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Gnädiges Gift

von

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Vor einem Monat - Zukunft

Shuichi verengte die Augen. „Akemi“, begann er leise, während sich die Erinnerungen der Vergangenheit manifestierten. Erst vor einigen Jahren hatte er durch den Hintergrundcheck des FBIs von seiner weiteren Familie erfahren. In der Hoffnung, mehr über das Verschwinden seines Vaters herauszufinden, sah er sich jene Berichte an und musste leider feststellen, dass seine Tante und sein Onkel im frühen Alter verstarben. Nur ihre Tochter Akemi blieb übrig. Das jüngste Kind – Shiho – ging sogar dem FBI durch die Lappen. Akemi hatte er nur wenige Wochen später kennengelernt und sie als Sprungbrett für seinen Auftrag innerhalb der Organisation benutzt. Selbstverständlich wollte er darauf achten, dass sie so schnell wie möglich aus der Schusslinie geriet, doch das Schicksal hatte diesen Part für ihn übernommen. Und Shuichi musste zugeben, dass er darüber sowohl froh als auch bestürzt gewesen war, da er seine Verwandtschaft gern näher kennen gelernt hätte. Andererseits hätte er wahrscheinlich Jodie nicht kennen und lieben gelernt. Er blickte kurz zu der jungen Frau und lächelte, wurde aber im nächsten Moment wieder ernst. „Weißt du eigentlich in welche Gefahr du dich mit diesem Anruf begibst?“, wollte er wissen.

„Das weiß ich“, antwortete Akemi. „Es ist trotzdem schön…deine Stimme wieder zu hören. Ich wollte…ich wollte schon die ganze…Zeit mit dir reden…aber…“

„Aber?“

„Sie haben mich die ganze Zeit unter Beobachtung gestellt. Deswegen konnte ich einen Anruf erst jetzt wagen.“

„Ist dir was passiert?“, kam es von dem Agenten. Er ballte die Faust und verfluchte sich für seine eigene Dummheit. Natürlich würden sie Akemi für alles verantwortlich machen, immerhin hatte sie die Aufmerksamkeit der Organisation auf ihn gelenkt. Sie mussten sie ebenfalls für eine Verräterin halten und obwohl er eigentlich damit rechnen musste, hatte er keine Sekunde mehr an sie gedacht. Sein eigenes Leben, aber auch das Leben von Jodie war wichtiger. Akai biss sich auf die Unterlippe. Wie konnte er sich jetzt noch FBI Special Agent nennen, wenn er doch wie alle anderen war?

„Nein, es geht mir gut“, fing sie an. „Nachdem sie hinter deine wahre…Identität gekommen sind, hielten sie mich allerdings für deine Komplizin. Sie glaubten, dass ich die ganze Zeit die Wahrheit kannte und mit dir zusammen gearbeitet habe. Deswegen ließen sie damals auch nicht zu, dass ich in Jodies Nähe kam. Es hat lange gedauert um sie vom Gegenteil zu überzeugen. Aber jetzt vertrauen sie mir…mehr oder weniger…eigentlich genau so, wie sie es vorher auch getan haben. Ich glaube aber, wenn Shiho nicht wäre, hätten sie mich zur Sicherheit beseitigt.“ Akemi schluckte. „Aber ohne mich…haben sie kein Druckmittel gegen meine Schwester.“

„Akemi…“, murmelte Shuichi. „Es tut mir leid… Ich glaubte, du seist in Aomori in Sicherheit. Ich wollte dich nie dieser Gefahr aussetzen.

