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Schleifen in Blut und Zeit

Ein Todesfall, eine Hochzeit und die Krümmung der Raumzeit
von

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Inu Yasha

Der Tod hat so viele Ausgänge für das Leben.

Beaumont/Fletcher, London 1607

 

 
 

Kagomes sämtliche Befürchtungen, die sie gegenüber ihrem Fast-Schwager hatte – und das waren nicht wenige, kannte sie doch seine ausgeprägte Meinung von Höflichkeit – endeten prompt, als sie schwach ihren Namen hörte.

„Inu Yasha.“ Sie warf sich neben ihm einfach zu Boden, legte den Kopf auf seine Brust, die Arme um ihn. „Was machst du denn nur….?“ brachte sie hervor.

Etwas ähnliches wie ein Lachen ließ den selbst als Mensch schwachen Körper unter ihr erzittern. „Ja,“ flüsterte er. „Kagome. Ich habe auf dich gewartet….“

Ja, das war ihr klar. Sein Rufen war nicht umsonst gewesen, in jeder Hinsicht. Sie barg ihren Kopf fester an ihm, spürte seinen Arm nur lose um sich. „Was ist das nur für eine Krankheit? Oder hat dich jemand vergiftet…?“

„Keine Krankheit, die ich kenne, Kagome-sama,“ wandte der Youkai im Kimono neben ihr ein.

Sie sah erstaunt auf. So höflich wurde sie von Youkai nie angesprochen. Das musste der Arzt sein. Yukio. Professor Yukio Irgendetwas, wenn der auch in der Menschenwelt agierte. „Er ist ein Mensch geworden. Ändert das etwas?“ Sie hörte selbst, dass ihre Stimme zitterte. „Ich meine, eine Intensivstation?“ Der Heiler, Arzt, sah seltsam aus, fast zwei Meter, haarlos, das Gesicht mit dem ausgeprägten Kinn schwarz, mit Schuppen. Oh ja, ein Salamander, hatte Kouga gemeint. Ein Kappa. Oder besser, eine Kappa-Art.

„Ich bin Professor an der Universität Tokio und Chefarzt Internen Abteilung des Krankenhauses. Glaubt mir, Kagome-sama, hätte ich auch nur eine Chance gesehen, hätte ich Inu Yasha-sama auf meine Intensivstation bringen lassen. Aber, was auch immer ihn befallen hat, ich finde keine Lösung. Manchmal schien ich knapp davor, es wurde besser, aber dann …“

 

Sie war erst recht überrascht. Youkai, uralter Heiler, Professor, Chefarzt – und er sprach sie so respektvoll an? Allerdings konnte sie sich dann denken warum, als sein Blick über sie in den Hintergrund glitt. Ja, Sesshoumaru mochte es unter Umständen nicht leiden können, wenn ein Familienmitglied, was sie ja fast war, unhöflich behandelt wurde. Falls der sich nicht sehr verändert hatte. Aber der war gerade das geringste Problem. Sie richtete sich etwas auf und suchte den Blick ihres Hanyou. Und erschrak wieder. Unwillkürlich traten ihr erneut Tränen in die Augen, als sie erkannte, dass sein gewöhnlich in Menschenform schwarzer Blick trübe geworden war. Er war ebenso blass geworden wie die Haut des Gesichtes. „Inu Yasha,“ war alles, was sie hervorbrachte.

Etwas wie ein Lächeln zuckte um den Mund. „Kagome, ich … ich wollte dich nur noch einmal sehen …“ sagte er. „Tut mir leid, wenn ich das wieder vermasselt habe. Ich wollte dich nicht weinen ….“ Er schloss wieder die Augen.

Sie begriff entsetzt. Er lag im Sterben und hatte alle Energie, die er noch irgendwo aufbringen konnte, darauf verwendet sie noch einmal zu sehen.

 

Sesshoumaru hatte, nachdem er Kouga die Anweisung gegeben hatte zu gehen, sofort wieder zu seinem Bruder geblickt. Er hatte doch irgendwo gehofft, dass Kagomes Ankunft dem gut tun würde, aber das sah nicht so aus. Seit sechs Wochen wurde der Hanyou immer schwächer, als sauge etwas förmlich das Leben heraus. Und auch Yukio stand vor einem Rätsel.

