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Guess vs. Analysis

von

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„Karasunos Erstklässler gehen mir alle so dermaßen auf die Nerven, aber du stehst auf Platz eins“
 

Die Worte, die Kei Tsukishima in exakt dieser Reihenfolge heute schon einmal genau so gehört hatte, drangen ein weiteres Mal an seine Ohren. Doch in diesem Augenblick schwang nicht mehr dieser angriffslustige Ton mit.
 

Satori Tendo sprach mit ruhiger Stimme zu Tsukishima, der als Letzter die Umkleiden der Karasuno High School verlassen hatte. Just in dem Moment, als er zu seinen Teamkammeraden aufschließen wollte, hielt ihn das Guess Monster der Shiratorizawa Academy mit seinen bloßen Worten auf.
 

Tsukishima blieb mit einem verschmitzten Grinsen stehen. Anders als noch vor ein paar Sätzen setzte er nun dieses freche Grinsen auf und bedankte auch tatsächlich ernst bei seinem Gegenspieler, diesmal ganz ohne diesem die Beherrschung zu rauben.

„Hmm“, kam es nur von Tendo. Der Blick des Rotschopfes fiel unweigerlich auf Tsukishimas verbundene Finger.
 

Ohne zu zögern nahm er dabei die rechte Hand des Mittelblockers und betrachtete die zusammengebundenen Finger. Vorsichtiger als es der Blonde erwartete betastete Tendo die doch sehr schmerzhafte Region.
 

„Da hat dich unser Ass ganz schön mies erwischt“, sagte er während sein Blick auf den Fingern haftete. Die zweite Hand kam hinzu und ohne zu fragen löste Tendo den Verband, bedacht, Tsukishima nicht wehzutun.
 

„Hey… was…“, wollte Tsukishima diese Aktion unterbinden, doch Tendo hob tadelnd die Hand und brachte den Blonden mit einem Fingerwink zu verstummen. Erst da fiel Tsukishima auf, dass auch Tendo seine Verbände abgenommen hatte. Seinen Fingern sah man die Position des hochgewachsenen jungen Mannes durchaus an. Er hatte Schrammen mal hier mal da, leichte Rötungen waren auch nach der Zeit der Pause, der Siegerehrung und des Umkleidens nicht verblasst und allen Anschein nach, hatte sich Tendo nicht nur einen Finger gebrochen in seiner Laufbahn.
 

Tsukishima schluckte. Es war nicht so, als wären Tendos Finger entstellt, verkommen oder schief zusammengewachsen. Auf den ersten Blick sah man es vielleicht auch gar nicht, aber der Blonde war Analyst, er konnte es nicht bei einem einfachen ersten Blick belassen und maß nun wieder beide Hände mit all ihren dünnen flinken Fingern, die ihm sanft den Verband abnahmen.
 

„Du musst das röntgen lassen“, sagte Tendo während er bedacht über den kleinen Finger strich und ihn nun doch eher zögerlich von den anderen Fingern abspreizte. Tsukishimas zungenzischende Reaktion ließ ihn erahnen, dass der Finger nicht gebrochen ist. Ein normaler Junge hätte in dieser Situation wohl losgebrüllt, vielleicht sogar zu heulen begonnen, doch in der Anspannung der anderen Finger konnte Tendo doch herauslesen, wie sehr sich Tsukishima unter Kontrolle hatte. Es schmerzte, was er da mit ihm tat.
 

„Entschuldige bitte“, sagte er und zuckte mit der Hand weg. Tsukishima schüttelte den Kopf.

„Nein, es… es muss dir nicht leid tun, du bist neugierig, was Ushijimas Angriff gemacht hat“, sagte Tsukishima trocken, entzog seine Hand dabei der durchaus liebevollen, fast schon bemutternden Geste und fummelte mit der linken den Verband aus Tendos Gewahrsam um ihn sich wieder umzubinden.
 

Tendo lachte. „Du hast mich wohl wieder durchschaut“, sagte er und warf den Kopf in den Nacken.
 

„Was ist das eigentlich?“, fragte Tsukishima neugierig und deutete mit dem Finger an Tendo auf und ab nachdem der Verband wieder gut saß. Tendos Augenbrauen hoben sich und zuckten nervös zusammen.
 