„Ist schon gut“, entgegnete Akemi. „Du hast es ja nicht mit Absicht getan.“

Shuichi schluckte ein weiteres Mal. Verdrängte sie die Wahrheit oder wollte sie ihm weiterhin glauben. „Akemi…“

„Ich weiß“, gab sie von sich. „Ich bin nicht dumm, Dai…nein Shuichi. Ich weiß, dass unser Treffen kein Zufall war, aber ich weiß, dass es nicht deine Absicht war, mich in Gefahr zu bringen. Und wenn die Umstände anders gewesen wären, vielleicht wären wir…“ Akemi schüttelte den Kopf. „Ist jetzt egal, du hast Jodie und bist mit ihr bestimmt glücklich, nicht wahr? Ich hab von den Ereignissen gehört und ich hätte nie gedacht, dass ausgerechnet sie die Organisation verrät.“

„Es war eine harte Zeit…für uns alle. Geht es dir denn gut? Ist die Organisation hinter dir her?“

Akemi seufzte leise. „Naja…den Umständen entsprechend. Wir sind vor einigen Monaten wieder nach Tokyo gezogen. Shiho arbeitet jetzt in einem Institut. Es gibt viele Tage an denen ich sie nicht sehen kann und ich glaube, dass sie schon beinahe Tag und Nacht arbeitet. Irgendwann rächt sich ihr Körper dafür“, erzählte sie.

„Lange arbeiten ist noch kein Grund um sich Sorgen zu machen. Wenn ich einen Fall auf dem Tisch habe, arbeite ich auch rund um die Uhr“, versuchte er sie zu beruhigen.

„Das ist was anderes“, gab Akemi sofort von sich. „Aber deswegen hab ich nicht angerufen. Ich mach mir wirklich große Sorgen um Shiho. Ich glaube, sie hat bei ihren Forschungen einen Durchbruch erreicht und…“ Akemi brach ab und rang mit den Worten.

„Und was? Solltest du dich nicht freuen, dass deine Schwester so erfolgreich ist…auch wenn sie für die Organisation arbeiten muss…?“

„Sollte ich wohl“, murmelte Akemi. „Aber sie verhält sich merkwürdig. Ich bin ihr einmal zum Institut gefolgt und dort waren auch andere von ihnen. Wir haben…sie damals bei der Geburtstagsfeier getroffen…im Blue Parrot.“

Shuichi kniff die Augen zusammen. Er erinnerte sich noch gut an den Tag. Vorher hatte Akemi ihm ein paar Informationen über Jodie und ihren Werdegang gegeben, danach versuchten sie sich unter das Volk zu mischen. Viele der Gäste trugen Schwarz, sodass man auf die Idee kommen konnte, auf einer Trauerfeier zu sein, doch in Wahrheit waren einige – ihm mittlerweile bekannten – Organisationsmitglieder vor Ort. Ausversehen hatte ihm Akemi erzählt, dass jeder der die Farbe Schwarz trug, etwas in der Organisation zu sagen hatte. Sie waren alle gefährlich.

Und dann kam Gin auf ihn zu. Er verscheuchte Jodie und Akemi und nahm ihn mit nach draußen. Aber Shuichi kannte keine Angst und sah direkt in den Lauf von Gins Waffe. Er hatte sich damals keinen Millimeter bewegt, obwohl die Gefahr bekannt war, in die er sich begab. Stattdessen erntete er eine Art Anerkennung von Gin und wurde für die Organisation rekrutiert.

Eigentlich war es eine Schande, dass die Organisation nicht auch Gin in die Mangel nahm, zumal dessen Intuition ihn im Stich ließ. „Ich ahne, welche Personen du meinst“, gab Akai von sich.

„Als ich sie ein anderes Mal von dort abholte, bekam ich ein Gespräch mit. Sie testen irgendwas an einem Probanden und Shiho überwacht ihn. Ich kann nicht…glauben, dass Shiho sowas Schreckliches…tun würde…“ Akemis Stimme brach ein.

„Es ist noch nicht bewiesen, dass deine Schwester aktiv in ihre Machenschaften eingebunden wird.“

„Doch“, antwortete Akemi. „Ich habe Beweise. Nachdem wir wieder in Tokyo waren, habe ich Shiho eine CD mit Fotos geliehen. Es sollte sie an die glückliche Zeit damals erinnern. Ein paar Tage später gab sie mir die CD zurück, allerdings hatte sie diese mit ihren Forschungen vertauscht. Shiho ist der Fehler sehr schnell aufgefallen und sie schrie mich am Telefon fast an, dass sie die CD dringend zurück braucht und ich keinem diese Ergebnisse zeigen darf…“

„Aber du warst neugierig?“, wollte der FBI Agent wissen.

