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Eine etwas andere Geschichte - Die Klammer muss weg!

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Knochenaufbau – Erste OP bei Dr J (17.08.2021)

Entgegen meiner Vorstellung, dass ich auch diese OP mit einer Sedierung 'verschlafen' könnte, stellte ich mich der Tatsache, dass Dr J keine Sedierung anbietet.

Eine Narkose dagegen kam für mich nicht in Frage. Auch wenn die Nebenwirkungen einer Vollnarkose inzwischen sehr gering sind, zog ich eine Lokalanästhesie vor. Ich rief mir immer wieder ins Gewissen, dass ich voll und ganz auf Dr J vertrauen kann und alle Komplikationen und Schmerzen die ich haben könnte nur in meinen Kopf existieren. Was andere Menschen vor mir geschafft haben, schaffe ich auch!

Die Gelassenheit, die ich bei der OP mit den Weisheitszähnen bei Dr H hatte, hatte ich diesmal jedoch nicht. Auch, wenn ich wusste, dass alles nur in meinen Kopf ist, war ich dieses Mal schon ein paar Tage vor der Operation etwas aufgeregt. Dennoch bereitete schon alles soweit vor, sodass ich mich nach dem Eingriff nur noch auf die Couch verziehen konnte. Es war genug Suppe gekocht, dass ich mich ganze zwei Wochen davon ernähren könnte, die Wäsche war komplett gemacht und der Haushalt fertig. Die Nacht schlief ich wunderbar durch, sodass ich vollkommen ausgeschlafen und fit bei Dr J antrat.

Wie auch beim letzten Mal fuhr meine Mutter mich zum Termin und es dauerte nicht lange, bis ich aufgerufen wurde.
 

„Wie geht es Ihnen, Verena?“, fragte Dr J mich, währen er mir Blut für die PRF (Eigenblut-Kur) entnahm. Ich musste leicht grinsen. „Gut... Nur etwas aufgeregt.“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Das wird schon... Keine Sorge!“, munterte er mich direkt auf. Tatsächlich gelang es ihm. Dr J hat eine wirklich beruhigende und ehrliche Art an sich, die mich zu keinen Moment zweifeln lässt, dass er etwas runter spielen würde, nur um mich aufzumuntern. Ich denke, wenn er Bedenken hätte, würde er es frei heraus sagen.

Als er mit der Blutentnahme fertig war, legte er mir zwei große und eine kleine Tablette auf den Tisch und erklärte, dass die ersten Beiden ein Antibiotika sind und die kleine eine „Scheiss-egal-Tablette“. Leider habe ich mir nicht gemerkt, wie diese heißt, aber meistens sind das Arzneistoffe aus der Gruppe der Benzodiazepine. Das sind verschreibungspflichtige Medikamente, die als Schlaf- oder Beruhigungsmittel eingesetzt werden. Diese Arzneistoffe wirken sedierend (das heißt, sie machen müde), muskellockernd / krampflösend, entspannend, manchmal sogar euphorisierend. In Tatsache also genau die Beruhigung, die ich gerade brauchte. Vielleicht würde ich die OP ja doch verschlafen können.

Nachdem ich alle Tabletten geschluckt hatte, wurde ich auf den Behandlungsstuhl bugsiert, damit mein Mund betäubt werden konnte. Lasst mich eines klar stellen: Ich habe nichts gegen Spritzen, aber so eine Betäubung im Gaumen ist wirklich unangenehm!

Als Dr J die Lokalanästhesie gesetzt hatte, schickte er mich noch einmal kurz aus dem Raum, damit die Betäubung und die Scheiss-egal-Tablette greifen können und er in Ruhe alles vorbereiten konnte. Denn als ich zum ersten Mal rein kam, hatte ich noch keine Zangen, Dremel oder sonstiges, furchteinflößendes Zubehör sehen können. Und um ehrlich zu sein, bin ich froh und dankbar, wenn ich das Zeug auch nicht sehen muss. Diese Apparaturen regen nur mein Kopfkino an.

