Zum Inhalt der Seite

Der letzte Sieg

Böse Vorahnung
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

2. Der farblose Garten

Die ersten Sonnenstrahlen berührten sanft die Erde wie es der Frühling niemals hätten besser machen können. Die Stadt Yin Yan lag friedlich eingebettet zwischen den Bergen des Mianyang Gebirges. Die Baustellen um die Häuser waren fast verschwunden und die Arbeiten an ihrem Aufbau so gut wie abgeschlossen. Nach einem kalten Winter kehrten die ersten warmen Wochen ein und an einigen Stellen sprossten Frühlingsblumen zwischen Felsen hervor.

In diesem Jahr kam der Frühling wesentlich früher als im Vorjahr. Aber das konnte einer Person nur recht sein, die gerade durch die Privaträume der Palastkorridore schlich. Vor einer Tür hielt sie an und öffnete diese so leise wie möglich. Anschließend ging sie auf Zehenspitzen durch den Raum, wo sich ein großes Bett an der Wandseite befand. Die eine Hälfe war leer, aber auf der anderen lag eine schlafende Gestalt.

Die eingeschlichene Person lächelte bei diesem Anblick. Er war schon recht früh an diesem Morgen aufgestanden, stets darauf bedacht gewesen sie nicht zu wecken. Jetzt war er nach einer Weile wieder zurückgekehrt und huschte zu der schlafenden Frau im Bett rüber. Er hielt den Atem an, als er die Pfauenhenne betrachtete. Sie war schön. Sogar wenn sie schlief und er ihre silbernen Augen nicht sehen konnte. Sachte beugte er sich zu ihr runter und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf die Wange. Dann verließ er still und leise schnell wieder das Zimmer.

Kaum war die Tür zu, begann die Pfauenhenne zu blinzeln und schlug die Augen auf. Mit einem wohlbehaglichen Stöhnen drehte sie sich auf die andere Seite und fühlte neben sich. Aber die andere Seite des Bettes war leer.

Überrascht hob sie den Kopf. Derjenige, der sonst jeden Morgen neben ihr lag, war nicht mehr da. Stattdessen zierte ein Stück Papier das Kopfkissen.

Zögernd nahm sie es und las: „Ich warte auf dich im Süd-Hof.“

Noch immer etwas verschlafen rieb sie sich den Kopf und schien etwas verwirrt. Sonst erlaubte er ihr nie in den Süd-Hof zu gehen. Doch trotz ihrer Zweifel vertraute sie dennoch darauf, dass er es ernst meinte und stieg aus dem Bett.

Nachdem sie sich eine frische Robe übergezogen hatte, verließ sie den Raum und stieg die Gänge runter bis sie zu einem der vielen Ausgänge des Palastes kam, der in den Süd-Hof führte.

Sie kniff die Augen zusammen, als das helle Morgenlicht sie etwas blendete. Wie immer bestand ihre Welt nur aus schwarz-weißen Farben. Manchmal verfluchte sie ihre Farbenblindheit, aber andere Dinge im Leben glichen diesen Fehler wieder aus.

Während sie einen mit Kies bestreuten Weg entlangging, sah sie sich immer wieder suchend um. Er wollte hier auf sie warten, aber wo?

Ihr Blick fiel nach vorne. Sonst durfte sie nie hierher. Sie hatte nicht nach dem Grund gefragt. Wenn er etwas nicht sagen wollte, dann drängte sie ihn auch nie weiter.

Sie reckte den Hals. Von hier aus verlief der Weg zu einer freien Fläche, die Monate zuvor noch aus Steinplatten bestanden hatte. Aber jetzt stand etwas ganz anderes da. Sie kniff erneut die Augen zusammen, um es besser erkennen zu können.

Ein Knirschen hinter ihr ließ sie aufhorchen. Sie erschrak, als sich zwei Flügel über ihre Augen legten.

Doch als sie ein sanftes „Guten Morgen“ hörte und er sich an ihren Rücken schmiegte, beruhigte sie sich schnell wieder.

