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神道 – Shintō

Weg der Götter
von

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友達 – Tomodachi

Ino hatte das Gefühl, als hätte sie das Gesicht des jungen Mannes schon mal gesehen. Bevor sie diesem Gedankengang jeodch weiter nachgehen konnte, hatte Alice sich bereits die schwarze Motorradmaske über den Mund gezogen. Seine dunklen, mandelförmigen Augen waren ihr trotzdem vertraut.

Es ist, als hätte ich ihn unzählige Male angesehen – warum kann ich mich nicht erinnern?!

Mit derselben Hand zog Alice sich die Kapuze seines weißen Hoodies über den Kopf und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Na los jetzt, es wird dunkel. Es gibt nichts Ätzenderes als Verwandelte in der Finsternis den Schädel abzuschlagen.“ Er griff hinter seinen Rücken. Um seine Schulter war ein japanisches Schwert gehängt – ein Katana, welches in einer schwarz grün karierten Scheide steckte.

Ino machte große Augen, so eine Waffe konnte richtig gefährlich sein, wenn man wusste, wie man mit ihr umzugehen hatte. Langsam und unsicher kam sie, mit dem Spiegel in der Hand, auf die Beine. Schweigend sah Alice ihr dabei zu.

„Mein … Mein Name ist Ino“, sagte sie stockend und merkte, dass ihre Stimme krächzte. Sie hatte schon eine Weile nicht mehr gesprochen, nur geschrien oder geweint. Überraschend, wie schnell man aus der Übung kommen konnte; oder war es schon länger her, dass Ino richtige Worte von sich gegeben hatte?

Alice seufzte und rollte mit den Augen. „Was du nicht sagst, da wäre ich ja nie drauf gekommen. Hör mal, es ist nicht so, dass Manieren mir egal sind, aber sie nützen uns auch nichts, wenn die Verwandelten jagt auf uns machen – also lass uns schnell von hier verschwinden.“

Ino wusste einfach, dass sie ihn schon mal gesehen hatte, insbesondere das Augenrollen kam ihr so vertraut vor! Sie nickte schwach und folgte ihrem neuen Begleiter, der selbstsicher nach draußen stapfte. Im Freien warf die 17-Jährige einen prüfenden Blick zum Himmel um zu sehen, wie weit die Sonne schon untergegangen war. Nur noch wenige Sonnenstrahlen brachen durch das Geäst der umstehenden Bäume, deren dunkle Silhouetten sich von der orange roten Dämmerung abhoben. Lange kann es nicht mehr dauern, bis die Nacht hereinbricht!

Alice lief eilenden Schrittes wieder zum Tor, um den Schrein zu verlassen. Er warf dabei einen Blick hinter sich zu seinem Anhängsel, das ihm unsicher folgte.

„Eine Sache, die ich dich fragen soll, von Shikamaru aus“, begann Alice, ohne langsamer zu werden. „Die Rituale, hast du die gemacht? Bevor du in den Schrein rein bist? Hab's nicht mitbekommen, ich hab da den Schrein gesichert. Ein paar von den Dingern umgemäht, wenn du verstehst.“ Er klang erschreckend ruhig, während er davon sprach, ehemals lebendige Menschen den zweiten Tod beschert zu haben. Ino schauderte bei dem Gedanken und redete sich ein, dass das bestimmt nur so ein Spruch war oder Alice sich nur wichtig machen wollte.

„Ja, ich hab alles so gemacht wie immer. Ich weiß nicht, es hätte sich einfach falsch angefühlt, es nicht zu tun. Das … war doch richtig, oder?“, fragte sie unsicher, mit einem unguten Gefühl im Bauch und dem Verdacht, dafür eine Schelte zu kassieren.

„Nein, das war nicht richtig, aber wichtig. Zumindest sagt Shikamaru das. Er meinte nur, ich zitiere: „Es klappt nicht, wenn sie's nicht so macht!“ Ich denke, er meint damit die Seele des Kami im Spiegel. Dass er einem nicht hilft, wenn man die Rituale nicht ausführt.“

Alice überquerte leichtfüßig die Brücke, als wäre er es gewohnt sich über Geländer und Ähnliches fortzubewegen. Ino brauchte etwas länger und musste die Arme ausstrecken, um die Balance zu halten. Sie hoffte, nicht im Wasser zu landen. Das fehlte ihr gerade noch, bei der einsetzenden Kühle nass zu werden! Alice war schon aus dem Tor draußen und bedeutete seiner Begleitung etwas Tempo zu machen. Das Katana klapperte auf seinem Rücken, als er sich umdrehte und weiter eilte.

