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Green Rain

von

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Verhängnis

Meine Landung war nicht sonderlich elegant. Wie auch, wenn ich kopfüber aus einem Fenster hing. Doch das einzige, das mich interessierte war, dass ich mit meiner Haut nicht den nassen Boden berührte. Hoffentlich hatten wir uns mit dieser Aktion nicht selbst ins Aus geschossen. Und hoffentlich würde es nicht unerwarteterweise noch einmal anfangen zu regnen. Anstatt mir aber weiter darüber Gedanken zu machen, richtete ich meinen Blick sofort auf das Fenster. Am liebsten hätte ich nach Bakura gerufen, doch ich wollte keine unnötige Aufmerksamkeit auf mich ziehen. So blieb mir nichts anderes übrig, als zu warten und zu hoffen, dass er schnell nachkam. Ich lauschte auf jedes Geräusch. Mein Herz sackte ab, als das Verrücken schwerer Gegenstände zu hören war. Bakura musste sich von der Tür entfernt haben. Es vergingen quälend lange Sekunden, bis ich endlich das weiße Haar des anderen sehen konnte. Zwar hatte Bakura deutlich mehr Mühe, durch die kleine Öffnung zu kommen, schließlich landete er zu meiner Erleichterung aber neben mir auf dem Boden. Sofort packte er mich am Handgelenk und zog mich mit sich. Wir rannten um zwei Ecken und blieben schließlich hinter einem Teil des Gebäudes stehen, das uns einen guten Sichtschutz bot. Auch wenn ich bezweifelte, dass sie uns sehen mussten, um uns zu finden.

„Du blutest“, stellte ich erschrocken fest, als ich die Hand betrachtete, mit der er mich noch immer festhielt.

„Nur halb so schlimm. Hab mich geschnitten“, entgegnete Bakura, ohne auch nur einen Blick darauf zu werfen. Stattdessen schaute er um die Ecke. Das Adrenalin in seinem Körper war ihm deutlich anzusehen. Mir ging es nicht anders. Am liebsten wäre ich weiter gerannt ohne stehen zu bleiben. Jeden Augenblick könnten sie aus allen Richtungen zu uns kommen.

„Wir sind hier nicht sicher“, merkte ich flüstern an.

„Das denk ich auch, aber wir sollten nicht kopflos losstürmen.“ Wieder einmal überließ ich Bakura die Führung und schaute mich stattdessen aufmerksam um.

Seit Tagen waren wir nicht draußen gewesen. Nach wie vor war alles in einen grünen Schein gehüllt. Die Luft roch nach Regen, ohne einen unbekannten Nebengeruch zu haben. Alles wirkte vollkommen normal, mit Ausnahme des Lichtes. Dieses steuerte geradewegs auf den Horizont zu. Die Sonne würde sich bald hinter die Gebäude der Stadt senken und von der Nacht abgelöst werden. Wenn wir nur lange genug unentdeckt bleiben würden, hätten wir eine Chance.

„Sie kommen.“ Bakuras Worte rissen mich nicht nur aus meinen Gedanken, auch jagten sie mir einen kalten Schauer über den Rücken.

„Woher wissen sie, dass wir hier sind?“ Ich konnte das Zittern in meiner Stimme nicht vermeiden. Unmöglich konnten sie uns sehen. Hatten sie in der Schule auch nicht gekonnt.

„Es ist egal. Wir können uns nicht verstecken.“ Bakura gab sich gar nicht mehr die Mühe, zu flüstern. „Wir müssen weiter.“ Noch immer hielt er mein Handgelenk fest, das unter dem Druck mittlerweile schmerzte. Es war mir egal. Wieder setzten wir uns in Bewegung.

Wir verließen das Schulgelände und flohen in die schmalen Straßen zwischen den umstehenden Gebäuden. Meinen Kopf etwas drehend, erhaschte ich einen Blick auf die Gruppe an Leuten, die uns folgte. Waren sie eben noch gegangen, so wurden sie nun auch schneller. Trotz der Aufregung und des Adrenalins, das meinen Körper mit Energie flutete und der schieren Angst um mein Leben, die mir unendlich Antrieb verschaffte, wusste ich, dass meine Kräfte zur Neige gingen. Irgendwann würden wir langsamer werden. Irgendwann würden sie uns einholen. Nun war es ein Spiel gegen die Zeit. Wir brauchten die Nacht. Und vor allem mussten wir hoffen, dass sie sich auch dieses Mal so verhalten würden, wie die letzten Nächte.

