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Gnädiges Gift

von

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Endlich zu Hause

Jodie saß in ihrem Lieblingscafé und tippte ein paar Zeilen in das Schreibprogramm ihres Laptops. Ihre Finger flogen beinahe über die Tastatur und die Seiten füllten sich wie von selbst. Seit sie aus Japan zurück waren, sprudelte sie nur vor Ideen für die Fortsetzung ihres Buches. Mit neuen Charakteren und einem anderen Handlungsort würde sie die Erwartungen des FBIs erfüllen. Ein weiteres Mal würde die Geschichte ihre eigenen Erfahrungen mit der Organisation wiederspiegeln, aber auch Hoffnungen auf ein gutes Ende aufzeigen. Und wer wusste schon, was die Zukunft noch mit sich brachte. Vielleicht kamen sie ihrem großen Ziel schon bald sehr nah.

Jodie war froh, dass die Rückkehr nach New York ohne Probleme ablief und die Organisation sie erstaunlicherweise in Ruhe ließ. Dennoch hatten sie gewisse Vorsichtsmaßnahmen getroffen und den Rückflug getrennt voneinander angetreten. Während sie mit Shinichi und Yusaku direkt morgens um sechs Uhr flog, machten sich Shuichi, Shiho und Yukiko erst um 14 Uhr auf den Weg. Wie von Shuichi geplant wurden sie von einigen FBI Agenten abgeholt und erst nach einer langen Rundfahrt durch New York zur Unterkunft der Kudos gebracht. Für Shiho hatte das FBI hingegen eine kleine Wohnung angemietet. Eigentlich sollte sich die Wissenschaftlerin in den ersten Tagen ein wenig Ruhe gönnen, doch sie wollte sofort mit der Arbeit beginnen. Auch Shinichi hatte Probleme damit die Füße still zu halten und wollte dort weiter machen, wo er in Japan aufgehört hatte. Glücklicherweise hatten seine Eltern ein gutes Auge auf ihn, ansonsten wären sie bereits in die nächste Katastrophe geschlittert.

Während Shuichi regelmäßig im Labor bei Shiho nach dem Rechten sah und aus der Ferne weitere Beweise gegen die Organisation sammelte, war Jodie für die Überprüfung der japanischen Medien zuständig. Sie sah sich sowohl die Aufzeichnungen der Nachrichten an, als auch die Artikel verschiedener Zeitungen im Internet. Wie von Amuro versprochen, stellte er den Tod von Akemi als Unfall mit Calvados dar. Obwohl an der Unfallstelle genügend von ihrem Blut hätte sichergestellt werden müssen, hatte die Polizei scheinbar keine Fragen gestellt. Jodie war froh, dass die Polizei nicht weiter recherchierte und dass auch die Organisation keine Fragen stellte, wobei Calvados noch immer einen unvorhergesehenen Faktor darstellte. Dennoch konnte sie sich nicht vorstellen, dass Amuro einen so großen Einfluss innerhalb der Organisation hatte. Aber warum verhielt sie sich dann so unauffällig? Da sich die Organisation nie in die Karten schauen ließ, brachte es nichts, sich Gedanken zu machen. Und Amuro konnten sie noch brauchen, immerhin wusste keiner, wie es weiter ging. Außerdem war es wichtig, dass Amuros falsche Identität nicht aufflog. Er und die japanische Sicherheitspolizei waren die einzigen, die vor Ort etwas gegen die Organisation ausrichten konnten. Aber ohne weitere Informationen und ohne die Hintermänner zu kennen, konnten sie nicht zum finalen Schlag ansetzen. Jodie hoffte, dass Amuro irgendwann den Kontakt zu Shuichi suchen würde, damit das FBI bei der Vernichtung der Organisation helfen würde. Aber was, wenn alles schief gehen würde?

