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Im Himmel ist der Teufel los

Apokalypse Reloaded
von

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Szenen einer (Nicht)beziehung

Pandämonium war das unangefochtene Prunkstück der Hölle und das Wahrzeichen für Dekadenz und Ausschweifungen aller Art. Hier lebte die High Society weit entfernt von den Sorgen und Nöten der niederen Dämonen und schwelgte im nie enden wollenden Luxus. Nur die auserkorenen gefallenen Engel und jene, die in der Gunst Satans und seiner engsten Gefolgschaft standen, war es erlaubt, überhaupt einzutreten. Hier zu wohnen war fast schon unmöglich wenn man nichts vorzuweisen hatte. Es war ein atemberaubender Anblick, der nicht wenige Menschen zu dem Irrglauben geführt hätte, dass dies hier das eigentliche Paradies sei. Nun, in gewisser Hinsicht war dieser Gedanke gar nicht so verkehrt. Immerhin lebte es sich hier deutlich besser als in den anderen Höllenkreisen. Wenn man als Mensch nach dem Tode hierhergekommen wäre, dann hätte man tatsächlich sagen können, dass dies hier wie eine Art zweites Paradies war. Nur wurde es halt nicht von einer Horde spießiger Kuttenträger bewacht. Dumm nur, dass Menschen hier keinen Zutritt hatten und die mächtigsten Bewohner der Hölle diesen Platz ganz allein für sich reserviert hatten. Also hatte man nicht wirklich etwas davon.

Zentrum dieses Ortes bildete der gigantische goldene Palast, in welchem Satan selbst residierte. Eigentlich hätte auch sein Sohn hier in all dem Luxus aufwachsen können, wenn dieser nicht so eine Enttäuschung für seinen alten Herrn gewesen war. Und um diesen unliebsamen Schandfleck wieder loszuwerden, hatte Satan bei der nächstbesten Gelegenheit die Vaterschaft verleugnet und seinen Sprössling nach Dis abgeschoben. Natürlich in der Hoffnung, ihn nie wieder sehen zu müssen. Und kaum, dass ihm zu Ohren gekommen war, dass sein Sohnemann vorhatte, zur anderen Seite zu wechseln (was natürlich wie Salz auf Satans Wunden war), hatte der Regent der Hölle ein stattliches Kopfgeld auf ihn aufgesetzt. Derjenige, dem es gelingen würde, ihm den Verräter Nazir auszuliefern, würde nicht nur enorme Reichtümer erhalten, sondern auch einen Platz in Pandämonium. Für Satan stand endgültig fest, dass er diesen unliebsamen Schandfleck vom Antlitz der Welt vertilgen wollte. Nicht auszumalen was sein Gefolge denken würde wenn sich herumsprach, dass der Sohn des obersten Herrschers ein verweichlichter Waschlappen war, der nicht einmal zu einem anständigen Dämon taugte. Er würde zum Gespött seiner gesamten Gefolgschaft werden. Wo gab es denn überhaupt so etwas, dass der eigene Sohn derart missraten konnte? Für ihn hatte festgestanden, dass Nazir unmöglich sein Sprössling sein konnte. Der Sohn Satans war ein Tyrann, der seine Feinde mit Terror und Gemetzel unterwarf und die Welt ins Chaos stürzte. Aber stattdessen faselte Nazir schon seit er sprechen konnte nur von Engeln und Nächstenliebe. Mit Sicherheit war ihm dieses Balg bloß untergeschoben worden. Wer konnte denn schon sagen, mit wem Lilith noch alles geschlafen hatte? Garantiert hatte die Frau selber keine Ahnung, welches ihrer Kinder von welchen Vätern war.

Naja, zum Glück war es bald vorbei. Nazir war erfolgreich festgenommen worden und würde am kommenden Sonntag als Verräter der Hölle hingerichtet werden. Dann konnte er endlich wieder ruhig schlafen.