Wir wechselten kein Wort. Sparten uns unsere Energie fürs Rennen. Es war wie ein Spießrutenlauf. Mit jeder Abbiegung die wir nahmen, bestand die Gefahr, einem dieser Leute direkt in die Arme zu laufen. Wir änderten oft die Richtung, mussten das ein oder andere Mal auch ausweichen. Unsere Verfolger wurden wir nicht los. Ganz im Gegenteil wurden es nur mehr. Die Hoffnung, aus dieser Situation lebend herauszukommen, nahm mit jeder Sekunde ab. Ohne Bakura, der mich immer weiter zerrte, hätte ich möglicherweise schon aufgegeben. Es war nicht so, dass ich nicht leben wollte, doch die letzten Tage waren wir nur in der Schule gewesen. Sich nun in der Stadt zu befinden und die Trostlosigkeit und Zerstörung zu sehen, war mehr als entmutigend. Es gab kaum eine Tür, die nicht offenstand, kaum eine Scheibe, die nicht eingeschlagen war. Hier und da schien es gebrannt zu haben. Es sah beinahe so aus, als hätte es einen Krieg gegeben. Und genau das war es auch. Doch gab es auch überlebende? Wie stand es um die Menschheit? Hatten diese unbekannten Wesen im Himmel tatsächlich gesiegt? Wie hoch standen die Chancen, dass ich meine Geschwister jemals wiedersehen würde?

Wir bogen gerade in eine weitere Straße ein, die sich als nicht viel mehr als eine Gasse entpuppte, als ein lauter Aufschrei zu hören war. Er kam nicht von unseren Verfolgern, sondern aus einem der Gebäude. Etwas zerbrach, etwas wurde mit einem lauten Knall zugeschlagen. Dann waren hektische Schritte zu hören, die sich von der Gasse entfernten, in die wir gerade eingebogen waren. Wir blickten beide zurück und sahen mehrere Personen, die mindestens genauso eilig wie wir das Weite suchten. Die Tatsache, dass die Leute, die eben noch hinter uns hergewesen waren nun ihnen folgten, machte deutlich, dass es sich dabei um normale Menschen handelte. Einerseits erleichterte mich der Gedanke, dass es noch andere Überlebende gab, andererseits hatten wir gerade unsere Verfolger an sie abgegeben. Ein schlechtes Gewissen kam jedoch nicht auf, als wir stehen blieben und schwer keuchend nach Luft schnappten.

Ich konnte nicht sagen, wie lange wir gerannt waren, doch jeder Muskel meiner Beine schmerzte. Meine Lunge brannte und mein Herz pochte so wild unter meiner Brust, dass ich beinahe befürchtete, dass es jeden Augenblick seinen Dienst verweigern würde. Bakura neben mir ließ endlich mein Handgelenk los, das längst rot war. Während wir wieder zu Atem kamen, schauten wir uns aufmerksam um. Es war eindeutig unser Glück, dass diese Leute scheinbar nicht allzu hartnäckig waren, wie angenommen. Schließlich hatten sie alle einfach ihr Ziel geändert. Trotzdem waren wir keineswegs sicher.

Wir verweilten so lange in der Gasse, wie keine Geräusche zu hören waren, die von der Anwesenheit einer anderen Person zeugten. Keiner von uns sprach ein Wort. Stattdessen hing ich meinen Gedanken nach.

Wir befanden uns mitten in der Stadt. Ohne entsprechende Transportmittel würde es zu lange dauern die Stadt zu verlassen. Selbst zu mir nach Hause wäre es zu weit zu Fuß. Obwohl wir nun draußen waren, waren wir noch immer gefangen. In einer Stadt voller Menschen, die uns an den Hals wollten. Wir mussten uns irgendwo verstecken, wo wir einigermaßen sicher waren. Zumindest bis die Sonne untergegangen war. Doch ich kannte mich hier nicht aus und auch Bakura machte keinerlei Anstalten weiterzugehen. Wir konnten wohl nur hoffen, dass uns hier vorerst niemand entdecken würde. Wenn wir nur wüssten, wie sie noch gesunde Menschen aufspüren konnten. Vielleicht könnten wir dann entsprechende Gegenmaßnahmen ergreifen.