Nach etwa zehn Minuten, in denen mein Gesicht wirklich vollkommen taub wurde, wurde ich wieder in den Behandlungsraum gerufen. Auch jetzt sah ich keine Bohrer, Fräsen, Dremel oder Flux-Kompensatoren. Alles war penibel abgedeckt. Ich setzte mich auf den Behandlungsstuhl, eine Schwester ließ meine Haare unter einer OP-Haube verschwinden, während der Stuhl sich weit nach hinten kippte. Wenige geübte Handgriffe wurden noch gemacht, mein Gesicht wurde desinfiziert, und erst als ich so weit zurück lag, dass das Werkzeug aus meiner Sicht lag, wurde das Tuch, welches sich als OP-Abdeckung herausstellte, vom Werkzeug entfernt und über mich gelegt. Ich durfte mir über Kopfhörer noch Musik an machen und schon waren die letzten Vorbereitungen abgeschlossen. Nun ging es zur Sache.
 

Ich weiß nicht, ob die Scheiss-egal-Tablette nicht wirkte, oder ob sie einfach nicht die Wirkung hatte, die ich erwartet habe, aber ich bekam alles ganz genau mit. Und im Nachhinein bin ich auch wirklich froh darüber, da ich nun alles genauer erzählen kann.

Dr J kündigte jeden Schritt den er machte vorher an, sodass ich mich jedes Mal darauf vorbereiten konnte.

Als erstes wurde der entzündete Eckzahn gezogen. Das war wirklich unangenehm, aber Schmerzen hatte ich keine. Ich spürte, wie Dr J mit einer Zange an dem Zahn zog und wackelte, hörte, wie es in meinen Oberkiefer eklelig knischte und knackte, aber die Schmerzen die ich mir davon erwartete, blieben aus.

Sofort machten wir eine kleine Pause und ich durfte unter dem Zuspruch der netten Arzthelferinnen einmal durchatmen, bevor es weiter ging. Denn nun folgte der schwierige Teil.

Dr J operierte 2 ½ Stunden, von denen ich nur die Geräusche und Bewegungen, die sich in meinen Blickfeld schoben beschreiben kann. Er kündigte jedes Mal an, wenn es sich für mich laut anhören würde, als er den Knochen aus meinen Unterkiefer fräste. Und tatsächlich sind diese Geräusche, die man letztendlich nur im Kopf hört, wirklich laut und unangenehm. Wie das knirschen von Fingernägel über einer Tafel oder das kreischen einer Flex, wenn man Metall schneidet. Geräusche, bei denen ich mir normalerweise die Ohren zu halten würde, denn sie waren extrem laut in meinem Kopf. Statdessen krallte ich mich an mein Handy und versuchte die Musik lauter zu machen. Jedoch ohne nennenswerten Erfolg. Es waren allerlei eklige und laute Geräusche, die mein Kopfkino nur so ankurbelten und mir die Frage aufwarfen, was zur Hölle ich hier in diesem Stuhl gerade machte.

Genauso verstörend waren die Bewegungen, die sich in mein Blickfeld schoben: Dr J's Hände, die mit Miniatur-Hammer und -Meißel auf mein Gesicht zukommen und mir wahrscheinlich gerade ein Stück Knochen raus hauen, mit einer Art Dremel mit Bohraufsatz über meinem Gesicht schweben, und mit einem Schraubenzieher offensichtlich eine Schraube in meinen Oberkiefer dreht. Bilder, die mich an meinen Verstand zweifeln lassen, von denen ich aber weiß, dass sie wahr sind.

Und Bilder, die die Frage in mir aufwerfen, warum zum Teufel man den Beruf des Implantologen ausüben möchte. Hat Dr J etwa Spaß daran in irgendwelchen Knochen rumzubohren?!