„Guten Morgen“, hauchte sie mit einem Lächeln zurück und umfasste seine Flügel auf ihrem Gesicht.

Dann drehte er sie zu sich um und beide sahen sich an.

„Warum so geheimnisvoll?“, fragte Yin-Yu und strich dem weißen Lord über die Flügel, die sie immer noch an der Taille festhielten.

Shen lächelte. „Warte es ab. Schließ die Augen.“

Sie tat es. Sie vertraute ihm blindlings. Anschließend nahm er sie an den Flügel, drehte sie erneut um und führte sie den Weg runter. Sie gab ihr bestes nicht in die Versuchung zu kommen zu blinzeln. Er sollte nicht von ihr enttäuscht sein.

Nach einer Weile hielt er an, sie ebenfalls.

Er ließ sie los.

Sie verharrte.

„Öffne sie.“

Mit Anspannung schlug sie die Augen auf und musste sich die Flügel vor den Schnabel halten. Sie befanden sich auf einem gepflegten kleinen Platz. Rund herum standen Steinskulpturen von Pfauen, fein geschnittene Bäume in allen möglichen Formen und dazwischen entweder verzierter Kies, der in Wellen ausgestreut schöne Muster auf dem Boden ergab, oder Pflanzen, die zwar keine Blüten trugen, dafür war es noch zu kühl, aber selbst deren Blätter wundersame Muster besaßen. Etwas weiter weg führte eine kleine Brücke über einen künstlich angelegten Bach und einen kleinen Teich.

Sie war so von dem Blick gefangen, dass sie kaum seine Flügel auf ihren Schultern spürte und er sie sanft massierte.

„Alles Gute zum Hochzeitstag.“

Sie drehte sich zu ihm um. Sie war immer noch nicht in der Lage einen Ton von sich zu geben.

Schmunzelnd kam Lord Shen mit seinem Gesicht näher. „Hattest du wirklich gedacht, ich würde unseren Hochzeitstag vergessen?“

„Nein, nein“, sagte sie schnell. „Ich hatte nur nicht mit so einem schönen Geschenk gerechnet.“

Wieder ließ sie ihren Blick schweifen, während Shen mit seinem Flügel um sich wies.

„Die Steine besitzen keine Farben. Jeder soll alles so sehen wie du es siehst. Niemand soll sich dir überlegen fühlen.“ Er deutete auf eine Gruppe von Pflanzen. „Sogar die Blumen sind was Besonders. Sobald sie blühen entscheidet nicht die Farbe, sondern ihre Form. Aber du wirst sie erst im Sommer bewundern können. Und im Winter kannst du dich weiterhin an der Architektur der Skulpturen und Stein-Verzierungen erfreuen.“

Yin-Yu konnte nicht anders und fiel ihm um den Hals. Der Lord zuckte zusammen, als er Tränen auf seinem Hals fühlte. Dabei drückte sie sich feste an ihn.

Der Lord verlangte kein gesprochenes „Danke“ von ihr, dennoch hauchte sie es aus tiefsten Herzen aus. „Danke.“
 

Es dauerte eine Weile bis sie den Garten wieder verließen und in den Palast zurückkehrten. Kaum waren sie in einer der großen Hallen angekommen, wurden sie auch dort bereits von anderen erwartet.

Yin-Yu war nicht sonderlich überrascht, als ihre Kinder Xia und Sheng ihr entgegenkamen und sie herzlich umarmten.

„Herzlichen Glückwunsch“, gratulierten sie.

„Ich danke euch“, entgegnete ihre Mutter überwältigt.

Erst als sie sich aus ihren Umarmungen gelöst hatten, traten sie zu ihrem Vater ran. Allerdings mit einer etwas zurückhaltenden Geste.

„Auch dir Vater“, begann Xia. „Wir wünschen euch alles Gute.“

Sie verneigte sich, was auch Sheng tat. Der weiße Lord erwiderte die Verbeugung und legte einem jeden seinen Flügel auf ihre Flügel. Es fiel ihm immer noch etwas schwer sie als seine Kinder zu betrachten. Er hatte sie erst vor einem Jahr kennengelernt und waren immer noch manchmal wie Fremde für ihn. Dennoch gab er sich die größte Mühe sie in sein Herz einzuschließen.