Tief in Gedanken versunken saß Satan auf seinen Thron, der von den besten Goldschmieden und Zimmerleuten in der Hölle angefertigt worden war. Alles in seiner geliebten Hauptstadt war schöner und prachtvoller als alles, was die Menschen zu erschaffen vermochten. Mit Pandämonium hatte er ein Zeichen gesetzt, dass er den Himmel nicht brauchte, um wie ein wahrer König der Könige zu leben. Jeder würde töten, um auch nur einen Blick auf das höllische Paradies zu werfen und alle priesen seinen Namen, dass sie hier in der Hölle in größerem Luxus leben könnten als sie sich im Himmel zu träumen gewagt hatten. Was die Engel alles als sündhaft verdammten, fand man hier. Es gab hier sogar W-LAN Empfang! Wenn die Engel im Himmel von all diesen Reichtümern wüssten, würden sie vor Neid erblassen und ihren Entschluss bedauern, einem alten Knauser wie Gott hörig zu sein, der bloß Sittsamkeit, Keuschheit und Enthaltsamkeit predigte. Davon konnte man sich auch keinen Blumentopf kaufen.

Ein lautes Klopfen erklang an der Tür und vorsichtig wurde sie geöffnet. Herein trat Jetarel, seines Zeichens gefallener Engel, dämonischer Botschafter und quasi Satans Empfangsdame und Sekretär. Im Grunde war er ein anständiger Kerl, allerdings war ihm die Tatsache zum Verhängnis geworden, dass er eine verdammte Klatschtante war. Aber zumindest war er ziemlich nützlich wenn es darum ging, auf den aktuellsten Stand gehalten und über die Geschehnisse in der Hölle informiert zu werden. Hastig eilte der gefallene Engel zu ihm und wirkte völlig aus dem Häuschen. „Satan, ein Problem! Ein Riesenproblem!“

„Was für ein Problem?“ fragte der Herrscher der Hölle ungeduldig. „Sprich gefälligst deutlicher, Jetarel. Oder soll ich dir die Infos einzeln aus der Nase ziehen?“

Mit unbeholfenen Gesten begann der höllische Botschafter mit den Armen herumzufuchteln, fand aber kaum die passenden Worte dazu. „Er kommt… also sie… ich meine… sie kommen! Der Halb-Engel und Lilith, in Begleitung mit dem Verräter.“

„Welchen Verräter? Du musst schon etwas präziser sein, verdammt noch mal.“

„Nazir, Euer Sohn! Sie haben die Wachen überwältigt und sind auf direktem Weg zu Euch. Sie wollen mit Euch sprechen!“

Hier hielt Satan inne und dachte nach. Ein Halb-Engel? Meinte er damit etwa Malachiel? Was hatte der denn hier in der Hölle verloren? Und warum waren Lilith und sein Sohn bei ihm? War Nazir nicht eigentlich eingesperrt? Verdammt, da war doch irgendetwas im Busch. „Gibt es sonst noch irgendwelche Neuigkeiten von denen ich wissen sollte?“

Hastig nickte Jetarel und gestand kleinlaut „In Abbadon ist es zu einem Gefängnisaufstand gekommen. Die französischen Revolutionäre und die russischen Kommunisten haben sich zusammengeschlossen, sind aus ihren Zellen ausgebrochen und sind nun dabei, sämtliche Gefangene zu befreien. Sie sagen, sie wollen die Monarchie stürzen und ein neues System einführen um den kleinen Mann aus der Unterdrückung zu befreien. Was auch immer das heißen mag… Mehrere Dämonen haben sich diesem Aufstand bereits angeschlossen und die Wärter können die Revolte kaum eindämmen.“

