Zum Inhalt der Seite

Der Sommer, den wir bei Garroway's verbrachten

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Tränen und Fragen

Doch dann straffte sich Luke.

„Es ist an der Zeit“, sagte er.

„Nein!“ Robert bellte das Wort geradezu.

„Doch, Robert. Es ist an der Zeit, darüber zu reden.“

„Auf gar keinen Fall!“

„Und wenn du es nicht tust, werde ich das tun.“

„Luke, nein! …“
 

Luke drehte sich zu Alec und Magnus. Einen Augenblick lang zögerte er mit dem, was er nun zu sagen hatte. Es war einer dieser Momente, wo man das Gefühl hat, man könne jedes einzelne Staubkörnchen im Raume in der Luft schweben sehen. Das Ticken einer Uhr, wenn denn eine Uhr, die tickte, im Raume gewesen wäre, hätte wie das Beben von Donnerschlägen geklungen.

Roberts Herzschlag dagegen war präsent, und der klang wie das Galoppieren eines Pferdes, eines schnellen Pferdes. Das hörte Luke mit seinem feinen Werwolfsgehör nur zu genau, und auch Simon, dessen Vampirsinne bis aufs äußerste gespannt waren, nahm ihn überdeutlich wahr. Überdeutlich und verlockend, und Simon wurde klar, dass er lange nicht - nun - getrunken hatte, und er ausgesprochen hungrig war. Verdammt, Simon, nicht jetzt, dachte er und klammerte sich einfach fester an Isabelle. Sie war sein Anker in dieser Welt.
 

„Vor ungefähr fünfundzwanzig Jahren …“, begann Luke.

„Nein!“ Roberts Augen glühten zornig, entsetzt.

„… als wir noch jung waren …“

„Luke!“

„ … bevor ich Jocelyn und er Maryse kennen lernte …“

„Wage es nicht …“

„ …als wir also noch jung waren, so jung wir du und deine Geschwister jetzt, Alec …“

„ … davon …“

„ … da waren Robert und ich Freunde, die besten Freunde …“

„ … zu …“

„ … und nicht nur das.“ Luke schluckte.

„ … sprechen!“ Robert machte Anstalten, sich auf den anderen zu stürzen. Doch er hatte keine Chance. Simon, der nun alle Zurückhaltung aufgab, war mit der ihm eigenen Geschwindigkeit aufgesprungen und hielt Robert fest. Der Mensch hatte keine Chance gegen den Vampir. Der Griff des jungen Mannes war für ihn unüberwindlich.
 

Luke holte tief Luft.

„Wir haben uns damals geliebt.“
 

Ein Tumult brach aus. Maryse, die sonst so unerschütterliche, weinte leise. Jocelyn saß mit versteinertem Gesicht auf ihrem Stuhl.

Alle anderen redeten durcheinander.
 

So lange, bis Clary, ausgerechnet Clary, es nicht mehr ertrug und aus vollem Halse schrie:

„Ruhe, verdammt! Jetzt haltet einfach alle die Klappe, ja?!“

Und erstaunlicherweise hörte man auf sie.
 

Sie starrte ihren Vater an.

„Du und Robert …? Ernsthaft?“

Luke nickte.

„Aber …“, fragte die junge Frau, und man konnte ihrer Stimme anhören, dass sie es wirklich wissen wollte,

„… was ist dann passiert? Wieso seid ihr nicht …?“
 

Robert, der sich noch immer versucht hatte, aus Simons Griff zu winden, gab nun auf und setzte sich zurück auf seinen Stuhl. Er stützte den Kopf in die Hände und schien in seinen Grundfesten erschüttert. Nichts war mehr geblieben von dem arroganten, selbstsicheren und sich der eigenen Macht und Rechtschaffenheit so sehr gewissen Mann. Geblieben schienen nur Trümmer seiner selbst. Und das leise „Verdammte Scheiße! Das darf doch alles nicht wahr sein!“, das seinen Lippen entkam und das so gar nicht seiner sonstigen Art zu sprechen entsprach, war ein deutliches Zeichen dafür.
 