Jodie schüttelte den Kopf. Sie wollte sich nicht von ihren Gedanken um die Organisation kontrollieren lassen und musste nach vorne sehen – so wie schon einmal. Und außerdem musste sie ihre Konzentration für ihre beiden Hauptaufgabengebiete aufbringen. Zum einen wollte der Regisseur immer noch, dass sie bei der Auswahl der Schauspieler dabei war und einige Szenen begleitete und zum anderen gab es immer noch die Fortsetzung, die sie schreiben musste. Wenigstens wollte ihr jetzt Yusaku mit gutem Rat zur Seite stehen. Und was konnte man mehr wollen, als einen Bestsellerautor als Beta-Leser? Er hatte viel mehr Erfahrungen als sie oder die Vorgesetzten beim FBI und konnte ihr sicherlich sehr viele Tipps und Tricks geben. Und falls sie von der Organisation beobachtet wurden, konnten sie so ihre Treffen verschleiern und gemeinsam weiter ermitteln. Ihr Plan war beinahe wasserdicht, aber wie so oft, würde die Organisation sicherlich noch ein Schlupfloch finden. Aber bis es soweit war, würden sie versuchen ihnen zuvor zu kommen – immerhin hatten sie drei ehemalige Mitglieder in ihren Reihen, einen Kriminalbuchautoren, der immer mal wieder als Berater der Polizei fungierte und einen Oberschuldetektiv, der sich am laufenden Band einmischte.

„Schon zurück?“

Jodie sah vom Bildschirm auf und klappte den Laptop zu.

„Angst, dass ich dir eine Idee klaue oder lese, was du deinen Freunden vom FBI schreibst?“, wollte Vermouth wissen und setzte sich auf den freien Platz gegenüber von Jodie. Kurz darauf winkte sie die Kellnerin heran. „Ich will einen schwarzen Kaffee.“

Jodie beobachtete ihre…was war Vermouth eigentlich für sie? Eine Freundin? Eine Schwester? Ein Feind? „Warum sollte ich?“, fing Jodie an. „Dir hab ich doch schließlich die Fortsetzung irgendwie zu verdanken.“

„Ach, ich bitte dich“, gab Vermouth von sich. „Als das Thema aufkam, warst du viel zu gut vorbereitet. Ich wette, das FBI hat dich bereits auf die Fortsetzung angesetzt. Versucht ihr uns damit heraus zu locken?“

„Tja…das wirst du leider nicht erfahren“, entgegnete Jodie.

Vermouth schmunzelte. „Gut, dass ich nicht neugierig bin“, sagte sie und sah kurz zu der Kellnerin, die ihr die gewünschte Tasse Kaffee auf den Tisch stellte. „Danke.“

„Ich hab kurz mit dem Regisseur gesprochen. Beim Film hat sich in den letzten Tagen leider nicht so viel ergeben.“

Chris zuckte mit den Schultern. „Du weißt doch wie das ist…ach nein, weißt du nicht. Du wirst das schon noch lernen, wenn du zurück kommst. Frag mich nicht warum, aber der Regisseur legt immer noch großen Wert auf deine Unterstützung.“

„Ich weiß, er hat bereits beim FBI angefragt, wann ich wieder zur Verfügung stehe“, sagte Jodie ruhig. „Ich nehme an, du spielst deine Rolle immer noch? Oder hast du es dir anders überlegt?“

Vermouth schmunzelte. „Du müsstest mich doch mittlerweile gut genug kennen um zu wissen, dass ich selten ein Engagement im Nachhinein ablehne.“

Jodie musterte sie. „Wer weiß, vielleicht hast du andere Anweisungen bekommen. Oder nutzt du deinen Status als Liebling aus und bleibst deswegen hier?“

„Wer weiß“, entgegnete die Schauspielerin. „Aber ihr lasst mir ja keine andere Wahl. Und ich muss zugeben, ich bin sehr gespannt, wie es mit dir weiter geht.“

Jodie wurde ernster.

„Jetzt komm mal runter. Ich hab nicht vor in deinem Privatleben herumzuwühlen…zumindest noch nicht. Aber wer weiß…die Zukunft steht uns allen ja noch offen. Früher oder später werden wir uns alle sicher wiedersehen und darauf freue ich mich jetzt schon.“

„Wie nett von dir.“

Vermouth sah sich um. „Kommen wir zu ernsteren Themen. Was willst du von mir?“

„Wie kommst du darauf, dass ich etwas von dir will?“, wollte Jodie wissen.