Satan brauchte nicht lange zu überlegen um zu verstehen, wie das passieren konnte. Da steckte doch garantiert Lilith dahinter und das alles war eine Racheaktion weil sie spitzgekriegt hatte, dass ihr Kind eingesperrt worden war. Diese Frau machte ihm aber auch ständig Ärger, nur weil sie ihren eigenen Kopf haben musste. Kein Wunder, dass Adam damals die Schnauze voll von solchen Weibern hatte. Unter normalen Umständen hätte er solche Problemfälle verhaften lassen, aber da es sich bei den Eindringlingen ausgerechnet um Malachiel und die mächtigste Frau der Welt handelte, machte es keinen Sinn, die Wachen loszuschicken. Die würden doch eh keine Chance haben, also konnte er das Ganze genauso gut abkürzen. „Lass sie rein. Wenn Malachiel mit von der Partie ist, muss es sich um etwas Wichtiges handeln. Und was die Revolte angeht: schick Verstärkung nach Abbadon, notfalls auch die Elite-Legion. Ich will keine weiteren Aufstände mehr haben und nichts mehr über soziale Gleichberechtigung oder Mindestlöhne hören.“

Zuerst wollte der gefallene Engel etwas sagen und schien nicht ganz überzeugt zu sein. Doch da er sich lieber nicht mit dem Herrscher der Hölle anlegen wollte, verneigte er sich nur und eilte hastig wieder raus. Es dauerte keine fünf Minuten, als die Tür wieder mit einem lauten Knall geöffnet wurde und Lilith, Malachiel und Nazir hereinkamen. Allein der Anblick seines Sohnes reichte aus um ihm die Galle wieder hochkommen zu lassen. „Was wollt ihr hier und warum schleppt ihr mir diesen Verräter da an? Ich habe ihn höchstpersönlich aus Pandämonium verbannt und…“

„Du hältst jetzt mal schön die Kauleiste still, Freundchen“, unterbrach Lilith ihn und erhob drohend den Zeigefinger als sie näher kam. Sie war verdammt sauer, das sah man sofort. Doch davon ließ sich Satan nicht beeindrucken. Diese Frau konnte von Glück reden, dass sie so gut aussah, ansonsten hätte er sie schon längst einen Kopf kürzer gemacht. „Was musste ich da erfahren? Du hast ein Kopfgeld auf unseren Sohn ausgesetzt? Schämst du dich denn nicht? So tief kannst ja nicht mal du sinken! Was fällt dir überhaupt ein, so über Nazir zu sprechen?“

Das reichte nun endgültig. Er ließ sich hier mit Sicherheit nicht von einer Frau derart anbrüllen. Glaubte sie etwa, sie könnte sich alles erlauben nur weil sie wusste, wie sie ihren Körper einzusetzen hatte? Mit ernster Miene erhob er sich von seinem Thron und schaute mit finsterem Blick auf Lilith herab. „Ich mache hier was ich will, kapiert? Ich bin immer noch der Herrscher über die Hölle und dieser Versager da ist ein Verräter und wird dementsprechend als solcher behandelt. Und ich sage es dir noch mal: das da ist garantiert nicht mein Sohn. Du hast dich doch bloß von irgendjemandem schwängern lassen und willst mir jetzt diesen Bastard da unterschieben. Wenn du denkst, dass eine untreue Hure wie du mich täuschen kann, dann bist du gewaltig auf dem Holzweg!“
 

Wenn es etwas gab, das Lilith überhaupt nicht abkonnte, dann waren es Lästereien oder Schikane gegen ihre Kinder, oder wenn man sich über ihre Lebensweise lustig machte. Nun war für sie die zweite goldene Grenze überschritten und In diesem Augenblick wurde selbst Satan klar, dass er jetzt verdammt großen Ärger am Hals hatte. Als er den Zorn in ihren bernsteinfarbenen Augen aufflammen sah und ihre sonst so engelsgleiche Ausstrahlung in eine mordlustige Aura umschlug, beschloss er, doch lieber ein wenig zurück zu rudern. „Hör mal Lilith, wir können…“