Ino schloss joggend zu ihm auf, nachdem sie es trocken über die Brücke geschafft hatte. „Und der Spiegel, der Shintai, das ist jetzt eine Waffe?“

Alice bückte sich wortlos unterm Laufen, hob geschwind einen Ast auf und zielte damit. Als die 17-Jährige erriet, was er vorhatte, war es bereits zu spät. In hohem Bogen flog der Ast durch die Luft und traf eine Verwandelte am Kopf, welche teilnahmslos am Wegesrand stand. Dem Kinderwagen nach zu urteilen, der neben ihr stand, war sie mal eine junge Mutter gewesen. Ihre milchige Augen schossen ausdruckslos in die Richtung, aus der der Ast geflogen kam.

„Bist du bescheuert?!“, zischte Ino Alice wütend zu. Ihr Herz beschleunigte ruckartig, als die Verwandelte grunzend auf sie zugelaufen kam.

Ihre langen, braunen Haare hingen strähnig von ihrem blassen Kopf, die Wangen waren eingefallen und bereits grünlich gelb verfärbt wie faulendes Obst. In Fetzen hing ein grünes, mit Schlamm verkrustetes Kleid an ihr; die Schuhe hatte die ehemalige Frau verloren und ihre Socken waren voller Löcher.

„Du wolltest wissen, ob dein Spiegel eine Waffe ist – finden wir es heraus“, sagte Alice ruhig. Seine Augen ruhten auf dem Unding, die rechte Hand auf dem Griff seines Katana. Alices Körperhaltung war locker und zum Kampf bereit. Er kämpfte nicht zum ersten Mal gegen einen Verwandelten, das sah Ino sofort, denn Alice wirkte keineswegs nervös.

Sie hatte Rückendeckung, und es war nur eins von diesen Dingern, das röchelnd auf sie zutorkelte. Ihr neuer Begleiter hatte vielleicht recht: Lieber so testen, ob der Shintai das tat, was Shikamaru vermutete, als es im Schlachtgetümmel tun zu müssen.

Als die Verwandelte nahe genug herangekommen war, hob Ino den Spiegel so, damit sich das Ding darin spiegeln konnte. Als hätte jemand einen Schalter umgelegt blieb die Frau plötzlichen stehen. Ihr Kopf zuckte ekelerregend und ihr Kiefer klapperte, dann ging alles blitzschnell: Sie zerbröselte zu feiner, schwarzer Asche, welche zu Boden fiel und und vom Wind erfasst und davongetragen wurde. Nach kurzer Zeit war das Unding zu Staub zerfallen. Ino senkte mit offenem Mund den Spiegel und wandte sich langsam und staunend zu Alice um.

Ich glaub's nicht, es funktioniert! Es stimmt also wirklich, Dämonen sterben, wenn sie sich in einem Spiegel sehen! Oder zumindest, wenn sie sich in diesem hier sehen … Ich hätte nie gedacht, dass das klappt!

Alice nickte nachdenklich, musterte den Shintai und löste die Hand von seinem Schwert. „Interessant, Shikamaru hatte tatsächlich recht …“ Er sah Ino eindringlich an. „Verlier diesen Spiegel bloß nicht, der ist sozusagen IMBA.“

Die 17-Jährige sah ihn verständnislos an, mit diesem Begriff konnte sie so gar nichts anfangen.

Alice runzelte die Stirn und kratzte an seiner Maske. „Na, IMBA. Du weißt schon, imbalanced! Ach, vergiss es!“ Genervt winkte er ab. „Verlier den Spiegel einfach nicht. Wir müssen unbedingt weiter!“

Als Alice sich in Bewegung setzte, packte Ino ihn schnell am Ärmel, bevor dieser wieder im Stechschritt davon jagen konnte. „Aber wohin denn?! Zu Shikamaru?“, fragte sie hoffnungsvoll. Sie würde gerade einiges dafür geben, ihren alten Klassenkamerad wiederzusehen.

