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Creature and the Curse

von

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Als er die Augen aufschlug, sah er einen Stein vorüberziehen, gefolgt von einem Ast und etwas, was wohl ein schneebedeckter Busch sein mochte. Und das war sonderbar, immerhin hatten sie gerade erst Rosenmond(1). Dicke Schneeflocken fielen auf ihn herab, landeten auf seiner Stirn und seinen Wangen. Als schließlich eine von ihnen den Weg auf seine Lippen fand, leckte er ungläubig über das kühle Nass. Wenn das hier ein Traum war, war es ein äußerst Realistischer. Ein leises Stöhnen drang aus seinem Mund und endlich hörte die Welt um ihn herum auf, sich zu bewegen.

Er blinzelte einmal, dann noch einmal. Lag er gerade im Schnee?

 

Mit einem weiteren Stöhnen richtete er sich auf. Verdammt, er war ja völlig durchgefroren. Und überhaupt? Wie konnte das sein? War er nicht eben noch in diesem Bauernhaus gewesen? Bilder tauchten vor seinem inneren Auge auf. Er sah das dunkle Haus, einen gehörnten Schatten, grüne Flammen. Er stöhnte noch einmal. «Wo ist sie?»

Hinter ihm knirschte der Schnee. «Wo ist wer?», verlangte eine tiefe Stimme, zu erfahren.

Phillip fuhr sich mit der Hand durch das schneeverkrustete Haar. «Die böse Fee», präzisierte er die Frage.

Der Mann hinter ihm atmete tief durch. «Es gibt schon sehr lange keine Feen mehr in diesem Land», versicherte er, «Nur eine Zauberin(2) und die wurde schon seit Jahren nicht mehr gesichtet.»

Phillip drehte den Kopf, um über die Schulter zu blicken, doch der Mann hinter ihm stand im toten Winkel und war nicht zu erkennen. Schließlich drehte er sich wieder zurück und betrachtete seine halb erfrorenen Finger. «Ich weiß, dass sie das letzte Mal offiziell auf der Taufe von Prinzessin Aurora erschienen ist», erzählte er dem Fremden, während er versuchsweise über seine langsam blau werdenden Knöchel strich, «aber ich habe sie letzte Nacht gesehen. Sie war in dieser Hütte und sie hat – Ich muss zu meinem Vater! König Hubert muss davon erfahren, bevor sie ihren Plan in die Tat umsetzen kann. Prinzessin Aurora ist in allergrößter Gefahr!»

«König Hubert?», wiederholte der Fremde und kurz überlegte Phillip ob er wohl ein wenig schwer von Begriff war.

«Ja, König Hubert», erklärte er noch einmal, «Ich würde auch mit König Stefan sprechen, wenn seine Burg näher ist.» Ein Zittern ging durch seinen Körper. All die Kälte bekam ihm nicht.

Ein paar eiskalte Atemzüge lang war das Heulen des Windes das einzige Geräusch, das er noch vernahm, dann schob sich plötzlich ein Stück Stoff vor sein Gesicht, das sich bei näherem Hinsehen als Umhang entpuppte. Er war aus einem schweren, lilafarbenen Wollstoff, der trotz zahlreicher Schneeflocken, die sich auf ihm abgesetzt hatten, eine wohlige Wärme versprach. Ohne zu zögern, griff Phillip nach dem Kleidungsstück und wickelte sich großzügig darin ein. «Danke», hauchte er.

«Hätte ich gewusst, dass du nicht tot bist, ich hätte dich nicht durch den ganzen Schnee gezerrt.»

Phillip wusste nicht, was er von diesem Geständnis halten sollte, doch er fühlte sich ein wenig besser und ganz langsam kam sogar das Gefühl in seine Finger zurück. «Du hast nicht zufällig mein Pferd gesehen?», erkundigte er sich. «Es ist ein Grauschimmel mit dunkler Mähne. Er hört auf den Namen – »

«Hier ist weit und breit kein Pferd», fiel ihm der Mann ins Wort, «Genauso wie es hier weder einen König Stefan noch einen König Hubert gibt. Unser Nachbarland wird von König Frederic(3) regiert. Die Herrscher, von denen du sprichst, gibt es nur noch in Legenden.»

Phillip fuhr herum. «Was?!», entfuhr es ihm, doch der andere schien mit dieser Reaktion gerechnet zu haben und so funkelte Phillip an seiner statt einfach nur einen schneebedeckten Baumstumpf an.

 

«Es war einmal, vor langer, langer Zeit», begann die Stimme hinter ihm zu erzählen, «da lebte gar nicht weit von hier, ein König namens Stefan. Der lud alle Feen des Landes zur Taufe seiner ersten Tochter, Aurora, ein. Nur eine vergaß er dabei. Eine Fee namens Maleficent. Verärgert erschien sie dennoch bei der Taufe und sie verfluchte das Kind. Vor seinem sechzehnten Geburtstag sollte es sich an einer Spindel stechen und tot umfallen. Geschockt versuchten die anderen Feen, den Fluch zu mindern, und so wurde aus dem Tod des Mädchens ein hundertjähriger Schlaf, der nur durch einen Kuss der wahren Liebe gebrochen werden konnte.