Doch weiter ließ sie ihn nicht sprechen, denn da holte sie aus und verpasste ihm einen kräftigen Faustschlag ins Gesicht. Die übermenschliche Kraft und die gewaltige Wucht des Schlages rissen den Herrscher der Verdammten von den Füßen und er prallte gegen die Wand. Doch selbst die vermochte ihn nicht abzubremsen und stürzte gleich mit ein. „Glaubst du etwa, ich bin hier so etwas wie dein kleines Frauchen, oder was?“ rief Lilith wütend, stieg über die Trümmer drüber, packte Satan am Kragen und zerrte ihn hoch. „Jetzt schreib dir mal eins hinter die Ohren: ich bin nicht deine Frau, wir sind nicht zusammen und du hast mir hier nicht vorschreiben, wie ich mein Leben zu führen habe. Ich kann die ganze Welt durchficken und es hat dich einen Scheißdreck zu interessieren. Du hast Nazir als deinen Sohn akzeptiert und ihn aufgezogen als er klein war. Aber kaum rebelliert er und lebt so wie er will, revidierst du alles wieder weil er dir auf einmal peinlich ist und setzt dann ein Kopfgeld auf ihn aus! Du darfst dich wie ein Rebell aufführen und dich dafür feiern lassen, aber deinen Sohn verstößt du und willst ihn am liebsten umbringen lassen. Ich glaube du bist bei deinem Rausschmiss aus dem Himmel zu hart auf den Kopf gefallen! Na warte, Freundchen. Jetzt kannst du was erleben!!!“

Damit hob Lilith Satan hoch und schleuderte ihn quer durch den gesamten Raum. Satan prallte dabei gegen eine Statue, die mit einem lauten Knall zu Boden fiel und beim Aufprall zerbrach. Doch das war noch lange nicht genug. Ohne ihm auch nur eine kurze Ruhepause zu gönnen, ging die Dämonenmutter zu einem Sockel auf den eine bemalte Vase stand, warf die Vase achtlos zu Boden und schleuderte stattdessen den Sockel in Satans Richtung und traf ihn am Kopf. Malachiel und Nazir sahen sich diese gewaltsame Auseinandersetzung noch einen Moment an, doch als dann auch schon die ersten Gegenstände in ihre Richtung flogen, hielt Lilith kurz inne, wandte sich ihnen zu und rief „Ihr zwei solltet besser rausgehen. Der ganze Raum wird gleich offiziell zur Spritzzone!“

Nazir, der ein bisschen auf dem Schlauch stand, zog irritiert die Augenbrauen zusammen und fragte „Was meinst du damit? Was hast du vor?“

Doch Malachiel reagierte geistesgegenwärtiger, ergriff seinen Schüler am Arm und eilte schnell mit ihm nach draußen. „Glaub mir, das willst du lieber nicht mit ansehen“, meinte der Halb-Engel und verschloss hastig die Tür um auch ganz sicherzugehen. Kaum, dass die Tür ins Schloss fiel, hörten sie von der anderen Seite lautes Geschrei, Klirren von Porzellan und Glas und Scheppern von Metall. Hin und wieder knallte auch etwas gegen die Tür und nicht einmal Gott vermochte zu sagen, was sich da in dem Raum gerade abspielte. Man konnte nur hoffen, dass die Wände und Türen dieser gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen den beiden mächtigsten Wesen der Hölle standhielten. „Tut mir leid, dass Ihr wegen mir so viel Ärger habt und das hier auch noch mit ansehen musstet“, seufzte Nazir schließlich und ihm war anzusehen, dass ihm diese Situation ziemlich peinlich war. „So schlimm haben sich meine Eltern seit meiner Verbannung aus Pandämonium nicht mehr gestritten.“

Malachiel, der seinerseits nicht so wirklich wusste was er dazu sagen sollte, klopfte seinem Schüler aufmunternd auf den Rücken und meinte nur „Mach dir keine Gedanken deswegen. Du bist ein guter Junge!“