„Ja“, wisperte Akemi. „Ich wollte wissen, warum sich meine Schwester so verhalten hat und hab mir den Inhalt angeschaut. Er war nicht verschlüsselt…ich glaube, es war ihre Sicherungskopie, falls doch etwas schief ging.“

„Was hast du mit der CD gemacht?“

„Ich hab den Inhalt kopiert“, gestand Akemi. „Und Shiho das Original wiedergegeben…ich hab sie angelogen und ihr gesagt, dass ich mir den Inhalt nicht angesehen habe. Aber ich weiß nicht, ob sie mir geglaubt hat.“

„Kopiert“, wiederholte Shuichi.

„Es sind viele kleine Dateien, aber auch eine große Datei ist dabei. Ich kann sie allerdings nicht per E-Mail verschicken. Und ich möchte sie auch nicht einfach in die Post geben…aber wenn ich sie vernichte…“

„Dann haben wir nichts gegen die Organisation in der Hand“, murmelte Shuichi. „Ich werde mit meinem Vorgesetzten darüber reden.“

„Da gibt es noch was…“

„Was?“

„Ich habe meine Kopie einem befreundeten Chemiker gezeigt.“

Shuichi schluckte.

„Er hat sich den Inhalt angesehen und recherchiert. Er kann nur Vermutungen anstellen, glaubt aber, dass das, woran meine Schwester arbeitet, ein Gift ist.

Shuichi wurde hellhörig. „Ein Gift…“ Er biss sich auf die Unterlippe. Bereits bei Jodie hatten sie eine unbekannte Pille eingesetzt und ihre Erinnerungen unterdrückt. „Hast du deinem Bekannten eingebläut, dass er die Ergebnisse vergessen soll? Bist du dir sicher, dass er nicht auch zu ihnen gehört?“

„Ja, er…er weiß nichts von der Gefahr, aber er weiß, dass er den Mund halten soll. Dai, meine Schwester darf nichts…entwickelt haben…was andere Menschen umbringt“, schluchzte Akemi. „Was soll ich denn jetzt machen? Sie machen sie zu einem Monster…und wenn der Proband im Institut das erste Opfer ist…ich will gar nicht daran denken.“

„Akemi, atmete erst einmal tief durch“, fing Shuichi an. „Ich möchte, dass du die CD versteckst und daran denkst, dass deine Schwester kein schlechter Mensch ist.“ Er überlegte und sah ein wenig hilflos zu Jodie.

„Zero“, flüsterte sie leise.

Shuichi runzelte die Stirn. Er war sich nicht sicher, ob ein Mitarbeiter der japanischen Sicherheitspolizei die richtige Anlaufstelle für Akemi war. Zero oder Bourbon wie er sich in ihrer Mitte nannte, war schon damals jemand, der für sein Ziel alles tat. Und Shuichi wusste nicht, wie es dem Mann in den letzten Monaten erging. „Kennst du jemanden bei der Sicherheitspolizei?“, wollte er wissen.

„Sicher…heits…polizei?“, wiederholte Akemi. „Da kann ich nicht hin. Das ist viel zu gefährlich. Die Organisation hat jede Bundesbehörde infiltriert. Und ich kann auch nicht zur Polizei oder zur Sicherheitspolizei. Ich kann nur dir vertrauen. Bitte, du musst mir helfen.“

„Akemi, so schnell kann ich nicht…“

„Ich weiß, aber du musst mir helfen. Bitte…wenn du mir nicht hilfst, dann weiß ich nicht, was ich machen soll…Bitte…“

„Bitte beruhige dich“, entgegnete der FBI Agent. „Ich werde mit meinem Vorgesetzten sprechen. Tu nichts Unüberlegtes.“

Akemi wischte sich die Tränen weg.