Leider wurde meine Hoffnung nicht erfüllt. Das Geräusch klarer Schritte kam langsam näher. Bakura sprang sofort wieder auf und auch ich war bereit für eine erneute Flucht. Obwohl wir eine kurze Pause hatten einlegen können, war ich doch nicht recht zur Ruhe gekommen. Wir zogen uns weiter in die Gasse zurück, doch die Schritte folgten uns eindeutig. Nochmals nahmen wir die Beine in die Hand und rannten.

Schnell waren wir wieder auf einer der breiten Straßen, der wir sogleich folgten. Wir blieben nie lange auf einer. Bakura nahm jede Abbiegung, an der wir vorbeikamen. Trotzdem konnte ich bei einem Blick zurück unseren Verfolger erkennen. Es war nur einer. Bis jetzt. Wie wir aber an all den Häusern vorbeirannten, liefen wir noch weiteren über den Weg. Hier und da kamen sie aus den Gebäuden und ich warf einen Blick zum Himmel. Ab wann es wohl dunkel genug war? Für einen kurzen Augenblick hatte ich keine Sicht auf den Boden und stolperte jäh über etwas. Mit Mühe versuchte ich wieder meinen Takt zu finden, stattdessen knickte ich mir aber den Fuß um und stürzte zu Boden. Ich hatte keine Zeit für die Schmerzen in meinem Knöchel. Oder für die blutigen Schrammen an meinen Händen. Kaum hatte mein Körper den Boden berührt, stand ich auch schon wieder. Meine Bewegung stoppte nicht, schließlich konnte ich mich unmöglich von unseren Verfolgern schnappen lassen. Bakura hatte sich zu mir umgedrehte und packte mich nun wieder am Handgelenk, um mich mit sich zu ziehen. So sehr ich auch wollte, mit einem Mal konnte ich nicht mehr Schritt mit meinem Kumpel halten. Wir waren nicht weit gekommen, als Bakura meine plötzliche Schwäche zu spüren schien. Er steuerte die nächstbeste offenstehende Tür an. Ich wollte ihn anschreien, dass es zu gefährlich wäre, sich dort hineinzuflüchten, doch die anderen hatten bereits aufgeholt. Ich war zu langsam. In dem Haus gab es zumindest die Option, dass sich die Tür verschließen ließ und sich gerade niemand darin befand. Würden wir hingegen weiterhin wegrennen, würden sie uns, beziehungsweise mich schon bald erwischen. Zusammen mit uns erreichte ein Mann die Tür, die wir ansteuerten.

Bakura ließ mich los und trat ihm aus dem Lauf heraus gegen die Kniescheibe. Unter einem lauten Knacken gab sie nach und ermöglichte es uns, in das Gebäude zu fliehen. Ich stolperte hinein und drehte mich sofort um, um nach Bakura zu schauen. Er wollte mir gerade folgen, als der zu Boden gegangene Mann, nach ihm griff.

„Bakura!“, versuchte ich meinen Kumpel noch zu warnen, doch er wurde bereits am Bein festgehalten. Panik stieg in mir auf, als ich mich daran erinnerte, wie Miho sofort gebissen worden war. Ich wollte wieder nach draußen stürmen, um das zu verhindern, doch Bakura reagierte schneller. Erneut trat er aus und traf dieses Mal den Kopf des Angreifers. Zwar zeigte dies die gewünschte Wirkung, jedoch verlor Bakura bei der Landung sein Gleichgewicht. Würde er nun stürzen, würde er möglicherweise nicht mehr schnell genug auf die Beine kommen. Das musste ihm ebenso klar sein, wie mir. Mit vollem Körpereinsatz griff er um sich und schien tatsächlich Halt an etwas zu finden, was sich außerhalb meines Sichtfeldes befand. Im nächsten Augenblick jedoch, ergoss sich ein Schwall Wasser auf den Boden, der zum Teil auch Bakura traf. Mit einem schnellen Sprung folgte er mir endlich in das Haus und schlug die Tür hinter sich zu. Sofort stand ich neben ihm, so dass wir sie gemeinsam zudrücken konnten. Zu unserem Glück hatte sie einen Riegel, den Bakura vorschob. Tatsächlich folgte ein wildes Klopfen und Hämmern, doch die Tür blieb zu. Vorerst. In kalten Schweiß gebadet starrte ich den nassen Bakura neben mir an.



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