Eine ganze Weile warteten sie vor dem Thronsaal und hörten nur lautes Fluchen, Scheppern und zwischendurch auch lautes Donnern. Dann plötzlich knallte die Tür auf und Satan flog schreiend durch die Luft und prallte mit dem Rücken gegen eine Rüstung, die zur Dekoration im Flur stand. Er sah wirklich mitgenommen aus hatte ziemlich viel abgekriegt. Sein Gesicht war lädiert und blutig, sein linker Flügel war völlig zerknickt und er schaffte es nicht einmal, vernünftig auf die Beine zu kommen. Stattdessen stapfte Lilith aus dem Thronsaal heraus und rieb sich ihre blutverschmierten Fingerknöchel. Sie wirkte auch etwas mitgenommen, allerdings noch in vergleichsweise ziemlich guter Verfassung. Ihre elfenbeinfarbene Haut hatte ein paar Blessuren und Kratzer und ihr Haar war etwas zerzaust. Ansonsten wirkte sie noch topfit für eine zweite und dritte Runde. Ohne auf Malachiel und Nazir zu achten ging sie direkt auf Satan zu, packte ihn am Fuß und schleifte ihn wieder gewaltsam in den Thronsaal zurück, wobei sie wetterte: „Glaub bloß nicht, ich wäre mit dir fertig, Freundchen. So leicht kommst du mir nicht davon!“

Was genau sich dann abspielte, vermochte niemand zu sagen. Keiner wollte auch so wirklich nachsehen, was für Szenen des Grauens sich in diesem Raum abspielten. Aber Satans Schreie und sein fast schon verzweifeltes Betteln ließen zumindest erahnen, was für ein Martyrium er da gerade durchstehen musste. „Ja die Hölle kennt keine Wut wie die einer verschmähten Frau“, meinte Malachiel dazu. „Aber wehe dem, der den geballten Zorn einer rachsüchtigen Mutter zu spüren kriegt.“

„Ein bisschen tut er mir schon leid“, murmelte Nazir. „Meint Ihr, wir sollten dazwischengehen?“

„Besser nicht“, antwortete sein Mentor kopfschüttelnd und wollte sich lieber nicht diesen Machtkampf mit ansehen. Er wusste aus Erfahrung, dass das kein schöner Anblick sein würde und das wollte er seinem Schützling lieber ersparen. „Das müssen die unter sich ausmachen! Ansonsten gerätst du nur ins Kreuzfeuer und kriegst selber noch ein blaues Auge…“
 

Nach einer Weile hörte man nur noch ein klägliches Wimmern und Schluchzen aus dem Thronsaal. Schließlich kam Lilith heraus, die zufrieden strahlte und ziemlich ausgeglichen wirkte. Die Blutflecken auf ihrer Kleidung und ihre verschmierten Hände ließen erahnen, was sich da gerade abgespielt hatte. Mit einem dunklen Stofffetzen, der definitiv nicht von ihrer Kleidung stammte, machte sie sich provisorisch die Hände sauber und versuchte im Anschluss ihr zerzaustes Haar wieder zu bändigen. Dann wandte sie sich Nazir zu und grinste wie die stolzeste Mutter auf der Welt. „So, mein Schatz! Ich habe noch mal mit deinem Papa geredet und es tut ihm wahnsinnig leid, dass er so gemein und unsensibel zu dir war. In Zukunft wird er dich in Ruhe lassen und dafür sorgen, dass dich auch alle anderen nett behandeln und dir nichts passiert.“ Dann wandte sie wieder den Blick wieder in Richtung Thronsaal und rief mit eiskalter Stimme „Hab ich Recht, Satan?“