Mehr als fünfhundert Jahre hatte er nun mit seinem Bruder zusammen gelebt, zusammen gearbeitet – und er wusste, er würde ihn vermissen, den immer loyalen, vorlauten, Inu Yasha, den Einzigen, der gefragt oder ungefragt immer an seiner Seite gewesen war, den Einzigen, der ihm offen und ehrlich die Meinung sagte, den Einzigen, an dem er sich reiben, lernen, konnte. Aber nun rächte sich offensichtlich das schwache menschliche Blut und Vaters so mächtiges konnte ihn nicht mehr retten.

 

Da er nur auf Inu Yasha achtete, war ihm entgangen, was gleich hinter Kagome in das Zimmer gehuscht war, ein schwarzer, flüchtiger Schatten, flach wie ein Stück Papier, der sich eilig zum Schreibtisch aufmachte und in das Tintenfass stürzte. Der Schattenkrieger hatte seine Anweisung genau befolgt. Und in der Tinte war auch keinerlei fremder Geruch selbst für feine Hundenasen mehr zu wittern. Der Kagemusha musste weder atmen noch hatte er andere Bedürfnisse. Er würde in der Tinte bleiben, bis das Drama hier vorbei war, dann das Portal öffnen und die Hexe holen. So lautete der Befehl, den sie ihm gegeben hatte, und den sein Herr und Erschaffer bestätigt hatte.

 

Kagome blieb auf der Brust ihres Hanyou liegen, als sie unter Tränen meinte: „Nein, das ist schon in Ordnung, Ich heule doch immer, wenn du stirbst, weißt du?“ Aber sie sah fragend zu dem Youkaiheiler. „Bislang bist du das nie endgültig…“

„Es gibt immer ein erstes Mal,“ brachte Inu Yasha mühsam hervor. Er wollte die Arme um sie legen, aber das fiel ihm so schwer. Sie roch noch immer so gut, selbst in dieser menschlichen Form bekam er es mit. Sie sah so aus, wie damals, als sie zu ihm zurückgekommen war, sie ihre Familie für ihn im Stich gelassen hatte. Bis zu dem Tag, an dem sie wieder in das Mittelalter ging, hatte er sich zurückhalten wollen und sollen, um nichts durcheinander zu bringen. Aber er war anscheinend Sesshoumaru lang genug auf die Nerven gegangen, dass der sie hatte holen lassen. Es war sowieso so eigen. Er war so müde. Und bei ihm waren der Kerl, der ihn einst hatte umbringen wollen und der sich in den letzten Jahrhunderten als wirklich guter Freund, ja, Bruder, herausgestellt hatte, die einzige Frau, die er liebte. Und natürlich der gute, alte Yukio, der in aller Ratlosigkeit ihn nicht mehr allein gelassen hatte. Er wollte Kagome fester halten, aber seine Hände verkrampften sich ohne sein Zutun. „Kagome!“ Es war nur mehr ein Flüstern.

„Ich bin da,“ beteuerte sie. „Ich bin doch immer da…“ Ihre Gedanken irrten in einem Nichts herum. So hatte sie sich das Wiedersehen wirklich nicht vorgestellt. Aber, Moment mal. Wenn Sesshoumaru hier war … Dann konnte er doch Tenseiga einsetzen? Würde der das für seinen Halbbruder tun? Oder gab es diese Klinge gar nicht mehr? Sie wandte sich etwas um, bemüht, sich nicht aus dem kraftlosen Griff ihres Hanyou zu drehen. Ja, da stand der Hundeyoukai. Und er trug keine Rüstung – aber ein Schwert im seidenen Gürtel. Tenseiga. Sie atmete unwillkürlich etwas auf. Nur, warum hatte er noch nichts unternommen? War das erst möglich, wenn Inu Yasha … Wenn die Boten aus dem Jenseits kamen? Oder etwa gar nicht, aus welchem Grund auch immer? Oder wollte Sesshoumaru schlicht nicht? Doch, sonst würde er nicht mit Tenseiga hier stehen. Sie spürte, wie der Körper unter ihr zitterte, sich verkrampfte, und sah in Panik zu dem Arzt.

Der nickte nur wortlos und blickte zu dem Taishou, ehe er sagte: „Da Kagome-sama nun hier ist, Inu Yasha-sama, solltet Ihr Euch entspannen, ein wenig schlafen.“

„Ka...go…“ brachte Inu Yasha heraus.