„Das hier?“, fragte er und deutet nun auch an sich herunter. „Du fragst, was Satori Tendo eigentlich ist?“, verlangte er Bestätigung.
 

„Ja, du bist ein ausgesprochen aufbrausender Mensch, hältst dich gerne im Mittelpunkt auf, du singst komische improvisierte Hymnen und kannst es wohl nicht leiden, wenn man dich bei Fehlern ertappt, geschweige denn, dass du dir Fehler wohl nicht… nein, du gestehst dir Fehler ein, aber du akzeptierst sie nicht, deswegen kannst du es nicht leiden, wenn dich andere darauf hinweisen“, analysierte Tsukishima seinen Gegenpart.
 

Tendos Mundwinkel zuckten nach oben. Das war ja unerhört. Was fiel diesem Frischling eigentlich ein, ihn hier so offenkundig bloßzustellen? Dass sie beide hier anwesend waren reichte schon vollkommen aus.

„Du bist nicht der Typ, der gerne im Mittelpunkt steht oder? Heute hast du Luft davon geschnappt, mach das öfter und du wirst mich verstehen“, konterte Tendo und beugte sich gefährlich nah an Tsukishimas Gesicht.

„Und was das mit den Fehlern angeht, das kannst du doch nachfühlen oder? Abgesehen davon…“ Tendo richtete sich wieder auf und zuckte mit den Schultern. „Mache ich keine Fehler“, klärte er Tsukishima auf und zwinkerte ihm frech zu.
 

„Du machst mich neugierig, Brillenschlange. Ich hätte gerne öfter gegen dich gespielt, aber mir scheint, die Möglichkeiten kann ich an meinen gebrochenen Fingern abzählen“, sagte er und hob beide Hände hoch und klappte alle Finger herunter, die noch unversehrt waren. „Hmm, wohl nicht einmal die Hälfte…“, lachte er und kratzte sich etwas verlegen, vielleicht auch nur gespielt, am Hinterkopf.
 

„Was meinst du damit?“, wollte der Blonde wissen und besah Tendos Finger eindringlich. Tsukishimas Hände eilten hoch, umschlossen Tendos rechte Hand und betasteten Index- und Mittelfinger. Aufmerksam beobachtete Tendo, wie Tsukishima ihn berührte, schmunzelte bei dem Anblick des hochkonzentrierten Blickes, doch eine Antwort blieb er ihm schuldig.
 

„Sie sind gut verheilt… beeinträchtigt dich das?“, fragte Tsukishima schließlich, eine Antwort einhergehende Frage forderte er nicht ein. Er wusste, würde er ihm nicht freiwillig antworten, war alles, was er ihm aus der Nase zog, wertlos.
 

„Fragst du das gerade wirklich?“, empörte sich Tendo und entzog Tsukishima beleidigt seine Hand. Nun entschuldigte sich der Blonde. Tendo schüttelte den Kopf.

„Es bestätigt mir zumindest, dass meine Art zu spielen nicht für die Ewigkeit ist, aber jemand wie ich ändert sich nicht, also spiele ich auf Teufel komm raus, bis es nicht mehr geht.“ Tendo zuckte mit den Schultern. So ganz verstand Tsukishima nicht, was Tendo ihm da sagte. Ein Blick auf seinen eigenen kleinen Finger allerdings gab ihm eine gewisse Ahnung. Eine Art von Ehrgeiz, die ihm selbst erst heute so richtig wiederfahren war. Würde er das immer so machen?

Der Rausch des Sieges, den Gegner soweit analysieren zu können, dass man ihn lesen konnte, das war etwas unbeschreibliches.
 

Er hob wieder den Kopf, sah in Tendos Augen.
 

Den Gegner lesen könnenText
 

Tendo gab ihm gerade gar nichts. Er konnte nichts analysieren. Dieses freche Grinsen, der verruchte Blick mit diesem Hauch von Wahnsinn, der den Älteren immerzu begleitete. Nichts und doch verunsicherte er ihn. Vielleicht gerade deswegen.
 