„Ich bitte dich, du könntest genauso gut bei dir zu Hause schreiben oder in deinem Büro. Aber du gehst ausgerechnet in ein Café. Das riecht sehr danach, dass du es auf ein Treffen mit mir abgesehen hast. Außerdem sind mindestens zwei FBI Agenten hier und passen auf dich auf. Dein Freund tummelt sich bestimmt irgendwo dort draußen rum. Er parkt doch meistens immer ein paar Blocks weiter weg. Na? Wie mach ich mich?“

Jodie lächelte. „Sehr gut“, fing sie an. „Du hast Recht. Ich wollte mit dir reden und das möglichst ungezwungen. Wie schön, dass du gleich auf meinen kleinen Trick angesprungen bist“, fügte sie hinzu und nippte an ihrem Glas. „Du weißt sicher, dass wir in Japan waren und ein paar Personen getroffen haben.“

Vermouth schwieg.

„Du hast dich vor einigen Monaten auch mit ihnen getroffen, nicht wahr? Du hast ihnen mitgeteilt, dass sie sich um ihren Sohn keine Sorgen machen und die Sache auf sich beruhen lassen sollen. Du wolltest nicht, dass sie sich in Gefahr bringen. Warum war es dir so wichtig, dass sie das erfahren?“

„Das weißt du doch bereits. Ihr habt doch bestimmt herausgefunden, was in der Vergangenheit passiert ist“, antwortete Vermouth und nahm einen Schluck von ihrem Kaffee. „Ich gebe dir einen guten Rat…weil wir uns schon so lange kennen. Wenn es zur nächsten Konfrontation kommt, werde ich auch vor dir keinen Halt machen. Mein Überleben ist mir viel wichtiger. Oh und übertreib es nicht in deinem nächsten Buch.“

„Das hab ich nicht vor“, gab Jodie von sich. „Verstehe ich es richtig, dass ihr den Jungen und seine Familie von nun an in Ruhe lassen werdet?“

„Kommt drauf an“, begann die Schauspielerin. „Was hast du uns zu bieten?“

„Frieden“, antwortete Jodie. „Wir wissen doch alle, dass Shinichi sehr gerne gegen euch ermitteln würde. Nicht zu vergessen sein Vater, ein bekannter Kriminalbuchautor, der bestimmt auch ein paar Ideen hat, wie man gegen euch vorgehen sollte. Wenn ihr die Familie in Ruhe lasst, werden sie euch auch in Ruhe lassen. Eine win-win-Situation für alle Beteiligten.“

„Und das soll ich dir wirklich glauben?“

Jodie zuckte mit den Schultern. „Glaub was du willst. Aber wenn du die Familie schützen willst, reicht dir dieser Deal.“

„Ich leite das Angebot weiter und melde mich…vielleicht“, sagte sie und stand auf. „Ihr solltet mich besser nicht verfolgen“, fügte sie hinzu und ging.

„Jaja…ich zahl für dich mit…“, murmelte Jodie und sah zu den Kollegen vom FBI. Außer einem kurzen Nicken bekam sie keine weitere Reaktion. Mal sehen wie es weitergeht, sagte sie zu sich selbst.

„Wie war es?“

Jodie blickte abermals auf. „Shu“, wisperte sie. „Du hast es doch über das Abhörgerät mitbekommen.“

Der FBI Agent setzte sich zu ihr. „Ich wollte eigentlich wissen, wie es dir damit ging sie wiederzusehen.“

Jodie zuckte mit den Schultern. „Es war in Ordnung. Sie planen irgendwas, aber ich kann nicht sagen was genau es ist.“

Shuichi nickte verstehend. „Wir werden sie weiter im Auge behalten. Wahrscheinlich wird Shiho ihr Ziel werden. Wir werden also vorsichtig sein müssen, wenn wir zu ihr wollen oder wenn sie zu uns will.“