Im Nachhinein kann ich nur sagen, dass ich wirklich keine Schmerzen hatte. Die 2 ½ Stunden vergingen für mich wie im Flug. Und als Dr J verkündete, dass wir fertig wären, kamen mir die Tränen. Nicht, weil ich schmerzen hatte oder weil diese Prozedur so extrem schrecklich gewesen wäre. Nein, es war die Tatsache, dass der erste große Schritt getan war. Endlich. Und die Eingriffe, die noch folgen werden, sind weitaus kleiner und nicht so aufwendig. Das Schlimmste ist geschafft! Mir fielen tausend Steine vom Herzen. Während einer der Schwestern mir gut zuredete und meine Tränen weg wischte, holte die andere Schwester meine Mutter mit ins Zimmer. Dr J half mir aus dem Stuhl aufzustehen und mich an unseren Stammplatz am Schreibtisch zu setzen. Auch wenn meine Konzentration am Ende war, versuchte ich ihm zu folgen, als er eine Liste mit mir und meiner Mutter durchging, wie ich mich nun zu verhalten hatte. Im Endeffekt waren es beinahe die selben Maßnahmen, die ich auch nach der Weisheitszahn-OP hatte. In Kurzfassung also kühlen, nicht rauchen, Medikamente nehmen, kein Alkohol oder Koffein, hochgelagert Schlafen und zwei Mal täglich die mitgegebene Mundspülung benutzen. Bei Schmerzen soll man Ibuprofen einnehmen (keine Aspirin, da diese blutverdünnend sind und somit Nachblutungen verursachen können) und am nächsten Tag sollte ich wieder zur Nachkontrolle kommen.

Dr J gab mir ein Gerät zum Kühlen mit und wir verabschiedeten uns für diesen Tag, mit dem Lob auf Dr J's Lippen, dass ich das alles wirklich toll gemacht hätte.

Die ganze Rückfahrt über war ich derart zerstreut, dass ich mich selbst nicht wieder erkannte. Ich war die ganze Zeit stumm am heulen und verbot meiner Mutter in meiner Grisgrämigkeit sogar jede Frage, jeden Zuspruch und jeden Trost den sie hätte aufbringen können, bis wir bei mir zu Hause ankamen. Von dort an hatte ich mich soweit einbekommen, dass ich mit Mama eine Runde auf der Couch kuschelte, bis mein Verlobter M von der Arbeit nach Hause kam. Nachdem die Beiden einen Kaffee getrunken hatten und meine Mutter M alle Anweisungen von Dr J übermittelt hatte, verabschiedete sie sich von mir und sagte, ich solle mir etwas Ruhe gönnen.
 

Das Gerät zum kühlen, welches Dr J mir mitgegeben hatte, stellte sich als äußerst praktisch heraus. Es heißt „Hilotherm Homecare“ und ich kann es nur Jeden empfehlen, der langfristig irgendeine Körperstelle kühlen muss. Es ist ein kleiner Kasten mit der Größe einer halben Mikrowelle, welches kontinuirlich einen kühlenden Wasserkreislauf erzeugt. Der „Kasten“ ist immer gleich, aber man kann viele verschiedene Manschetten anbringen sodass z. B. Ein Gelenk, eine Brust oder andere Körperteile gekühlt werden können.In meinem Fall wurde also eie Gesichtsmasken-Manschette an diesen Kreislauf angeschlossen. Es sieht zwar ziemlich ulkig aus, wenn man diese Maske anzieht, aber sie erfüllt ihren Zweck und ich musste nicht alle zehn Minuten aufstehen und etwas Neues zum kühlen holen. Wirklich fantastisch!

Leider kann man die Schwellung damit aber nicht aufhalten, sondern nur eindämmen.
 

Am nächsten Tag fuhr ich zur Nachuntersuchung, wo Dr J penibel die operierten Stellen im Mund untersuchte. Die Schwellung war zu der Zeit schon dicker geworden, was Dr J als „normal“ einstufte. Auch ich wusste, dass die Schwellung noch schlimmer werden würde, da die Schwellung erst am dritten Tag ihren Höhepunkt erreicht. Nachdem er alles zufrieden abgenickt hatte, vereinbarten wir den nächsten Termin in genau einer Woche.
 

Es ist wahrscheinlich einer meiner schlimmsten Gewohnheiten, auf der Couch zu schlafen, wenn ich krank bin oder wenn es mir generell nicht gut geht. Ich lasse mich so lange vom Fernsehr beschallen, bis ich einschlafe. Wenn ich das nicht habe, versinke ich in meinen Gedanken, Unannehmlichkeiten oder Schmerzen, steigere mich da rein und kann dann eh nicht schlafen. Und M hat jede einzelne Nacht auf unserer kleinen, unbequemen Couch mit mir verbracht.