„Weißt du, das ist mein letztes Jahr, ich höre nach der Oberstufe mit dem Volleyball auf, solange werden sie es noch aushalten“, unterbrach Tendo die gerade aufkommende Stille. Tsukishima nickte. Diesen Aspekt wiederum verstand er wirklich sehr gut. Er würde nach der Schule auch nicht mehr weiterspielen.
 

„Ich hab schon viel gesehen, hab viele Gegner gehabt, keiner wie der andere, aber du, du wirst mir für immer in Erinnerung bleiben“, provozierte er einen verwunderten Ausdruck in Tsukishimas Gesicht. Natürlich brauchte er etwas mehr wie diese Fetzen um zu verstehen, was Tendo ihm sagen wollte. War es denn überhaupt möglich, das genau so zu sagen, wie er es meinte?
 

„Als Erstklässler hast du noch so vieles vor dir, du wirst Gegner haben, die, auch wenn ich das ungerne sage“, dabei wandte Tendo den Blick ab, knabberte angesäuert an seiner Unterlippe herum und verdrehte geschlagen die Augen, ehe er weitersprach.

„Du wirst Gegner haben, die mich in den Schatten stellen werden, ich werde dir so also nicht in Erinnerung bleiben, deswegen werde ich jetzt etwas tun, wodurch du mich nie vergessen wirst“, seine Augen schnellten wieder hoch, genauso wie sein ganzer Blick sich wieder Tsukishima zuwandte.
 

Der Blick der Spekulation traf auf Analyse. Keiner von beiden konnte in den Augen des Anderen lesen, was als nächstes geschah. Weder Aktion, noch Reaktion.
 

Dennoch, ein Versuch. Einen Versuch war es wert, es gab ja nichts zu verlieren.
 

Tendos Hand fand sich in Tsukishimas Nacken und übte sanften Druck auf ihn aus um sich ihm nähern zu können.

„Du kannst ja fürs nächste Mal an deinen Blocks arbeiten“, hauchte Tendo frech gegen die Lippen deren Möglichkeiten auf Konter er unmittelbar danach versiegelte.
 

Für einen kurzen und doch ewig währenden Augenblick fand sich Tsukishima in einer Situation wieder, die zugleich unangenehm als aus berauschend, aufregend und so unheimlich gut war. Die Analyse hatte ganz klar fehlgeschlagen, diese Aktion hatte er in seinen Wahrscheinlichkeiten nicht annähernd berücksichtigt, noch weniger die Reaktion seines Körpers darauf, der sich enger an den Angreifer drängte.
 

Block vergeben – Gegenangriff
 

Dass der Gang, in dem sie standen, wie leer gefegt war, weil sich alle anderen bereits auf den Weg zu den Bussen machten und die Fans, Kollegen und tüchtigen Anfeuerer den Teams gefolgt waren um Fotos einzuhamsen, ihre Glückwünsche anzubringen oder gar das ein oder andere Wort der Herausforderung für das nächste Spiel aussprach, kam den beiden Mittelblockern gerade recht, Tendo hätte es wohl kein bisschen geschert, Tsukishima würde nach diesem Moment des Verfalls allerdings bestimmt kein Wort darüber verlieren und wäre wohl im Erdboden versunken, gäbe es Zeugen.
 

Tendo ließ seinen Gegenspieler näher kommen, gab sich dem Konter hin, ließ sich aber nicht vom Spielfeld drängen. Etwas grob schob er Tsukishima zur Seite an die Wand, kein Ausweg, schloss aber sogleich auf.
 

Tsukishima wusste nicht, wie lange er sich auf diesen so überraschenden Kuss, auf dieses intensive Spiel mit dem Wahnsinn einließ als sich Tendo mit dem wohl dreckigsten Grinsen, das er je gesehen hatte, von ihm löste. Dem Blonden war die Schamesröte hoch ins Gesicht gestiegen.
 

„Und ich dachte schon, der Punkt geht an dich“, sagte Tendo und baute wieder Abstand zwischen ihnen auf.
 

„Ich bereue es richtig, dass wir nicht mehr viele Chancen zum Spielen haben“, sprach er weiter während sich Tsukishima in Schweigen übte. Die Frage, was da gerade passiert war, warum es passiert war, wie das überhaupt möglich war, in so kurzer Zeit so zu eskalieren, leuchtete ihm nicht ein.