Jodie nahm einen weiteren Schluck aus ihrer Tasse. „Hast du mit ihr gesprochen?“

„Hab ich“, antwortete Shuichi ruhig. „Sie hat…es nicht so gut aufgenommen, als sie erfahren hat, dass unsere Mütter verwandt waren“, erzählte er. „Aber sie wird damit klar kommen…früher oder später. Unter Akemis Tod leidet sie selbstverständlich weiterhin, aber das Ende der Organisation reicht ihr in der jetzigen Zeit als Antrieb.“

„Ich verstehe“, murmelte Jodie. „Hat sie sich die Sachen angeschaut, die ich ihr von Akemi geben sollte?“

„Es waren Kassetten, die ihre Mutter zu Lebzeiten aufgenommen hat. Sie hat sich noch nicht alle angehört, aber sobald es Anzeichen gibt, dass die Kassetten Informationen gegen die Organisation enthalten, kriegen wir sie.“

„Ich wünschte, wir könnten irgendwas für sie tun“, sagte Jodie.

„Shiho war vom Kindesalter an auf sich allein gestellt. Sie braucht Zeit, ehe sie sich anderen Menschen öffnet. Leider müssen wir auch noch darauf achten, dass sie erst einmal nicht viel Kontakt mit Shinichi hat.“

Jodie seufzte. „Dabei hatten die Beiden von Anfang an einen guten Draht zueinander. Aber ich nehme an, sie versteht die Gründe?“

„Natürlich“, entgegnete der FBI Agent. „Sie wird nichts tun um sich oder die Kudos in Gefahr zu bringen. Das FBI kann von Glück reden, dass sie uns jetzt unterstützt. Shiho hatte zwar mit wenigen Mitgliedern Kontakt und kann keine Namen nennen, aber sie kennt wenigstens die Pillen, die sie entwickelt hat und arbeitet an einem Gegenmittel.“

„Wenn ich das höre, will ich gar nicht wissen, was noch im Hintergrund lief…“

„Es wird sehr viel geben, was du nicht mitbekommen hast“, antwortete Shuichi und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Und was ist mit Shinichi? Hat er sich mittlerweile in New York eingelebt?“

„Naja…wie man es nimmt“, gab Akai von sich. „Er möchte so schnell wie möglich mit den Ermittlungen anfangen und wird derzeit von seinem Vater zurück gehalten. Natürlich möchte der Junge auch wieder zurück nach Japan zu seinen Freunden und zu seiner Freundin…aber ich glaube nicht, dass wir so schnell Fortschritte machen werden“, fügte er hinzu. „Und es wird auch nicht besser, wenn er beginnt sich hier in irgendwelche Mordfälle einzumischen.“

„Also geht es für ihn genau so weiter wie in Japan“, murmelte Jodie. „Da können wir nichts machen, Shu. Wenn er sich selbst der Gefahr aussetzt, muss er früher oder später mit den Konsequenzen rechnen. Wir können lediglich aufpassen, dass er seine Mitmenschen nicht auch noch in Gefahr bringt.“

Der FBI Agent nickte. „Deswegen möchte ich derzeit auch nicht, dass der Junge mit Shiho Kontakt hat. Zumindest wissen wir bereits, dass unsere besonderen Freunde die Familie in Ruhe lassen werden.“

„Du meinst, weil sie bisher nichts gegen sie unternommen haben?“, wollte Jodie wissen und dachte nach. „Ich hoffe nur, dass das nicht die Ruhe vor dem Sturm ist. Mittlerweile fällt es auch mir schwer ihre Handlungen vorherzusehen oder zumindest zu erahnen.“

„Mach dir darum keine Gedanken. Wir sind hier erst einmal sicher und können uns auf andere Dinge fokussieren.“ Shuichi holte seine Geldbörse hervor und legte einen Schein auf den Tisch. Er stand auf. „Komm, lass uns nach Hause gehen.“

Jodie lächelte und packte den Laptop in ihre Tasche. Noch nie hatte sich nach Hause gehen so gut angehört. Endlich gehörte sie zu den Menschen, die ein zu Hause hatten. „Ja, lass uns nach Hause gehen.“


Nachwort zu diesem Kapitel:
Herzlichen Glückwunsch!
Ihr habt es geschafft, Gnädiges Gift ist damit zu Ende *Luftballons steigen lass* Komplett anzeigen

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