moment, bevor er fragte: „Also, warum hast du dich dann nicht diesem nerdigen Zeug gewidmet?“

 

„Und was?“ Ino machte einen kleinen präzisen Schnitt in die Wurzel. „Dafür aufgeben, ein Ninja zu sein?“

 

„Nun, ja, wenn du das wolltest.“

 

„Das wollte ich nie. Ich würde in einem Labor sowieso verrückt werden.“

 

„Hn. Du siehst eigentlich ziemlich glücklich aus.“

 

„Glücklich?“ Konzentriert runzelte Ino die Stirn und beugte sich nach vorn, um die Linse und das Licht neu auszurichten. Sie tupfte etwas von der dunklen klebrigen Flüssigkeit auf, die aus der blutenden Wurzel tropfte und legte die Probe in eine Petrischale. „Glücklich“, wiederholte sie und klang dabei nachdenklich. 

 

„Jo.“ Kiba richtete sein provisorisches Teleskop auf ihren Po. „Hast so glücklich mit dem Hintern gewackelt.“

 

Mit finsterer Miene richtete sich Ino auf und schlug nach ihm. Sie verfehlte ihn, war aber zufrieden damit, zu sehen, wie er schaukelnd um Balance kämpfte. Er fiel nicht um und so sah er sie weiterhin durch das Glasröhrchen an, bevor er sagte: „Gib’s doch zu. Dir gefällt dieser wissenschaftliche Streberkram.“

 

Ino hob eine zarte Braue und fixierte ihn mit einem durchdringenden Blick. „Als würdest du da draußen ohne dieses Zeug überleben.“

 

Kiba zog den Kopf ein und musste diesen Punkt einräumen. „Kann ich nicht bestreiten.“

 

Das schien sie zufriedenzustellen. Schmunzelnd ließ Ino die Hüfte gegen die Bank einknicken und zog mit nachdenklicher Miene ihre Handschuhe aus. „Ich glaube schon, dass es mir gefällt. Ich meine, ich bin richtig gut darin, oder?“

 

Für Kibas Ohren klang das nach einer durch und durch rhetorischen Frage, doch der erwartungsvolle Seitenblick, den Ino ihm zuwarf, ließ auf anderes schließen. Noch einmal musterte er ihren Gesichtsausdruck und zögerte. War das gerade subtil von ihr? Er machte nicht einen auf subtil. Zumindest nicht gut.  Und außerdem, seit wann zur Hölle gab Ino auch nur einen feuchten Dreck auf seine Meinung? Fragte sie denn gerade wirklich nach seiner Meinung?

 

Er hob eine Braue und senkte ein wenig das Glasrohr, um ihrem Blick über den Rand hinweg begegnen zu können. „Fragst du mich, oder erzählst du mir das?“

 

„Naja, was denkst du denn dazu, Idiot?“

 

Er lachte. „Siehst du? Das ist ein direkterer Weg, um etwas zu fragen.“

 

Ino rollte mit den Augen, aber ihre Lippen zuckten in einem widerwilligen Schmunzeln. „Naja, was auch immer. Solange das Antidot bei den Giften wirken. Ich habe mir schon Sorgen gemacht. Diese Chimären sind gruselig, aber diese Pflanzen sind alle…“ Mystisch wackelte sie mit ihren Fingern über der Wurzel, was, wie Kiba dachte, wohl den Verrücktheitsfaktor illustrieren sollte. 

 

„Jo“, grunzte er und ließ den Stuhl wieder auf alle drei Beine fallen. „Ist mir irgendwie auch klar geworden, als das Ding versucht hat, mir wie eine Venusfliegenfalle das Gesicht abzukauen.“

 

„Offensichtlich“, sagte Ino, während sie die Ärmel ihres Laborkittels hochkrempelte. „Die Hybriden sind alle Derivate von fleischfressenden Pflanzen, so wie die Dionaea Muscipula, die du erwähnt hast.“ Angesichts seiner ausdruckslosen Miene fügte sie hinzu: „Auch bekannt als Venusfliegenfalle.“