Ein leises Wimmern war das Einzige, was aus dem Raum drang und offenbar schaffte es der König der Hölle nicht einmal mehr, irgendein Wort hervorzubringen. Malachiel empfand fast schon so etwas wie Mitleid für ihn und wollte lieber nicht in Satans Haut stecken. „Also braucht Nazir keine Gefahr mehr zu befürchten?“

„Nein“, antwortete Lilith kopfschüttelnd und fand ihr zuckersüßes Lächeln wieder. „Ich habe Satan gesagt, dass ich ihm noch viel Schlimmeres antun werde, wenn mein kleiner Engel auf irgendeine Art und Weise verletzt wird. Und als erste Frau bin ich von Natur aus misstrauisch. Wenn mein Liebling also durch einen unglücklichen Unfall stürzt, durch schlechtes Essen krank wird oder sich sonst irgendetwas tut, werde ich sofort davon ausgehen, dass ein Dämon dahintersteckt. Und dann wird Satan den Tag bereuen, dass er mir über den Weg gelaufen ist.“

„Nach der Abreibung tut er das vermutlich jetzt schon“, kommentierte der Halb-Engel und wollte sich lieber nicht ausmalen, was Lilith mit Satan angestellt hatte um ihn derart zum Weinen zu bringen. Eines war jedenfalls so sicher wie das Amen in der Kirche: Mütter konnten echt furchteinflößend sein.

„So, da wir hier fertig sind, werde ich euch zum Fegefeuer bringen“, schlug die Dämonenmutter vor. „Dann habt ihr endlich euren Auftrag erfüllt und hoffentlich können wir diese dämliche Krise ein für alle Mal abhaken.“

Damit folgten sie Lilith durch den Palast bis sie einen riesigen gefrorenen See erreichten, auf dessen anderer Seite ein riesiges Tor lag. Was sofort auffiel war, dass in diesem gefrorenen See Schemen von Lebewesen zu erkennen waren. Bei genauerem Hinsehen konnte man Dämonen erkennen, die darin eingesperrt waren und vermutlich schon längst ihr Leben ausgehaucht hatten. Dies waren die ersten Verräter, die damals durch das Fegefeuer in den Himmel flüchten wollten um dem tristen Leben der Hölle zu entkommen. Früher hatte man diese Dämonen in den See geworfen und sie darin eingefroren. Aber irgendwann war der Platz knapp geworden, weshalb man das Abbadon-Gefängnis um einen weiteren Trakt ergänzt hatte und die Verräter nun auf klassische Methode hinrichtete. Es hatte also schon etwas ziemlich Makabres an sich, über einen gefrorenen See voller Verräter zu laufen. „Oh Mann, die hätten das Fegefeuer auch leichter zugänglich machen können“, seufzte Malachiel kopfschüttelnd. „Es findet doch kein Schwein hierhin.“

„Das war ja auch damals nur provisorisch“, erklärte Lilith, die sich selbst mit ihren High Heels problemlos über die glatte Eisfläche bewegen konnte. „Es sollte damals noch ein Tor im ersten Höllenkreis und eines im Himmelstribunal errichtet werden. Das Provisorium hat man ausgerechnet hier aufgebaut, damit das ganze Vorhaben geheim bleibt und nichts nach außen dringt. Aber letzten Endes hat es ja auch nichts gebracht und diese Schauergeschichten ums Fegefeuer haben sich schneller verbreitet als die Pest. Tja… dann ist das Projekt bekanntermaßen stillgelegt worden und aus den Extratoren ist dann natürlich nichts mehr geworden. Eigentlich hatte Chananel das Projekt betreut, aber nachdem er zu einem gefallenen Engel wurde, vertreibt er sich jetzt die Zeit irgendwo in Pandämonium und genießt das Leben.“