„Ja, ich bin da, ich bleibe hier.“ Sie hatte begriffen. Das Zittern, das jetzt erneut durch den so schlaffen, kraftlosen, Körper lief, war nur das Anzeichen. Irgendwie schaffte sie es das Schluchzen zu unterdrücken und zu wiederholen: „Schlaf einfach ein bisschen.“ Das würde ein sehr langer Schlaf werden, das war ihr nur zu bewusst geworden. Außer, Sesshoumaru konnte doch ein Wunder bewirken. Wie hatte der alte Toutousai Tenseiga genannt? Den Sargbetrüger.

Der Arm um sie fiel auf die Matte.

Sie schreckte hoch.

 

„Aus dem Weg.“

 

Kagome gehorchte eilig, rutschte beiseite, als ihr, nun ja, Schwager herantrat, die Klaue an den Schwertgriff legte. Sie hatte nie zuvor so vor ihm gekniet, zu ihm aufgesehen, aber selbst durch den Tränenschleier erkannte sie, dass er die Hand wieder sinken ließ. „Nein!“ flüsterte sie. „Es … es muss gehen!“

 

Närrin, dachte der Daiyoukai. Als ob ihm diese Lage Vergnügen bereitete. Es war gewiss seit Rins Tod der schrecklichste Tag. Und er hatte nicht einmal gewusst, dass ihm je wieder etwas solch einen Stich im Herzen verursachen würde wie jetzt, als Tenseiga stumm blieb. Nichts, was er tun konnte, würde Inu Yasha zurück bringen. Als sich das Menschenmädchen jetzt in Tränen aufzulösen schien, meinte er nur: „Yukio-sama, bringt sie in die Räume der Gefährtin hinüber und gebt ihr etwas, das sie sich beruhigt. Ich werde den Rat informieren. In zwei Stunden fahren wir.“

Er ging und der Kappaheiler zog Kagome am Arm auf, da sie sich über Inu Yasha werfen wollte. Der Kraft eines Youkai hatte sie nichts entgegen zu setzen. „Kommt,“ sagte er. „Ihr habt gehört, in zwei Stunden fahren wir.“

„Fahren?“ Sie war irgendwie vollkommen verwirrt, ließ sich aber quer über den Gang in ein großes, leeres Zimmer schieben.

„Die Bestattung.“

„Er… er soll verbrannt werden….?“ Sie suchte hastig nach einem Taschentuch

„Nein. Der Taishou will ihn zu ihrem Vater bringen.“ Er hatte, von ihr unbemerkt, seine Tasche mitgenommen, und suchte darin. „Hier, Taschentücher. Und ich gebe Euch jetzt ein Getränk. Weint nur, aber in zwei Stunden solltet Ihr Euch beruhigt haben. Es wäre Inu Yasha-sama nicht recht, wenn ihn seine Gefährtin vor dem Rat und den Daiyoukai bloß stellt.“

Vermutlich nicht, aber … Sie brach erneut in Tränen aus, weinte, wie sie noch nie geweint hatte. Irgendwann spürte sie einen Becher an den Lippen, ein Trank, der ihr mehr oder weniger aufgezwungen wurde, ehe sie der erfahrene Arzt an sich zog.

„Weint nur. Das ist etwas, das Youkai versagt ist.“

„Ich weine ja Euren Kimono nass,“ schluchzte sie irgendwann.

„Ja, die Schulter habt Ihr schon durch geweint. Aber, das macht nichts. Ich behandele viele Menschen. Ich kenne das. - Wird es langsam besser?“ Der Trank sollte wirken.

„Ja, ich denke. Ich … ich sehe vermutlich schrecklich aus….“

„Dort drüben ist das Bad. Wascht Euch nur ab. Danach begleite ich Euch hinunter.“

 

Kaum dass der Heiler mit Kagome das Zimmer verlassen hatte, war der Kagemusha aus dem Tintenfass gekrochen und hatte sich vor den leblosen Körper gestellt, eine schwarze, menschenähnliche Form angenommen. Jetzt musste es schnell gehen, denn es würden sicher gleich Youkai kommen, die diesen Inu Yasha mitnehmen wollten. Vor ihm öffnete sich ein kreisrundes Portal.