 

„Huh.“ Etwas verärgert über diese vollständige Zurückweisung seiner Nahtoderfahrung und Inos plötzlichem Umschwung in die Strebersprache, stellte Kiba sein Kinn in einer Handfläche ab und stierte düster auf die Reihen aus Phiolen. „Klasse. Du klingst schon wie Ino mit seinen Insekten.“ Und dann begannen Kibas Augen zu funkeln und ein Grinsen zupfte an seinem Mundwinkel. „Ha. Neji wird einen Mordsspaß daran haben, ihn davon abzuhalten, wegen dieser ganzen fleischfressende Pflanzen Sache depressiv zu werden.“

 

Ino verzog mitfühlend das Gesicht, verstaute die Wurzelprobe und faltete die Linse zusammen. „Armer Shino.“

 

„Armer Shino?“ Kiba drückte in einer krabbenhaften Geste die Finger aufs Gesicht und ließ sie in einer Imitation von Beißwerkzeugen zucken. „Habe ich erwähnt, dass mein Gesicht nur zwei Bissen davon entfernt war, als Abendessen zu enden? Shinos Insekten würden für diese Dinger nicht mal als Snack durchgehen.“

 

Doch statt Mitgefühl schob Ino ihm nur einen großen Becher hin. Eine grellorangene Flüssigkeit, die zäh wie Honig war, rollte in einer trägen Welle durch das Glas. Und dann traf der Geruch Kibas Nase und brannte sich wie Wasabi durch seine Nebenhöhlen. Würgend nieste er heftig in seine Armbeuge und blinzelte durch wässrige Augen zu Ino auf. 

 

„Was zur Hölle ist das denn?“

 

Zuckersüß lächelte Ino ihn an. „Füllst du das in die Fläschchen?“

 

„Das fass ich nicht an.“

 

„Das wirst du, wenn du vermeiden willst, lebendig von Vampirflöhen aufgefressen zu werden. Man verdünnt es und-“

 

„Ich werde das auch ganz sicher nicht trinken.“

 

„Das würdest du sowieso nicht, Idiot. Es ist wird äußerlich angewandt.“

 

„Ich schmier das nicht auf meine Haut.“

 

„Es funktioniert wie Zitronellöl bei Mosquitos.“

 

„Mir egal.“

 

„Und es verstopft die Poren, sodass-“

 

Kiba hob eine Hand, um ihr das Wort abzuschneiden. „Shino wird mir das alles bis ins kleinste graphische Detail erklären. Ist mir trotzdem egal. Das benutze ich nicht.“

 

Stirnrunzelnd sah Ino ihn an. „Du wirst es brauchen, Kiba.“

 

„Ich gehe lieber das Risiko mit den Bettwanzen ein.“

 

„Na schön, wie auch immer. Füll es einfach in die Flaschen, okay?“

 

Grummelnd ließ der Hundeninja den Stuhl wieder auf die Hinterbeine kippen und streckte einen Arm aus, um einen kalkulierten Abstand zwischen seiner Nase und dem Inhalt des Bechers einhalten zu können. Schmunzelnd beobachtete Ino ihn dabei, wie er arbeitete, als wäre er eine an Fäden befestigte Marionette; nur steife Glieder und hölzerne Miene. 

 

Mann, das stinkt vielleicht…

 

Jo, er hielt auf jeden Fall die Luft an. Ziemlich sicher flennte er auch. Denn dieses Zeug dünstete Dämpfe aus wie verfickte Zwiebeln. Auf keinen Fall würde er sich das auf die Haut schmieren.