„Nun“, sagte Luke, und Trauer schwang in seiner Stimme.

„Es war nicht so viel anders als heute. Wir waren jung, verliebt, voller Hoffnung. Wir hatten große Pläne, die Zukunft betreffend. Doch dann waren da Roberts Eltern. Und führten die selben Worte im Mund, wie es heute Robert tut. Waren in den selben verkrusteten, überkommenen Traditionen gefangen. Unser Sohn und Erbe ist doch kein Schwuler … bla bla bla … du musst in eine der guten alten Schattenjäger-Familien einheiraten, bla bla bla.“

Luke seufzte.

„Und Robert hatte nicht die Kraft, sich dagegen anzustellen. Er hat sich von mit abgewandt und …“

Die Stimme des Werwolfs zeigte eine Traurigkeit, die man von ihm nicht gewohnt war.

„… er hatte nicht die Kraft oder den Mut, für uns und unsere Liebe zu kämpfen.“
 

Luke wandte sich an Maryse.

„Erinnerst du dich, Maryse, an jenen Abend, als er dich mir vorgestellt hat? Als seine Verlobte?“

Sie nickte, Tränen und Fragen, so viele Fragen in ihren Augen.

„Nun, als du kurz darauf einmal deine Nase pudern gegangen bist, hab ich ihn gefragt, was das soll? Und da, erst da, hat er mit mir Schluss gemacht.“
 

Alec hielt sich wie ein ertrinkender an Magnus’ Hand fest.

Es gab so vieles, was hier auf ihn einströmte.

Sein Vater und Luke … sein Vater schwul … oder bi, egal, aber …

Oh Engel.
 

Alec zitterte. Doch dann begann aus Magnus’ Hand eine beruhigende Wärme auf ihn über zufließen. Magnus spürt, dass sein junger Liebster seine Kraft, seine Fürsorge brauchte und gab sie ihm, auf diese ganz unmittelbare Weise.

Die Wärme strömte durch Alecs ganzen Körper und langsam, ganz langsam beruhigte er sich und konnte wieder klar denken.

Und konnte wahrnehmen, was seine Mutter leise sagte.
 

„Ich habe von Anfang an gewusst, dass er mich nicht so liebt wie ich ihn … bei all seinen Fehlern, hat er mich, was dass betrifft, immerhin nie belogen. Ich hab es hingenommen, den er ist für mich der eine, verstehst du? Die eine große Liebe, die man im Leben findet.“

Tränen rannen wieder über ihre Wangen.
 

„Ich glaubte damals auch, dass er das für mich wäre“, sagte Luke mit einer warmen Sanftheit in der Stimme.

„Doch dieser … Verrat … hat so weh getan. Und dann traf ich Jocelyn. Und hab erkannt, dass sie für mich die eine, die einzige ist.“

Liebevoll küsste Luke die Hand seiner Frau. Jocelyns Gesichtsfarbe änderte sich von Steinweiß zu einem sanften Rot.

„Ist das wahr?“, flüsterte sie.

„Ja“, sagte er. „Ich liebe dich, Jocelyn. Und alles andere ist Geschichte.“

Und dann nahm er sie ganz fest in den Arm.
 

Nun, dachte Alec, und es tat ihm nicht mal leid, dass er dabei ein wenig Schadenfreude empfand; dann ist wohl der einzige, der hier nicht letztendlich den Menschen bekommen hat, den er wirklich wollte … oder vielleicht immer noch will? … mein Vater.

Und auch wenn es ihm ein wenig leid tat, konnte Alec doch nicht bestreiten, dass Robert sich das immerhin selbst zuzuschreiben hatte.

Denn Traditionen hin oder her.

Es gab Wege, sie zu ändern.

Alec selbst war doch ganz offensichtlich der beste Beweis dafür.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Aracona
2021-10-05T04:55:18+00:00 05.10.2021 06:55
Uff, damit habe ich nun wirklich nicht gerechnet O.O
Aber du hast es super geschafft dieses Geheimnis zu bewahren. Ich hoffe das jetzt doch alles gut wird, denn Robert hat so gar keine Argumente mehr *g*



Zurück