Alice löste sich aus Inos Griff und zuckte mit den Schultern. „Keine Ahnung, ob wir Shikamaru an der Klippe treffen, aber da müssen wir auf jeden Fall hin – das weißt du doch.“

Bevor Ino ein weiteres Wort sagen konnte, war er auch schon weiter gelaufen. Der Kies knirschte leise unter seinen Turnschuhen und das Katana klapperte wieder.

Es sollte Sommer sein und trotzdem war Ino einfach nur kalt. Fröstelnd rieb sie sich mit ihrer freien Hand über den Arm und setzte sich ebenfalls in Bewegung. Ihr wurde jedoch gerade etwas wärmer – vor Wut. Offensichtlich waren sowohl Shikamaru als auch Alice davon überzeugt, dass Ino wusste, was zu tun war und was gerade von statten ging. Schließlich ließen sie es sich nicht nehmen, in Rätseln mit ihr zu sprechen.

Obwohl sie lieber vorsichtig damit sein sollte, die Stimme zu erheben, donnerte sie trotzdem los: „Was soll ich wissen?! Was weiß ich?! Ich weiß überhaupt nichts!“

Alice zuckte unterm Gehen zusammen und zog den Kopf ein. Blitzschnell drehte er sich zu ihr um und fuchtelte mit den Händen. „Bist du wahnsinnig?!“, zischte er. „Du hetzt uns ja Himmel und Hölle auf den Hals!“

Ino hätte am liebsten noch viel lauter geschrien, aber sie senkte dennoch ihre Stimme. Die Angst vor den Dingern war doch ein wenig größer als ihr Zorn. Ob Shintai oder nicht, eine ganze Horde Verwandelte konnte ein Problem für die beiden werden.

„Sag mir, was los ist! Sag mir, was passiert ist, und warum wir zu dieser Klippe sollen! Wo ist Shikamaru?! Wo sind meine Eltern?!“ Als Ino diese Worte aussprach, sie endlich an jemanden richten konnte, spürte sie, wie Angst, Verwirrung und die Sorge um ihre Liebsten wieder in ihr hochkochte. Ino sprach laut aus, was sie sich vorher nur zu denken traute. So merkwürdig das auch war: Es zu sagen machte es realer als es nur zu denken. Aber eigentlich sollte es nicht wahr sein – das durfte es einfach nicht! Bevor Ino etwas dagegen tun konnte, strömten heiße Tränen ihre Wangen hinunter und sie schluchzte laut. Schnell wischte sie sich ihre Tränen aus dem Gesicht und wandte Alice den Rücken zu.

So soll mich doch niemand sehen! Und für so was haben wir auch gar keine Zeit!

„Tja …“, setzte er unsicher an, „Ich hab keinen blassen Schimmer, was los ist, um ehrlich zu sein. Ich weiß nur, dass mein Katana und ich uns problemlos durch den Park schnetzeln können, wenn wir's müssen. Shikamaru hat gesagt, wir müssen zur Klippe. Er hat gesagt, du weißt wieso. Und dann ist der Kerl abgehauen, ich kann dir auch nicht sagen wohin. Wird schon wichtig sein, so wie er gerannt ist. Das mit deinen Eltern tut mir leid.“ Verlegen legte er seine Hand in den Nacken und senkte den Kopf. „Aber wir müssen zur Klippe … Jetzt.“

Ino blieb von ihm abgewandt und umklammerte den Spiegel. Ihre Knöchel traten weiß hervor, so fest hielt sie ihn. Weinend sagte sie leise: „Was soll das bringen?! Was sollen wir bei dieser Klippe?! Ich will zu meinen Eltern, ich will, dass ich mit ihnen andere finde, und wir einen Weg aus all dem hier rausfinden!“

„Tut mir leid, aber das ist ein echt mieser Plan. Wir wissen nicht mal, wo wir deine Eltern suchen sollen, und andere Überlebende sind eher eine Last, als dass sie einem nützen …“

„Wie kannst du so was nur sagen?!“, krächzte Ino und bekam Schluckauf, über den sie sich furchtbar ärgerte.

Alice brummte. „Hör mal, mir ist schon klar, dass das alles nicht einfach ist für dich, aber wir müssen wirklich gehen! Es wird mit jeder Minute dunkler.“

Ino wischte sich erneut die Tränen aus dem Gesicht und drehte sich zu Alice um. Sie sah bestimmt total verheult aus, was ihr gar nicht passte. Wütend ballte sie ihre Hand zur Faust.

„Die Klippe, die ist doch außerhalb der Stadt, oder? Klingt jedenfalls so. Das schaffen wir eh nicht mehr. Wir sollten uns einen Unterschlupf suchen.“

Alice verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte entschieden den Kopf. „Auch ne ganz miese Idee. Wenn's darum ginge, dass du uns beide umbringst, dann wärst du mein Kandidat Nummer 1, aber wir müssen es heil zu diesem einen Ort schaffen, okay? So schnell wie möglich.“

Ino rieb sich die Nasenwurzel und schloss angestrengt die Augen. Sie hörte, wie der Wind flüsternd durch die Bäume strich und die Blätter raschelten. Nur noch wenige Vögel zwitscherten verhalten, es war still, so unglaublich still. Kein Rauschen vom Verkehr, kein Geschrei, keine Gespräche, kein Ballkicken, nichts. Als Stadtkind war Ino so eine Ruhe selten gewohnt, schon gar nicht von ihrem Zuhause.

„Hast du nicht selbst gesagt, dass du im Dunkeln schlecht gegen Verwandelte kämpfen kannst?!“, argumentierte die 17-Jährige trotzig. Sie wollte nicht im Dunkeln durch die Stadt schleichen müssen, sie war müde. Ino wollte viel lieber ein sicheres Versteck finden, sich irgendwo einrollen und für einige Stunden die Welt ausblenden – schlafen und vergessen.

Alice deutete mit hochgezogenen Augenbrauen auf den Shintai. „Wir haben unseren Spiegel ex Machina, das schaffen wir, und ich hab eine Taschenlampe. Shikamaru hatte doch mit allem bis jetzt recht, oder nicht? Wir sollten unbedingt auf ihn hören, anstatt auf Eigenregie unseren Suizid auszurichten.“

Zögerlich stand die 17-Jährige da und warf erneut einen Blick in den Himmel. Ja, Shikamaru hatte recht bis jetzt, aber war es wirklich klug, das zu tun, was Alice für das Richtige hielt?

„Ich … muss dir vertrauen, oder?“

Alice blinzelte, irgendwie sah er schelmisch dabei aus. „Wieso mir? Du vertraust Shikamaru, das reicht doch alle mal. Los jetzt, komm schon!“ Nun wartete er nicht mehr auf sie. Er schien sich sicher, dass sie ihm folgen würde, und lief im Eiltempo weiter. Ino folgte ihm tatsächlich. Alice hatte ein Katana, eine Taschenlampe und er wusste, wo die Klippe sich genau befand, was sie nicht von sich behaupten konnte. Ino wünschte nur, ihr Begleiter konnte ihr sagen, warum sie so unbedingt dort hin mussten. Shikamaru hielt es ja offenkundig wieder nicht für notwendig ihr das zu verraten.

Als Ino loslief spürte sie, wie ihre Beine zitterten und sich anfühlten wie Götterspeise. Seit einigen Stunden glaubte sie, ihr Limit überschritten zu haben. Ino nahm an, dass sie einfach umkippen würde oder in sich zusammenbrechen, aber es ging einfach weiter. Immer, wenn es aussah als könnte es nicht noch schlimmer werden wurde es schlimmer. Und immer, wenn Ino glaubte, nicht mehr ertragen zu können, ertrug sie es dennoch. Ihr blieb gar keine andere Wahl, und Aufgeben – das war noch nie eine Option für sie gewesen, auch nicht jetzt.

Schon gar nicht jetzt!

Schweigend liefen Alice und Ino nebeneinander her und verließen auf dem schnellsten Weg den Park. Die 17-Jährige betrachtete währenddessen eingehend den Spiegel in ihren Händen. Sie strich mit den Fingern über die feinen Muster und Figuren und bewunderte die Jahrtausend alte Arbeit. Doch noch viel interessanter war der Gedanke, dass sich offenbar tatsächlich die Seele eines Kami darin verbarg, der – wenn Ino das richtig verstanden hatte – bereits zu ihr gesprochen hatte. Allerdings konnte sie sich auf das Gesagte keinen Reim machen.

Bitte sprich mit mir!

„Hey, nicht träumen! Manche Verwandelte können hinterrücks angreifen, immer wachsam bleiben!“, mahnte Alice und schnippte vor Inos Gesicht mit den Fingern.

Sie ignorierte seine warnenden Worte und dachte laut nach: „Der Kami hat gesagt: „Bitte sprich mit mir.“ Ich verstehe nicht, was das heißen soll …“

Die beiden erreichten das Ende des Parks, am Ausgang konnte Ino einen Verwandelten ausmachen, der ziellos herumtrottete und den Kopf hängen ließ. Augenscheinlich war es mal ein männlicher Teenager und vielleicht sogar ein Punker gewesen. Die Kleidung sah aus, als wären die Schnitte und Risse mit Absicht gemacht worden. Der Irokesenschnitt hatte allerdings ordentlich gelitten, statt stachlig klebten die Haare platt am Kopf.

Alice zog mit geübter Bewegung das Katana aus der Scheide und warf Ino einen hochmütigen Blick zu. „Ich wärm mich mal eben auf.“ Mit dem Schwert in der Hand lief Alice leichtfüßig zu dem Verwandelten hin, der sich träge in die Richtung drehte, aus der die leisen Schritte kamen. Ehe das Unding überhaupt reagieren konnte, schwang Alice das Katana, und mit einer fließenden Bewegung trennte er den Kopf von den Schultern. Dumpf schlug der Schädel auf dem Boden auf. Der Verwandelte torkelte noch ein paar Sekunden linkisch herum, dann stürzte er und blieb reglos liegen.

Alice schenkte all dem keine Aufmerksamkeit und lief bereits zu Ino zurück, die mit offenen Mund da stand und nicht wusste, was sie dazu sagen sollte. So etwas hatte sie noch nie gesehen, außer vielleicht in Filmen oder Spielen, aber auch da nicht oft.

Mit einem Taschentuch, das Alice aus der Hosentasche zog, wischte er über die Klinge und schob das Katana zurück in die Scheide. „Nicht schlecht, was?“

„Hn … H-hast … du das schon oft …?“, stotterte Ino und wich unwillkürlich vor ihrer Begleitung zurück, die offenbar keinerlei Probleme damit hatte, anderen Lebensformen Gliedmaßen vom Körper zu schlagen.

Alice streckte sich gönnerhaft. „Klar, als der ganze Zirkus losging hab ich mir das Katana geschnappt, das bei uns zu Hause an der Wand rumhing. Ist eigentlich so ein Familiending, uralt und schon ewig nicht mehr benutzt worden. Muss aber sagen, dass es wirklich gut durchs Fleisch –“

„Ja, ja, schon verstanden! Das reicht! Lass uns einfach meinen Spiegel benutzen, okay?“

Er rollte gelangweilt mit den Augen. „Ts, sei nicht so ein Mädchen. Du spiegelst, ich schneide – passt doch.“ Mit diesen Worten bog er mit wiegenden Schritten in die nächste Straße ein, Ino folgte ihm widerwillig fluchend.

Ihr Begleiter schien auch noch Spaß daran zu haben, die Untoten auf diese Weise aus dem Weg zu räumen. Mag sein, dass sie keinen Verstand mehr haben und uns angreifen, aber muss das sein? Das waren mal Menschen!

Die beiden gingen weiter durch die Stadt, weiter durch Zerstörung und Verwüstung, weg von der Innenstadt Richtung Außenbezirk. Auch hier herrschte das Chaos, das Ino überall schon zu Gesicht bekommen hatte. Als sie auf der Straße schon nach kurzer Zeit einem weiteren Verwandelten begegneten, konnte Ino gar nicht so schnell reagieren, da war Alice mit seinem Katana schon zum Angriff übergegangen. Ihm nachrufen konnte sie auch nicht, ohne ganze Scharen von Untoten anzulocken. Als Alice sein Schwert schwang, schloss Ino einfach die Augen. Hören konnte sie leider trotzdem, wie die Klinge durchs verrottete Fleisch glitt und ein Kopf mit einem dumpfen Aufschlag auf den Beton fiel.

„Hey, ich sagte doch immer wachsam bleiben! Nicht die Augen zumachen!“, mahnte Alice, als er zu Ino zurückkam.

Sie verzog das Gesicht. „Ich will das nicht mit ansehen müssen! Außerdem ich hab ein paar Fragen.“

Er steckte das Katana weg und lief weiter, Ino ging neben ihm her. Um sie herum qualmten Autowracks, bröckelten Häuserfassaden und lagen Straßenlaternen auf der Straße. Zerborstenes Glas knirschte unter ihren Schuhen, Ino versuchte die größten Scherben zu meiden. Ihr fehlte es an Lust in einem zerstörten Laden nach bequemen Schuhen zu suchen, nur, weil sich eine Scherbe in ihre Sohle gebohrt hatte.

Bevor Ino eine ihrer Fragen stellte, kam Alice ihr zuvor. „Den Kopf, am besten den Kopf abtrennen. Oder ins Herz stechen, aber das trifft man ja nicht immer, deswegen lieber der Kopf.“

„Ich hab einen Spiegel, ich muss niemanden den Kopf abschneiden!“, fauchte die 17-Jährige und hob den Shintai demonstrativ.

Er winkte ab. „Schon klar, aber falls du ihn nicht hast …“

„Lass gut sein! Ich will wissen, wann das alles hier passiert ist. Und wie? Die Verwandelten sind so dermaßen langsam, wie konnten sie gewinnen?!“, platzte es aus Ino heraus, während die beiden um ein Auto herumliefen, das mit voller Wucht gegen einen Häuserblock gefahren war.

„Was meinst du damit: „Wann ist das passiert.“?“ Alice klang ehrlich verdutzt, blieb dann aber plötzlich stehen. Er hob eine Hand, um Ino zum Stehen und Schweigen zu bringen und lauschte angestrengt.

Die 17-Jährige stand wie eingefroren da und wagte es nicht, auch nur einen Muskel zu rühren. Angespannt hielt sie den Atem an und horchte so angestrengt wie noch nie zuvor. Sie konnte aber nichts hören, außer das Knistern der Feuer oder wie der Wind Blätter und Unrat über die Straße trug.

„Lauf, Ino!“, sagte Alice plötzlich, packte sie an den Schultern und schubste sie grob vorwärts.

Vor Schreck darüber wäre sie beinahe über ihre eigenen Füße gestolpert und fing sich gerade noch auf. Verständnislos sah sie über ihre Schulter zu ihrem Begleiter. Dessen Blick war in die Ferne gerichtet, mit schmalen Augen und angespannten Schultern, seine Hand am Griff des Katana.

„Ich sagte lauf!


Nachwort zu diesem Kapitel:
友達 = Freund, Begleiter Komplett anzeigen

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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Charly89
2020-12-12T16:48:03+00:00 12.12.2020 17:48
"Lauf, Ino! Lauf!" :V

Sehr schön ... Ich mag Alice :3
Und, ich bin gespannt, wer er ist o.ô

Es wird immer verworrener e.e
Ich bin sehr gespannt, wie sich das alles am Ende auflöst.

Ansonsten finde ich das Kapitel
lustig, wegen Alice,
morbide, wegen Alice,
Überraschend, wegen dem sich erneut meldenden Kami,
Amüsant, wegen Ino, die völlig von der Rolle ist.

Nein, ich bin nicht betrunken XD

Trotz der Länge und den Geschehnissen, gibt es zu dem Kapitel irgendwie nicht mega viel zu sagen. ^-^"

(/-)/
Antwort von:  Sas-_-
12.12.2020 18:59
DAS ist ja das Schlimme! Jetzt ist das Kapitel schon länger damit auch was passiert, und nicht nur plotrelevantes Zeug gelabert wird, und trotzdem kann man nicht VIEL dazu sagen XD Ich danke dir aber herzlichst, dass du es versucht hast XDD
An Alice musste ich rumschrauben. Zu Beginn hatte er sogar eine Sonnenbrille auf, das wiederum hat es mir aber unmöglich gemacht, ihn irgendwelche Emotionen zeigen zu lassen und das hat sich überhaupt nicht gut gelesen >.> Vielleicht auch der Grund, warum ich über Shino nicht schreiben könnte -.- :DD
Mein anderes Problem: Ino hat jetzt mindestens zwei Möglichkeiten, die Verwandelten zu besiegen, und das nimmt ihnen auch den Schrecken. Das ist zwar so gewollt, aber ich muss schauen, dass ich die Auflösung nicht zu sehr dahinpatsche, das soll ja nicht aburpt von statten gehen >.< Ich hoffe, das klappt alles o__o
Vielen Dank, dass du's dir weiterhin antust ^3^


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