 

Ihm fiel gar nicht auf, wie Ino ihn musterte, bis sie aufhörte, irgendwelche Sachen wegzuräumen, sich ihm zuwandte und endlich dazu herabließ, ihn zu fragen: „Ist es wirklich so schlimm?“

 

Kiba stierte sie einfach nur an und zog seine tränenden Augen zu Schlitzen zusammen; es war alles, was er zustande bringen konnte, ohne die Nase zu rümpfen und dadurch ein Niesen auszulösen, das ihm seinen Hinterkopf eindellen würde. „Wie ich es bereits Neji vor einiger Zeit gesagt habe: Dieses Nasenupgrade ist etwas, an das man sich erstmal gewöhnen muss.“

 

Er hatte es nicht gesagt, um sie zu beeindrucken, oder ihr Interesse zu wecken, aber aus irgendeinem Grund ließ Ino all ihre botanischen Utensilien stehen und liegen und hüpfte auf den hohen Stuhl ihm gegenüber. Er hörte, wie ihre Füße gegen die Bank klopften, als sie ihre Beine wie ein Kind hin und her schwingen ließ. In einer Handfläche stellte sie ihr Kinn ab und beäugte ihn für einen Moment zweifelhaft, bevor sie zu lächeln begann. 

 

Kiba runzelte die Stirn über diesen intriganten Ausdruck und drehte einen Stöpsel in die Flasche. „Was?“

 

„Schon mal daran gedacht, deine Nase für was anderes als Ninja Zwecke einzusetzen?“

 

„Gibt sonst nichts, das meine Zeit wert wäre.“

 

„Aber es gibt eine Menge Dinge die dein Talent wert wären“, hob Ino hervor und dieses viel zu süße Lächeln erblühte noch weiter auf ihrem Gesicht. 

 

Kibas Augenbraue zuckte. Ein falsches Kompliment? Ein verräterisches Zeichen, auch wenn schon allein ihr Lächeln viel zu süß war, um irgendetwas anderes als verdächtig zu sein. Doch er entschied sich, mitzuspielen; einfach nur, um sie zu überrumpeln. 

 

„Okay“, forderte er heraus. „Nenn mir eines.

 

Ino winkte mit ihrer Hand herum, als würde sie Ideen aus dem Äther heraus beschwören. „Oh, ich weiß nicht.“ Sie tat so, als würde sie nachgrübeln und schnippte dann mit den Fingern. „Parfümerie!“

 

Ausdruckslos stierte Kiba sie an. Und dann wurde ihm klar, dass sie das ernst meinte. Lachen brach aus seiner Kehle und wurde von einem explosiven Niesen verfolgt. „Ugh…“

 

Als sich seine Sicht endlich wieder klärte und seine Nase nicht mehr juckte, musste er feststellen, dass Ino ihn anfunkelte. Und dann, so schnell, dass er gerade einmal blinzeln konnte, verwandelte sich ihre Miene von angepisster Prinzessin in gleichgültige Eiskönigin. 

 

Kiba versteifte sich gegen diesen Anblick. 

 

Es war dieselbe kontrollierte und überlegene Manier, die sie ihm gegenüber vor etwa zwanzig Minuten angenommen hatte. Er konnte sich gar nicht mehr entsinnen, was es vorhin ausgelöst hatte, erinnerte sich nur noch an das Gefühl, mit dem es ihn zurück gelassen hatte. 

 

Zorn.

 

Unsicher runzelte er die Stirn. „Was?“, hustete er und stellte den Becher ab, den er fast fallen gelassen hatte. „Du meinst das echt ernst?

 

„Vergiss es“, erwiderte Ino kühl und ihre Stimme nahm dabei einen Frost an, der überhaupt nicht zu den Emotionen passte, die in ihren kristallblauen Augen flackerten. „Schieb eine vollkommen brillante Idee einfach beiseite.“ Sie schnappte sich den Becher und füllte die verbliebenen Fläschchen innerhalb von Sekunden, was seine Versuche, ihr zu helfen, ohne ein einziges Wort zum Gespött machte. „Ich weiß nicht mal, warum ich mir die Mühe gemacht habe, es überhaupt vorzuschlagen. Ist nicht so als würde ich wollen, dass jemand wie du für mich arbeitet.“

 

Es waren nicht einmal die Worte, die es auslösten. Es war die Art und Weise, wie sie ihn ansah, als sie es sagte; als wäre er Dreck unter ihren Schuhen. Und auf einen Schlag fühlte sich Kiba, als wäre er ein fünf Jahre altes Kind; verloren in einem Labyrinth aus seidigem Federgras…und der Zorn sprang wie ein kauernder Wolf an die Oberfläche. 