Noch weniger verstand er, wie angetan er davon war.

Tsukishima spürte regelrecht die Hitze in sich aufsteigen, doch er wehrte sich. Noch einen Punk würde er Tendo nicht geben also mühte er sich zu einem Grinsen, neigte den Kopf etwas hinunter und schob sich seine Brille den Nasenrücken hoch.
 

„Spielen ist was für Kinder“, sagte er, bückte sich nach seiner Tasche und ließ Tendo in der Ecke zu den Umkleiden stehen.

„Uh Tsuki… der Punkt geht an dich“, raunte ihm der Ältere nach, doch Tsukishima ging nicht darauf ein, er war zu konzentriert, seine Beine unter Kontrolle zu halten.

Das Spiel konnte noch so anstrengend sein, noch so fordernd, er würde immer den nächsten Sprung über sich bringen, würde die nötigen Meter machen und die fehlenden Zentimeter überbrücken, doch diese schier einfältige Aktion, die ihn körperlich eigentlich nicht forderte, beeinträchtigte seine Beine viel mehr als die vergangenen fünf Sätze.
 

Mit der freien Hand ballte er eine Faust, die andere schloss sich so eng um den Riemen der Tasche, dass er sich damit einschnürte.
 

„Hey! Tsuki- wo warst du so lange? Wir wollen fahren!“, drängte ihn Hinata just in dem Moment in den Bus, wie er seinen Weg dorthin gefunden hatte.
 

„Warum bist du so rot?“, fragte ihn Yamaguchi, als er sich neben ihn setzte.

„Habe mich geärgert… über eine Fehlanalyse, will nicht drüber reden“, sagte Tsukishima und lehnte sich mit angespannt geschlossenen Augen im Sitz nach hinten.
 

Wie konnte er nur so die Kontrolle verlieren? Hatte ihn dieser… dieser Spekulant etwa ausgetrickst? Ihn für das nächste Spiel, wann auch immer es soweit sein würde, aus der Fassung gebracht? Jetzt schon?
 

Eins war gewiss.

Vergessen würde Tsukishima ihn nie.
 

Wie sollte er auch Satori Tendo je vergessen können?



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  RinRainbow
2022-11-27T20:26:44+00:00 27.11.2022 21:26
Jetzt wage ich mich also schon wieder an Boys Love :p
Weil ich Tendo einfach mag. Und Tsukki sowieso^^

Aber, ehrlich, ich finde die Charakter Auswahl hier total passend.
Tendo so unberechenbar, und Tsukki der alles unter Kontrolle haben muss.

Beide sind - anders kann ich es wieder nicht sagen - perfekt getroffen x)
Die Chemie zwischen ihnen ist auch vom ersten Satz an da.

Und nein, es ist nicht zuviel, genau richtig dosiert! xD
Antwort von:  Hypsilon
28.11.2022 07:00
Ach wie schön, wieder von dir zu lesen und dann auch noch bei meinem Liebling 🥰

Ich freu mich total, dass dir die Chemie zwischen den beiden auch so gefällt, für mich hat da ja beim Anime direkt gefunkt, wie die beiden sich so das erste Mal gegenüber gestanden sind.

Falls du dich an die Fortsetzung(en) warst, geb ich dir direkt mal die Warnung mit: Da wirds auf jeden Fall mehr, was die Boys Love angeht^^

Danke fürs Lesen und für den Kommentar ❤️
Von:  JojoBarnesKageya
2021-12-14T19:31:57+00:00 14.12.2021 20:31
Nawwww das war iwi niedlich!!! Ich mag den Ship <3 <3 <3 <3 <3
Antwort von:  Hypsilon
14.12.2021 20:35
hey :-) Schön, dass du dich hier her verirrt hast^^
ich lieb dieses Ship total, es hat mich einfach gepackt und lässt mich nicht mehr los - falls es dir ähnlich geht, kann ich dir gerne meinen Adventskalender ans Herz legen, da hast du auch noch länger was davon ;-) Auch wenn ich da nicht nur auf die beiden eingehe.


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