„Und wie ist das Fegefeuer so?“ hakte Malachiel aus Neugier nach. Da er selbst nicht allzu viel von dem Projekt mitbekommen hatte, kannte er natürlich keine Details. Und wenn er schon reingehen musste um das Ding wieder in Gang zu bringen, war es natürlich von Vorteil, wenn er ein paar Vorabinformationen bekam. Leider waren die Aufzeichnungen in Metatrons Archiven etwas dürftig. „Muss ich mir jetzt vorstellen, dass die Leute da drin bei lebendigem Leib geröstet werden?“

„Ach was, das ist alles bloß leeres Gequatsche“, winkte Lilith mit einem abschätzigen Schnauben ab. „Die Menschen erzählen sich da irgendwelche verrückten Horrorgeschichten über Höllenqualen und so. Also wenn ich Chananels Worten Glauben schenken darf, ist das Fegefeuer weniger wie ein richtiges Feuer und eher wie eine Art bequeme Sauna, wo man quasi seine Sünden ausschwitzt. Klingt komisch, ist aber so.“

Malachiel konnte sich ein amüsiertes Prusten nicht verkneifen als er das hörte. Dafür hatten die Menschen vor 500 Jahren einen so gewaltigen Aufriss gemacht und sich derart in die Haare gekriegt, dass ein angepisster Mönch eine Kirchenspaltung angezettelt hatte? Wegen einer heiligen Sauna? Das klang so bescheuert, dass es traurigerweise wieder realistisch klang. Wenn man bedachte, wie die Stille-Post-Bürokratie im Himmel funktioniert hatte, war es ja eigentlich kein Wunder, dass die Menschen die ganze Geschichte derart aufgebauscht hatten. So viele Menschenseelen hätten gerettet werden können und es war bloß daran gescheitert, weil die Leute aus einer Mücke einen Elefanten gemacht hatten. Natürlich war das auch Luzifers Streich geschuldet, aber wenn das Fegefeuer tatsächlich so harmlos war, verstand er nicht, warum man überhaupt erst so eine Geheimaktion daraus machen musste. Das erschien ihm ein bisschen unnötig. Aber zum Glück war es nicht sein Job, sich darüber Gedanken zu machen.

Als sie endlich das Tor erreichten, wandte sich Lilith ihren Begleitern zu und erklärte „Von hier aus müsst ihr alleine weitergehen. Ich denke, ihr kriegt das ab jetzt auch ganz gut zu zweit geregelt.“

„Was?“ fragte Nazir und seine Augen weiteten sich, als er das hörte. „Du… du kommst nicht mit rein?“

„Nein, ich habe da keinen Zutritt“, erklärte seine Mutter kopfschüttelnd. „Es ist ein heiliger Ort, der nur für jene gedacht ist, die in den Himmel aufsteigen wollen. Also muss ich draußen bleiben.“

Als sie die Enttäuschung im Gesicht ihres Sohnes sah, nahm sie ihn in den Arm und gab ihm einen liebevollen Kuss auf die Wange. „Kein Grund, so enttäuscht zu sein. Du weißt, dass ich immer für dich da sein werde und dich voll und ganz unterstütze, mein Spatz. Ich bin wahnsinnig stolz auf dich und ich weiß, dass du es schaffen kannst, ein Engel zu werden. Und es muss ja nicht heißen, dass wir uns nie wieder sehen werden. Vielleicht trifft man sich ja mal auf der Erde.“

Nazir erwiderte die Umarmung, war aber trotzdem nicht so ganz glücklich darüber, dass er von jetzt an ohne sie weitergehen musste. „Ich werde dich trotzdem vermissen, Mama.“

Wieder drückte Lilith ihrem Sohn einen liebevollen Kuss auf die Wange, sprach ihm ein paar aufbauende Worte zu und wandte sich dann an Malachiel. Dieser hielt nicht unbedingt viel von emotionalen Abschieden und meinte nur „War ganz lustig mit dir, Lilith. Lass dich nicht unterkriegen, okay?“