 

Für dich arbeiten?“, knurrte Kiba und erhob sich so abrupt von seinem Stuhl, dass er mit einem ohrenbetäubenden Klappern umkippte, das Ino vollkommen regungslos werden ließ. Kiba beugte sich über die Werkbank und seine Zähne verlängerten sich völlig unbewusst, während seine animalischen Iriden golden glühten. „Mit dir zu arbeiten ist ja schon mühsam genug. Scheiße, Shikamaru und Chōji würden mir ja leidtun, wenn ich nicht denken würde, sie könnten sich köstlich darüber amüsieren, wie verzweifelt du danach bist, überhaupt wahrgenommen zu werden.“

 

Sie verpasste ihm eine Ohrfeige. 

 

Und die Wucht ihres Schlags ließ seinen Kopf zur Seite schnellen. Es brannte wie ein Hieb mit dem flachen Ende einer rot glühenden Bratpfanne. Mit schrillenden Ohren und in Flammen stehender Wange verkrampften sich Kibas Finger auf der Arbeitsfläche, wobei verlängerte Klauen Rillen in das blassgraue Resopal gruben. 

 

Er drehte ihr das Gesicht zu.

 

Doch das wilde Knurren verfing sich hinter seinen Zähnen. 

 

Inos Augen waren weit aufgerissen und schimmerten. Das Eis war aufgetaut und silberne Tränen glitzerten an ihren Wimpern. Die Wangen gerötet und mit fleckigem Hals stieß sie einen abgehackten Atem aus, wich aber nicht zurück. Ihr Körper war noch immer halb gedreht von dem Momentum ihres Schlags. Und sie hatte deutlich mehr als ihr Gewicht in diese Ohrfeige gelegt. Kiba spürte das Stechen und Kribbeln auf seinem Gesicht. Ein Feuer, ein Kampf…

 

Ein Gefühl…

 

Seine Augen fielen hinunter zu ihren nassen bebenden Lippen. 

 

Hunger stürzte nach oben und schluckte den Zorn. Doch Kiba packte dieses Biest an der Kehle und lehnte sich leicht nach hinten, die Augen noch immer auf ihren Mund gerichtet. Langsam hob er eine Hand und rieb sich mit scharfen klauenbewährten Fingern über seine brennende Wange. Seine Stimme war rau wie ein animalisches Grollen und beinahe nicht wiedererkennbar in seinem semi-wilden Zustand. „Benutz das nächste Mal auch deine Krallen.“

 

Ino schluckte schwer und zwang sich zu einem bitteren Schmunzeln, während ihre Stimme zitterte. „Als würde ich mir für dich einen Nagel abbrechen.“

 

Kiba grinste über ihr katzengleiches Fauchen und bewegte den Kiefer von Seite zu Seite, während seine Finger immer noch über seine Wange wanderten. Das animalische Glühen beruhigte sich zu einem Schwelen in seinen Augen und seine Klauen zogen sich ebenso wie seine Fangzähne zurück. Doch der Zorn war noch immer da; ein heißer Ball in seiner Magengegend. Er zog sich zurück und hob in einer spöttischen Parodie der Kapitulation die Hände; ein winziges Blutrinnsal glitzerte an seiner Unterlippe, wo ein verlängerter Zahn die Haut aufgeschlitzt hatte. 

 

„Wie immer ein Vergnügen, Prinzessin“, sagte er gedehnt und wandte seinen Rücken diesen aufflammenden blauen Augen und den unbehaglichen Gefühlen zu, die sie in ihm aufwühlten. 

 

Klasse…

 

Er leckte sich über die Unterlippe und sein hohles Lachen echote den leeren Korridor entlang. 

