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Immer dienstags

von

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Dr. Watson nickte.

„Ich will Ihnen gerne helfen.“

Watson war ein warmherziger, freundlicher Kerl; und selbst dann, wenn er sich kämpferisch gab, und ja, er war durchaus in der Lage knallhart zu sein, wo es galt, seine oder die Interessen ihm nahestehender Personen durchzusetzen, selbst dann jedenfalls konnte er seine gutherzige Natur nicht verleugnen.
 

„Gut“, sagte Mycroft langsam, „was ... meinen Sie denn, was sollte ich nun tun?“

Er merkte selber, dass seine Stimme einen leicht verzweifelten Beiklang hatte. Aber was sollte man machen. Gregory bedeutete ihm mehr, als er selber in der relativ kurzen Zeit erwartet hatte, und er wusste einfach nicht, wie er mit der Situation, in die er sich ja selber hineinmanövriert hatte, umgehen sollte.
 

„Ich denke, das beste wäre“, sagte Watson, „dass Sie ihn anrufen. Ihn um ein Gespräch bitten. Drängen Sie ihn zu nichts, machen Sie keine Versprechungen. Aber sagen Sie klipp und klar, dass Sie ihm gegenüber nicht ehrlich waren, dass sie ab sofort ehrlich sein werden, bitten Sie ihn um diese Chance und stellen Sie ihm anheim, im Anschluss an dieses Gespräch zu entscheiden, wie es weiter geht.“

Mycroft schluckte.

„Aber ... was, wenn er danach ... nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte ...?“

Watson seufzte.

„Ich fürchte, das werden Sie dann akzeptieren müssen.“

Er sah Mycroft aus seinen freundlichen blauen Augen an.

„Hören Sie, Holmes. Sie wären nicht der erste und würden nicht der letzte sein, der unter Liebeskummer leidet. Und so sehr ich weiß, wie das schmerzt. Wenn das Objekt Ihrer Begierde Sie nicht will, dann bleibt Ihnen nichts, als das hinzunehmen. Gregory Lestrade ist ein erwachsener, eigenständiger Mensch und hat das Recht dazu, anständig behandelt zu werden und selber zu entscheiden.“

„Ich weiß“, sagte Mycroft leise. „Es würde nur so furchtbar wehtun.“
 

Watson, der immer noch eine leichte Skepsis empfand, seufzte erneut.

„Jemanden lieben heißt, ihn seinen Weg gehen zu lassen, auch wenn dieser Weg nicht ein gemeinsamer ist.“

Mycroft nickte.

„Sie haben recht, Dr. Watson. Es ist einfach alles neu für mich.“

Watson schmunzelte. Der Eismann, und so verliebt – ja, das war in der Tat neu. Und tief in seiner Seele wünschte er Mycroft, dass er mit Gregory sein Glück finden würde. Denn Eismann hin oder her, Mycroft schien ehrlich an einer Beziehung zu Lestrade interessiert zu sein, und ein bisschen Glück, fand er, hatte einfach jeder verdient.
 

* * *
 

Nachdem der Doktor gegangen war, saß Mycroft noch eine ganze Weile nachdenklich an seinem Schreibtisch.

Er hatte vor, Johns Rat zu befolgen und Gregory um ein Gespräch zu bitten.

Auf seinem Schreibtisch lag ein Riesenstapel Arbeit, und der Premierminister erwartete seinen Anruf. Der Konsul irgendeiner afrikanischen Republik bestand auf ein persönliches Treffen und der Brexit brachte Schwierigkeiten und Probleme mit sich zu Angelegenheiten, bei denen man es nicht im geringsten vermutet hätte ...

Dennoch.

All diese Dinge waren ihm in diesem Augenblick unwichtig, er fühlte sich nicht in der Lage, sich auf irgendetwas davon zu konzentrieren. Sein ganzes Arbeitsleben lang hatte er sich bisher immer um all das gekümmert und alles private dem geopfert.

Höchste Zeit also und volle Berechtigung, fand er, einmal selbstsüchtig zu sein.
 

Am liebsten wäre er zum Yard gefahren und hätte bei Gregory persönlich vorgesprochen. Doch damit hätte er ihn überrumpelt, und er hatte das Gefühl, dass das seiner Sache nicht zuträglich gewesen wäre.

Also doch besser ein Anruf?

Nun, vermutlich.
 

Zuerst jedoch bat er Anthea, seine hochgeschätzte Assistentin, zu sich in sein Schreibzimmer.

„Meine Liebe“, sagte er, „wären Sie so freundlich, für heute alle Termine und Gespräche abzusagen und neu zu vereinbaren? Teilen Sie bitte allen mit, ich sei unpässlich, würde aber ab morgen wieder für alle Erfordernisse zur Verfügung stehen.“

Anthea war eine Spitzenkraft. Sie war so gut geschult, dass sie nicht einmal eine Augenbraue hob, geschweige denn sich herausnahm, nach Gründen zu fragen. Sie fragte nicht einmal, ob er ärztlichen Rat benötigte oder sein Chauffeur vorfahren sollte, denn würde etwas davon zutreffen, hätte Mr. Holmes schon von sich aus die Sprache darauf gebracht. So sagte sie nur:

„Gerne, Mr. Holmes“, und verließ das Zimmer, um dem Clubbediensteten mitzuteilen, dass Mr. Holmes nicht gestört werden wollte. Das wiederum war etwas, was Mycroft nicht hatte aussprechen müssen; nein, sie hatte es seinen Worten und Anweisungen an sie entnommen. Anthea wurde fürstlich bezahlt, aber sie war jeden Penny wert.
 

Gut, das war also erledigt.

Mycroft würde sich heute um keine seiner üblichen Aufgaben mehr kümmern müssen. Er konnte sich nun voll und ganz auf das konzentrieren, was ihm wichtig war.

Er saß also hinter seinem Schreibtisch und starrte das Telefon an. Das Telefon, mit dem er gleich nun Gregory anrufen sollte.

Er seufzte, legte die Hand auf den Hörer und nahm ihn ab. Das Freizeichen ertönte in seinem Ohr, doch noch bevor seine Finger die etwas altmodischen Wahltasten drücken konnten, hatte er ein wenig scheu den Hörer zurück auf die Gabel gelegt.

Feigling, schalt er sich selber. So wirst du Gregory nicht davon überzeugen, dass du der richtige für ihn bist.
 

Also griff er erneut zum Hörer.

Lauschte erneut dem Freizeichen. Lauschte ihm so lange, bis die freie Leitung unterbrochen wurde und das Besetztzeichen erklang.

Himmel Herrgott noch mal, Mycroft. Nun stell dich nicht so an! Das kann ja wohl nicht wahr sein!
 

Also, Hörer wieder auf die Gabel, wieder an Ohr und noch einen Versuch.

Diesmal wählte er Gregorys Nummer im Yard.

Es läutete.

Einmal.

Zweimal.

Dreimal.
 

Dann Klickte es und er hörte die wohlbekannte und ihm so angenehme Stimme:

„Detektiv Inspector Gregory Lestrade, Scotland Yard, Major Crime?“



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