„Akemi?“

„Ich bin noch dran“, wisperte die junge Frau.

„Ich werde dir helfen. Ich weiß noch nicht wie, aber ich werde dir helfen“, sagte er.

„Du musst nach Japan kommen.“

Shuichi schluckte. „Akemi, das geht nicht so einfach. Aber ich überleg mir was.“ Er sah auf seinen Computer. „Ich weiß, es ist viel verlangt, aber kannst du mich zum Ende der Woche noch einmal anrufen?“

„Ich werds versuchen“, wisperte sie. „Danke, Dai.“

„Akemi? Bitte versprich mir, dass du nichts Unüberlegtes tust. Du musst so tun, als wüsstest du nichts von ihren Forschungsergebnissen. Kannst du das?“

„Ich werde es versuchen“, sagte sie leise. „Wenn es um meine Schwester geht, kann ich alles.“
 

Shuichi sah zu Jodie. „Das hörte sich gar nicht gut an“, murmelte er.

„Wie geht es Akemi?“, wollte sie wissen.

„Sie sind wieder in Tokyo. Es war eine harte Zeit für sie, da man dachte, sie sei meine Komplizin. Jetzt hat sich die Situation wohl beruhigt“, entgegnete er. „Sie hat durch einen Zufall die Forschungsergebnisse ihrer Schwester in die Hände bekommen und sich durch einen Bekannten bestätigen lassen, dass es sich um ein Gift handelt.“

Jodie schluckte. „Gift…“, murmelte sie. „Bist du sicher, dass es nicht die Zusammensetzung von der Pille ist, die ich damals bekam?“

„Nein. Das kann nur ihre Schwester beantworten. Wir haben zwar mittlerweile die Zusammensetzung deiner Pille durch unsere eigenen Labore bestätigen lassen, aber ohne den Abgleich zu Shihos Forschungsergebnissen stehen wir bei null. Und Akemi möchte sich nicht an die Sicherheitspolizei wenden. Sie vertraut nur mir.“ Shuichi seufzte. „Ich weiß aber nicht, wie ich ihr helfen kann.“

„Du willst nach Japan fliegen“, kam es leise von Jodie.

„Wenn es nicht anders geht…Allerdings muss ich dort sehr vorsichtig sein. Sobald ich einreise, werden sie mir sicher ihre Schergen auf den Hals hetzen und ohne Ermittlungsbefugnis darf ich offiziell nicht aktiv werden. Es wird nicht einfach sein ihr zu helfen.“ Shuichi sah sie an. „Aber egal was ich denke, ich muss vorher mit Black darüber reden.“

„Ich komm mit…nach Japan.“

Akai schüttelte den Kopf. „Das ist viel zu gefährlich. Sie warten doch nur darauf.“

„Und für dich ist es nicht gefährlich?“, konterte sie. „Und sag mir nicht, dass das was anderes ist.“

Shuichi biss sich auf die Unterlippe. „Ich hab ein ungutes Gefühl bei der Sache.“

Jodie nickte zustimmend. „In Anbetracht, dass gerade das Buch in Japan erschienen und jetzt ein Film mit Vermouth geplant ist, könnte der Anruf fingiert worden sein. Du kannst nicht wissen, ob Akemi nicht bedroht wurde.“

Shuichi verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich glaube, sie hätte mir einen Hinweis gegeben, wenn dies der Fall wäre. Aber ich gebe dir Recht, es könnte alles miteinander im Zusammenhang stehen. Die Beweise der Organisation könnten auch manipuliert worden sein, um mich nach Japan zu locken.“ Shuichi stand auf. „Schauen wir mal, was James dazu sagt.“

„Dann geh ich zurück in mein Büro“, murmelte Jodie. „Kommst du danach rüber und hältst mich auf dem Laufenden? Shu, wir dürfen uns jetzt keinen Fehler erlauben.“

„Ich weiß“, antwortete der FBI Agent. „Dieser Fall wird größer als alles, was wir je hatten. Er wird über unsere Zukunft entscheiden.“



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