 

Na das wird gerade zu einem richtigen Scheißtag…

 

 

______________

Hallo zusammen :) 

Vielen Dank erstmal an alle Favoeinträge und Kommentare *-* Ich habe mich so unglaublich gefreut!!! <3

Es ist so toll zu sehen, dass mich immer noch einige bei dieser Reise begleiten, obwohl sie inzwischen ja schon wirklich sehr sehr lange geht :D 
 

Jetzt mal zum Kapitel.

Ja, es wäre einfach zu einfach, wenn Kiba eine stinknormale glückliche Kindheit hätte :D Nein, auch er hat definitiv sein Päckchen zu tragen.

Und das Gespräch zwischen Ino und um ihm...autsch...ehrlich gesagt weiß ich nicht, wer von den beiden sich mieser verhält. Sie verteilen beide ziemliche Schläge unter die Gürtellinie. Bin gespannt, was ihr dazu sagen werdet! 

Und Genma ist da wohl offenbar auf ein weiteres Problemchen gestoßen bei Dr. Mushi...der Arme kann einem wirklich leidtun. 

Naja, wie auch immer. Ich bedanke mich wieder mal bei allen, die mir ein paar Worte dagelassen haben!! <3 *-* Keine Sorge, Antworten kommen noch! ;)



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  swetty-mausi
2021-11-20T19:20:29+00:00 20.11.2021 20:20
Hallo Scatach,

du warst mal wieder sehr fleißig und hast schon das Nächste Kapitel veröffentlichen.
Ein tolles Kapitel mal wieder von dir.
Antwort von:  _Scatach_
01.12.2021 22:26
Huhu :)

Sorry für meine späte Antwort :/

Vielen vielen Dank für deine lieben Worte :)
Schön, dass es dir gefallen hat :)

Liebe Grüße,
Scatach
Von:  SasukeUzumaki
2021-11-18T07:45:18+00:00 18.11.2021 08:45
Hey Scatach 🙂

O man o man, da ist Genma ja auf ein großes Problemchen bei Dr. Mushi gestoßen. 🤔 Na da bin ich ja mal gespannt was er sonst noch alles herausfindet.

Ino und Kiba 🥴 ich könnte ja fast meinen das sich da was großes entwickeln könnte. 😅🤣 Die zwei können echt ziemlich fies zueinander sein 😪 Nicht das es irgendwann total ausartet . 😩

Tolles Kapitel 😄

Liebe Grüße ❤

SasukeUzumaki
Antwort von:  _Scatach_
01.12.2021 22:06
Heyho :)

Entschuldige, dass ich so lange nicht geantwortet habe, aber jetzt hole ich endlich wieder auf :D

Ja, Genma stößt irgendwie auf ein Problem nach dem anderen...er hat es echt nicht leicht, der arme Kerl.

Ha, dazu werde ich jetzt mal nichts sagen, ob sich noch etwas aus Kiba und Ino entwickelt, aber ja, die beiden sind auf jeden Fall eine explosive Mischung ;)

Freut mich sehr, dass dir das Kapitel gefallen hat und vielen lieben Dank für dein Review! <3
Ganz liebe grüße,
Scatach
Von:  Scorbion1984
2021-11-16T20:33:37+00:00 16.11.2021 21:33
Genma landet von einem Unheil ins Nächste .
Irgendwie haben die Ninjas alle ein bescheiden schönes Leben und das wohl schon seit ihrer Geburt .
Entweder sind die Alle an einem Montag,Montagsmodelle,geboren oder unter einem schlechten Stern .
Man kann sie nur bewundern, wie sie immer wieder ihr Leben bewältigen, trotz der miesen Umstände .
Antwort von:  _Scatach_
01.12.2021 22:03
Heyho :)

Sorry mal wieder für meine späten Antworten, aber jetzt hole ich wieder auf :D
Ja, Genma bekommt immer mehr Hindernisse in den Weg geschmissen. Er kann einem wirklich einfach nur leidtun :/
Klar, das Leben von allen Ninjas ist kein Zuckerschlecken, aber mal ehrlich...Genma hat es schon wirklich ganz besonders schwer.

Vielen vielen Dank für dein liebes Review! :)


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