Die ersten Beiden Nächte konnte ich nicht durchschlafen. Mitten in der Nacht bin ich aufgewacht, nur um zu merken, dass die Schwellung immer schlimmer wurde. Entgegen der Schwellung nach der Weisheitszahn-OP blieb sie dieses Mal nicht im Mund-Kiefer-Bereich, sondern zog sich hoch bis in die Augen. Nach zwei Tagen konnte ich nicht mehr erkennen, dass sich ein Nasenbein zwischen meinen Augen befand und meine Augen schwollen so sehr an, dass ich beinahe nicht mehr durch sehen konnte. Ich traute mich nicht einmal mehr raus auf unsere Terasse, da ich befürchtete, dass Jeder der mich erblicken könnte der Meinung wäre, dass mein Verlobter mich grün und blau geschlagen hätte. Ich sah aus, als wäre ich vom Bus überfahren worden.

Sogar meine Krankenschwester-Schwester A hatte Angst, dass ich keine Luft mehr bekommen würde. Und sie hat mich nur auf Bildern gesehen.

Doch nach Tag drei schwoll mein Gesicht Schritt für Schritt ab und zurück blieben nur meine rot-blau unterlaufenen Augen und ein grünlich ummalter Mund. Immernoch kein schöner Anblick, aber es ging Berg auf.

Aufgrund der Tatsache, dass eher mein oberes Gesicht anschwoll, musste ich mich auch nicht nur von Suppe und Brei ernähren. Bereits nach den zweiten Tag konnte ich Nudeln vertilgen, die meine Mutter und meine Schwester R mir vorbei brachten. Besser so, denn wenn ich hunger habe, werde ich zum Miesmuffel!

Generell fühlte ich mich fitter als nach der Weisheitszahn-OP, auch wenn mein Körper nach jeden Klogang in Schweiß ausbrach – eine klare Ansage, dass ich mich weiter schonen sollte. Nach Tag fünf war mein Gesicht so weit abgeschwollen, dass ich mich sogar wieder raus traute. Ich sah zwar noch verblötscht aus, aber nicht wie nach einem Bungee-Jumping-Unfall. Den erste Tag, den ich nicht ausschließlich auf der Couch verbrachte, besuchten M und ich meine Eltern, die mich immernoch ansahen, als wäre ich verunglückt. Mein Vater hatte mich seit der OP ausschließlich auf Bildern gesehen, die ich meiner Mutter und meinen Schwestern als tägliches Update schickte.

Aber ich war froh nochmal raus zu kommen, nachdem ich mich eine Woche strickt an die Schonung gehalten hatte. Auch wenn mein Körper mir immer wieder klar machte, dass ich noch nicht so los legen kann, wie ich es gerne hätte.

Auch meine Mutter und meine Schwestern legten mir ans Herz, mich noch eine Woche zu schonen.
 

Also wurde mein eigentlicher Kontrolltermin einen Tag vorverlegt und als ich Dr J schilderte, wie ungewöhnlich mein Körper sich momentan verhält, schrieb er mich direkt eine weitere Woche krank. Eigentlich wollte ich nur bis zur Mitte der Woche krank geschrieben sein, da ich auf der Arbeit noch einen Monatswechsel bearbeiten muss, jedoch sollte ich auch vernünftig sein. Das alles kann auch nächste Woche noch bearbeitet werden. Also ließ ich mich breit schlagen.
 

M hatte aber nach dieser Woche die Nase voll, auf unserer kleinen Couch zu nächtigen und organisierte einen kleinen Fernsehr, den er bei uns im Schlafzimmer aufstellte. Also konnten wir nach dieser glorreichen Idee wieder ins Schlafzimmer umziehen, was zwei tolle Nebeneffekte hat: Erstens, sein armer Rücken muss nicht mehr darunter leiden. Zweitens, sieht unser Wohnzimmer nicht mehr aus wie eine Krankenstation. Mein Held!
 

Schlussendlich kann ich nur sagen, dass es sich zwar ziemlich ungewöhlich in meinen Mund anfühlt (klar, wenn man nichts Anderes gewöhnt ist), aber im Endeffekt würde ich es immer wieder machen!



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