Verängstigt gab das Königspaar das Kind in die Hände der guten Feen, die es lange Jahre vor der Welt beschützten. Doch dann kehrte die Prinzessin an ihrem sechzehnten Geburtstag auf die Burg ihrer Eltern zurück und der Fluch erfüllte sich noch am gleichen Tag. Die Prinzessin schlief und ihre Eltern schliefen. Der ganze Hofstaat schlief. Da erst verstand Maleficent, was sie in ihrer Wut getan hatte und je länger sie die Prinzessin schlafen sah, desto klarer wurde ihr, dass das nicht das war, was sie wollte. All die Jahre hatte sie an dieses Mädchen gedacht, hatte geplant und gelauert, nur um jetzt zu erkennen, dass sich die Prinzessin irgendwie in ihr kaltes Herz geschlichen hatte. Von tiefer Schuld erfüllt, eilte sie an die Seite der schlafenden Prinzessin und gab ihr einen Kuss. Die Prinzessin erwachte und mit ihr der Hof und es waren kaum zwei Jahre vergangen.

Aurora wurde zu einer großen Königin, stets mit Maleficent an ihrer Seite. Nur ihre geplante Ehe, die schloss sie nie, denn während die Prinzessin in ihrem Schloss schlief, ging ihr Verlobter – der sie nie hatte kennenlernen dürfen – fort, um mit einer Bauerntochter glücklich zu werden. Sein Vater, der auch in König Stefans Burg geschlafen hatte, suchte ihn nach seinem Erwachen im ganzen Land, doch er hat ihn nie gefunden. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann sind sie noch immer irgendwo da draußen. Der Prinz und sein Bauernmädchen.»
 

Phillip öffnete den Mund, doch es kamen keine Worte heraus. Konnte das sein? Konnte sich der Plan der bösen Fee wirklich so gewandelt haben? Und wenn alle wieder erwacht waren, wieso war er dann nicht mit ihnen aufgewacht? Hatte Maleficent ihn vergessen? Oder hatte sie ihn mit Berechnung in diesem Zustand belassen? Und wenn ja, wie lange hatte ihr Zauber auf ihm gelegen und wie war er letztlich gebrochen?

«Hast du mich aus der Hütte gebracht?», fragte er die Stimme in seinem Rücken, die prompt ein zustimmendes Brummen von sich gab.

«Ich habe sie gerochen. Die Magie. Die Hütte, war von oben bis unten voll davon.»

Phillip nickte langsam. «Und haben wir noch das vierzehnte Jahrhundert?», fragte er weiter.

Der Mann in seinem Rücken schwieg, doch das war Phillip Antwort genug. Scheinbar hatte er wirklich lange geschlafen. Sehr lange.

Für einen Augenblick dachte er an seinen Vater, dann verbannte er die Erinnerung an sein enttäuschtes Gesicht ganz weit aus seinem Bewusstsein. Er würde um ihn trauern. Er musste um ihn trauern, doch im Augenblick hatten andere Dinge Vorrang. Sein Vater würde ihm da zustimmen. Nie und nimmer würde er wollen, dass sein Sohn von Trauer zerfressen in einem dunklen Wald erfror. Und damit das nicht geschah, musste er etwas tun. Er musste lernen, diese neue Welt zu verstehen. Und wenn er diese Welt verstehen wollte, fing er wohl am besten bei seinem scheuen Retter an.

 

«Wieso versteckst du dich vor mir?», platzt er mit seiner nächsten Frage heraus, doch sein Gegenüber strafte ihn weiterhin mit Schweigen. «Willst du es mir nicht sagen?», bohrte Phillip weiter nach, «Du hast doch nicht etwa Angst vor mir?»

«Ich habe vor niemandem Angst», hörte er den anderen grollen, «Du hast ja nicht einmal eine Waffe.»

Phillip ließ den Blick über seine Seite gleiten «Die habe ich wirklich nicht mehr», stimmte er zu, «Die Fee hat mir mein Schwert weggenommen. Trotzdem würde ich dir gerne in die Augen sehen, wenn ich dir davon erzähle.»

«Warum?»

«Weil du mich von ihrem Zauber befreit hast und ich doch gerne wüsste, wer du eigentlich bist.»

Wieder antwortete der Fremde mit Schweigen, nur das dieses Mal er es war, der es nach einem gefühlt endlosen Augenblick, wieder brach.

 

«Was ist, wenn ich ein Monster bin?», fragte er, die Stimme so leise, dass Phillip ihn über den jaulenden Wind kaum hören konnte. «Wirst du mir dann immer noch dankbar sein?»