Urasae trat heraus, einen zweiten Schattenkrieger bei sich, der das Ebenbild des Hanyou im Arm hielt.

„Gut.“ Triumphierend bückte sich die Youkaihexe und nahm Inu Yasha auf. „Leg ihn hierher. Rasch!“ Sie selbst verschwand bereits mit ihrer Beute im Portal, die Musha folgten.

 

Kagome hatte überrascht festgestellt, dass sich altmodische Einrichtung definitiv nicht auf das Bad bezog. Hier war eine Dusche, Strom, Waschbecken, wie sie es nur zu gut aus ihrer Zeit ... nein, aus der Jetztzeit kannte. Warum auch immer so ein großes Zimmer und so ein großes Bad leer standen. Sie zog sich rasch aus. Duschen war jetzt wohl das Stichwort, auch, wenn sie keinerlei Zusätze entdecken konnte. Nun ja, Hundeyoukai. Aber sie war vollkommen durchgeschwitzt. Und der Kappaheiler hatte recht. Schon um Inu Yashas Willen sollte sie ihn auf seinem letzten Weg … oh, nein, jetzt begann sie schon wieder zu weinen … auch nicht vor vollblütigen Youkai, Daiyoukai noch dazu, blamieren. Das musste sie schaffen. Für ihn. Es war das Letzte, was sie für ihn tun konnte. Nein, was sie jetzt für ihn tun konnte. Denn, wenn Kouga recht hatte und sie wieder in das Mittelalter zurück konnte … oh, sie würde ihren Hanyou einfach nur gern haben. Und ihn in einer ruhigen Minute vielleicht warnen. Aber, vor was denn? Jeder musste sterben, auch da hatte der Wolfsyoukai recht gehabt. Sie, Inu Yasha, selbst Sesshoumaru. Die Zeit nahm jedes Lebewesen. Warum sollte sie ihm das also sagen? Er wusste es, vermutlich besser als jeder Mensch. Allerdings akzeptierten Youkai eher das natürliche Ende. Nur Menschen waren so töricht an ewig währendes Leben zu glauben. Sie drehte den Kopf zu dem Duschkopf und genoss das Wasser. Es fühlte sich fast wie eine Umarmung an.

Was hatte Yukio gesagt? Der Taishou wolle seinen Bruder zu ihrem Vater bringen? Um ehrlich zu sein fiel ihr da nur ein Platz ein – die Zwischenwelt. Da war sie zwar schon zwei Mal gewesen, aber das war eigentlich kein Ort wo man gern hinging.

 

Sie drehte das Wasser ab. Nur noch ein paar Stunden, dann hatte sie alles getan, was sie hier in dieser Zeit für Inu Yasha tun konnte. Sie musste sich beherrschen. Der Trank, den ihr dieser Professor gegeben hatte, schien zu wirken, immerhin. Sie wandte sich zu ihrer Kleidung und zögerte. Kein Handtuch, Pullover war verschwitzt… na toll.

Etwas klopfte an die Tür.

„Kagome-sama,“ rief Yukio laut. „Hier wären Handtücher und neue Kleidung für Euch.“

„Ja?“ Sie sah dennoch erleichtert, wie er die Tür nur knapp öffnete, Handtücher und etwas in rot und weiß von einer schwarzen Klaue hereingereicht und auf dem Waschbecken abgelegt wurde.

„Ich danke Euch, Yukio-sama.“ Sie blieb höflich. Er war Arzt und hatte versucht Inu Yasha zu helfen, wie er nun ihr half.

Handtücher, und das war ja … Eindeutig. Ein Miko-Gewand. Wollte etwa Sesshoumaru, das sie hier so auftrat oder war das eben die einzige Kleidung gewesen, die man auf die Schnelle in einem Youkaischloss auftreiben konnte? Gleich. Sie trocknete sich ab und zog sich an. Wie viel Zeit war inzwischen verstrichen?

 

Als sie aus dem Bad kam, wartete der Daiyoukai-Heiler bereits auf sie und musterte sie. „Ihr seht ruhiger aus, aber, habt Ihr Euch verletzt?“

„Äh … oh, der rechte Knöchel, ja, gestern, als ich versuchte in das Mittelalter zu springen,“ gab sie zu. Er wusste es schließlich.