„Vielen Dank“, sagte er.

Eigentlich hatte er vorgehabt nicht so formell zu wirken, aber er konnte sich einfach nicht vor den Augen anderer überwinden sie zu umarmen.

Doch die beiden Geschwister nahmen es ihm nicht übel und traten beiseite, um den anderen ebenfalls die Gelegenheit zu geben dem Paar ihre Glückwünsche auszusprechen, wobei es nicht viele waren. Genauer genommen nur zwei, die aus der Wahrsagerin und ihrem Großneffen Ling bestand.

Ling machte den Anfang und verneigte sich respektvoll. „Ich wünsche euch ein zufriedenes und glückliches Leben weiterhin in diesem Reich.“

Das verheiratete Paar lächelte dankbar, nur Yin-Yu sprach ein Wort. „Hab vielen Dank auch für deine treuen Dienste.“

Als nächstes trat die alte Ziege an die beiden heran und nahm jeden von ihnen einen Flügel in den Huf. „Ich wünsche euch alles Gute für die Zukunft.“

Shen hob die Augenbrauen. „Zukunft?“

„Das ist doch nur so eine Redensart“, fügte Ling schnell hinzu.

Seine Großtante nickte ihm dankbar zu. Doch das beruhige Shen nicht unbedingt. Ihm war nicht verborgen geblieben, wie feste sie seinen Flügel gedrückt hatte, als sie diese Worte ausgesprochen hatte.

„Ist etwas…?“

Doch die Ziege lächelte ihn nur an.

„Macht einfach das Beste aus eurem Leben“, fügte sie hastig hinzu und ließ von ihnen ab. „Ich denke, ihr habt heute viel zu besprechen.“

„Inwiefern?“, wollte Yin-Yu wissen.

„Nun“, begann Shen. „Da heute ein besonderer Tag für uns ist, werden wir den ganzen Tag alleine miteinander verbringen.“

„Alleine?“

„Außer heute Abend. Da gibt es nochmal ein schönes Feuerwerk zur Krönung für den Tag.“

Er nahm ihre Flügel in seine und sah sie an, als ob er etwas von ihr erwarten würde. „Und?“

Sie sah ihn fragend an. „Was?“

Jetzt schien der Pfau verwirrt und legte den Kopf schief. „Nun, ich dachte… was hast du… für heute geplant?“

Auf einmal kicherte sie und umfasste sein Gesicht. „Dachtest du, ich würde vergessen dir was für unseren Hochzeitstag zu schenken?“

Shen kniff skeptisch die Augen zusammen. „Nun… nicht unbedingt. Ich dachte nur…“

Sie beugte sich zu ihm vor und flüsterte ihm etwas ins Ohr. „Ich zeig’s dir heute Nacht.“

Überrascht sah er sie an. „Heute Nacht? Warum nicht jetzt?“

Yin-Yu schaute verlegen zu Boden. „Nun, es ist etwas sehr… Privates.“

Shen hob verwundert die Augenbrauen. „Oh, okay, aber haben wir das nicht schon öfter gemacht?“

Sie lächelte. „Es ist ein besonderes Geschenk.“

Der Lord musste einsehen, dass es keinen Zweck hatte sie weiter auszufragen. „Na gut.“

Dann nahm er sie an den Flügel und führte sie von den anderen weg. „Das Frühstück nehmen wir in unserem Zimmer ein und am Abend ein Abendessen für uns allein.“

Sie kuschelten sich aneinander. Die anderen sahen ihnen mit Freuden nach.

Nur Ling bemerkte als Einziger wie seine Großtante dem Paar besorgt nachsah. Seine Verwunderung steigerte sich, als er beobachtete wie sie leicht den Kopf schüttelte.

Es war nur ein Traum.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück