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Eisprinz - Ich bringe dein Herz zum schmelzen

von

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Ein paar Tage später hatte Yuri allerdings wieder mehr Zeit zum Jubeln.

„Ich darf zum Grand Prix!“

Obwohl es Höhen und Tiefen beim Training gegeben hatte, erkannte Lilia, dass es an der Zeit war, ihn wieder aus Eis zu lassen. Der große Grand Prix war in acht Wochen und die Anmeldefrist war fast vorbei. Zuerst hatte sie gezögert aber Yuri hatte junge Knochen und seine Mobilität war wiederhergestellt. Ein kurzes Gespräch mit dem Arzt, der Yuri behandelte, und dann war es entschieden, er war dabei. Endlich durfte er seine eigenen, fast verstaubten, Schlittschuhe wieder überstreifen und die Ballettschuhe in die Ecke feuern. Zeit zum Üben blieb noch genug und der Trainingsplan wurde straff erneuert.

„Meine Güte, das ist wirklich nicht ohne. Gleich nach der Schule musst du in die Halle und kommst erst abends nach Hause.“, meinte Otabek nach einem Blick auf den Plan.

„Ich bin heiß, ich bin bereit, ich bin motiviert! Man hat mich lange genug ausgebremst, jetzt geht’s wieder los.“

Yuris Augen strahlten wie nie, Otabek merkte, er wäre am liebsten sofort in die Eishalle gezogen.

„Dann darf ich dich nur noch auf dem Eis bewundern oder abends beim Schlafen.“

„Bist du etwa nicht einverstanden?“

Yuri blickte ihn mit einem waidwunden Rehblick an und Otabek wuschelte ihm lachend durchs Haar.

„Natürlich nicht! Ich wollte nur ein bisschen im Selbstmitleid baden.“
 

Wie Otabek erfuhr, nahm auch Vasily am Grand Prix teil. Ob Yuri sich konzentrieren konnte, wenn er auf Vasily traf? Lilia hatte sich geweigert, eine andere Eishalle zu mieten.

„Papperlapapp, nur weil du Probleme mit einem Mitstreiter hast, sehe ich nicht ein, das Training ans andere Ende der Stadt zu verlegen. Lerne damit zu leben, das deine Konkurrenz groß ist und ignoriere es. Du konzentrierst dich auf dein Training, alles andere existiert nicht für dich.“

Lilia übergab ihre Verantwortung wieder Yakov, auch wenn sie es nicht gerne tat.

„Mach meine Fortschritte nicht wieder kaputt, ich schaue dir genau auf die Finger!“, warnte sie ihren Ex-Mann.

„Was sollte ich kaputt machen? Jetzt wird genauso hart trainiert, wie früher auch. Ich hoffe, du hast ihn nicht verweichlicht!“, schoss er knurrend zurück.

„Als ob! Sieh lieber zu, dass er sich nicht wieder die Beine bricht!“

„Schon gut, schon gut.“

Doch bevor das Training begann, wurden neue Anzüge für Yuri angefertigt. Wie bei fast jedem Eiskunstläufer wurden diese ihnen direkt auf den Leib geschneidert und waren einzigartig.
 

„Die gleichen Maße wie beim letzten Mal. Ich freue mich, dass deine Pause nicht zur Gewichtszunahme geführt hat.“, lobte Schneiderin Koyoshi.

„Fett werden ist was für Leute ohne Disziplin.“, meinte Yuri schnippisch.

Yakov hoch nur eine Augenbraue hoch, sagte aber nichts. Lilia grinste in sich hinein.

„Muss ich unbedingt dabei sein?“, fragte er grummelnd.

„Ja, du musst bezahlen.“

„Aha, dafür bin ich also gut genug.“

„Ich schicke ihnen eine Rechnung, wenn sie möchten.“, mischte sich die Schneiderin ein.

„Eine sehr gute Idee! Ich verschwinde.“

Sprach´s und spazierte aus dem Geschäft. Lilia nickte zufrieden, dieser Kerl hatte eh keinen Sinn für Mode.

„Also, etwas Aufwändiges für den Wettkampf?“

„Ja, ich will Gelb, Weiß, Silber und Gold und vielleicht etwas Rotes dabei.“, mischte Yuri sich ein.

„Gut, dann schauen wir mal, ich hole die Muster.“
 

Otabek hatte sich die Anprobe erspart, er wollte seine kleine Diva nicht unbedingt in Action sehen, wenn ihm etwas nicht passte. Er hatte den Vormittag in der Stadt verbracht, seinem Feuerstuhl eine ausgiebige Wäsche gegönnt und fuhr danach schon mal vor zur Halle, um beim Training zuzugucken. Verträumt stützte er sich auf die Bande und sein Blick glitt über die Eisfläche. Wie oft hatte er auch seine Runden gedreht, immer und immer wieder die gleichen Bewegungen und Übungen absolviert und trotz Blasen an den Füßen und höllischen Schmerzen, weitergemacht, bis er nicht mehr konnte. Ein Tropfen Melancholie mischte sich bei diesen Gedanken immer noch dazwischen, aber mittlerweile tat es nicht mehr weh. Doch plötzlich wurde er unsanft aus seinen Träumen gerissen.

„Na, bist du ohne dein kleines Hündchen gekommen?“

Hinter Otabek tauchte Vasily auf und ohne seinen sonst so freundlichen Blick, sah er ihn an. Hart und kalt waren seine Augen auf ihn gerichtet, bösartig klangen seine Worte. Otabek seufzte innerlich.

„Wenn du Yuri meinst, der kommt bald. Was tust du hier?“

„Keine Sorge, ich habe nur eine kurze Pause gemacht. Mein Training geht noch eine halbe Stunde und die werde ich nutzen.“

Die Musik erklang und Otabek konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken. Vasily lief immer noch nach seinem Lieblingsstück, dem Requiem in D minor von Wolfgang Amadeus Mozart.

Es schmerzte ihn sehr, dass Vasily seine Freundschaft nicht wollte und ihm als Feind gegenübertrat. Doch das war seine Entscheidung, er konnte ihm immer noch die Hand der Versöhnung reichen. Anmutig und doch kraftvoll glitt Vasily über das Eis, Otabek kannte jeden seiner Schritte, jede Hüftbewegung, jede schwungvolle Beinbewegung und das federnde Aufkommen nach jedem Sprung. Es war ein wahrer Augenschmaus, ihm zuzusehen und doch war er erleichtert, als Yuri die Tribüne betrat.

„Was macht der Idiot hier?“

Yuris hübsches Gesicht verzerrte sich zu einer zornigen Grimasse.

„Sei lieb Yuri, Vasily trainiert nur. Er ist gleich weg.“

„Bist du etwa mit ihm verabredet gewesen?“

Yuri war schon wieder in Rage und seine Augen schleuderten Giftpfeile in Vasilys Richtung.

„Tigerchen, sitz! Ich war früher hier um auf dich zu warten und er war bereits da. Behalte deine Energie lieber fürs Training.“

Otabek drückte ihn an seine Brust und küsste ihn auf die Stirn.
 

Vasily war zwar allem Anschein nach, gedankenverloren in seine Choreographie versunken, aber er sah Otabek und Yuri sehr wohl. Auch der Kuss entging ihm nicht. Heiß loderte die Eifersucht in ihm auf aber mit aller Macht beherrschte er sich. Er wolltet weder Otabek noch diesem blonden Bastard die Genugtuung geben, vor ihren Augen auszurasten. Als seine Trainingszeit um war, verließ er das Eis.

„Viel Glück für den Grand Prix, Yuri Plisetsky, du wirst es brauchen.“

„Danke, gleichfalls…Vollidiot“

Yuri hatte keine Lust auf eine Szene, er wollte trainieren.

„Macht der Idiot auch beim Grand Prix mit?“, fragte er Otabek.

„Was glaubst du wohl. Solche Chance lässt er sich nicht entgehen.“

„Whatever!“

Yuri schwang sich aufs Eis und beim Gleiten über die Oberfläche fiel ihm ein riesengroßer Stein vom Herzen. Er konnte es immer noch, es war, als hätte sich nichts geändert. Der Gedanke, nicht mehr nur einmal in der Woche aufs Eis zu dürfen, sondern für länger, beflügelte ihn. Otabek genoss es, ihm zuzusehen, denn er merkte die Freude und Erleichterung, die Yuri stumm hinaus schrie.
 

Jetzt wurde trainiert, bis zum schieren Wahnsinn. Yuri verlangte sich und seinem Körper einiges ab und konnte abends kaum noch laufen, denn die Schlittschuhe waren alles, nur nicht bequem. Otabek schüttelte oft nur den Kopf aber er sagte nichts, sondern bereitete das tägliche Fußbad vor, cremte die Füße ein, behandelte die Blasen und wechselte die Pflaster.

„Wenn du nicht wenigstens eine Bronzemedaille mit nach Hause bringst, melde ich Protest an.“, war sein einziger Kommentar dazu.

Doch Yuri biss die Zähne zusammen, kein Laut des Schmerzes kam über seine Lippen, dazu war er viel zu euphorisch. Das seine Schulnoten etwas darunter litten, wurde mit einem Auge zudrücken, hingenommen.
 

Und dann war der große Tag da, der Grand Prix. Achtzehn Nationen traten gegeneinander an. Yuri für die russische Seite, Vasily für die Kasachen. Schon früh morgens wimmelte es vor Neugierigen, Schaulustigen und der Presse vor dem Eingang. Die Choreografien fingen nachmittags an und erstreckten sich auf drei Tage. Die Stadt war voll, die Hotels bis auf das kleinste Zimmer ausgebucht. Yuri war vorübergehend bei Otabek ausgezogen und wohnte wieder im Haus von Lilia und Yakov. Die Ex-Eheleute teilten sich ihr gemeinsam gekauftes Haus auch heute noch miteinander. Am Vormittag schlüpfte Yuri noch in seine normalen Kleider, sein Anzug war fertig verpackt in einem Kleidersack. Lilia flocht ihm die blonden Haare ein und nach einem kurzen Imbiss, ging es zur Halle. Otabek wollte später vorbeikommen, er würde als Zuschauer auf der Tribüne sitzen. Yuri hatte sich Kopfhörer ins Ohr gesteckt und schien völlig relaxt, doch in seinem Inneren pochte das Herz auf Hochtouren. Doch es war keine Panik, Angst oder Unsicherheit, die er fühlte, nein, es war die freudige Erwartung. Endlich durfte er wieder zeigen, was in ihm steckte und konnte der Presse, die seine Karriere schon zum Tode verurteilt hatte, die Stirn bieten. Yuri Plisetsky gehörte noch lange nicht zum alten Eisen.
 

Die Halle war schon gut gefüllt. Die Zuschauer durften zwar noch nicht hinein aber auch so gab es genug Personal und Veranstalter, die hin und her liefen. Yuri ging in die Umkleidekabinen, in denen seine Mitstreiter sich bereits vorbereiteten.

„Soll ich mitkommen?“, fragte Lilia.

„Glaubst du, ich kann mich nicht alleine anziehen?“

„Schon gut, dann geh.“

Yuri schnappte sich seinen Anzug und verschwand. Er wusste, dass er gleich am ersten Tag dran war, an vierter Stelle stand er. Normalerweise hätte er im Umkleideraum bleiben können aber er wollte sehen, wie die Vorläufer ihre Kür meisterten. Musik erklang und der erste Teilnehmer trat auf die Fläche. Während Yuri sich an die Bande stellte und zusah, wanderte sein Blick die Tribüne entlang aber Otabek sah er nicht. Yuri hatte immer noch sein Handy dabei und ließ sich mit Musik ablenken. Doch plötzlich kündigte sich mit einem Piepsen eine SMS an.

„Lieber Yuri, dein Großvater liegt im Krankenhaus. Er hatte einen Herzanfall.“

Yuri starrte auf den Bildschirm und alles um ihn herum versank im Nirgendwo.

Doch dann löste sich die Erstarrung und er lief zu Lilia und Yakov,

„Ich muss weg!“

„Was?“

„Ich muss weg!! Mein Großvater liegt im Krankenhaus!“

„Beruhige dich, Yuri. Geh nach hinten und telefoniere in Ruhe.“

Lilia schob ihn nach draußen. Doch auch das Telefonat mit seiner Tante beruhigte ihn nicht, ganz im Gegenteil. Seinem Großvater ging es sehr schlecht, er lag auf der Intensivstation.

„Ich fliege sofort zu ihm, scheiß auf den Grand Prix!“

Lilia seufzte.

„Ich werde dich begleiten.“
 

Otabek ahnte nichts von der Tragödie, die unten stattfand. Bis sein Handy klingelte und Lilia mit ihm sprach.

„Komm vor die Halle, schnell bitte.“

Bevor Otabek noch etwas sagen konnte, klickte es und die Verbindung war unterbrochen. Trotzdem verließ er seinen Platz und kam Lilias Bitte nach. Er stutzte, als er Yuri in Alltagsklamotten sah.

„Was ist denn hier los?“, fragte er.

„Wir fliegen nach Russland. Yuris Großvater ist schwer erkrankt.“, erklärte Lilia.

„Was ist passiert?“

Yuri kam auf ihn zu und drückte sein Gesicht in Otabeks Lederjacke. Als seine Arme sich um seine Schultern legten, schluchzte er und Otabek spürte, wie sein Körper zitterte.

„Er hatte einen Herzanfall. Ich muss ihn besuchen. Sei nicht böse auf mich…bitte!“

„Böse? Wie könnte ich böse sein, ich weiß doch, was dein Opa dir bedeutet. Einen Grand Prix gibt es immer wieder. Pass auf dich auf und melde dich sofort, wenn du da bist, hörst du?“

„Mach ich.“
 

Das Taxi kam und die beiden verschwanden. Otabek konnte ihnen nur hinterher winken und seinem Freund in Gedanken alles Glück der Welt wünschen.



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