„Ich darf kurz…?“ Yukio glitt vor ihr mit eindeutig unmenschlicher Eleganz auf die Knie und betastete ihren Knöchel. „Ja, verstaucht, würde ich sagen. Ihr habt ihn bereits behandelt?“

„Ja, meine Mutter gab Salbe drauf und einen Verband, aber den habe ich mir natürlich beim Duschen abgenommen.“

„Ich wickele Euch etwas darum, Kagome-sama. Ihr sollt ja nicht mehr Schmerzen als notwendig erleiden.“ Und wehleidig war die junge Dame offenkundig nicht.

Ihr Herz schmerzte, aber das meinte er wohl kaum. „Ja, danke, Yukio-sama.“ Und immerhin hatte er ihr diesen Trank gegeben, der anscheinend wirklich verhinderte, dass sie weinen … fast immer weinen musste. Sie rieb sich energisch über die Augen. Für Inu Yasha musste sie stark sein, befahl sie sich und streckte unwillkürlich etwas das rechte Bein vor. „Das wird schon …“

„Ohne Zweifel. Aber, denke ich …“ Der alte Salamander rieb behutsam den Fußknöchel ein. „Ihr werdet in jener anderen Welt auch auftreten müssen.“

„Äh, ja.“ Er wusste es? „Wie ist das jetzt geplant?“ erkundigte sie sich darum nur. Dass ihr Schwager da Wege benutzen konnte, war ihr nur zu bewusst.

Die Gefährtin Inu Yasha-samas. Yukio begriff, warum der so an ihr hing, gehangen hatte. Eine sehr ungewöhnliche Menschenfrau. „Vor dem Schloss warten die Autos und dann fährt der Konvoi in Richtung Westen zu der alten Begräbnisstätte des verstorbenen Taishou. Es wird einige Stunden dauern, bis wir dort ankommen. Dann werden alle aussteigen, sich noch ein letztes Mal vor Inu Yasha-sama verneigen und dann werdet wohl Ihr allein mit dem Taishou in diese andere Welt gehen und den Verstorbenen zu seinem Vater bringen.“

Kagome nickte mechanisch. Irgendwie war das sehr nett von Sesshoumaru, kein Vergleich mit dem früheren Ein-Hanyou-robbt-im-Dreck und sie fragte sich wirklich, was da alles in den letzten Jahrhunderten passiert war. „Und Tessaiga?“ fragte sie doch. Eine bessere Gelegenheit sich das Schwert zu schnappen, das er einst so begehrt hatte, hatte der Hundeyoukai doch noch nie gehabt.

„Soweit ich informiert bin soll es mit seinem Herrn dort ruhen.“ Yukio sah, wie sie aufatmete, und fragte dann doch aus schierer Neugier: „Es scheint Euch nicht zu verwundern, dass Ihr in das Jenseits reisen sollt.“

„Äh, nein. Ich war schon zwei Mal dort, also, bei dem verstorbenen Inu no Taishou. Mit Inu Yasha, natürlich. Und Sesshoumaru war auch dabei.“

Das erklärte dem alten Salamander noch mal einiges. Aber er warnte. „Wenn andere dabei sind, solltet Ihr nie vergessen Sesshoumaru-sama zu sagen.“

„Was?“ War sie etwa Jaken? Aber Kouga hatte ja gewarnt, sie solle sich zusammen nehmen, weil sie so viel nicht wisse. „Äh, gut….? - Reden ihn alle so an?“ erkundigte sie sich dann.

„Nein, nur die Mitglieder des Rates und, denke ich, Ihr. Alle anderen nennen ihn oyakata-sama.“

„Sagen Sie mir nicht, Professor … ich meine, sagt mir nicht, Yukio-sama, dass auch Inu Yasha ihn so angeredet hat.“ Ihrem Hanyou wäre das doch nie über die Lippen gekommen.