„Werde ich ganz bestimmt nicht“, versicherte sie mit einem schelmischen Zwinkern und löste sich wieder von ihrem Sohn. „Und du pass mir schön auf meinen kleinen Engel auf. Ansonsten ziehe ich dir als nächstes die Hammelbeine lang.“

„Ich pass schon auf ihn auf“, versprach er und musste lachen. „Hab nämlich keine Lust auf den ganzen Aufwand, wenn ich mir einen neuen Haushälter suchen muss.“

„Das ist schön zu hören“, meinte sie und wandte sich zum Gehen. Doch dann fiel ihr noch etwas ein und sie blieb kurz stehen. „Ach ja, fast hätte ich es vergessen: Samael hat vor einiger Zeit mit mir Schluss gemacht, weil er sich einen neuen Lover gekrallt hat. Ein ziemlich hohes Tier in der Hölle. Luzifer und er scheinen sich ziemlich nahe gekommen zu sein und seit Satan ihn als Botschafter hinausgeschickt hat, ist Luzifer kein einziges Mal mehr zurückgekehrt. Nicht einmal um Bericht zu erstatten. Ich weiß nur, dass er eine Gruppe von Teenies losgeschickt hat um dich und Metatron an der Rückkehr in den Himmel zu hindern. Und Luzifer war auch derjenige, der Satan über Nazirs Desertation informiert hat. Ich weiß zwar nicht genau was da gerade gespielt wird, aber du solltest besser aufpassen. Samael plant vermutlich irgendetwas und mit ihm ist nicht zu spaßen. Und leider können wir uns dieses Mal nicht mehr auf Gott verlassen.“

Damit nahm Lilith Abschied und ging wieder ihrer Wege. Es war schon recht schade sie gehen zu lassen. Auch wenn Malachiel nicht sonderlich viel mit ihr zu tun gehabt hatte, war sie ihm ziemlich sympathisch. Ganz zu schweigen davon, dass er ihren Humor zu schätzen wusste. Aber jetzt gab es wichtigere Dinge zu klären, denn sie mussten immer noch ihren Job erledigen, für den sie erst hierhergekommen waren. Jetzt galt es erst einmal das Fegefeuer in Gang zu bringen. Danach konnten sie sich immer noch Gedanken über Liliths Warnung machen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Charly89
2020-11-16T06:18:19+00:00 16.11.2020 07:18
„Aber wehe dem, der den geballten Zorn einer rachsüchtigen Mutter zu spüren kriegt.“
Das Zitat des Kapitels X'D
Da hat sich Satan mal so überhaupt keinen Gefallen getan ^-^"

"… Und leider können wir uns dieses Mal nicht mehr auf Gott verlassen.“
Hm … es ist früh morgens und ich bin noch nicht kann zu 100% da aber; woher weiß Lilith, das sie sich nicht auf Gott verlassen können? Weiß sie etwas?! Selbst Malachiel wusste von nichts, weil Metatron es für sich behalten hat …
Ich bin neugierig *-*
Antwort von:  Sky-
16.11.2020 09:03
So ganz Unrecht hat er ja damit nicht. Ganz gleich ob Mensch oder Tier, mit einer Mutter sollte man sich niemals anlegen. Tja, Satan hat sich da leider die falsche Frau zum provozieren ausgesucht. Der arme Kerl wird jsich erst mal nicht mehr trauen, ihr dumm zu kommen oder seinem Sohn etwas anzutun.

Ja da bist du auf der richtigen Spur. Nicht vergessen: Malachiel und Gott waren damals die einzigen, die von Liliths Funktion als Spionin wussten, Lilith war sehr eng mit Gott befreundet und genoss sein Vertrauen so sehr, dass er ihr seinen Namen verraten hat und sie diente als Vorlage für Malachiels Erschaffung. Heißt also dass es gar nicht mal so unwahrscheinlich ist, dass sie etwas über Gottes aktuellen Zustand oder Verbleib weiß, es aber geheim hält bzw. es nur Malachiel anvertraut.


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