Phillip zog den geliehenen Umhang fester um sich. «Monster oder nicht», murmelte er, «Du hast mich gerettet, ich bin dir dankbar, aber ich kenne weder dein Gesicht, noch deinen Namen.»

Der andere seufzte. «Ich habe keinen Namen», erklärte er traurig.

«Jeder hat einen Namen», widersprach Phillip, «Wie nennen dich deine Freunde?»

«Ich habe keine Freunde. Aber … Es gibt da jemanden, der nennt mich Biest.»

«Das ist kein Name», urteilte Phillip, «Das ist eine Beleidigung.»

«Nicht wenn es die Wahrheit ist.»

Phillip schnaubte abschätzig. «Ich weigere mich, dich «Biest» zu nennen. Gibt es keine andere Bezeichnung für dich? Wie haben deine Eltern dich genannt?»

«Meine Eltern sind schon lange tot.»

«Das tut mir leid», murmelte Phillip. Er wusste, dass er manchmal ein bisschen zu forsch war, aber bei seinem Gegenüber fand er scheinbar zielgerichtet, jeden noch so kleinen, wunden Punkt. «Meine Mutter ist auch schon lange tot», erzählte er dem Fremden, «Ich erinnere mich gerade noch an ihre Augen. Sie waren so grün, wie ein ganzer Tannenwald und fast genauso tief. Welche Farbe haben deine Augen?»

«I‑Ich weiß es nicht», entgegnete die Stimme.

Phillip setzte sein schönstes Lächeln auf. Vermutlich konnte sein Gegenüber es nicht sehen, aber er fühlte sich immer gleich besser, wenn er lächelte. Irgendwie überzeugender. «Wenn du hinter den Bäumen hervor kommst, können wir es herausfinden», schlug er in eben jenem verspielten Tonfall vor, mit dem er am Vortag noch ein hübsches Bauernmädchen dazu überredet hatte, mit einem wildfremden Mann zu tanzen. Wenn es ihm mit ihr gelungen war, dann gelang es ihm sicher auch mit seinem namenlosen Freund.

«Es würde dir missfallen», grummelte dieser, doch der Tonfall in seiner Stimme ließ Phillip erahnen, dass sein Widerstand bröckelte. Ein kleines Argument noch und sein neuer Freund, würde nachgeben.

«Vielleicht», schnurrte er, «Aber es ist, wie es ist, und ich will nicht, dass du dich weiter vor mir verstecken musst.»

Wieder einmal blieb der andere ihm die Antwort schuldig. Doch Phillip wartete einfach ab. Er wusste, wenn er jetzt zu sehr drängte, würde sein neuer Freund sich wieder verschließen. Er musste die Entscheidung von sich aus treffen. Nur so konnte er zu einem Ergebnis kommen, mit dem er letztlich auch glücklich werden konnte. Und egal was für ein Ergebnis Phillip sich auch wünschen mochte, hier kam es nicht allein auf seinen Willen an.


Nachwort zu diesem Kapitel:
(1) Alte Bezeichnung für den Monat Juni, weil hier die Rosenblüte ihren Höhepunkt erreicht.

(2) Gemeint ist natürlich die Zauberin, die das Biest vor zehn Jahren verflucht hat. Hübsch, dunkle, lockige Haare, fieser Charakter. Weiß alles am besten. Du weißt schon.

(3) König Frederic ist der amtierende Herrscher des Königreichs Corona. Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  _Natsumi_Ann_
2022-07-09T15:49:34+00:00 09.07.2022 17:49
Ui, ich habe die Geschichte jetzt erst entdeckt.
Ich bin nie auf das Paring gekommen, aber warum nicht?
Du hast die Filme gut verknüpft - theoretisch könnte Belle auch das Pferd genommen haben - fiel mir jetzt als erstes ein. Somit wäre sie auch schneller davon gekommen...
Ich habe noch nicht weitergelesen, deshalb stelle ich mal lose Vermutungen auf :)
Aber wusste, dass Biest wirklich nicht mehr, dass er Adam vorher hieß ? o.O

Du hast quasi die Realverfilmung von Dornröschen genommen, wo die böse Fee Aurora wachgeküsst hat. Cool!

Bin gespannt wie es weiter geht ^^
Antwort von:  _Delacroix_
09.07.2022 18:05
Das Pairing hab ich damals auf CharleyQueenss Wichtel-Wunschliste gesehen und ich hab mir ganz Ähnliches gedacht. Ich meine, warum auch nicht? Beide Filme haben recht viel gemeinsam, vor allem Wald. Da kann man gut mixen, ohne ne großartige Begründung dafür erfinden zu müssen.

Und sein wir ehrlich: Aurora schafft die Sache mit Malefiz auch gut allein. Hat man im Realfilm ja gesehen.^^


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