„Nein, der sagte nii-san. Oder, im Rat o-nii-san.“

Mein älterer Bruder und vor anderen sogar verehrter älterer Bruder. Eindeutig, da war eine Menge geschehen und sie sollte besser den Mund halten, zumindest, bis ...bis….Sie schluckte wieder einen dicken Kloß im Hals hinunter. „Ich hoffe, ich denke dran. Und ich werde mich zusammennehmen,“ versprach sie. Bis das hier vorbei war und sie endlich zurück ins Mittelalter durfte. Ganz offensichtlich hatte Inu Yashas Wunsch sie noch einmal zu sehen diese Barriere errichtet, da durfte sie jetzt auch nicht vor seiner Beerdigung, nun ja, das war eigentlich ja eine Bestattung, kneifen oder ihn gar blamieren. Schon gar nicht, wenn er zu seinem Vater sollte und Tessaiga mitbekam. Das hätte sie dem Sesshoumaru vor fünfhundert Jahren eigentlich überhaupt nicht zugetraut. Oder war das eben das Gesicht gewesen, das er nur Rin gezeigt hatte? Möglich. Sie entsann sich des weichen Ausdrucks, als er Inu Yasha und sie da bei seinem Vater angetroffen hatte. Nicht beim ersten Mal, zugegeben, später, als auch Naraku da gewesen war. Und bevor er Inu Yasha beschuldigte das Grab geschändet zu haben und dem einen Fausthieb gegeben hatte, hatte er seine Klinge weg geschoben. Sie hatte auch nicht vergessen, dass, als Inu Yasha sich einmal in dieses mordlüsterne Monster verwandelt hatte, er gekommen war und den bewusstlos geschlagen hatte – und entgegen aller Erwartungen dann schlicht gegangen war, unter dem eindeutig vorgeschobenen Grund ihn jetzt nicht töten zu wollen, weil es keinen Spaß mache. Er hatte letztendlich auch akzeptiert, dass Tessaiga zu Inu Yasha gehörte. Wann genau hatte dieser dämliche Hund eigentlich angefangen sich als großer Bruder zu benehmen – und es so gut versteckt, dass es keiner mitbekam? Und, warum? Aber, ja, sinnierte sie, während sie dem Kappaheiler durch das Schloss nach unten folgte – das war vermutlich die Erklärung. Die letzten fünfhundert Jahre war die Beziehung der Halbbrüder auf etwas gereift, dass sich schon in der Epoche der Kriegerischen Staaten ausgesät hatte.

 

Vor dem Schloss wurde sie wieder überrascht. Trotz der Dusche hatte sie die sonst so altmodische Bauweise und Einrichtung an das Mittelalter erinnert. Und jetzt standen hier mehrere Luxuskarossen, ein langer Wagen mit dem Kennzeichen einer großen Bestattungsfirma. Gehörte die etwa auch einem Youkai? Darin war wohl schon …

Nicht weinen!

Einige Youkai gingen herum, einige, da sie Kouga und Toran erkannte, also wohl Ratsmitglieder, standen daneben und unterhielten sich. Ein Kitsune mit neun Schwänzen, die er selbst in seiner Menschenform elegant über dem Kopf trug, sicher der Herr der Füchse. Andere konnte sie nicht identifizieren, aber da kam Sesshoumaru heran, mit Rüstung, aber unbewaffnet, und alle wandten sich ihm zu, neigten höflich den Kopf.

Sie tat das unwillkürlich auch, schon, um ihre Tränen wegblinzeln zu können, zumal sie auf den zweiten Blick erkannte, dass er Tessaiga in der Hand hielt, wohlweislich an der Scheide. Aber Bannkreis wies ihn wohl immer noch ab, obwohl sie früher gesehen hatte, wie er ihn zumindest kurzfristig überwinden konnte.

„Kagome.“

Sie wollte schon „äh, was“ sagen, ehe sie erkannte, dass er neben dem ersten Auto stand, die hintere Tür geöffnet wurde. Um sich und vor allem ihren geliebten Hanyou nicht zu blamieren, sollte sie wirklich besser aufpassen, So trat sie hin, spürte mehr als überrascht, wie ihr Tessaiga mehr oder weniger in die Hand gedrückt wurde, ehe ihr sozusagen Schwager um das Auto herumging, um sich auf den Platz hinter dem Fahrer zu setzen – der Platz des Ranghöchsten. Da sie kaum hier herumstehen sollte, stieg sie eilig ein, stellte Tessaiga aufrecht vor sich zwischen die Knie und klammerte sie daran. Das war das Beschützerschwert und sie konnte nur hoffen, dass es ihr in den nächsten Stunden helfen würde.

 
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Sanguisdeci
2021-09-17T06:25:33+00:00 17.09.2021 08:25
Wie traurig ;-; *einen Vorrat an Taschentüchern fürs nächste Kapitel bereitlegt*


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