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Weltenstaub

von

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Prolog: Auch das noch


 

Mit einem Fluch auf den Lippen ließ Faren die Tür hinter sich zufallen. Sofort erstarb der rege Lärm aus dem Inneren der Disco, lediglich das dumpfe Hämmern der Bässe verfolgte ihn bis hier auf die Straße. Er angelte eine Zigarette irgendwo aus seiner Weste (Ende des Monats gab es nur noch selbstgedrehte, die Krümel durfte er sich also nachher wieder aus der Tasche klopfen) und zündete sie an, während er die Straße hinunterging, weg von der Geräuschquelle, die seinen Schädel als Trommel zu benutzen schien.

In weiser Voraussicht hatte er sein Auto zu Hause stehenlassen, einen weiteren Verstoß gegen das Gesetz konnte er sich schließlich nicht leisten. Außerdem gab es kaum noch Möglichkeiten richtig zu fahren, schon ein Blick auf die Straße machte ihn wieder depressiv, egal wie viel Alkohol er intus hatte. Vielleicht hätte er doch noch nicht gehen sollen, es fühlte sich noch nicht so an, als könnte er einfach ins Bett fallen und sofort schlafen – oder auch bewusstlos werden, da war er nicht anspruchsvoll, Hauptsache er müsste mal eine Weile nicht über den aktuellen Zustand der Welt nachdenken. Aber selbst an der frischen Luft und in der Stille kam es ihm vor als benutze ein Drummer seinen Kopf für ein Rock-Solo.

»Fickt euch, Schmerzen«, zischte er.

Natürlich hatte er keine Tabletten dagegen dabei, sein Vater sprach sich dafür zu sehr gegen diese aus – und solange er bei diesem lebte, könnte er sich auch keine leisten. Schon die Zigaretten waren eigentlich verboten, aber die ließ er sich nicht einfach nehmen.

Sein Handy vibrierte in seiner Tasche. Vermutlich sein Vater mit seiner üblichen Litanei, dass er um diese Zeit längst zu Hause sein sollte. Seit alles in dieser Welt vor die Hunde ging, war sein Vater noch aufdringlicher geworden. Sicher, er machte sich Sorgen, aber dennoch übertrieb er es dabei einfach nur und das nervte tierisch.

Einen leisen Fluch murmelnd griff er in seine Tasche. Er bekam das Handy mit den Fingerspitzen zu fassen und zog es hervor. Ehe er auf das Display sehen konnte, begann sich die Welt um ihn zu drehen. Stöhnend taumelte er zur Seite und prallte gegen de Wand. Das Handy fiel mit einem lauten Klappern zu Boden.

»Auch das noch …«

Sich an der Wand abstützend, damit er nicht doch noch das Gleichgewicht verlor, ging er in die Knie und streckte die Hand nach seinem Telefon aus. Allerdings erreichte er es noch nicht – warum hatte es auch so weit fallen müssen?

Einen kurzen Moment überlegte er, einfach wieder aufzustehen und weiterzugehen. Wer brauchte schon ein Handy? Vor allem in diesen Zeiten?

Aber mit Sicherheit bekäme er Stress mit seinem Vater, wenn er ohne Telefon heimkäme, also war das keine Option. Er beugte sich ein wenig vor, weiterhin darauf bedacht, seinen Kopf nicht zu sehr zu neigen, damit die Welt still stehenblieb.

Das Handy blieb außerhalb seiner Reichweite.

Fluchend wollte er möglichen Schwindel ignorieren und sich weiter nach vorne beugen – doch etwas schien ihn festzuhalten. Irritiert versuchte er sich loszureißen, aber etwas zog ihn dafür noch weiter zurück.

»Was …?!«

Er drehte den Kopf – und erstarrte. Auf den ersten Blick sah es aus, als stecke sein Arm bis zum Ellenbogen in der Mauer des Hauses. Bei genauerem Hinsehen erkannte er jedoch, dass der Bereich eigenartig verzerrt war. Direkt darüber erkannte er auch den Grund dafür: ein bläulicher Kristall aus dem unablässig Pulver herabrieselte. Es waren genau dieselben wie jene, die aktuell auch die Straßen versperrten, und wegen denen Experten empfahlen, zu Hause zu bleiben.

Erklären konnte er das Phänomen nicht, denn nicht einmal diese Idioten, die dafür bezahlt wurden, waren bislang dahinter gekommen, worum es sich handelte. Aber während immer mehr von seinem Arm in diesem Etwas verschwand konnte und wollte er auch gar nicht darüber nachdenken, was es sein könnte. Es zählte nur, dass hier etwas vor sich ging, was er nicht verstand – und er spürte dabei nicht einmal etwas. Keine Schmerzen, keine Taubheit, nicht einmal ein seltsames Kitzeln, er war sogar überzeugt, dass er seinen Arm ganz normal bewegen konnte, selbst wenn er ihn nicht mehr sah.

Noch einmal bewegte er sich ruckartig nach vorne. Die Verzerrung riss ihn zurück, sein Kopf stieß gegen einen Teil der noch festen Mauer. Schmerzen explodierten regelrecht in seinem Schädel, Sterne tanzten vor seinen Augen, saure Galle stieg seine Kehle hinauf. Inzwischen steckte er bis zu seiner Schulter in diesem Ding, niemand war auf der Straße und sein Handy nach wie vor zu weit weg, um es zu erreichen. In dieser Gegend würde ihm auch niemand zu Hilfe kommen, selbst wenn er danach riefe, dafür waren sie alle zu sehr an Schlägereien unter betrunkenen Clubgängern gewöhnt, ganz zu schweigen von anderen, die wohl auch schon verschluckt worden waren. Warum sollte man sich da auch einmischen, wenn man es nicht musste?

Vielleicht hätte er sich einfach an den Rat halten sollen, nicht auszugehen, aber wer konnte das schon aushalten? Er jedenfalls nicht, besonders nicht mit seinem Vater im selben Haus.

Er sah die Verzerrung an, die ein bisschen zu wabern schien, so dass er nicht einmal seinen Arm darin ausmachen konnte. Dafür weckte es den Wunsch in ihm, sich einfach zu übergeben. Nicht nur, um die Übelkeit loszuwerden, sondern auch alles Schlechte, was sich in seinem Inneren angestaut hatte, weswegen es ihm schwerfiel, ohne Alkohol überhaupt noch einzuschlafen.

Wenn er so darüber nachdachte, war es möglicherweise sogar besser, einfach in dieses Ding einzutauchen, um herauszufinden, was sich jenseits davon befand. Falls er nicht zurückkäme, wäre nichts Wertvolles verlorengegangen, falls doch, könnte er vielleicht sogar mit einer neuen Entdeckung auftrumpfen, die all diese Experten ins Staunen versetzte.

Es konnte kaum noch schlimmer in seinem Leben kommen, oder?

Um sich das selbst zu beweisen, atmete er tief durch, dann schloss er die Augen – und tauchte mit dem Oberkörper in die Verzerrung ein.
 



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  CatariaNigra
2021-01-23T14:52:08+00:00 23.01.2021 15:52
Mmh, klingt spannend! Ich bleibe mal dran...
Antwort von:  Flordelis
23.01.2021 18:41
Danke für den Kommentar~. Ich hoffe, es bleibt spannend. =)


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